Korruptionsaffäre in der Ukraine erreicht internationale Dimensionen

Selenskyj vor Flagge
President.gov.ua, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons

Abhörmitschnitte enthüllen mutmaßliche Korruption im ukrainischen Energiesektor und führen zu politischen Konsequenzen – auch ein Deutscher gerät ins Visier.

Es ist nun fast eine Woche seit dem Beginn des Korruptionsskandals in der Ukraine vergangen, der mit der Veruntreuung von Geldern im Energiesektor zusammenhängt. Es ist an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen – zumal auch ein deutscher Staatsbürger in die Affäre verwickelt ist.

Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine (NABU) veröffentlicht seit Tagen nach und nach Mitschnitte aus der abgehörten Wohnung des vermeintlichen Selenskyj-Freundes und Unternehmers Mindytsch. Diese Aufnahmen bringen viele brisante Details ans Licht und sorgen international für Aufsehen. Zahlreiche große internationale Medien berichten über Korruption im Umfeld von Präsident Selenskyj. Laut NABU-Leiter Semen Krywonos „liefen über das Büro der Beschuldigten im Energiesektor etwa 100 Millionen US-Dollar“.

Weicht Selenskyj der Einreise in die Ukraine aus?

Selenskyj sah sich zu ersten Maßnahmen gezwungen: Der Energieminister und der Justizminister wurden entlassen. Auch der Verteidigungsminister geriet unter Druck, da sein Name mehrfach in den Aufnahmen auftaucht und auch seine Gespräche mitgeschnitten wurden. Am Sonntag traf er Selenskyj in Griechenland, wohin er aus der Türkei gereist war. Ukrainische Medien vermuten, dass seine lange Auslandsreise damit zusammenhängt, dass er einer Einreise in die Ukraine ausweicht – bei seiner Rückkehr könnte ihm das NABU eine Verdachtsmitteilung übergeben und ein Strafverfahren eröffnen. Ebenfalls suspendiert wurde der Vizepräsident von Energoatom, Jakob Hartmut, ein deutscher Staatsbürger. Laut Ministerpräsidentin Swiridenko geschah dies „auf Grundlage von vom NABU übermittelten Materialien“.

Selenskyj kündigte zudem Überprüfungen in allen Ministerien, eine Reform der Agentur ARMA und weitere Maßnahmen an. Aktivisten in Kiew riefen am Samstag sogar zu einem neuen „Maidan“ auf, doch erschienen nur etwa hundert Menschen. Der erste Protestaufruf stammte von der Aktivistin Maria Barabasch, die bereits im Februar dem Sprecher des US-Kongresses angeblich kompromittierendes Material über Selenskyj und sein Umfeld übergeben haben soll.

Der Leiter des Präsidialamtes, Andrij Jermak, erklärte, Selenskyj müsse „jenseits jedes Verdachts“ stehen – eine Anspielung auf das bekannte Zitat „Die Frau des Cäsar muss über jedem Verdacht stehen“, wobei Gaius Julius Caesar sich nach diesem Ausspruch tatsächlich scheiden ließ.

Mindytsch verließ die Ukraine wenige Stunden vor der Durchsuchung seiner Wohnung und hält sich derzeit mutmaßlich in Israel auf.

Vermutlich wurde die Abhörtechnik von der Wohnung des Geschäftsmanns Wadym Boholjubow aus installiert, der ebenfalls kürzlich das Land verlassen hat. Er ist ein langjähriger Partner des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, für den Selenskyj viele Jahre gearbeitet hatte und dessen Unterstützung eine wichtige Rolle bei Selenskyjs Wahl spielte. Kolomojskyj steht aktuell unter Ermittlungen und gibt Interviews über Mindytsch, Selenskyj und andere Politiker. Im Internet kursiert zudem ein Video eines angeblichen Skype-Gesprächs von Kolomojskyj, das Mindytsch eingerichtet haben soll.

Wie viele deutsche Staatsbürger sind noch darin verwickelt?

