Nationaler Dialog in Syrien – Start in ein neues Syrien?

Ahmed al-Scharaa
Υπουργείο Εξωτερικών, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Kämpfer der Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Gruppen hatten am 8. Dezember 2024 den langjährigen syrischen Machthaber Baschar al-Assad gestürzt, und ihr Anführer Ahmed al-Scharaa führt seit Ende Januar als Übergangspräsident die Amtsgeschäfte.

Am 24. und 25. Februar 2025 hat in der syrischen Hauptstadt Damaskus eine zweitägige „Konferenz des nationalen Dialogs“ mit Vertretern der Übergangsregierung und weiterer gesellschaftlicher Gruppen stattgefunden, auf der ein Zukunftsplan für das Land vorgestellt wurde. Am Ende der Konferenz erklärte der syrische Übergangspräsident, Ahmed al –Scharaa, dass Syriens Einheit gewahrt bleiben müsse und betonte, dass die Abschlusserklärung als Grundlage für den künftigen Staatsaufbau, das politische System, die Wirtschaft, das Militär und die Rechte der Bevölkerung dienen solle. Syrien befinde sich in einer „neuen historischen Phase“. Das Land sei „unteilbar“, seine Stärke liege „in seiner Einheit“. Jeder Versuch, das Land zu spalten, sei inakzeptabel. Al-Scharaa betonte das Gewaltmonopol des Staates. „Jegliche bewaffneten Verbände außerhalb der offiziellen Institutionen“ sollten verboten werden.

Die Erklärung sei ein „bedeutender Schritt“ dabei, die Zukunft Syriens zu gestalten.

Im Einzelnen

Teilnehmer der Konferenz

An der Konferenz in Damaskus nahmen 500 bis 600 Vertreter der syrischen Übergangsregierung, der Zivilgesellschaft, – dazu gehörten Kaufleute, Akademiker, Bürgermeister ehemalige Häftlinge und auch Familien, die in dem 13 Jahre dauernden Bürgerkrieg Angehörige verloren hatten – Führer religiöser Gemeinschaften und auch Vertreter der Opposition teil. Allerdings war kein Repräsentant der „syrischen Nationalkoalition“, die 2012 als Dachorganisation der Opposition im Bürgerkrieg gegründet worden war, eingeladen.  „Wir wurden alle marginalisiert“, sagte ein Vertreter der Deutschen Presse-Agentur.

Aus den verschiedenen Bevölkerungsgruppen nahmen nicht nur Sunniten teil, die die Mehrheit der Bevölkerung bilden, sondern auch Christen, Drusen und auch Alawiten, die unter dem ehemaligen Präsidenten Assad die herrschende Klasse waren. Kurden, die etwa 10% der Bevölkerung ausmachen, waren jedoch nicht eingeladen. Deshalb gab es von der kurdischen Selbstverwaltung im Nordosten umgehend Kritik. Diese wies die Gespräche „in Form und Inhalt“ zurück und erklärte, die Konferenz repräsentiere das syrische Volk nicht. Der Ansatz der Übergangsregierung zum Dialog sei enttäuschend, da wichtige Gruppen – darunter kurdische Verbände und Parteien – von den Gesprächen ausgeschlossen worden seien.

Ausländer waren zur Konferenz nicht eingeladen, und das Angebot der UN bei der Planung des neuen Syriens zu unterstützen, wurde (noch?) nicht angenommen.

Ablauf der Konferenz

Die Teilnehmer beschäftigten sich in 6 Arbeitsgruppen mit einem Justizsystem für die Übergangsphase, einer zukünftigen Verfassung, Aufbau staatlicher Einrichtungen und Strukturen, Syriens zukünftigem Wirtschaftsmodell, der Rolle der Zivilgesellschaft und Grundrechten der syrischen Bürgerinnen und Bürger.

Die Arbeitsergebnisse wurden nicht veröffentlicht.

Im Gegensatz dazu wurden aber einige besonderes Statements des „Nationalen Dialogs“ bekannt gemacht. Dazu gehörte die Forderung nach Aufhebung aller von den USA und seitens der EU gegen das Land, bzw. die HTS verhängten Sanktionen.

