Lehrbuch für den Neubeginn der Arbeiterbewegung

Arbeiterinnen
Lewis, George P. (Photographer), Public domain, via Wikimedia Commons

Von der alten Arbeiterbewegung ist nicht mehr viel übrig. Gewerkschaften, Sozialdemokratie und andere linke Parteien sind entweder im Establishment angekommen oder marginalisiert. Da liegt es nahe, die Lehren aus der Geschichte zu ziehen, die Grundlagen der verschiedenen Strömungen zu verstehen und mit Marcel van der Linden in die Zukunft zu schauen. Ein weiterer Teil unserer lockeren Reihe von Rezensionen zur Krise der Linken.

Diese Zeiten hätten eine starke Arbeiterbewegung bitter nötig. Eine Bewegung der Werktätigen, die ihre Interessen gegen das Kapital durchsetzen kann und sich vereint gegen die Kriegstreiber stemmt. Eine Bewegung, die das Fernziel der „freien Assoziation der Produzenten“ nicht aus den Augen verliert und dabei gleichwohl in der Gegenwart realistische Ansätze entwickelt, wie es konkret besser werden kann. Diese Zeiten scheinen allerdings weit entfernt von einer solchen Arbeiterbewegung. Schließlich sind Gewerkschaften, Sozialdemokratie sowie andere linke Parteien längst entweder im Establishment angekommen oder marginalisiert. Die außerparlamentarische Linke hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ins Sektenwesen zurückgezogen und kaum eine Verbindung zu den Werktätigen, den Lohnabhängigen, der Klasse, die Marx das Proletariat nannte.

Die Organisationen der Arbeiterbewegung, die bis heute existieren, sind meist eine Karikatur dessen, was sie zu sein vorgeben. Sie sind nicht mehr Interessenvertretung der Arbeiterklasse, die allerdings selbst keinen Begriff, keine Vorstellung mehr von sich als Klasse hat. Der Historiker Marcel van der Linden, der wie kaum ein Zweiter die weltweite Arbeiterbewegung kennt, analysiert in seinem neuen Buch die Entwicklung bis heute. Trotz der ernüchternden Bestandsaufnahme schaut der frühere Forschungsdirektor des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte in Amsterdam am Ende des Buches trotzdem in die Zukunft und stellt Überlegungen an, wie eine neue Organisation aussehen könnte.

Angesichts des Scheiterns der bisherigen Ansätze müsste das Verhältnis zwischen politischen und wirtschaftlichen Kämpfen völlig neu überdacht werden, meint er. Die Trennung der Arbeiterbewegung in einen „industriellen“ und einen „politischen“ Arm sei, so schreibt er unter Bezug auf den ungarischen Marxisten István Mészáros, eine der größten Tragödien der Geschichte der Arbeiterbewegung des 20. Jahrhunderts. Es brauche die Verbindung von Selbstemanzipation, die insbesondere der Anarchismus hochgehalten hat, mit dem Parteisozialismus.

„Wenn der Sozialismus überleben soll, wird er daher wohl Ansätze ,von unten‘ und ,von oben‘ kombinieren müssen, indem er Regierungspolitik, Selbstorganisation und groß angelegte Mobilisierung strategisch miteinander verbindet.“ (207, die Seitenangaben in Klammern beziehen sich auf das besprochene Buch)

Ein Neustart muss das berücksichtigen was war. Eine andere, sozialistische Gesellschaft sei nur als Ergebnis eines umfassenden Lernprozesses denkbar, so van der Linden, „in dem der gesellschaftliche Wandel von einer Selbstveränderung begleitet wird“. Die Organisationsfrage ist, so könnte man es anders ausdrücken, mit der Entwicklung des Klassenbewusstseins der Organisierten verbunden. Das dauert und mag angesichts der drängenden Probleme und der daraus erwachsenden revolutionären Ungeduld keine besonders befriedigende Aussage sein. Sie erwächst allerdings logisch aus der historischen Erkenntnis und der Analyse der Arbeiterbewegungen, wie sie der Autor in seinem Buch vornimmt.

Dieses Buch kann Teil des notwendigen Lernprozesses sein, der ja nicht irgendwann in der Zukunft, sondern genau jetzt stattfinden sollte, stattfinden muss. Es gilt zu verstehen, warum die Organisationen der Arbeiterbewegung den Zustand erreicht haben, in dem wir sie heute vorfinden, und wie die Arbeiter in der Geschichte auf die Herausforderungen des Kapitals reagierten, welche Organisationstypen entstanden und wie diese auf den jeweiligen Entwicklungsstand des Kapitalismus reagierten. Die Organisationen der Arbeiterbewegung, Gewerkschaften, Parteien und andere, haben den Kapitalismus verändert, und sie haben sich selbst verändert. Sie sind Sachwalter und Bewahrer des bestehenden Systems, die dafür sorgen, dass die Räder laufen als sie still stehen zu lassen, wie es einst im Bundeslied für den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein hieß.

„Weltweit sind die Konsumgenossenschaften entweder darnieder gegangen, oder sie haben sich in Einzelhandelsunternehmen verwandelt, wo die Mitglieder nicht mehr über demokratische Macht verfügen. Die Gewerkschaften sind nicht nur eine schwache Kraft, sondern ihre Macht nimmt sogar ab; und in vielen Ländern haben die Gewerkschaften ihre Verbündeten, die ArbeiterInnenparteien, verloren, entweder weil diese Parteien untergegangen sind oder weil sie neoliberale Positionen übernommen haben.“ (11)

Während die Arbeiterbewegung einen allumfassenden Niedergang erlebt, entstehen auf der anderen Seite rechte Parteien und Nichtregierungsorganisation, von denen letztgenannte „teilweise Aufgaben übernommen haben, für die traditionell die internationale Gewerkschaftsbewegung zuständig gewesen wäre“. (12)

Marcel van der Linden führt in thematischen Kapiteln durch die Geschichte der Arbeiterbewegung. Er betrachtet den Anarchismus, den Syndikalismus, Sozialdemokratische und Kommunistische Parteien, den Bolschewismus/Leninismus und die Gewerkschaften und arbeitet dabei jeweils konkret die Aspekte heraus, die zu Aufstieg und Niedergang geführt haben. Dies geschieht dialektisch im konkreten Bezug der Organisation zur Lebenswirklichkeit der Arbeiter sowie eben zum Entwicklungsstand des Kapitalismus und des Staates – und ist keine formalistische Geschichtsschreibung, die rein auf die Organisationstypen schaut[1]. Auf 200 Seiten gelingt es ihm, die großen Linien aufzuzeigen und das mit einem globalen Blick auf den Gegenstand.

Anarchismus und Syndikalismus

Der Anarchismus entstand laut Marcel van der Linden in der „Scharnierzeit“. In dieser wurde der „Untertan“ zum Bürger, während der „nehmende Staat“ des Absolutismus noch stark im Bewusstsein verankert, der „gebende Staat noch nicht voll entwickelt“ (23) war. Zur Selbsthilfe entstanden Vereinigungen wie autonome Genossenschaften und andere alternative, autonome Konzepte, die sich zum Staat abwehrend verhielten. Wo sich der „gebende“ Wohlfahrtsstaat durchsetzte – in direkter Auseinandersetzung mit anderen Teilen der Arbeiterbewegung, von denen noch die Rede sein wird – hatte der Anarchismus keine Chance. Denn es gelang dem Kapitalismus, in Verbindung mit den anderen „reformistischen“ Organisationen der Arbeiterbewegung, die Unterschichten zu Teilhabern der Gesellschaft zu machen. Sie integrierten sich als Produzenten wie auch als Konsumenten.

Eng verbunden mit den Anarchisten ist der Syndikalismus, der die Arbeiter in der Produktion selbst organisiert. Materielle Grundlage für diese Organisationsform sind kurze Arbeitsverhältnisse und die Entprofessionalisierung der Arbeit in der beginnenden Industriegesellschaft, die fachliche Qualifikationen weniger erforderlich machen. Wer morgen seinen Arbeitsplatz verlieren konnte, wer austauschbar war, der musste heute um bessere Bedingungen und mehr Geld kämpfen, das führte zu direkten Aktionen gegen die Unternehmer. Das Tarifvertragssystem, das von den klassischen Gewerkschaften getragen wird, kritisieren die Syndikalisten.

Die Gewerkschaften identifizierten sich „aufgrund der Tarifverhandlungen zu stark mit den Unternehmern, aufgrund der Schlichtungsverfahren und des Wohlfahrtsgedankens zu stark mit dem Staat.“ (54) Überall dort, wo es Staat, Gewerkschaften und Arbeitgebern gelang, den Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit zu institutionalisieren, konnten die Arbeiter integriert werden. Der Syndikalismus wiederum erreichte in revolutionären Situationen eine gewisse Majorität in der Bewegung und wurde nach deren Ende wieder an den Rand gedrängt.

Sozialdemokratie und Gewerkschaften

Entscheidend für die Integration der Arbeiter in Staat und Kapitalismus sind Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Den einen, den Sozialdemokraten, ist es gelungen, die Arbeiter politisch zu integrieren – zunächst im Kampf für das allgemeine Wahlrecht und dann um den Ausbau des Wohlfahrtsstaates. Die anderen, die Gewerkschaften, integrierten die Arbeiter durch das Tarifvertragssystem in den Kapitalismus.

Das Ziel der Sozialdemokratie war demnach die bürgerliche Emanzipation der Arbeiterklasse, sie war laut van der Linden auch vor dem Ersten Weltkrieg nicht revolutionär. Dass in revolutionären Zeiten wie in der Novemberrevolution die Arbeiter auf die Sozialdemokratie setzten, führte letztlich zur blutigen Niederlage der Revolutionäre. Die Sozialdemokratie hatte (nicht nur) hierzulande das allgemeine Wahlrecht erkämpft und zielte nun darauf, dass die ungehemmte kapitalistische Konkurrenz durch eine geplante Wirtschaft ersetzt würde, der Keynesianismus setzte sich durch.

„Die Übernahme des sozialen Keynesianismus in Praxis und Theorie veränderte den Charakter der sozialdemokratischen Parteien durchgreifend. Aus reformistischen ArbeiterInnenparteien hatten sich Reformparteien mit ArbeiterInnenanhang entwickelt.“ (76)

Die Arbeiter blieben der Sozialdemokratie verbunden, weil sie durch diverse Netzwerke an sie gebunden waren. Und solange auf der einen Seite ein relativer Mangel an Arbeitskräften existierte und auf der anderen Seite dem Kapital das sowjetische Beispiel drohte, funktionierte der sozialdemokratische Wohlfahrtstaat. Dafür sorgten auch die Gewerkschaften, die nach langen, teilweise syndikalistischen Kämpfen, zumindest in Deutschland im November 1918 von der Industrie als Partner anerkannt wurden. Das Tarifvertragswesen, für das es eine starke Gewerkschaftsbürokratie zur Verwaltung der Streikkasse brauchte, führte zu stabilen Verhältnissen.

„Das Ergebnis war die Integration der Gewerkschaftsbewegung in die kapitalistische Wirtschaft, denn die Gewerkschaften hatten wie die Unternehmer ein Interesse daran, die bestehende ökonomische Grundstruktur aufrechtzuerhalten: Die kapitalistische Produktionsweise war zur Grundlage ihrer organisatorischen Existenz geworden.“ (158)

Das gilt im Grunde genommen bis heute, zumindest für die Kernbelegschaften. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts, der Öffnung der globalen (Arbeits-)Märkte sowie der Restrukturierung der industriellen Produktion kommen Gewerkschaften wie sozialdemokratische Parteien in eine Krise.

„Allmählich machte der von Keynes inspirierte Wohlfahrtsstaat Platz für ,Nationale Wettbewerbsstaaten‘, die der Förderung der Konkurrenzposition der nationalen Ökonomie den Vorrang gaben gegenüber der ‚Sozialpartnerschaft‘ aus der Zeit des Kalten Kriegs.“ (162)

Die Parteien haben in dieser Situation einen geringeren Spielraum dafür, „gute Dinge für die Menschen zu tun“ (84). Unter den veränderten strukturellen ökonomischen Bedingungen bauen sie Sozialleistungen ab und werden dafür abgestraft. Die traditionelle Arbeiterklasse und damit die Kernwählerschaft der Sozialdemokraten schrumpft, zumindest in den ehemaligen Zentren. Dazu steigt zum einen die Bedeutung des Umweltschutzes, was den Aufstieg grüner Parteien erklärt, und zum anderen wenden sich viele Wähler der rechten Opposition zu, die Alternativen versprechen. Die Sozialdemokraten haben sich zu „normalen“ bürgerlichen Parteien entwickelt, so van der Linden. Auch der radikale Flügel, die Kommunisten, bietet nach dem Ende des Ostblocks keine Alternative mehr.

Bolschewismus, Leninismus und kommunistische Parteien

Wobei der Parteikommunismus nie eine wirkliche Alternative im Hinblick auf das oben bestimmte Fernziel darstellte. Dagegen stand schon der zentrale Widerspruch in Lenins Organisationstheorie, der letztlich alle Organisationen beeinflusste. Van der Linden schreibt: „Sie [die Organisationstheorie] will die Selbsttätigkeit der Arbeiterklasse fördern, indem sie sie einer übergeordneten, hierarchischen Organisation unterordnet.“ (117) Für Lenin war, in Anlehnung an Karl Kautsky und andere, die Revolution eine Frage des Überbaus, der wissenschaftliche Sozialismus unabhängiges Produkt revolutionärer Intellektueller.

„Ganz richtig konstatierte Lenin, dass der ökonomische Kampf der Arbeiterklasse verschmelzen muss mit der revolutionären politischen Theorie, aber er sieht diese Verschmelzung als die Kombination zweier völlig unabhängiger Elemente.“ (109)

Laut van der Linden brachte Lenin zwei Ideen zusammen: „Die deutsch-marxistische Idee, revolutionäre Gedanken von außen einzubringen, wurde kombiniert mit dem russischen Konzept einer konspirativen Eliteorganisation.“ (110) Lenins Theorie wurde unter Bezug auf Russland und dessen despotische Tradition entwickelt. Dies wurde nach der Oktoberrevolution im westlichen Marxismus breit diskutiert und muss bei der Analyse der Fehler und Halbheiten früherer Organisationen ebenfalls bedacht werden. Letztlich wurde der „Marxismus-Leninismus“ zu einer starren Ideologie einer „bürgerlichen Elite“, so van der Linden, wobei diese, das wäre begrifflich präziser, zumindest in der Sowjetunion eher in der Tradition der despotischen Bürokratie des zaristischen Russlands stand.

Die revolutionäre Theorie Lenins und die Praxis der Bolschewiken in Russland prägte einen ganzen Flügel der Arbeiterbewegung, der vielerorts als Folge des Ersten Weltkriegs und der Einhegung der Sozialdemokratie in den Staat entstand. Die Parteien zogen vor allem Arbeiter an, die sich um die unmittelbare Zukunft sorgten und in „sozialer Ungeduld“ sofortige (revolutionäre) Veränderungen anstrebten, auch die Parteien verfolgten das Ziel einer schnellen proletarischen Machtergreifung, in Deutschland beispielsweise.

„Als sich die soziale Lage etwas stabilisierte, mussten sich auch die Parteien anpassen. Sie hatten dann zwei Möglichkeiten: Entweder sie konzentrierten sich auf soziale Reformen und wurden dann leicht zu einem ‚linken Flügel‘ des bestehenden Systems; oder sie verzichteten auf einen harten Kampf für Reformen und die damit verbundenen Kompromisse und wurden entweder zur Sekten, die ihre Machtlosigkeit mit revolutionärer Phraseologie verhüllt, oder sie verfielen, von Ungeduld getrieben, in putschistische Abenteuer.‘“ (130)

Diese Entwicklung hält letztlich bis heute an, auch wenn die putschistischen Aktionen zum Glück meist unterbleiben. Auf die ökonomischen und sozialstrukturellen Veränderungen haben die kommunistischen Parteien keine offensive Antwort gefunden. Das mag auch damit zusammenhängen, dass bis heute oftmals die schonungslose Selbstkritik und das Bewusstsein über grundlegende Widersprüche der eigenen Organisationstheorie fehlt. Van der Lindens Hinweise auf wenigen Seiten und seine umfangreichen Belege können hierfür hilfreich sein.

Für Autonomie und gegen Regression

Wer heute versucht, die Werktätigen neu in Bewegung zu bringen, muss sich mit grundlegend veränderten Bedingungen befassen. Es braucht eine Antwort darauf, dass die Verdoppelung der Arbeitskräfte, die für den Weltmarkt produzieren, den Druck auf die Arbeitsmärkte hochhält. Das gleiche gilt für den Migrationsdruck, insbesondere auf die Arbeitskräfte in den entwickelten Ländern. Die Streikwaffe der Arbeiterklasse stumpft durch beides ab. Spiegelte der „Vollbeschäftigungskapitalismus“ die wachsende Macht der Arbeiterklasse wider, änderte sich dies mit dem erneuten Fall der Profitrate. Ideologisch kam es zu einem Wandel von einer nachfragebezogenen hin zu einer angebotsorientierten Politik, die gegen die Arbeiterklasse gerichtet ist. Das sind einige der Stichworte, mit denen die Krise der klassischen Arbeiterbewegung erklärt werden kann. Gleichzeitig wird dadurch aber auch klar, warum die „Rechten“ mit ihren Vorschlägen zur Wahrung nationaler Interessen Zulauf erhalten, denn ihre Vorschläge könnten die Konkurrenz unter den Arbeitskräften wieder einschränken. Die politische Rechte wird damit an dieser Stelle objektiv zum Statthalter der Linken und den mit ihnen verbündeten Gewerkschaften.

Letztlich befinden sich alle linken Bewegungen in der Sackgasse, während die Probleme der einfachen, der lohnabhängigen Menschen eher mehr werden. Van der Linden sieht, davon war bereits die Rede, die Lösung in einer Kombination verschiedener Strategien. Er nimmt Anleihen an Marx und Hans-Jürgen Krahl, die beide vom notwendigen Wandel des Bewusstseins geschrieben haben. Die Arbeiter müssten sich selbst zur Herrschaft befähigen, schrieb Marx 1850, Krahl formulierte es 1969 ähnlich: „Nicht auf einen primären Machtkampf um die politische Macht im Staate kommt es an, sondern darauf, einen wirklich sehr langen Aufklärungsprozess in die Wege zu leiten.“ (208)

Laut van der Linden stehen die Lohnabhängigen vor der Wahl zwischen Autonomie und Regression, denn die Alternative zur Selbsttätigkeit und zur Organisation der eigenen Bedürfnisse ist die Sehnsucht nach einem „allmächtigen Retter“. Er zitiert den Psychoanalytiker Otto Fenichel mit den Worten: „Je größer die Hoffnungen auf einen Erfolg sind, desto stärker sind die aufrührerischen Neigungen. Je größer die Hoffnungslosigkeit ist, desto stärker die Sehnsucht nach Regression.“ (209) Ergänzen könnte man dies unter anderem durch Wilhelm Reichs Überlegungen zum Klassenbewusstsein im Angesicht der Niederlage der Arbeiterbewegung nach 1933.[2]

Nach der Analyse der Krise und einem knappen Überblick über den Stand des Kapitalismus fehlt an dieser Stelle bei van der Linden allerdings die Verbindung der Organisationsfrage zur ökonomischen Situation der Werktätigen. Deswegen wirken seine abschließenden Seiten wie ein Appell zur Neuorganisation, während die Werktätigen von den Herrschenden immer mehr in Richtung Konsumismus und Passivität gedrängt werden. Van der Lindens Bezug auf das Internet als Hilfsmittel für eine neue Struktur wirkt seltsam naiv, schließlich ist es längst wichtigstes Mittel der Konsumpropaganda geworden.

Letztlich bleibt nichts anderes übrig, als bei den konkreten Erfahrungen und Interessen derer anzusetzen, die sich organisieren müssen. Und es wäre hilfreich, konkrete alternative Überlegungen zur Organisationsfrage zu Rate zu ziehen, wie sie beispielsweise eine Rätepartei im Geiste Rudi Dutschkes[3] darstellen könnte. Als Basis für eine schonungslose Analyse des Gewesenen ohne dabei die Hoffnung auf einen Neubeginn zu verlieren, ist Marcel van der Lindens Buch in jedem Fall eine wertvolle Lektüre. Das Buch ist gut lesbar und durch seine verständliche Struktur auch für Neueinsteiger in die Materie geeignet. Es kann so zu einem der Lehrbücher für den notwendigen Neubeginn werden.

