Plant Nordkorea im Schatten des Ukraine-Kriegs und China-Konflikts wieder einen Atomtest?

Kim Jong-un wirkt in seinem Party-Look ein wenig desinteressiert während eines Raketenstarts.

Dutzende von Raketentests hat Nordkorea vorgeführt und erklärt, es sei irreversibel zu einer Atommacht geworden. Bei einem siebten Atomwaffentest drohen die USA vage mit einer harten Antwort, Russland und China werden das gespannt beobachten. Sollte das Regime eine Atomwaffe einsetzen, werde man das Land vernichten, so die neue Nationale Verteidigungsstrategie.

 

Nordkorea hat am Freitag erneut zwei Kurzstreckenraketen über das Meer abgefeuert. Nach südkoreanischen Angaben flogen die Raketen etwa 230 km mit bis zu 5 Mach, bevor sie im Meer abstürzten. Möglicherweise war das als Warnung vor der südkoreanisch-amerikanischen Luftwaffenübung „Vigilant Storm“ gedacht, die gestern begonnen hat. Für den südkoreanischen Generalstab ist der Raketenstart eine „schwere Provokation“, was umgekehrt natürlich auch gilt für die Militärübung. Nordkorea könnte mit den Raketentests vorhaben, taktische Atomwaffen zu entwickeln.

Vermutet wird, Nordkorea könnte einen weiteren Atomwaffentest vor den amerikanischen Midterm-Wahlen ausführen. Der letzte, der sechste, fand 2017 statt. Angeblich fanden im Land Atomwaffenübungen statt. Das Land hatte in diesem Jahr 46 Raketentests gemacht, Anfang Oktober ließ man provokativ eine Mittelstreckenrakete mit einer angeblichen Reichweite von 4500 km  über Japan hinweg fliegen. Zuletzt war dies 2017 geschehen, als der damalige US-Präsident Trump in den Ring mit Kim Jong-un stieg, die beiden sich beschimpften und jeweils mit ihren atomaren Waffen drohten.

Amerikanisch-koreanische Militärübungen Vigilant Storm. Bild: Koreanisches Verteidigungsministerium

Seit September hat Nordkorea mindestens 11 Raketentests gemacht, in Südkorea, wo man immer wieder fordert, sich auch mit Atomwaffen aufzurüsten, fanden mehrere Militärübungen der südkoreanischen, japanischen und amerikanischen Streitkräfte statt. Wie üblich puscht man sich gegenseitig hoch. Am 24. Oktober wurden Warnschüsse ausgetauscht, nachdem ein südkoreanisches Kriegsschiff in das nordkoreanische Hoheitsgewässer eingefahren war.

Nordkorea könnte die angespannte Lage ausnutzen, um seine Atomkapazität zu testen und zugleich zu demonstrieren, schließlich binden der Krieg in der Ukraine und der eskalierende Konflikt um Taiwan vor allem die Kräfte der USA. Für das  Regime in Nordkorea ist die atomare Abschreckung ein Überlebensgarant, auch wenn das Land bislang nur über wenige Raketen mit Atomsprengköpfen verfügt. Vermutlich kann aber bereits die Westküste mit einer Rakete erreicht werden, Unsicherheit herrscht, ob das amerikanische Raketenabwehrschild auch eine einzelne Rakete abfangen könnte. Aber eine Atombombe, die in Washington oder New York heruntergehen könnte, ist Warnung genug. 2017 hatte man in Washington Angst, Nordkorea könne eine Atombombe in großer Höhe über den USA zünden und mit dem elektromagnetischen Impuls weite Teile des Landes lahmlegen (Kann Südkorea mit einer nordkoreanischen EMP-Bombe lahmgelegt werden?, Warnung vor einem nordkoreanischen EMP-Angriff auf die USA).

In der gerade veröffentlichten Nationalen Verteidigungsstrategie wird Nordkorea nach Russland und China als größte Bedrohung aufgeführt: „Nordkorea fährt fort, seine Nuklear- und Raketenfähigkeiten auszubauen, um das Territorium der USA, die stationierten US-Streitkräfte und die Republik Korea (ROK) und Japan zu bedrohen, und versucht gleichzeitig, Keile zwischen die Bündnisse Vereinigte Staaten und ROK und Vereinigte Staaten-Japan zu treiben.“ Falls Nordkorea eine Atomwaffe einsetzen würde, wird in dem ebenfalls gerade veröffentlichten Nuclear Posture Review (NPR) gedroht, das Land zu vernichten: „Jeder nukleare Angriff auf die USA oder ihre Alliierten und Partner ist inakzeptabel und wird zum Ende des Regimes führen. Es gibt kein Szenario, in dem das Kim-Regime Atomwaffen einsetzen und überleben könnte.“

Noch ist unklar, ob Nordkorea tatsächlich demnächst einen Atomwaffentest durchführen wird, erwartbar ist das in der nächsten Zeit, denn das Regime muss vorführen, dass es seine nuklearen Kapazitäten ausbaut und vor allem, dass es fähig ist, atomwaffenfähiges Plutonium herzustellen. Kim Jong-un hatte im September erklärt, Nordkorea sei irreversibel eine Atommacht.

Die USA, Südkorea und Japan haben schon mal am vergangenen Mittwoch gewarnt, es werde eine „noch nicht dagewesene starke Antwort“ auf einen Atomtest geben. Die drei Außenminister versicherten, dass sie die Abschreckung in der Region und die Kooperation verstärken werden. Ted Price, der Sprecher des Außenministeriums, hatte am Dienstag gesagt, Nordkorea sei bereit, jederzeit einen Atomwaffentest ausführen zu können. Vorbereitungen seien am Testgelände getroffen worden. Man habe Nordkorea vor den Kosten und Konsequenzen gewarnt. Aber man setze auf Diplomatie, um das Ziel eines Abbaus der Atomwaffen zu erreichen. Das waren neue Töne, gleich darauf aber folgte, dass man vorbereitet sei, weitere Schritte auszuführen. Die Drohung blieb also verhalten. Washington scheut einen dritten heißen Konflikt.

China und vor allem Russland werden genau beobachten, wie die USA sich hier verhalten werden, wenn Nordkorea tatsächlich einen Atomwaffentest ausführt. Ähnlich könnte die Lage sein, wenn eine „schmutzige Bombe“ in der Ukraine eingesetzt wird

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7 Kommentare

  1. eine „noch nicht dagewesene starke Antwort“ – Dauerbeschallung mit u.s.-Rap, vielleicht von Je? Oder was darf man sich darunter vorstellen? Mehr als wirtschaftlich strangulieren kann man ein Land nicht und das tut man ja seit Jahren. Bleibt nur der direkte militärische Angriff. Ein Atomtest als Casus belli? Und Sinn machte eine solch offensive Reaktion auch keine. Ein zerstörtes Nordkorea würde nicht von u.s.-Konzernen wieder aufgebaut und dann noch das Risiko eigner herber Verluste, schlecht auszusehen gegen einen Hungerleider-Staat. Also eher das übliche u.s.-bragging – heisse Luft.

  2. Zu „Washington scheut einen dritten heißen Konflikt.“:

    Ist das so?
    Oder ist auch Nordkorea vom gigantischen US-Militär vor seiner Küste für den „Coming War on China“ (s. John Pilger) betroffen?
    Fakt ist:
    Führende US-Medien (WaPo, Bloomberg u.v.m.) propagieren seit Wochen nicht nur einen heißen Konflikt an mehreren Fronten gleichzeitig (Russland, China, Iran,…), sondern in ihren Headlines wörtlich einen DRITTEN WELTKRIEG – den die USA führen müssten, bevor China & Friends gemeinsam so stark werden, dass sie die multipolare Weltordnung durchsetzen können, die China seit 1997 anstrebt.
    (Liste der Medien s. caitlinjohnstone.com)
    Der Begriff „Multipolarität“ gilt inzwischen nicht mehr nur als „russische Propaganda“, sondern wurde von Bundeskanzler Scholz, EU-Außendarsteller Borrell u.v.m. in ihren Reden etabliert – natürlich nicht positiv, aber als Tatsache – gegen die der Wertewesten alles an Kampfkraft aufbieten müsse.

    Dazu aus den beiden führenden „Denkfabriken“ der US-Außenpolitik:

    27.8., Matthew Kroenig (Atlantic Council) in FP:
    „International Relations Theory Suggests Great Power War Is Coming“
    Zitat:
    „Multipolar systems are unstable in part because each country must worry about multiple potential adversaries. Indeed, at present, the U.S. Defense Department frets about possible simultanuous conflicts with Russia in Europe and China in the Indo-Pacific. Moreover, U.S. President Joe Biden has stated that the use of military force remains on the table as a last resort to deal with Iran’s nuclear program. A three-front war is not out of the question.“

    27.10., Foreign Affairs (Council on Foreign Relations):
    „Could America Win a New World War?
    What It Would Take to Defeat Both China and Russia“
    Zitat:
    „This type of war would be frightening, in no small part because it would occur under the shadow of the Chinese, Russian, and U.S. nuclear arsenals.“

    Sprich: Führende US-Neocons würden lieber einen 3. Weltkrieg mit Einsatz von „nuclear arsenals“ riskieren, als sich in die multipolare Weltordnung einzufügen, die von der großen Mehrheit der Weltbevölkerung nachweislich begrüßt wird (s. Link von venice12 auf Studie der University of Cambridge)

    Doch davon sollten wir uns nicht in apokalyptische Resignation, wie sie hier im Forum oft anklingt, abdrängen lassen, sondern wir sollten JETZT aktiv werden – als Teil der großen Mehrheit der Weltbevölkerung!

    1. Sind wir denn nicht aktiv, Sabine?

      Ist nicht der Hegemonial-Anspruch des Westens „messy“ anstatt einer Form von „multipolarity“, welche Zusammenarbeit und gemeinsame Interessen stärker betont als Einzelinteressen?

      Beherrschen die USA und der Westen ihr Geschäftsmodell?
      Müssen wir als Menschen des Mitmenschen Wolf sein?
      Können wir nicht auch des Mitmenschen Freund und Unterstützer sein?
      Was habe ich in meinem bisherigen Leben gemacht?
      Es kreisen sicher 99 Prozent meiner Gedanken um das Wohl meiner Mitmenschen und nicht um mein Wohl (im realen Leben wohl gemerkt).
      Apokalypse ist im religiösen Sinne ein Purgatorium, keine Endveranstaltung.
      Die Art zu leben ist letztlich wichtiger als das Leben, aber ohne die Basis des Lebens gibt es auch keine Art zu leben.

      Anscheinend steht führenden Neocons das Wasser derart bis zum Hals (oder sie erhoffen sich derart außerordentliche Extraprofite durch eine „unfreundliche Übernahme“ Russlands), dass sie nahezu unreflektiert gewaltige Risiken eingehen, bei denen sie struktrurell die größten Verlierer in dem Sinne sind, dass sie bei einer gewaltigen Eskalation am meisten zu verlieren haben. Und ohne Lakaien sind sie weniger resilent als ein Großteil der weniger privilegierten Einwohner von Entwicklungsländern.
      Wenn der kapitalistische Beiss-Reflex nicht in der Lage ist, seine Zustandsform zu analysieren und existentielle Gefahren in Kauf nimmt, weil er glaubt, sie seien taktischer und nicht strategischer Natur, dann hat er zusammen mit seinem Träger jede Existenzberechtigung verloren.
      Ich verdamme nicht jede Form von Kapitalismus, aber solch fatale Formen ohne wenn und aber.

      1. Hallo Luck,
        nach meinem Eindruck haben wir ziemlich ähnliche Lebensauffassungen.

        Zu „Anscheinend steht führenden Neocons das Wasser derart bis zum Hals“:
        Das glaube ich seit Längerem auch.
        Doch weil es ihnen jetzt um „alles oder nichts“ geht und sie weltweit bestens vernetzt sind, insbesondere mit Politikern und Medien hierzulande, halte ich ihren „Endkampf“ für gefährlich.
        Aber vor Apokalypse-Paranoia möchte ich warnen, weil wir jetzt klare Gedanken und Tatkraft brauchen.

  3. „Amerikanisch-[süd]koreanische Militärübung[en] VIGILANT STORM“
    Ich habe den Verdacht, dass die Amis einfach die Namen nordkoreanischer Militärübungen per DeepL übersetzen (linguistisches Judo) oder Quentin Tarantino muss sich als Nebenberuf sowas wie VIGILANT STORM ausdenken.
    Außerdem vermute ich, dass Nordkorea sofort klein beigeben würde, wenn man Kim Jong-un’s größten Wunsch erfüllte und ihm im nächsten James-Bond-Film als Oberbösewicht mitspielen ließe – Mit österreichischem Akzent!

  4. Kim Jong-un hat sich Dank YouTube über das Ende von Gaddafi und Hussein ansehen dürfen. Die Freude der US-Administration ist bei dem Auftragsmord von bin Laden auch nach Nordkorea übertragen worden.

    Ein paar solche Atombömbchen sind für manche eine kleine Lebensversicherung …
    oder werden zum Racheengel…

    Auch wen Nordkorea die USA damit nicht besiegen kann, aber sollten über Hawaii und an der Westküste was zünden, weil die Neocons mal einen Regimechance in Nordkorea versuchen mussten, dann wars das mit dieser US-Regierung.

  5. Warnungen, daß Kim Jong-un dabei ist, einen neuen Atomtest zu veranstalten, gibt es in der internationalen Presse jedes Jahr zwei- oder dreimal. Das ist allerdings so wie bei dem Idioten, der in einem vollbesetzten Kino immer wieder „Feuer“ ruft. Wenn dann tatsächlich mal ein Feuer ausbrechen sollte, kann er behaupten: „Seht ihr, ich habe es ja immer gesagt“.

    Man kann sich angesichts der Häufung dieser Meldungen allerdings nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß die USA schon ganz gibberig sind und kaum erwarten können, daß Kim Jong-un tatsächlich wieder mal eine unterirdische Atombombe springen läßt.

    Das würde den Interessen der USA dienen. Sie selbst sind nämlich durch die nordkoreanische Atomrüstung nicht verwundbar, wohl aber Japan und Südkorea.

    Denn nach wie vor hat Kim nicht die geeigneten Trägersysteme, um mit einer Atomwaffe das Kernland der USA zu treffen. Er hat zwar ICBMs, aber die Frage ist noch offen, ob seine Kernsprengköpfe so miniaturisiert sind, daß er sie auf diese Raketen montieren kann, und ob diese dann den Wiedereintritt in die Atmosphäre überleben würden. Dazu wären eine weitere Anzahl von Tests erforderlich.

    Kim Jong-un kann aber mit Sicherheit Südkorea und Japan treffen. Somit hat die nordkoreanische Atomrüstung für die USA den angenehmen Vorteil, daß sie die Verbündeten bei der Stange hält. Denn dort gibt es in der Bevölkerung starke Vorbehalte gegen die USA. Außerdem rechtfertigt sie gegenüber der Öffentlichkeit den Aufbau von militärischen Kapazitäten vor der Haustür Chinas.

    Kim Jong-un hat in den Verhandlungsprozeß von 2018 und 2019 einseitig ein Moratorium bei den Atomtests als Vorleistung eingebracht. Dafür hat er nichts erhalten. Die USA haben ihm die kalte Schulter gezeigt. Tatsächlich kann ihnen ein Land von 25 Millionen Einwohnern mit einem Sozialprodukt pro Kopf, das nach UN-Schätzungen noch unter Eritrea liegt, völlig gleichgültig sein. In den Verhandlungen ist für Kim Jong-un deutlich geworden, daß die USA keinen Inch von ihrer regime change-Politik abweichen.

    Der einzige, der Kim Jong-un von einem Atomtest abhalten könnte ist Xi Jinping. China hat seit 2016 im UN-Sicherheitsrat die Sanktionen gegen Nordkorea im Zusammenhang mit Atomtests mitgetragen. Der Einfluß von China auf Nordkorea ist allerdings begrenzt. Im Mai dieses Jahres besuchte ein chinesischer Gesandter Seoul und bat die südkoreanische Regierung um Zurückhaltung im Falle eines nordkoreanischen Atomtests.

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