Außerdem wurde unter Bekräftigung der territorialen Integrität Syriens der sofortige Rückzug des israelischen Militärs von syrischem Territorium gefordert. Der Einmarsch und der Aufenthalt der israelischen Truppen wurde als „blatant violation of the sovereignity of the Syrian state“ bezeichnet. („himmelsschreiende Verletzung der Souveränität des Syrischen Staates“) Israel hatte nach dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Assad seine Streitkräfte in die von der UNO kontrollierten Pufferzone auf den syrischen Golan Höhen einrücken lassen und besetzt seitdem auch außerhalb dieser Zone weitere Gebiete, u.a. den Berg Hermon. Außerdem hat Israel durch zahlreiche Bombenangriffe den größten Teil der Stützpunkte der ehemaligen syrischen Streitkräfte und ihre Waffensysteme zerstört.

Der israelische Premierminister Netanjahu wies die syrischen Forderungen zurück und erklärte außerdem, dass Israel keine Stationierung syrischer Streitkräfte im Süden Syriens dulden würde.

Zum Ende der zweitägigen Konferenz hieß es in der Abschlusserklärung u.a. „supporting the role of women in all fields and rejecting all forms of discrimination based on race, religion, or sect”. (Unterstützung der Rollen der Frauen in allen Lebensbereichen und Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, sei es Rasse, Religion oder Sekte.“)

Bestimmte Quoten von Ethnien oder religiösen Gruppen in einer zukünftigen Regierung werden abgelehnt.

Zusammenfassende Bewertung

Der Nationale Dialog ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg, ein neues Syrien aufzubauen und gleichzeitig eine wesentliche Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung durch „den Westen“.

Nach den vorliegenden Unterlagen wurden jedoch einige wesentliche Aspekte für die Gestaltung des neuen Syriens auf der Konferenz nicht angesprochen.

In Syrien befinden sich immer noch amerikanische Soldaten, für deren Anwesenheit es keine völkerrechtliche Grundlage gibt. Das Gleiche gilt für die türkischen Truppen im Norden/Nordosten des Landes, die weiterhin gegen Angehörige der mit den USA verbündeten kurdischen „Syrian Democratic Forces“ (SDF) kämpfen.

Die russischen Stützpunkte wurden ebenfalls nicht erwähnt, so dass unklar ist, ob diese zwischenzeitlich geräumt wurden oder eine Absprache getroffen wurde, dass Moskau diese weiterhin betreiben darf.

Auch zum Iran wurde nichts gesagt, so dass auch hier keine Klarheit herrscht, ob die iranischen Milizen und die Revolutionsgarden das Land vollständig verlassen haben.

Für die zu Recht im Dialog geforderte uneingeschränkte Souveränität des Landes ist der Rückzug aller völkerrechtswidrig im Land befindlichen ausländischen Truppen eine entscheidende Voraussetzung. Ebenfalls unabdingbar ist, dass es keine bewaffneten syrischen Gruppen/Milizen mehr geben darf, die noch nicht in die regulären syrischen Streitkräfte eingegliedert wurden. Das gilt im besonderen Maße für die mit den USA verbündeten kurdischen „Syrian Democratic Forces“ (SDF.

Last but not least muss eine einvernehmliche Lösung zwischen der syrischen Regierung und der de facto existierenden kurdischen Teil Autonomie im Norden/Nordosten des Landes gefunden werden.

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16 Kommentare

  1. Netanyahu duldet “ … keine Stationierung syrischer Streitkräfte im Süden Syriens … „. Das hat doch bestimmt zu harscher Kritik seitens der EU, besonders von Deutschland in Person unserer allerliebsten Außenministerin, geführt. Garantiert wurden die schärfsten Sanktionen gegen Israel verhängt!

    1. Ich zitiere mal das „ehemalige Nachrichtenmagazin“: „der Antisemitismusbeauftragte (der Bundesregierung) Klein fordert Einsatz des Verfassungsschutzes an Hochschulen.
      Felix Klein hat ein härteres Durchgreifen gegen Proteste an Universitäten verlangt, die sich gegen Israel richten. Für die Idee Trumps, Bewohner des Gazastreifens umzusiedeln, äußerte der Antisemitismusbeauftragte Zustimmung. „

      1. Bei Leuten wie F. Klein kann man sich gut vorstellen, dass sie der Errichtung von KZ unter anderen Vorzeichen, diesmal arabische Menschen als Opfer, vehement zustimmen würden (werden??).

    2. @ Ivo Genc
      Aber aber…..Israel ist der neue Herr im Nahen Osten, ganz im Sinne von
      EU und den Damen vdLeyen und Kallas und und und!
      „Israel verwuestet seine Nachbarn an sieben Fronten….
      Gaza, Westjordanland, Libanon, Syrien, Irak, Jemen, Iran…..“
      https://globalbridge.ch/israel-verwuestet-seine-nachbarn-an-sieben-fronten-gaza-westjordanland-libanon-syrien-irak-jemen-iran/
      Der Iran ist ein etwas anderes Kaliber, da warten die Zionisten lieber auf das OK der USA aber…. da haben die Russen genauer Putin schon signalisiert, sie wuerden Trump helfen, mit dem Iran ins Reine zu kommen.

  2. Das Wichtigste ist, dass es keinen Bürgerkrieg gegeben hat. Dann kommt lange nichts. Ich habe beobachtet, ob es doch Übergriffe der HTS gegen Frauen oder Andersdenkende gibt, da sehe ich nur ganz wenig Meldungen, die sich nicht überprüfen lassen. Die HTS hat eine üble Vergangenheit, keine Frage, aber sie hat das Land befriedet.
    Diese Gespräche sind sehr zu begrüßen. Ja, keine Kurden, das ist natürlich bedauerlich. Aber wenn er mit den Kurden auch nur verhandelt, hat er Türkei, Iran und Irak zum Feind. Will er in dieser Situation nicht riskieren. Immerhin ist an der Grenze zur SDF ein Waffenstillstand im Gang. Da fällt kein Schuss. Das ist das Wichtige.

    1. Stimmt: Selbst von Auseinandersetzungen mit den Alawiten hört bzw. liest man nichts.
      Bin mal gespannt, ob die Russen es tatsächlich rausverhandeln, dass sie Ihre Marine/Luftwaffenbasen in Tartus bzw. Latakia behalten. Das wäre ein (beidseitiges!) realpolitisches Meisterstück , und Brbck, vdL und Kalls würden – wieder einmal – blöd dastehen (worin sie ja mitlerweile einige Routine haben).

          1. wahrscheinlich hier:
            https://aurora-israel.co.il/de/Israel-fordert-seine-Armee-auf–sich-auf-die-Verteidigung-der-Drusen-Gemeinde-in-Damaskus-vorzubereiten/#google_vignette
            wenn die Israelis dann schon in Damaskus sind, bleiben sie auch dort.
            „Die jüdische Gemeinde in Syrien geht auf den Aufenthalt des Propheten Elija in Damaskus vor fast 3000 Jahren zurück.“ (Quelle juedische allgemeine) ……….Na bitte, damit ist alles gesagt.
            Die EU und Deutschland haben dann aber ein gewaltiges Problem, sollen sie nun den neuerdings in Anzug und Krawatte auftretenden „Islamistenfuehrer“ unterstuetzen wie schon die Jahre zuvor oder doch lieber Israel.

  3. „Kämpfer der Rebellengruppe“
    Lieber Herr Hübschen, das sind keine Kämpfer einer Rebellengruppe, das sind waschechte islamistische Terroristen. Dreckschweine der Premiumklasse, die Menschen anzünden, in Käfige stecken, köpfen und Homosexuelle von Hochhäusern werfen.
    Ekelhaft, wie Sie diese Tiere als Rebellen verniedlichen. Schämen Sie sich!

  4. „[…]11. SEPTEMBER 2001: Als die Flugzeuge in die Türme krachten[…]“

    „[….]Fast 3000 Menschen starben, und die Identifizierung der Opfer ist lange nicht abgeschlossen. In den vergangenen fünf Jahren wurden genau fünf Opfer eindeutig zugeordnet ….[….]“

    Link und rembember:

    https://www.youtube.com/watch?v=kRmOzL7Pc6E

    Die Opfer des „Krieges gegen den islamistischen Terrorismus“ rotieren im Grab wenn die sehen mit wem der „Wertewesten“, inkl. Deutschland, die Türkei, und Ex-Präsident Biden von den USA, heute so verbündet ist.

    Eine Schande so was, und ich kann mich hier nur Mick anschließen – der „Wertewesten“, inkl. die USA, und Deutschland haben fertig – im Nahen Osten, und bei den Menschen in Syrien, die der „Wertewesten“ ebenso den Islamisten von Al Quaida – von wegen HTS, die sind Al Quaida von ihrem „Märtyrer“ Osama Bin Laden – wie in Afghanistan den Taliban zum Fraß vorgeworfen hat *Mehr als einen Daumen runter für unseren „Wertewesten“ – unendlich Daumen runter….und noch weiter für unsere „wertewestlichen Doppelmoralisten und Heuchler vor dem Herrn.“

    Kann gar nicht soviel Fressen wie ich Kotzen möchte denke ich an unsere selbst ernannten „Eliten“ im Wertewesten und der „Demokraten“ der USA…..*kotz; würg….*

    Zynische Grüße
    Bernie

  5. Kämpfer der Rebellengruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS) und mit ihr verbündete Gruppen hatten am 8. Dezember 2024 den langjährigen syrischen Machthaber Baschar al-Assad gestürzt, und ihr Anführer Ahmed al-Scharaa führt seit Ende Januar als Übergangspräsident die Amtsgeschäfte.