 

Fußnoten

[1]Eine solche lieferte zuletzt Alexander Neupert-Soppler, Organisation. Von Avantgardepartei bis Organizing, Stuttgart 2021, vgl. https://web.archive.org/web/20220116183422/https://www.jungewelt.de/artikel/418642.organisationsproblem-aus-der-defensive.html

[2]https://archive.org/details/Parell_1934_Was_ist_Klassenbewusstsein_k/mode/2up

[3]Siehe Carsten Prien, Rätepartei. Zur Kritik des Sozialistischen Büros. Oskar Negt und Rudi Dutschke. Ein Beitrag zur Organisationsdebatte, Seedorf 2019

 

Marcel van der Linden, „… erkämpft das Menschenrecht“. Vom Aufstieg und Niedergang klassischer ArbeiterInnenbewegungen, Promedia Verlag, 216 Seiten, 25 Euro

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85 Kommentare

    1. Bin gerade beim Blind-Klicken auf den Wikipedia-Artikel über die Neue Heimat gestolpert und war fasziniert, wie sehr Gewerkschaften und nahe Organisationen damals noch an den Grundbedürfnissen der Bevölkerung interessiert waren.

      Nachdem Weselsky aufgehört hat, ist gar nicht mehr vermittelbar, wieso es sie überhaupt noch gibt.

      @Artikel
      Wenn der Schlenker, die “Sozialpartnerschaft” mit dem “Kalten Krieg (162)” in Verbindung zu bringen, ausgeblieben wäre, hätte die Buchbesprechung (das Buch) bei mir ein besseres Bild hinterlassen.

      Die Sozialpartnerschaft wurde ab den 70er in dem Maß abgetragen, wie die Automatisierung die Arbeiterschaft zu einer billigen Verfügungsmasse machte (Angebot/Nachfrage). Mit Arbeitszeitverkürzung wurde ein paar Jährchen noch versucht, von politischer Seite den Kapitalinteressen Widerstand zu leisten.

      1990 zu Kohls Zeiten wurde die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft, weil das Kapital absah, dass sie sich nur noch die Fettaugen abschöpfen müssen und der Rest am besten nach weit weg von der Stadt abgeschüttet werden kann.

      Wenn die Bevölkerung der Entwicklungsländer bemerken, dass in Deutschland nicht mehr wirklich was zu holen ist, kann die verarmte Bevölkerung in die Flüchtlingscontainer-Blöcke und umgebauten Alt-Hotels mit Gemeinschaftsküchen umziehen. Die Paketausfahrer brauchen nur einen Schlafsack hinter ihrem Sitz vorzuholen.

  1. Obwohl man dem Autor und van der Linden eigentlich zustimmen möchte – ja, eine bessere Vertretung der Arbeitnehmerinteressen ist nötig – bleibt doch das Problem bestehen, dass die zum Ende des Artikels hin genannten Probleme fortbestehen (Weltmarktkonkurrenz, Migrationsdruck, Niedergang der Streikwaffe).

    Hinzu kommt noch etwas:
    Eine Arbeiterbewegung könnte sich überhaupt nur dann reorganisieren, wenn die Arbeitskraft des einzelnen Arbeiters und Angestellten für die Großunternehmen(!) so wertvoll und durch Automatisierung nicht ersetzbar wäre, dass Streiks eine größere Wirkung entfalten könnten.
    Diese Wirkung wird nicht mehr erzielt und kann auch in Zukunft auf Grund fortschreitender Technisierung nicht mehr erzielt werden.
    DAS ist der Knackpunkt!

    Automatisierung und KI sind heute ebenso destruktiv für die erfolgreiche Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen wie der automatische Webstuhl früher … !

    Der Autor unterschätzt diese technische Problematik, wenn er sie denn überhaupt im Blick hat und beschäftigt sich zu sehr mit bloßen Partei- und Organisationsdingen.

    Ein zweites zusätzliches Problem ist die prinzipielle Distanz der großen Mehrheit auch einfacherer Leute und abhängig Beschäftigter von allen sozialistischen Wolkenkuckucksheimen. Das desaströse Scheitern des Ostblocksozialismus wird eben doch nicht so schnell vergessen, wie es manche Linke hoffen … Gut so!
    Gott behüte uns vor einem neuen Sozialismus!

    Buttkereits sozialistische Hoffnungen teile nicht nur ich nicht, sondern eben auch die große Mehrheit der abhängig Beschäftigten.

    Allerdings bin ich in dieser Hinsicht ganz gelassen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein neuer linker Sozialismus durchsetzt, ist ja minimal – und der Umstand, dass manche davon träumen, ist bedeutungslos.

    Das schließt allerdings nicht aus, dass andere Sozialismusvarianten noch reüssieren könnten – etwa das, was manche Publizisten als “Milliardärssozialismus” bezeichnen.
    Die Linke hat ja kein Patent für das Phänomen “Sozialismus” und dessen Herrschafts- und Organisationsmerkmale können durchaus auch unter anderen Vorzeichen auftreten !

      1. Naja…. ihr habt beide gemeinsam, dass anscheinend keiner von euch viel von Eigenverantwortung gehört hat?

        Mit Verlaub : “Lehrbuch für den Neubeginn der Arbeiterbewegung” Selten so gelacht… Schon gehört wieviele Arbeitsplätze allein bei VW und den anderen Auto Herstellern wegfallen?

        “Lehrbuch für den Neubeginn der Arbeiterbewegung” 😂 🤣 😂 🤣 😂 🤣 😂 In dem Absatz zum Anarchismus / Syndicalismus stehts doch: Wenn man “den” Arbeitern (notgedrungen) den Wohlfahrtsstaat = Bürgergeld anbietet, ist es doch sofort vorbei “Arbeiterbewegung”…
        …. und Recht haben sie damit obendrein!

        Ihr fantasierenden Weltverbesserer seid ein solcher Witz !

        1. Wen interessieren schon Eisberge, wenn man das Blaue Band bei einer Erstfahrt erreichen kann. Bei solcher Reederei überlebt der Kapitän eh nicht..

      2. Wen interessieren schon Eisberge, wenn man das Blaue Band bei einer Erstfahrt erreichen kann. Bei solcher Reederei überlebt der Kapitän eh nicht..

    1. “Automatisierung”

      Ist mir bei der Besprechung des Zeitraums 70er/80er auch negativ aufgefallen. Der Ölschock war einer, weil die Lastkarren damals nicht mehr von Kuh, Pferd und Lenker gezogen wurden, sondern von bspw. 20-Tonner-LKWs.

      “Sozialismusvarianten … Milliardärssozialismus”

      Die Sozialismusvariante der Rechten heißt Nationalsozialismus.

      1. O je, o je…. mit der Bildung haperts aller Orten…. wer damals, einihermassen erwachwen, dabei war der weiss recht genau was die Ursache war

  2. Ich weigere mich, den hoheitsvoll akademischen Scheißdreck zu lesen, um noch maßvoll zu schimpfen. Kommentieren kann ich ihn dennoch:

    2001 hat das damalige Zentrum des ehemalig amerikanischen Imperiums der Welt den Krieg erklärt und einen neuen Weltkrieg begonnen, den der Rest der imperialen Herren nicht recht hat wahr haben und gelten lassen wollen.
    2008 hat ein neuer “Herr der Heerscharen” namens Obama den Weltkrieg absagen wollen – und es nicht vermocht. Stattdessen hat er ihn in ein Zeitalter der Imperiumskriege übergeleitet, das technisch im Gaza begonnen hat, mit Olmerts “Operation gegossenes Blei”, und politisch mit den Vorbereitungen Killarys, Camerons und Sarkozys zum Libyenkrieg der NATO begonnen hat, der nahtlos in den Syrienkrieg überführt wurde und zugleich auf zahlreiche andere Schauplätze, darunter die Ukraine, ausgedehnt worden ist.
    Und seit 2022 führt die NATO zusammen mit der EU einen Russlandkrieg als Bestandteil eines eigenen Imperiumskrieges, der zur Ausdehnung auf Zentral- und Ostasien und zur Befähigung zu einer militanten Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Imperiumszentrum in Washington vorgesehen ist.

    In dieser Lage können sich Werktätige simpel klar machen, daß und wie sie imstande sind, diesem Irrsinn auf einfache Weise ein schnelles Ende zu setzen, indem sie sich schlicht weigern, ihr Leben in solchen Dienst zu stellen. Ein paar machtvolle Streiks setzten dem Spuk ein vorläufiges Ende.

    Aber zugleich brächte dies vorläufige Ende unausweichlich zu Tage, daß das Zeitalter der Imperiumskriege nur Erscheinungsform eines Krieges der national herrschenden Klassen gegen die ihr auf globaler Ebene Unterworfenen ist, beginnend mit dem einbegriffenen Krieg gegen die nationalen Arbeiterklassen.

    Und bevor so etwas auch nur ansatzweise los ginge, bekäme es eine Streikbewegung umgehend mit militärischer Niederschlagung zu tun, die aktuell mit einer Fülle von Maßnahmen zur Kriminalisierung politischen Dissens vorbereitet wird.
    In Europa gibt es dazu die Lehre der Armutsrevolte der französischen “Gelbwesten”, die mit Erfolg militärisch niedergeschlagen worden ist, um den Preis dutzender, wenn nicht hunderter Toter und vielen Tausend Schwerverletzten.

    In solcher Lage ist es halt blöd, wenn es nicht nur keine Organisation der Werktätigen gibt, sondern erst recht keinen militanten Arm derselben, der imstande ist, einer militärpolizeilichen Niederschlagung schon der Anfänge möglicher Streikbewegungen empfindliche Kosten aufzuerlegen.

    Bevor also TINA geistig infrage gestellt ist, ist TINA bereits militärisch unausweichlich und unangreifbar gemacht, da beißt die Maus kein Faden ab.
    Keine Ahnung, ob es da irgend eine Art historisches “Schlupfloch” gibt oder überhaupt geben könnte, diese Lage iwie iwann zu wenden, zumal mich das nichts (mehr) angehen kann, das ist Sache der drei jüngeren lebenden Generationen.
    Aber ich bin doch sehr dafür, daß nicht irgend welche akademischen W..er daher kommen, diesen jüngeren Generationen professionell oder halbprofessionell ein X für ein U vorzumachen, und damit mögliche Schlupflöcher noch weiter zu verengen.