Interessant ist auch der Umstand, dass das Haus, in dem der Justizminister Galuschenko und die Beschuldigte Olena Ustymenko vor den Durchsuchungen übernachtet hatten, bereits im Februar 2021 vom Staatlichen Ermittlungsbüro (DBR) beschlagnahmt worden war. Es gehörte dem ehemaligen Innenminister unter Janukowytsch, Sachartschenko, und wurde an die Agentur ARMA übergeben. Wie jedoch die Schlüssel zu diesem beschlagnahmten Objekt an Personen aus Selenskyjs Umfeld gelangten, müssen die Ermittler klären.

Der Präsident verhängte zudem Sanktionen gegen Mindytsch – allerdings gegen dessen israelische Staatsbürgerschaft, nicht gegen seine ukrainische. Dadurch kann er seine Vermögenswerte in der Ukraine weiterhin verkaufen. Ähnlich wurden auch Sanktionen gegen Aleksandr Zuckerman unter der ukrainischen Namensform „Oleksandr“ verhängt, was es ermöglicht, sie durch Vorlage des Passes zu umgehen.

Auch zu Vermögenswerten stellen sich Fragen, etwa zur Zukunft von Selenskyjs Firma Kvartal 95, die viele Jahre Filme und Fernsehshows mit ihm produzierte. Eigentümer sind Schefir und Mindytsch.

Ebenfalls bemerkenswert ist die Rolle von Mindytsch und anderen Beschuldigten bei der Gründung und dem Besitz der Firma Fire-Point. Dieses Unternehmen stellt Drohnen für die ukrainische Armee her und entwickelt Raketen für Angriffe auf russische Städte. Derzeit baut Fire-Point eine Fabrik für Raketentreibstoff in Dänemark. Die dänische Regierung unterstützt das Vorhaben stark und erlaubt dem Unternehmen sogar, etwa 20 dänische Gesetze zu umgehen. Auch Deutschland beteiligt sich – Verteidigungsminister Boris Pistorius stellt 5 Milliarden Euro bereit.

Eines steht fest: Dieser Korruptionsfall wird sich weiterentwickeln und wohl weitere ukrainische Ministerien betreffen. Wie viele deutsche Staatsbürger noch darin verwickelt sein werden und wie viel Geld weiterhin in ukrainische Unternehmen mit undurchsichtigen Ausgaben fließen wird, ist kaum abzuschätzen.

Maksim Korsun

Maksim Korsun ist Ukrainer und wohnt jetzt in Brandenburg. Früher hat er in der Ukraine, Russland und Moldawien gewohnt. Als der Krieg in seiner Heimat begann, meldete er sich freiwillig für die Lebensmittelversorgung. Er kam 2024 nach Deutschland.
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14 Kommentare

  1. Die Ukraine war schon seit ich denken kann der Hort der Korruption, Gier und Kriegsgeilheit hat Europa infiziert.
    Beides zusammen korrodiert ganz Europa und wird es zum Zusammenbruch führen.
    Gewollt? Ja, eindeutig, durch das europäische Führungspersonal!

  2. Deutschlandfunk heute Morgen “ Allein die Tatsache das hier ermittelt wird, steht für Demokratische Grundwerte im Gegensatz zu Putins Russland“ ..

    Man kann keine öffentliche Medien heute sich noch anhören zum aktuellen Tagesgeschehen, ohne das man sich nicht dabei als Idiot vorkommt o(
    SPDler spielen nicht nur ein falsches Spiel in Sachen Russland , einige sind auch völlig „Verblödet“ ….
    Die Wissen schon warum Sie kaum Ossis an Ihre Microphone lassen o)))

  3. Wie es aussieht soll damit das Ende von Selensky eingeleitet werden. Die eigentliche Frage ist aber ob damit auch das Regime zusammenfällt oder ob nur der Präsident ausgetauscht wird. Potentielle Nachfolger von Selensky scharren ja schon mit den Hufen. