
Gestern ist Pep Mujica gestorben – eine Woche vor seinem 90. Geburtstag. Wer war dieser Mann und was bedeutet er dem südamerikanischen Kontinent?
Der mexikanische Filmemacher Saúl Alvídrez hat die beiden für einen Film zusammengebracht, nun erscheint das Buch dazu auf Deutsch unter dem Titel „Chomsky & Mujica. Überleben im 21. Jahrhundert“. Ein fruchtbarer Gedankenaustausch über die Folgen des Klimawandels, die Übel der Politik, Korruption, Populismus, die Krise des Kapitalismus und vieles mehr. Angesichts des drohenden zivilisatorischen Zusammenbruchs verweisen Chomsky und Mujica auf die Werte, die einen nachhaltigen Wandel herbeiführen können: Demokratie, Freiheit und ein Leben mit Sinn, Liebe und Freundschaft als Pfeiler einer neuen Zukunft. Ein Buchauszug.
José Alberto Mujica Cordano, besser bekannt als Pepe Mujica, ist ein Blumenzüchter, Ex-Guerillero und linker Politiker, der am 20. Mai 1935 im Viertel Paso de la Arena in Montevideo, Uruguay, geboren ist. Von 2010 bis 2015 war er Präsident der Republik und ist weltweit für sein ehrliches Denken, seine persönliche Philosophie und seinen enthaltsamen Lebensstil bekannt. All diese Eigenarten haben ihm Beinamen wie der ärmste Präsident der Welt oder der Weise des Südens eingebracht. Dank seiner epischen Biografie und seiner unzähligen Reden voller Scharfsinn, Offenheit, Tiefe und Schönheit gibt es wohl keinen Politiker auf der Erde, der so beliebt ist wie Pepe Mujica.
Er stammt aus einer einfachen Familie mit baskischen und italienischen Vorfahren und sein Vater starb, als er gerade einmal sechs Jahre alt war. Aus diesem Grund begann er schon früh, sich der Zucht und dem Verkauf von Blumen zu widmen, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Er besuchte sowohl die Grundschule als auch die weiterführende Schule in dem Viertel, in dem er geboren wurde, und fing danach ein Jurastudium an, das er jedoch nicht abschloss.
1956 wurde er Mitglied der eher konservativ ausgerichteten Partido Nacional (»Nationale Partei«) und übte sogar das Amt des Generalsekretärs der entsprechenden Parteijugend aus. 1962 trat er jedoch wieder aus, um an der Gründung der Unión Popular (»Volksbund«) mitzuwirken. Doch angesichts des düsteren politischen Panoramas, in dem die Gewalt und der Autoritarismus der Regierung zunahmen, schloss er sich noch im selben Jahrzehnt der Stadtguerilla an, die als Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros (»Nationale Befreiungsbewegung«) bekannt ist, und ging in den Untergrund.
Während seiner Zeit als Guerillero wurde er sechsmal angeschossen und saß im Gefängnis von Punta Carretas in Montevideo ein. Er brach aus, wurde erneut inhaftiert und nahm an einem zweiten Ausbruch teil, der als einer der größten Massenausbrüche der Geschichte gilt. Insgesamt wurde er viermal festgenommen, sowohl körperlich als auch psychisch brutal gefoltert und verbrachte beinahe 15 Jahre seines Lebens hinter Gittern. Während seiner letzten Haft von 1972 bis 1985 erlitt er härteste Bedingungen und Isolation, die ihn an den Rand des Wahnsinns und des Todes trieben, wie er selbst erklärt.
Nach Ende der Diktatur wurde er 1985 freigelassen und gründete gemeinsam mit anderen ehemaligen Guerilla-Mitgliedern und linken Parteien die Bewegung Movimiento de Participación Popular (»Bewegung für Volksbeteiligung«, MPP) innerhalb einer politischen Koalition namens Frente Amplio (»Breite Front«). Im Jahr 1994 wurde Mujica zum Abgeordneten für Montevideo gewählt, fünf Jahre später wurde er Senator. In den Wahlen 2004 wurde seine Bewegung stärkste Kraft in der Regierungspartei und im März wurde Mujica zum Minister für Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei ernannt. Am 29. November wurde er dann mit über 52 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der Republik gewählt und am 1. März 2010 im Parlament vereidigt. Den Eid legte er vor seiner Ehefrau Lucía Topolansky ab, da sie die meistgewählte Senatorin der stärksten Partei war. Auch sie war lange Zeit ein führendes Mitglied der Guerilla gewesen, was ihr ebenfalls lange Jahre in Haft und brutale Folter eingebracht hatten.
2013 ernannte die Zeitung The Economist Uruguay zum Land des Jahres. Die zwei radikalsten liberalen Reformen, die Mujica umgesetzt hatte, bezeichnete sie als bewundernswert: die Regulierung des Anbaus, Verkaufs und Konsums von Marihuana sowie die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Nach seiner Amtszeit wurde Mujica für zwei weitere Legislaturperioden, nämlich 2015–2020 und 2020–2025, als Senator wiedergewählt, doch am 20. Oktober 2020 trat er aufgrund der Corona-Pandemie und seines hohen Alters von seinem Amt zurück.
Seit mehreren Jahrzehnten leben Mujica und seine Frau Lucía in einfachen Verhältnissen auf einem Grundstück in der Gegend Rincón del Cerro und widmen sich dort dem Blumenanbau. Nicht einmal während Mujicas Präsidentschaft wechselten sie den Wohnort; er spendete 90 Prozent seines Gehalts und reiste immer in der zweiten Klasse. Sein Besitz beschränkt sich auf diese kleine Finca im ländlichen Randgebiet von Montevideo und einen Volkswagen aus dem Jahr 1987, dessen Wert auf 1 800 Dollar geschätzt wird. Obwohl er während seiner Zeit als Präsident für wichtige Anlässe sein legeres Outfit gegen einen maßgeschneiderten Anzug tauschte, trug er nie eine Krawatte.
Pepe Mujica ist eine ikonische Persönlichkeit der Linken, die selbst von weiten Teilen der politischen Rechten der ganzen Welt bewundert und respektiert wird; ein unangepasster und prinzipientreuer Mensch, der bewiesen hat, dass eine andere Art der Politik möglich ist.
Vorstellung
Ich bin jemand, der in seinem Leben viel Glück gehabt hat. Der Tod hat mir oft aufgelauert, doch er hat mir jedes Mal mehr Zeit geschenkt. Heute bin ich 82 Jahre alt. Als junger Mann hatte ich dieselben Schwachstellen wie alle in dem Alter: [lächelt] Ich habe mich ein paar Mal verliebt, wollte die Welt verändern, hatte Probleme, wurde festgenommen und angeschossen, konnte ausbrechen … kurz und gut, ich habe nicht aufgegeben. Nach dem Ende der Diktatur beschlossen wir, einen anderen Weg einzuschlagen, da das uruguayische Volk keine andere Entscheidung verstanden hätte. Wir entschlossen uns für einen legalen Aktivismus, akzeptierten die Regeln einer liberalen Demokratie und begannen, Fortschritte zu machen. Ich wurde Abgeordneter, danach Senator, Minister und Präsident und nun bin ich dabei, mich zu verabschieden. Mein Name ist José Mujica, doch wie alle mit diesem Namen bin ich besser als Pepe bekannt. Die Wurzeln meiner Familie väterlicherseits liegen im Baskenland, die Familie meiner Mutter waren Bauern im italienischen Ligurien. Ich wurde in einem einfachen Viertel geboren, in dem landwirtschaftliche Fincas und Tierzucht das Bild prägten und in dem Stadt und Land aufeinandertreffen. Ich bin ein Bauer, der den Boden liebt, praktisch ein Klumpen Erde auf zwei Beinen. Die Natur liegt mir sehr am Herzen. Ich pflege die Genügsamkeit mit philosophischem Sinn, vermutlich kann man sagen, dass ich ein Neo-Stoiker bin.
Pepe aus Noam Chomskys Sicht
Saúl Alvídrez: Was wussten Sie über Pepe Mujica, bevor Sie ihn kennengelernt haben?
Noam Chomsky: Ich hatte viel über ihn gelesen und war mit seinem herausragenden Werdegang und seinen Errungenschaften vertraut. Außerdem kannte ich seinen bewundernswerten Lebensstil während seiner Zeit als Präsident und auch, was er in dieser Zeit und als Senator alles umgesetzt hat.
Saúl: Was bewundern Sie am meisten an Mujica? Was finden Sie an ihm besonders eindrucksvoll?
Noam: Er hat sich nicht an der Korruption beteiligt, die so weit verbreitet ist. Nicht nur in Lateinamerika, sondern überall, in dieser Gegend ist sie jedoch besonders weit verbreitet. Außerdem hat er ein einfaches und ehrliches Leben geführt und sich durch seine Arbeit für das Wohl der Menschen eingesetzt. Das ist äußerst ungewöhnlich für einen Politiker, es ist sehr schwer, so jemanden zu finden.
Saúl: Was halten Sie von jemandem, der den Weg der Guerilla wählt? Wie zum Beispiel Mujica, der den Tupamaros beigetreten ist. Was ist Ihre Meinung über Personen, die sich einem solchen Kampf anschließen?
Noam: Ich denke, man kann die Gründe nachvollziehen, die einen Menschen zu diesem konkreten Zeitpunkt dazu bewegen, sich in einer Initiative dieser Art einzubringen. Netter kann ich es nicht ausdrücken, denn ich glaube, das war eine Fehlentscheidung. Meiner Ansicht nach ist [der bewaffnete Weg] nicht die richtige Art, einen bedeutsamen und schwerwiegenden Wandel in einer Gesellschaft zu erreichen. Pepe hat viel gelitten, er wurde während seiner Haft grausam behandelt, so etwas sollte nirgendwo auf der Welt geduldet werden. Es ist unglaublich, dass er diese Bedingungen ausgehalten und es auch noch geschafft hat, als ein derart ehrbarer und bewundernswerter Mensch daraus hervorzugehen. […] Ich denke, dass [Pepe] die faszinierendste und wichtigste politische Persönlichkeit der Gegenwart ist.
Ich wette, dass der VW, so er noch existiert, jetzt mehr als 1800 Dollar wert ist.
…. von Walt Kowalski würdest du auch kein Gran Torino vererbt bekommen!
Uruguay, da war doch etwas? Haben die nicht ein vorbildliches Sozialsystem? Ja doch, dieser Mujica hat bedeutende Erfolge. DeepSeek weiß:
Gibt es eine Besonderheit im Sozialsystem Uruguays?
Ja, Uruguay hat ein besonders fortschrittliches und gut ausgebautes Sozialsystem, das in Lateinamerika oft als Vorbild gilt. Hier sind einige Besonderheiten:
1. Starker Wohlfahrtsstaat
Uruguay hat eine lange Tradition sozialer Reformen und gilt als eines der Länder mit der geringsten Ungleichheit in Lateinamerika.
Der Staat investiert stark in öffentliche Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung.
2. Universelles Gesundheitssystem (FONASA)
Seit 2007 gibt es das Nationale Gesundheitsfonds-System (FONASA), das allen Bürgern Zugang zu medizinischer Versorgung bietet – unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus.
Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen Beiträge, der Staat unterstützt Bedürftige.
3. Rentenreform und hohe Pensionen
Uruguay hat eines der umfassendsten Rentensysteme der Region.
Fast 90 % der Senioren erhalten eine Rente, auch durch das Solidarische Rentensystem, das Niedrigverdiener unterstützt.
Die Altersvorsorge ist obligatorisch für alle Arbeitnehmer.
4. Fortschrittliche Familien- und Sozialhilfe
Programme wie „Uruguay Crece Contigo“ unterstützen Familien mit Kindern durch finanzielle Hilfen und Betreuungsangebote.
Es gibt Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub sowie Kindergeld für einkommensschwache Familien.
5. Arbeitslosenversicherung und Mindestlohn
Ein starkes Arbeitsrecht mit Kündigungsschutz und Arbeitslosenunterstützung.
Der Mindestlohn ist einer der höchsten in Lateinamerika (ca. 540 USD monatlich, Stand 2023).
Er war ein großer Mann. Hätten mehr Politiker nach seinem Vorbild gelebt, wäre die Welt ein besserer Ort. RIP Pepe!