    1. Alles dem Vergessen übergeben

      Sehr gut, noch mal auf die Mouvement des Gilets jaunes hinzuweisen. Oder die Arbeiter-Streiks im Ostblock in den 80. Jahren für bessere Lebensbedingungen im Sozialismus!

      1. Erzählen sie doch mal, was hat sich denn für die gilet jaunes geändert? Haben sie denn den Verbnrecher Macron endlich abgesägt?

        “In Europa gibt es dazu die Lehre der Armutsrevolte der französischen “Gelbwesten”, die mit Erfolg militärisch niedergeschlagen worden ist, um den Preis dutzender, wenn nicht hunderter Toter und vielen Tausend Schwerverletzten.”

        Finden sie das auch so einen grossen Erfolg, wie der kommentator?

        Manchmal kann man es nicht fassen in was für einer Welt manche Leute leben…. immerhin aber erklärt es, zu welchem lächerlichen Land das heutige Deutschland verkommen ist.

        1. In drei Sätzen “Demenz” ist schon eine reife Leistung.

          “Alles dem Vergessen übergeben, die Gelbwesten in Frankreich und Arbeiter-Streiks Anfang der 80. Jahre im Ostblock”

  3. Es gibt eine Reihe spannender Gedanken bei Marcel van der Linden und seiner Rezeption bei Helge Buttkereit. Beide vermeiden es aber, die grundlegenden Axiome zu hinterfragen, nämlich daß a) die Arbeiterklasse (AKL) revolutionär ist und b) der antagonistische Widerspruch zwischen AKL und Großkapital sich ewig fortsetzt, solange das System nicht von einer nachkapitalistischen Gesellschaft abgelöst wurde. Was wäre, wenn beide Axiome nicht stimmen?

    zu a) Ist es möglich, daß die AKL von Natur aus dumm und konservativ ist, weshalb rechte, konservative Parteien von Natur aus ihre erste Wahl sind (das würde die Sympathie der AKL für den Faschismus auch ohne sexuelle Regression á la Wilhelm Reich erklären) und daß ein linkes Sozialismusprojekt schon immer eher die Herzenssache idealistischer Intellektueller (bei Marx angefangen) war – wie Lenin richtig vermutete – und die Arbeiter immer nur brav mittrotteten, weil ihnen ein Stück vom Revolutions-Kuchen versprochen wurde?

    zu b) Ist es im Sinne der Hegel’schen Evolutions-Dialektik möglich, daß jedes System – auch das des linken, egalitären Widerstandes gegen das Großkapital – eine Aufstiegs-, Plateau- und Dekadenzphase hat und so an ihr natürliches Ende kommt, möglicherweise ohne vorher Erfüllung erfahren zu haben? Es könnte ja sein, daß sich durch den Übergang vom Industriekapitalismus zum Informationskapitalismus die Produktionsverhältnisse dermaßen geändert haben und noch ändern werden, daß alle in der industriellen Phase entstandenden Veränderungs- und Revolutionskonzepte nur noch wie alter kalter Kaffee wirken.

    Als c) möchte ich noch hinzufügen, daß es möglich wäre, daß sich das Zentrum der gesellschaftlichen Evolution mit jedem Schritt lokal verlagert – möglicherweise um nicht vom alten (ideologischen) Ballast behindert zu werden: vom Nahen Osten (Mesopotamien, Ägypten) => zu den griechischen Stadtstaaten => zum römischen Imperium => nach Nordeuropa => in die USA => und jetzt nach China. So, wie man im Nahen Osten jetzt noch Feudalismus spielt (wir nennen ihre Könige “Diktatoren”) könnte es sein, daß wir in 30 Jahren in Westeuropa immer noch “Kampf der AKL gegen die Bourgeoisie” spielen, während in China die Klassenauseinandersetzungen eine völlig neue Dimension zwischen studierten Informatikern (die zumindest nicht dumm sind) und der Plattform-Oligarchie erreicht haben. Nur mal so als Idee, um uns nicht als den Mittelpunkt der Welt zu betrachten 😉

    1. Jemanden, der explizit über eine Klassenherrschaft redet, die an ihrer Basis eine Militärherrschaft ist, und dann von “gesellschaftlicher Evolution” zu schwätzen beginnt, möchte ich gern entweder ins Irrenhaus sperren, oder ihm einen Maulkorb verpassen, er verpestet nicht nur das geistige Milieu.

      Aber auf mich hört ja keiner 😉

    2. btw.

      Wäre “die AKL von Natur aus dumm und konservativ” –
      (das ist ein Aufruf zum Klassenhaß, einem Aufruf zum Rassenhaß äquivalent und daher strafbar, ich hätte nichts dagegen, wenn dich jemand anzeigte)
      – dann hätte “sie”, die “AKL” nämlich, entsprechend meinem Posting von 14:26 ihre Herren schon vor 10 Jahren flächig an die Laternen gehängt.
      Hat sie aber nicht. Weil sie geradezu furchbar vernünftig ist.

  4. Ich finde die Vorstellungen schwierig. Es sind positivistische Tagträumereien, denen der Buchautor anhängt. Wie schon Helge Buttkereit im Artikel richtig anmerkte, es fehlt der Bezug zur Ökonomie. Ohne die Betrachtung der politischen Ökonomie lässt sich zwar trefflich über die Arbeiterklasse reden, auch eigene politische Vorstellungen lassen sich auf diese projizieren, allerdings bleibt das alles im luftleeren Raum recht folgenlosm.

    Es war auch das Scheitern des sowjetischen Sozialismusmodells, das zur Paralyse einer klassenkämpferischen Arbeiterbewegung geführt hat, welche den Kapitalismus überwinden will. Von diesem Scheitern profitieren im Westen autoritäre, faschistische Bewegungen. Die Klassenkämpfe an der kapitalistischen Peripherie zum arabischen Frühling sind so recht schnell von religiös Fundamentalisten usurpiert worden und in ähnlich faschistoide Bahnen wie im Westen gelenkt worden. Interessanterweise sind es in beiden Fällen, die Arbeiter welche den Preis, oft genug mit ihrem Leben, dafür zahlen müssen.

        1. Könnte dies, bösartig gesagt, der Grund sein, warum er 1. Proletarier ist, und 2. bleiben wird, und dass 3. das ganze Gekümmere um Proletarier schon immer nichts als Gut-Menschen bla,bla´ war.

          Heute nennt man das Baerbock Niveau, letztlich moralisch zu argumentieren, als das unterste aller Niveaus?

  5. Laut van der Linden brachte Lenin zwei Ideen zusammen: „Die deutsch-marxistische Idee, revolutionäre Gedanken von außen einzubringen, wurde kombiniert mit dem russischen Konzept einer konspirativen Eliteorganisation.“ (110)

    Ich werde das Buch von Marcel van der Lubbe, pardon, van der Linden auf keinen Fall lesen. Schließlich würden auf diese Weise “Gedanken von außen” in mich eingebracht und dann wäre es nur noch ein halber Schritt zum Leninismus, der ja, wie uns van der Linden/Buttkereit belehrt, aus dem Despotismus kommt und auch dort endet.

    Und jetzt nochmals ernsthaft: Allein die van der Lindensche Behauptung, dass es eine “deutsch-marxistische Idee” sei, “revolutionäre Gedanken von außen einzubringen”, zeigt schon, mit was für einem promovierten Hohlkopf wir es hier zu tun haben. Was glaubt der Typ eigentlich, wie die französische Revolution zustande gekommen ist? Hat der Mann nie von der Aufklärungsphilosophie gehört, die dem Geschehen voranging? Oder von Platon, der zunächst sein Konzept des “idealen” Staates entwickelte und dann zu Dion von Syrakus fuhr, um ihn von dessen notwendiger Verwicklichung zu überzeugen. Oder gar von Jesus, der unseren Vorvätern “von außen” eine Religion der Friedfertigkeit schmackhaft zu machen suchte?
    Hinter diesem “von außen”-Geschwätz steht vermutlich der anarchistische (?) Gedanke, dass jedermann “von selbst” drauf kommen muss (“Keine Macht für niemand”!). O.K., verbrennen wir einfach die gesammelten Werke der Schriftsteller der Arbeiterbewegung der letzten 170 Jahre, darunter die höchstwichtigen Schriften eines Herrn Marcel van der Linden, und warten anschließend gespannt, ob die von der Kulturindustrie weichgespülten Hirne der Lohnabhängigen mach Feierabend nochmal sowas wie “Das Kapital” etc. pp. zustande bringen.
    Schaffen wir auch gleich die Schulen und Universitäten ab, denn was dort gelehrt wird weiß doch im Grunde ebenfalls jeder “von selbst”.

    Zweitens: Diese Schilderung der Arbeiterbewegung krankt, jedenfalls der Rezension nach zu urteilen, daran, dass eine kämpfende Seite m.o.w. losgelöst vom Verhalten ihres Klassengegners bzw. “der gesellschaftlichen Situation” geschildert wird. Die Organisationen der Arbeiterbewegung bestanden aber, um ihrem Gegner im Kampf etwas abzutrotzen oder gar den Kampf ganz für sich zu entscheiden. Können wir uns nun die Darstellung einer militärischen Schlacht vorstellen, bei welcher nur das Verhalten/ die Strategie einer Seite geschildert wird? Wohl kaum.

    Drittens: Die Darstellung ist anscheinend komplett eurozentrisch. Außerhalb von Europa scheint nie jemand “das Menschenrecht erkämpft” (so der Buchtitel) zu haben.

    Fazit: Mit den Sympathien bzw. Antipathien, die der Buchautor gegenüber den unterschiedlichen Strömungen der Arbeiterbewegung hegt, scheint er nicht hinterm Berg zu halten. Die damit einhergehenden Verzerrungen sind auch allgemein bekannt und nichts Neues.

    P.S.

    Für Lenin war, in Anlehnung an Karl Kautsky und andere, die Revolution eine Frage des Überbaus …

    Wie kann man einen solchen Unfug niederschreiben, ohne dabei rot zu werden?

    1. savage, aber was mögen sie nicht an der kulturindustrie? ein pflänzchen wächst auch durch die autobahn, wenn es denn wachsen will… zu den schulen muss man sagen, dass dort das “von aussen” genau das kritisierenswerte ist. ein mensch soll offenbar eine art “allgemeinbildung” haben und ein bisschen über chemie, biologie, physik, mathe, sprachen und sowas bescheid wissen. warum? wie gibt man der schulischen selektion einen sinn? doch genau so. rückblickend muss ich sagen: von biologie verstehe ich nichts, von physik verstehe ich nichts, von chemie auch nicht, französisch kann ich immer noch nicht, mathe konnte ich noch nie.. war das zeitverschwendung? um zu lernen braucht man zeit, verfügbares wissen, und am anfang noch eine helfende hand. ob das ausgerechnet durch eine schule repräsentiert wird, würde ich sie fragen. ist eine schule nicht die militärische antwort auf den bedarf des kapitals nach höherer bildung? sind die resultate nicht entsprechend? kein schwein will nach der schule je wieder was lernen und das zeug, das “höher gebildete” erzählen, nimmt auch niemand ernst, siehe gewisse artikel. also nichts grundsätzlich gegen eine schule mit leher und schüler… aber was soll denn das sein, das wir zur zeit schule nennen?

      1. An und für sich sieht man ja am Geschriebenen und am Gelesenen, dass der Schulbesuch Grundlage im Leben für so einige wichtige Fertigkeiten wie Lesen und Schreiben ist.
        Lesen, Schreiben, Rechnen und Allgemeinbildung sowie speziell in physikalischen, chemischen, biologischen und mathematischen Grundlagen runden die ganze Sache ab.
        Garniert mit kultureller, künstlerischer, musikalischer, literarischer und sonstigen schönen Künsten. Ich möchte kein Kind a priori davon ausschließen, nur weil ich (angeblich) nix gelernt habe. Das Pseudoargument, die lernen ja in der Schule nix (fürs Leben), ist so albern, dass es fast verschwunden ist.

        So ein Kassenzettel vom Supermarkt ist mit entsprechenden Fertigkeiten daher leicht überprüfbar; auch die eigene Gehaltsabrechnung ist für viele kinderleicht nachvollziehbar. Man kann Kommentare zu Kommentaren schreiben, die andere lesen können. Phantastisch!

        zero fox schrieb
        „aber was soll denn das sein, das wir zur zeit schule nennen?“

        Kindergarten?

        Zum Spielen war doch im Kindergarten ausreichend Zeit.

        Also nennen wir es Schule.

        zero fox
        „ kein schwein will nach der schule je wieder was lernen“

        Das ist eines der größten Geschenke, die dem Menschen mitgegeben wurde: lernen zu können.

        .

        PS: dem „ bedarf des kapitals“ wirkt übrigens die zehnjährige Schulpflicht entgegen. Kinder sind dem „ bedarf des kapitals“ damit entzogen.

        1. Sie haben weder das Argument noch Intention verstanden. Sind Sie ein Lehrer? Weil es ist für mich fast unmöglich einzusehen wie man so krass vorbeilesen kann, wenn man da nicht selbst drin steckt.

          1. Schüler war ich mal.

            zero fox sagt:
            19. Dezember 2024 um 17:55 Uhr

            „ ein mensch soll offenbar eine art “allgemeinbildung” haben und ein bisschen über chemie, biologie, physik, mathe, sprachen und sowas bescheid wissen. warum?“

            Stimmt. Die Frage an sich ist schon dermaßen albern, dass sich jede Diskussion erübrigt.

            1. wie schon erwähnt, hab ich nichts grundsätzlich gegen schulen, sondern gegen die volksschulen, die mit zwang einen lehrplan als kleine nutzlose rundschau zur selektion auf die berufshierarchie “vermitteln”, indem sie noten geben (für schlechte noten gibt es keine nachhilfe). ich habe das wort schule verwendet in anspielung darauf, dass man bes’ artikel als eine verteidigung der volkkschulen lesen könnte, die ich gar nicht verteidigenswert finde, auch und gerade weil ich da auch schüler war. was lernt man denn dort wirklich? den wecker stellen.

              1. Ok, aber wer garantiert denn die grundsätzliche allgemeine Chancengleichheit aller Kinder auf und durch Bildung wenn nicht die Schulpflicht als solche?

                Ich sehe dazu keine Alternative.

                Davon unberührt bleibt erst mal die qualitative Bewertung.

                1. ja offenbar niemand! weil die schule ist ja nur dafür da die arbeiterschaft dem kapital zum frass vorzulegen, schön drapiert, wie sie ja selbst sagen, wenns die nicht gäbe, müssten alle sofort arbeiten gehen. dann lieber noch schule, da bin ich ganz bei ihnen! ausgenommen sind die glücklichen mit einem wohlbekömmlichen arbeitsplatz, die solls ja auch geben.

        2. Die Schule ist dazu da, die Kinder auf den Bedarf des Kapitals zu konditionieren. Sei es auch nur, dass die Gören in der Schule durch das Schulklingeln lernen, regelmäßig pünktlich zum Verkauf ihrer Arbeitskraft im Betrieb zu erscheinen.

          Damit sie sich ihrer Ausbeutung auch möglichst widerstandslos ergeben, werden sie so früh als möglich und von vornherein durch Haupt- und Realschule untertanengerecht durch Bildung minderer Qualität an ihre künftige Rolle angepasst. Das und nichts anderes ist doch der Zweck des dreigliedrigen Schulsystems.

            1. Wichtig ist, was und wie etwas gelehrt wird.

              Das dreigliedrige Schulsystem mit seinen qualitativen Bildungsunterschieden ist eine einzige asoziale Katastrophe. Je tiefer der Status der Schule, desto primitiven die Bildung Inhaltlich wird Paukerei, statt Problemlösungskompetenz vermittelt. Soziale Kompetenzen jenseits von Anpassung spielen nahezu keine Rolle. Natürlich mit den klassenbestimmten Unterschieden, fein säuberlich getrennt nach Schultyp und deren Lage. Wer die Qualität von Schulen beurteilen will, der schaue auf die Ausschußquoten.

              Du hast mit den Verhältnissen kein Problem? Dann hast Du selbst ein ernstes Bildungsproblem.

          1. @ klaudie

            Bis zum sechzehnten Lebensjahr sind sie der „Ausbeutung“ entzogen. Keine Kinderarbeit. Das ist doch schon mal eine ganze Menge. Nebenbei lernen sie auch noch was.

            „ Sei es auch nur, dass die Gören in der Schule durch das Schulklingeln lernen, regelmäßig pünktlich…“

            Pünktlichkeit ist immer dann erforderlich, wenn eine Gruppe etwas gemeinsam unternimmt oder unternehmen soll. Mir fallen dazu keinerlei Alternativen ein.

          2. Sicher ist die Kritik am Schulwesen nicht unberechtigt. Aber allein die Rants Nietzsches, dass die Elementarbildung der “Heerde” es verunmögliche, sie zu Sklaven zu machen (“Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten”), zeigt doch, dass da etwas richtig gemacht wurde.

            1. als würde ein bourgeois noch sklaven wollen, die sich nicht mal selbst verkaufen. lesen sie lieber den meister stirner anstatt seinen schlechten verdriesslichen schüler nietzsche.

                  1. Naja, der einzig doofe und sein “Eigenthum” ist kein Argument. Ok, ich hab als Jugendlicher über Ecce Home herzlich gelacht: Warum ich so klug bin, warum ich so weise bin .. warum ich ein Schicksal bin .. Reality check, anyone.
                    Aber Nietzsche mit seinem “aristokratischen Radikalismus” hatte mehr im Kopp als “Sankt Max” Stirner.
                    Und anders als jener schrieb er ein exquisites Deutsch. Das hat sogar Tucholsky gelobt.

      2. savage, aber was mögen sie nicht an der kulturindustrie? ein pflänzchen wächst auch durch die autobahn, wenn es denn wachsen will.

        Das ist doch nun wirklich Quatsch. Selbst die unmittelbare Begriffsbildung wird leider kulturindustriell kontrolliert.
        Beispiel: Im Zuge der “Ukraine-Krise” 2013/2014 tauchte in der deutschen Presse plötzlich das Wort “Narrative” auf, dessen Gebrauch sich bis dahin weitestgehend auf die Literaturwissenschaft beschränkte, wo es auch hingehört. Die “Systempresse” konnte einfach gewisse unangenehme Behauptungen bezüglich des Maidan nicht widerlegen und taufte diese daraufhin um in “russische Narrative”.
        Sofort stürzten sich selbst die sog. Alternativmedien, darunter Rötzers Telepolis, begeistert auf das neue Modewort und mittlerweile können sich auch Foren-Kommentatoren kein Leben mehr ohne Narrative/Erzählungen vorstellen.
        Dass ein literarisches Narrativ einen ganz anderen Wahrheitsanspruch hat als eine Tatsachen-Behauptung (bzw. zwei konkurrierende Behauptungen) scheint keinen zu stören. Und seitdem leben wir fröhlich in der postmodernen Narrativ-Welt.

        ein mensch soll offenbar eine art “allgemeinbildung” haben und ein bisschen über chemie, biologie, physik, mathe, sprachen und sowas bescheid wissen. warum?

        Im besten Falle:
        Damit er sich in der Welt orientieren kann und vielleicht im Rahmen der Schulbildung Neigungen entdeckt, die auf seinen späteren Beruf hinweisen.
        Damit er mit der Kultur seiner Gesellschaft und ihrer Geschichte bekannt gemacht wird.

        kein schwein will nach der schule je wieder was lernen

        Wenn ich mich nicht täusche besuchen nach Abschluss der Schule in der BRD ca. 30% eine Hoch- oder Fachhochschule.

        Sie werden lachen, aber ich bin gern zur Schule gegangen und ärgere mich bis heute, dass ich den Lateinunterricht, der uns damals fakultativ angeboten wurde (Ost-EOS), nicht genügend Ernst genommen habe. “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr”.
        Ich hatte damals die irrige Vorstellung, dass die unterschiedlichen Sprachen einfach nur verschiedene Codes (bzw. Signifikanten) für dieselben Sachverhalte bereitstellen.

          1. Scheiss auf Deepl. Sowieso ist Yandex Translate oft besser. Der Krückengänger, der die frei Gehenden bepöbelt.
            Ich nutze die Krücken auch, und bin dankbar, dass es sie gibt. Keine Frage. Aber eine Sprache kennen und verstehen ist etwas anderes. Selbst wenn man sie nur ein wenig versteht. Ich bin dankbar für neun Jahre Latein, Englisch und Französisch, 3 Jahre Russisch in AG und 4 Jahre Altgriechisch bei der VHS. Das hat mir einen Einstieg in das Konzept von Sprachen erlaubt, der sonst nicht oder schwer möglioch gewesen wäre.

    2. Man muss schon rot angehaucht sein um so was zu schreiben. Man muss schon ziehmlich braun sein um diese Aussage zu diskreditieren..
      Man muss extradumm sein um dieses faktenfrei mit Gemüse zu garnieren.
      Ich nehme an ihr Geschreibsel war ein Denkanstoss an sich selbst, sich mit der Thematik mal zu beschäftigen. Doch bitte schreiben Sie es dann ihr Notizbuch und blöken Sie es nicht in ein Forum. Foren sind kein Merkzettell.

      1. Naja. Extradumm ist Dein Gepöbel. “Rot angehaucht” ist das Vokabular der Schwarzen, (Gelben) und Braunen, zwischen denen die Übergänge fliessend sind, so wie Heidegger, Schmitt, Jünger und Konsorten sich geschmeidig den durch die bösen Roten geänderten Zeitläuften anpassten (der Pfaffe Gauck sogar auf der anderen Seite, erstmal).

        Ganz am Rande, danke, Besdomny. Immer wieder lesenswert.

    3. Sehr guter Kommentar!

      ““von außen”-Geschwätz”
      “eine kämpfende Seite m.o.w. losgelöst vom Verhalten ihres Klassengegners bzw. “der gesellschaftlichen Situation” geschildert”

      Genau das sind die Punkte. So wird ein falsches Bild gebastelt, nicht nur in Berichten über die UA und den Rest der Welt.

      Ergänzen möchte ich: Die Erwähnung Lenins im Zusammenhang mit Kautsky wäre doch mal ein Blick in die Originale wert. Damit man mal weiß, wovon man redet. In dem Fall z.B. die überschaubare Schrift “Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky”.

    4. “Wie kann man einen solchen Unfug niederschreiben, ohne dabei rot zu werden?”

      Das ist das Schöne am Internet, keiner kann einen sehen.
      Und noch dazu unter Pseudonym schreiben zu können, macht es perfekt für alle niemals selber denkenden Halb-Gebildeten.

  6. Altlinke Nostalgiker, die die Erkenntnisse zu den Entwicklungen sowohl des Kapitalismus sowie zu der des gescheiterten Realsozialismus einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Manche Linke sehen jetzt ja im erfolgreichen chinesischen Modell ihre große Hoffnung auf den Sozialismus, ignorieren aber, dass dortige Beseitigung der Armut ganz auf kapitalistischen Triebfedern beruht, die die “Partei der Arbeiterklasse” zwar massiv steuert, die aber kaum Sozialismus, wie er mal gedacht war, mit sich bringen. Konsumismus der Massen, gepaart mit großer Überwachung.

    Im Ernst: die Idee einer Arbeiterklasse aka das Proletariat, wie sie von Marx mal beschrieben wurde und die alleine schon aufgrund der Produktivkraftentwicklung und der immanenten Widersprüche des Kapitalismus auf dem unausweichlich siegreichen Pfad der historischen Entwicklung sich befindet, die ist tot. Und da faseln manche dieser Marx-Gelehrten immer noch vom “Fall der Profitrate” – wettern aber über den unmäßigen Anstieg des Reichtums bei den globalen Herren (oder Damen) der Welt. Mehr tot allerdings ist die dazugehörige Ideologie und die Vorstellungen über “Sozialismus”. Auch wenn es nach wie vor Kämpfe der Lohnabhängigen geben wird.

    Der Witz an dieser Geschichte ist aber auch: Diejenigen, die von der Überwindung des Kapitalismus träumen, haben nicht die geringste realistische Vorstellung von den Gesellschaftsstrukturen, die das System ablösen sollen. Basisdemokratie, Rätedemokratie und dergleichen: alles nur vage Bilder aus der Vergangenheit und nicht durchdacht. Das heißt auch: ihre Idee einer Neubelebung einer “Arbeiterbewegung” hat kein Bild, das die Massen ergreifen kann.

      1. @aquadraht

        Okay, Sie empfinden das so, aber Ihre Wertung, dass es “reaktionäres Geblubber” sei, ist doch überhaupt nicht geeignet, die Gedanken von @ Zaphod B. zu widerlegen.
        Die Aussage, dass etwas “reaktionär” sei, hat doch in etwa ebenso viel Bedeutung wie die die Aussage, dass Kirschen besser als Erdbeeren schmecken …

        Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, alle seine Gedanken genau zu prüfen, aber dass das nicht alles bloß aus der Luft gegriffen ist, das ist doch schon nach oberflächlichem Lesen offensichtlich.

        1. Sorry, aber ich bin es müde, gross einzugehen auf Gepöbel wie “altlinke Nostalgiker” oder hohle Phrasen über “das chinesische Modell” (ich wette, der Autor versteht nicht nur keine Silbe Chinesisch, sondern hat auch null der vielfachen in englischer und zum Teil deutscher Sprache vorliegenden chinesischen Beiträgen rezipiert, sie interessieren sein rassistisch-eurozentrisches Weltbild nicht).

          Man kann ja übeer den Fall der Profitrate, über den nicht nur “Marx-Gelehrte” “faseln”, sondern auch z.B. Hans Werner Sinn (Überraschung), anderer Meinung sein, aber mit solchem Gepöbel outet sich der Verfasser als Idiot, in dem Fall halt reaktionärer Idiot.

          Reaktionär heisst, hinter die Errungenschaften der französischen Revolution zurückfallen, oder gleich voraufklärerisch, was übrigens auch die meisten Grünen sind. Ob Sie als Konservativer darunterfallen, mag dahinstehen, immerhin haben Sie etwas mehr Niveau als der Pöbler.

          1. @ aquadraht

            Ich kann nachvollziehen, dass Sie müde sind und wahrscheinlich auch müde des ganzen politischen Kampfes.

            Inwieweit Sie @ Zaphod B. richtig einschätzen, weiß ich nicht, aber das ist ein anderes Thema.

            Ihr letzter Satz ist ja fast ein Kompliment.
            Noch hinter die Aufklärung zurückzufallen, ist im Grunde für jeden denkenden Menschen inakzeptabel.

            Ob die Zeit vor der Französischen Revolution aber nun wirklich so viel schlechter war … ? Hmm? Gar keine sooo leichte Frage.
            Ein wirklich Konservativer würde da rasch mit dem Wort kommen, dass es eh´ nichts Neues unter der Sonne gibt, und dass sich die Abhängigkeiten und Machtverhältnisse mit den sich wandelnden Zeiten doch nur anders kostümieren und anders nennen.

            Ihre Definition von “reaktionär” ist interessant, denn Sie definieren den Begriff sozusagen normativ und absolut, während ich dieses Attribut bisher immer nur relativ verwendet habe: also “reaktionär” in Bezug auf irgend etwas etwas anderes. Egal, ist ja bloß eine Definition..

            Sollten Sie zurückschreiben wollen, können Sie sich Zeit lassen, denn ich gehe jetzt schlafen.

          2. Hr. Wirth ist Anhänger eines “christlich” camouflierten Sozialdarwinismus und unausweichlichen, “natürlichen” Neofeudalismus, die gefährlichste aller reaktionären Strömungen, da mit enormem Heuchelfaktor versehen.

            1. @AeaP
              20. Dezember 2024 um 7:55 Uhr

              Es kommt überhaupt nicht darauf an, wie Sie meine Gedanken finden oder mit welchen Attributen Sie sie (für Ihre Gesinnungsgenossen ! ) beschreiben, das ist völlig irrelevant, sondern es kommt allein darauf an, inwieweit meine Gedanken sich der Realität annähern.

              Dass die Realität aber für Träumer “gefährlich” ist, das ist bekannt.

    1. Es ehrt Dich, dass Du solche Begriffe wie “Produktivkraftentwicklung” und vom tendenziellen “Fall der Profitrate” und sich einige andere kennst. Besser würde dein Text allerdings klingen, wenn Du auch mit deren Inhalten etwas anfangen könntest und diese nicht unverstanden durcheinander gewürfelt im Text erscheinen würden.

    2. “Altlinke Nostalgiker, die die Erkenntnisse zu den Entwicklungen sowohl des Kapitalismus sowie zu der des gescheiterten Realsozialismus einfach nicht zur Kenntnis nehmen.”

      Wo siehst du denn eine Möglichkeit, die Dinge auf der Welt zu richten? Oder ist es gut so, wie es ist?

      “die “Partei der Arbeiterklasse” zwar massiv steuert, die aber kaum Sozialismus, wie er mal gedacht war,”

      Wie war er denn gedacht? Auch hier wieder der Tipp, mal direkt bei den Originalen nachzulesen. In dem Fall Lenin zum Stichwort “Neue Ökonomische Politik”. Dem war nämlich klar, dass der “Enthusiasmus” der Massen nach der Revolution nicht reichen würde, die nötige Steigerung der Arbeitsproduktivität hervorzubringen. Also schlug er vor, die “materielle Interessiertheit” des Einzelnen zu nutzen, an jedem Arbeitsplatz. Zudem Wettbewerb zwischen kapitalistischen, genossenschaftlichen und staatlichen Eigentumsformen.

      In China verzeichnet man einen Anstieg der Reallöhne um 100% über die letzten 10 Jahre. Möchtest du mit den Werten im “Westen” vergleichen?

      Der “Fall der Profitrate” heißte “tendenziell”, weil es ein Durchschnittswert ist. Zudem können Kapitalisten auch mit geringerer Profitrate reicher werden. Was du feststellst ist also kein Widerspruch.

  7. welche Arbeitergesellschaft?
    Pizzakuriere? Leiharbeiter, ein Rest der Arbeiter mit Tarifen( hat sich bald). Das ist doch auseinander dividiert worden. Einen festen Zusammenhalt gibt es doch nur noch beim Ausbeuterclan.

    1. Die Massen im globalen Süden, die die Basis von Bewegungen dort sind und waren, haben selbst von den Konditionen von Prekariern der goldenen Milliarde nicht einmal träumen können.

  8. Nun ist mit der Sowjetunion das ganz große Versprechen verschwunden. Die Arbeiterklasse konnte die Macht nicht sichern, sie konnte keine neuartige Gesellschaft errichten und das Profitsystem war letztlich erfolgreicher. Bittere Erkenntnis für Anarchisten und Syndikalisten: sie bewegten sich in einem Freiraum, den die Sowjetunion geschaffen hatte. So sehr sie diese auch verachteten.
    Wire kämpfen postsowjetisch viel weiter hinten als früher. Hinzu kam dann noch die Globalisierung, in der ein hochmobiles Kapital jede politische und wirtschaftliche Forderung durch Flucht umgehen konnte. Das lockert sich gegenwärtig wieder ein wenig. Wenn dieser Trump die Zölle hoch setzt, erwirkt er damit, dass Streiks wieder ihre volle Durchschlagskraft haben werden. Psst! Es soll eine Überraschung sein.
    Jedenfalls ist es in der postsowjetischen Welt so, dass alle Rechte und Lebensbedingungen erkämpft werden müssen. Was inzwischen vergessen zu sein scheint. Ich habe doch Linkspartei gewählt, da muss doch soziale Gerechtigkeit kommen. Nö, das reicht nicht.
    Es sind nicht weniger als früher, die sich eine solidarische Gesellschaft, Völkerfreundschaft und soziale Gerechtigkeit wünschen. Ihr Dilemma ist, dass sie seit Beginn der Globalisierung nur Niederlagen einstecken mussten. Selbst eine halbwegs angemessene Besteuerung der Reichen ist nicht durchzusetzen, das mündet sofort in Kapitalflucht. Man hat die Linken einfach verhungern lassen, was dann der Startschuss für die Rechten war. Die herrschende Klasse eröffnet einen Raum zum systemkonformen Protest. Wird das irgendwann bemerkt?

    Aber sicher doch.

    1. Wie kommen sie darauf, dass für Anarchisten ein Problem damit haben könnten, dass “die Arbeiterklasse die Macht nicht sichern konnte und das Profitsystem letztlich erfolgreicher war”. Anarchisten sind EINZELNE, INDIVIDUEN, Querdenker, Schwurbler, meinetwegen… was um alles in der Welt soll uns an einer “neuartigen Gesellschaft” liegen?

      Übrigens gibt es letztere ja seit ein paar Jahren. Es sind die Bürger, die dem merkelschen “Wir schaffen das” zugejubelt haben, die den Impfzwang forderten, für die Putin, je nach Religion entweder der Teufel oder Hitler ist, und Netanjahus ;assenmord des Deutschen Staatsraison zu sein hat…
      Deutschland hat zum ersten Mal eine tatsächliche Demokratie. Diejenigen. die eindeutig die Mehrheit stellen, die swaren gerade drei Jahre an der Macht. Dass die Mehrheit immer die Blöden sind, wussten nicht nur Anarchisten schon länger.

  9. Mein Respekt, dass Artur hier wirklich etwas Vernünftiges schreibt.

    Genau genommen ist der Verrat der westlichen Intelligentsia an ihren progressiven Idealen erschreckender als der Zusammenbruch (oder die konterrevolutionär gelenkte Zerstörung) der realsozialistischen Gesellschaften. Letztere ist durch ihre inneren Widersprüche und den nicht nachlassenden konterrevolutionären Druck ökonomisch überlegener Gegner der goldenen Milliarde leicht erklärbar, auch durch die nicht zuletzt durch deren Druck perpetuierte Repression. Andrej Nekrassow hat ein sehr kluges obituary auf die Sowjetunion verfasst https://overton-magazin.de/krass-konkret/der-lange-schatten-der-antikommunistischen-russischen-revolution/ .

    Man kann das so oder so sehen, aber die Oktoberrevolution war ein welthistorisches Ereignis, dass auch den organisieren Aufstand der Kolonialvölker gegen den globalen sklavenhaltenden Westen auf eine qualtitativ neue Stufe hob. (Verweis auf die Arbeiten Losurdos ist hier angebracht)

    Die Zerstörung der UdSSR war ein katastrophaler Rückschritt, der die UdSSR allein mehr Menschenleben kostete als “der Stalinismus”. Im Westen führte er zu einem seit den faschistischen Bewegungen beispiellosen Rechtsruck.

    Um auf den Verrat der westlichen Intellektuellen zurückzukommen: Bis zum Ende der realsozialistischen Staaten waren sie stets bemüht, “ihren Sozialismus” als den besseren zu propagieren. Es dauerte Monate, bis sie lautstark das Scheitern “des Sozialismus”, nicht etwa des osteuropäischen Modells, zu verkünden,

    Wenn heute Habeck sich auf einen der ausgesprochensten Naziideologen wie Heidegger beruft, der seine Geschmeidigkeit nach 1945 so eindrucksvoll demonstrierte wie die “linken” Intellektuellen nach 1991, ist das schwerlich ein Zufall.

    1. Es ist albern anzunehmen dass die westliche Intelligentsia nicht schon immer gewusst haben könnte, dass das Ideal des freien Westens niemals etwas anderes als der Profit jedes Einzelnen war und sein wird.
      Selbst die linke Intelligentsia war im Zweifelsfall IMMER gegen eine realsozialistische Gesellschaft, da der eigene Wohlstand darunter leiden würde, wie jeder Blick in DDR jedem gezeoigt hta, der es sehen wollte!

  10. Arbeiter, welche Arbeiter?
    Es arbeiten doch eh nur noch die Migranten, Flüchtlinge die von alledem, sowieso nichts verstehen, außer ein paar ausgebeutete prekäre Hartzler, denen sie ansonsten den Arsch auch noch wegrationieren.
    Wir brauchen keine Arbeiterbewegung?
    Was wir brauchen ist eine *Revolution* die diese barbarischen Strukturen und die herrschende Klasse abschafft und *voila* hat den 🐟 .
    Und zwar bald, denn die sind gerade dabei uns in den 3. Weltkrieg zu führen!
    Keine Herren keine Sklaven und vergesst nicht, Google ist der Feind!

    1. Für eine Revolution braucht es ein Angebot, und zwar etwas konkretes, umsetzbares, zukunftstaugliches und friedliches (sonst geht’s nur in Runde X weiter), und da sehe ich weit und breit bei den Linken keines. Selbstgefälliges Meckern, Plärren und Fordern ist keine Revolution.

      Und einfach nur “die Bösen verprügeln” ist Schwachfug aus Marvel-Filmen, daher als Lösungsansatz nicht diskussionswürdig.

      Wenn Sie eine herrschaftsfreie Welt anstreben, sollten Sie aufhören, andere beherrschen zu wollen. Das wäre der erste Schritt. An dem scheitern die meisten, deshalb sei Ihnen verziehen. 😉

        1. Okay, dazu habe ich zwei Fragen:

          1. Wie soll diese Revolution oder Beseitigung der Herrschaft ablaufen?

          2. Wie geht es danach weiter?

          Das interessiert mich ehrlich.
          Lieben Gruß vom Narf

          1. “Okay, dazu habe ich zwei Fragen:
            1. Wie soll diese Revolution oder Beseitigung der Herrschaft ablaufen?
            2. Wie geht es danach weiter?”

            Indem das Volk/ die Völker die Kontrolle über die Produktionsmittel übernehmen. Dazu gehört auch das “Netz”.

            Eine physische Beseitigung der “Herrschaft”, wie das “Panicman” hier andeutet, ist keineswegs nötig. Wobei man sagen muß, dass derzeit ja die Hauptgewalt von der Herrschaft ausgeht und die Gegenwehr eher mickrig ist. “There’s class warfare, all right,” Mr. Buffett said, “but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.”” [https://www.nytimes.com/2006/11/26/business/yourmoney/26every.html?_r=0 , 12.05.2022]

            Danach werden die Völker entscheiden, was produziert werden soll und in welchen Mengen. Wahrscheinlich werden zwei Arbeitstage pro Woche reichen, alles notwendige zu schaffen.

            1. “Indem das Volk/ die Völker die Kontrolle über die Produktionsmittel übernehmen. ”

              Göttlich! Göttlich!

              😂 🤣 😂 🤣 😂 🤣 😂

            2. Warum muss ich bei dieser Antwort an South Park denken?

              Weltrettungsplan der Linken:

              1. Kapitalismus ist böse!
              2. Revolution!
              3. ???
              4. Allen geht’s gut.

              Merken Sie eigentlich nicht, wie naiv das ist?

              Das revolutionäre Potential in Deutschland ist gleich null. Wenn wir Linken weiterhin nichts gebacken kriegen als lächerliche Forderungen zu stellen und Wunschträumen hinterher zu jagen, wird das nie was.

              Sie müssen da schon was Besseres anbieten, aber das schrub ich ja weiter oben schon. Die meisten Menschen sind viel zu vorsichtig (sprich: intelligent), als dass sie für ein paar unausgegorene Ideen von ein paar Außenseitern ihr kleines Leben aufs Spiel setzen würden. Sie müssen die Menschen inspirieren, Ihnen zeigen, dass es ein besseres System als den Kapitalismus gibt, das auch funktioniert! Vor allem müssten Sie planvoll, vorsichtig und friedlich vorgehen, sonst haben Sie nach der ersten erstürmten Fabrik alle Bundesbehörden am Hals, die Medien werden Sie öffentlichkeitswirksam schlachten und Ihre nette kleine Revolution wäre beendet, noch bevor sie richtig in Gang gekommen ist. Nein, so funktioniert das niemals.

              Die Linke ist tot. Sie ist selbstgerecht, ideenlos, feige, hoffnungslos zerstritten und hat keinen Plan, wie Menschen ticken.

              Das einzige, was die Linken gut können, ist labern.

      1. “Und einfach nur “die Bösen verprügeln” ist Schwachfug aus Marvel-Filmen, daher als Lösungsansatz nicht diskussionswürdig.”

        Leider leben wir in einer Zeit in der eine Generation genau diesen Ton (und die Regierung) angibt Und es gibt nicht das Geringste das sie dagegem tun könnten

    2. @ Panicman
      20. Dezember 2024 um 0:22 Uhr

      Sie erinnern mich an Leute wie de Saint-Just oder de Robespierre vor der Französischen Revolution.

      Sie wissen wahrscheinlich auch, wie beide ihr Leben beendeten …

      1. Das wäre es mir wert, lieber im Kampf sterben, als ewiges Siechtum, oder gar der 3.Weltkrieg, der uns ja nun unmittelbar bevorsteht.
        Ich würde mich sehr freuen, wenn ich noch ein paar von den Herrschaften mitnehmen könnte, nicht zu vergessen, aus deren Schoss ich ja nun mal auch stamme, wegen der Motivation und Intention,
        Bevor, alles eh den Bach runtergeht.
        P.S.
        Auch, bitte nicht vergessen, “Die wollen uns wirklich töten”!