    1. Alleine dieser erste Satz des Artikels, der dem normalen Leser schon überhaupt nicht mehr aufstößt, demonstriert bereits den Orwellschen Neusprech, also die Umstülpung der eigentlichen Bedeutungen der Wörter. Eigentlich herrschte ja bis vor einiger Zeit zumindest noch darüber Einigkeit, dass in Syrien – ähem – „ein Bürgerkrieg“ andauert, in welchem – ähem – „Rebellen“ gegen die syrische Armee (sic!), also folglich gegen den den syrischen Staat und die syrische Regierung kämpften.
    Nun wird uns aber nicht nur von Hübschen erklärt, dass es genau genommen anders herum lief: Ein „Übergangspräsident“ hatte nämlich einige Jahre lang versucht einen „Machthaber“ zu vertreiben (und trägt jetzt anscheinend die abgetragenen Anzüge des „Machthabers“ auf).

    Herr Hübschen, wenn es mir morgen gelänge Schloss Belvedere zu eroberen, würden Sie mich dann ebenfalls als „Übergangspräsident“ bezeichnen? Aber eigentlich geht’s hier nicht darum, dass Al-Jolani nun im Präsidentenpalast sitzt, sondern seine „Übergangspräsidentschaft“ scheitert vor allem daran, dass er und seine Islamisten-Bande praktisch sämtliche grundlegenden Institutionen des syrischen Staates – die Armee, das Parlament *), die Präsidentschaft, die Verfassung usw. – liquidiert haben und bisher jedenfalls nichts Neues an deren Stelle gesetzt haben.
    Es gibt im Grunde aktuell keinen syrischen Staat und also auch keinen Präsidenten oder „Übergangspräsidenten“ und erst recht keine Legitimität.

    2. Die gegenwärtigen syrischen Machthaber sind sunnitische Islamisten, was sie zuletzt auch damit demonstrierten, dass sie Nicht-Syrer zu „syrischen Ministern“ ernannten, einfach weil diese ebenfalls sunnitische Islamisten (und Waffenbrüder) sind. Vom neuen „Justizminister“, m. W.n. ebenfalls einem Ausländer, kursiert im Internet ein Video, auf dem zu sehen ist, wie er im Idliber Islamistenghetto zwei Frauen auf der Straße wegen „Prostitution“ zum Tode verurteilt.
    Hübschen stellt aber auch diesbezüglich die Verhältnisse auf den Kopf, indem er opportunistisch den sunnitisch-islamistischen Charakter des gegenwärtigen banditischen Regimes mit keinem Wort erwähnt, dafür jedoch behauptet, „die Alawiten“ seinen zuvor „die herrschende Klasse“ gewesen – was auf die groteske Behauptung hinausläuft, dass der vormalige laizistische syrische Staat eigentlich ein gewissermaßen alawitisch-fundamentalistischer war.

    Tatsächlich jedoch hatte unter Hafiz und Baschar Assad ganz banal die Vetternwirtschaft überhand genommen. Verwandte, Freunde und Bekannte gelangten in einflussreiche und einträgliche Positionen und zumindest die Verwandten der beiden waren nunmal weit überwiegend ebenfalls Alawiten (Baschars Frau ist Sunnitin). Aber sie wurden nicht gefördert, weil sie Alawiten waren und die syrischen Alawiten wurden dadurch auch nicht „zur herrschenden Klasse“.

    3. Während Herr Hübschen für Overton die Verlautbarungen der sunnitischen Islamisten über eine angebliche „Konferenz des nationalen Dialogs“ referiert, die so echt war wie Al-Jolanis neue Vorliebe für Maßanzüge, werden die religiösen und ethnischen Minderheiten Syriens täglich Opfer von Gewalttaten der neue Machthaber.
    Angesichts der diesbezüglichen Nachrichtensperre muss man natürlich selbst im Internet wühlen. Vanessa Beeley (https://t.me/VanessaBeeley) ist ein m.E. guter Anfangspunkt zur Recherche.

    P.S.
    *) Wussten Sie beispielsweise, dass am 15. Juli letzten Jahres das syrische Parlament, der Volksrat, zuletzt gewählt wurde? Klar, stand nicht in der Westpresse.

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