          1. Muss natürlich BItte! heissen… hab vor lachen das zweite t vergessen…

            Gut-Menschen beim Klugscheissen.

            Putin !!!!!!! BITTE ! Drück auf den Knopf! Denk dran: Man sollte die Erde immer in einem besseren Zustand verlassen, als man sie vorgefunden hat!

    3. Sind Sie jetzt vollends wirr im Kopf? Was für eine Revolution schwebt Ihnen denn vor, wenn es keine revolutionäre Klasse (die Arbeiterklasse) mehr geben soll? Wer soll sie anführen und ihre Ziele formulieren? Sinnlose Schießereien gibt es genug auf der Welt, und die nutzen dann auch nur wieder die Falschen für ihre Zwecke.
      Werden Sie erwachsen!

      1. Alle aufrichtigen Menschen müssen die Revolution starten.
        Die sogenannte Arbeiterklasse ist nunmehr nur noch eine schwache Illusion aus Zeiten der Industriellen Revolution des vorigen Jahrhunderts.
        Die werden uns töten, wenn wir sie nicht davon abhalten, wie immer in bewährter Salamitaktik peu a peu…

  11. Bonnie hat mir gestern im Lehmann-Artikel zur Frage “tierischen Bewußtseins” nochmal geantwortet. Diese Antwort ist mir sehr wichtig, weil sie erlaubt einen Dissens von Mißverständnissen zu reinigen und auf diesem Weg erheblich zur Klärung der Sachlage beizutragen.
    Zunächst verweise ich auf mein “Basics”-Posting, auf das sich die Antwort nicht bezieht – jedenfalls nicht direkt:
    https://overton-magazin.de/top-story/haben-tiere-ein-bewusstsein-wieso-nur-ein/#comment-188999
    Müsst ihr für die Debatte dann halt scrollen.
    Jetzt Bonnies neues Posting, das ich hoffentlich sachgerecht einkürze:

    Ich hatte dir gestern schon geschrieben, dass der beschriebene Algorithmus nicht göttlich in die Welt kommt, sondern chemisch bedingt ist.
    Doch weil du meine eigenen Worte noch mal zitierst, ohne das zu erwähnen, möchte ich meine Worte für dich so abändern, dass du aufhörst, göttliches, Übernatürliches als Ursache zu unterstellen.
    Denn das ist mir fremd.
    “Wenn ein Bakterium/Zelle entsteht und sie, sich reproduziert, dann muss es einen Selbsterhaltungsalgorithmus geben.(Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems).
    Der Algorithmus beschreibt die chemischen Vorgänge, die notwendig sind, um das Leben zu erhalten. Natürlicherweise erzeugt diese Handlungsanweisung, (die aus aufeinanderfolgenden chemischen Prozessen besteht) eine bestimmte Signatur.
    Diese Signatur im Raum (Struktur des Algorithmus) und die Signatur dieses Musters in der Zeit (Funktion, aufeinanderfolgend) ist das (entstehende) Global-Bewusstsein, aus dem später, unter anderem, die uns heute bekannte Ich-Illusion geworden ist.”
    da ist nichts Übernatürliches im Spiel.

    Mißverständnis 1
    “Da ist nichts Übernatürliches im Spiel”
    Bonnie hat meine Kritik, sie bringe im Kern “einen Gott” ins Spiel, mit “Übernatürlichem” assoziiert. Ich habe es einer überheblichen Dummheit meinerseits anzulasten, daß ich das weder begriffen noch vorher gesehen hatte. Für mich ist ein Glaube an Übernatürliches eine vormoderne, ja, archaische Version des modernen Monotheismus und dessen Derivaten, die ohne Erfindung von, bzw. bebildernde Säkularisierung durch, geisterhafte oder “spukhafte” (Einstein: “Gott würfelt nicht”) Erscheinungen und Eingriffe auskommen, die geistesgeschichtlich (für Leute, die’s wissen wollen) vor allem von Spinoza in die ideologische Welt gebracht wurde (“Pantheismus”) und heute v.a. in der Idolatrisierung einer abstrakten “Natur” ihr Unwesen treiben: “Im Einklang mit der Natur” ersetzt da i.W. “im Einklang mit Gott”. Liegt daran, daß ich dem Katholizismus biographisch völlig fern gestanden habe und ihn dann schlicht ignoriert hab.
    Ich hatte also gar nicht unterstellen wollen, daß Bonnie iwie “Übernatürliches” ins Spiel bringen wolle. Für Evangelen ist Gott in der “fertigen” Welt nurmehr als “Heiliger Geist” präsent – und der ist menschlich!

    Doch dieser Mensch soll halt für Evangelen – jetzt bleibe ich mal bei denen – einem überzeitlichen göttlichen “Design” entstammen. Ganz grundsätzlich gilt das auch für Katholen, aber über den Widerspruch, der durch dieses Konzept entsteht – der Schöpfergott wird verdoppelt, in ihn selbst und die Schöpfung – helfen sich Katholen halt noch mit der Erfindung von Agenzien Gottes hinweg (archaisch “Satan”, klerikal mit “göttlicher Gnade”) Dazu zitiere ich immer wieder Thomas von Aquin, der auf die Frage, was denn Gott gemacht habe, bevor er die Welt schuf, geantwortet hat, da habe Gott die Hölle gemacht, für Leute, die solche Fragen stellen. Für Evangelen ist “Christus” die singuläre Ausnahme von der Abwesenheit göttlichen Wirkens in der Natur- und Menschheitsgeschichte.
    Übrigens bin ich jetzt mit einem kleinen Seitenblick auf Areion so ausführlich, I owe him.

    Mißverständnis 2
    “Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems”
    Das steht so in der Wikipedia und der Satz ist so mißverständlich, daß er schlicht falsch ist.

    Ja, ein Algorithmus wird zur “Problemlösung” erfunden und benutzt, aber das ist nicht das, was ein Algorithmus (an und für sich) IST.
    Um das denkbar einfachste Beispiel zu benutzen. Einzeller reproduzieren sich mittels Zellteilung, und diese Reproduktion läßt sich durch den Algorithmus einer Potenzreihe beschreiben. Es ist eine “Handlungsvorschrift” für denjenigen, der ermitteln will, wie viele Einzeller er nach x-Generationen vorfinden sollte, falls unterwegs nichts schief gegangen oder unterbrochen gewesen sein sollte, aber es ist weder ein “Gesetz”, dem der Einzeller zu folgen habe, wenn er nicht untergehen “wolle”, noch erst recht keine “Handlungsvorschrift” zu diesem Zwecke.

    Die Erfingung einer natürlichen Zweckmäßigkeit ist der vollständige Monotheismus der Moderne und, auf vermittelte Weise, wohl auch der sog. “Postmoderne”, aber mit Letzterer kenne ich mich nicht gut aus. Brauche ich auch nicht, denn ich habe die Quelle dieser Religiösität im Kern oben schon umschrieben:
    Es ist das instrumentelle Verhältnis, das Menschen im Zuge der gesellschaftlichen Trennung von Hand- und Kopfarbeit zu den Gegenständen ihrer Gedanken PLUS ihrem Denken selbst eingehen, und es ist vollständig repräsentiert in einer generalisierten Identifizierung eines Gegenstandes des Denkens mit Funktionen, die menschliches Erklärungs- und Handlungsbedürfnis an und in ihm zutage fördern. Damit das geistesgeschichtlich trotz des Irrsinns, den das darstellt, und trotz der Widersprüchlichkeit, die das hat – damit befasse ich mich jetzt der Kürze halber nicht – funzt, braucht es allerdings ein Accessoire, und das ist der Geist-Materie – Dualismus.

    Und dieser Geist-Materie – Dualismus besteht nach der funktionellen Seite schlicht in der Erfindung einer “objektiven Welt”, aus welcher der Beobachter buchstäblich rausgekürzt wird. Bonnie hat in ihrem mit der Wikipedia rückversichertem Satz, “”Ein Algorithmus ist eine eindeutige Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems”, im Zusammenhang ihres Gedankens idealtypisch vorgeführt, wie solch ein “rauskürzen” geht.

    Ein möglicher Schritt voran

    Ich hatte mich im oben verlinkten Posting mit einem “Ich setze darauf” und “natürlich” mächtig grob “verkalkuliert” (tatsächlich wurde “es” mir zuviel …) indem ich schrieb:

    Ich setze darauf, daß ich jetzt meinen Adressaten nicht mehr wortreich zu erklären brauche, worin der Unfug und die Scharlatanerie besteht, die Damásio / Bonnie mit einigen Spittern der wahren Verhältnisse aufgeführt haben.
    Solche Membranporen lassen sich natürlich nach dem Vorbild handwerklicher / technischer Gewohnheiten als “Dispositionen” beschreiben, aber sie sind weder “Dispositive” noch erst recht ein “Dispositif”. Allgemein: Es sind keine Apparate, die ein Subjekt nutzt, sie sind das Subjekt an und für sich selbst. Was sie zu Subjekten bestimmt, ist die Kreativität der Aushebung von Bedürfnissen aus dem äußeren Milieu in Gestalt physischer Partikel und chemischer Verbindungen, vermittels der Organik der Membranen eines “reaktiven Bläschens”, welche den Partikeln und Verbindungen eine funktionelle Rolle im Dasein dieses Subjektes gibt.

    Das folgende Video eines gewissen “Anton Petrow” macht euch mit einer rezenten Beschreibung eines analogen Vorgangs innerhalb eukaryotischer Zellen bekannt. Schaut es euch ausnahmsweise an, ich bitte darum.
    https://www.youtube.com/watch?v=Xs0le5NxmW4

    Dann klappt es vielleicht auch mit der Revolution.
    Ja, nein; ach Quatsch.

  12. Der Begriff ‘Arbeiterbewegung’ bildet lediglich einen Teilaspekt des menschlichen Standesbewusstseins ab. Noch im frühen Mittelalter haben die Rittersleute ihre verhungernden Landpächter einfach niedergemetzelt, wenn sie ihnen zu aufmüpfig wurden, von den Totenkopfschwadronen der Neuzeit nicht zu reden.

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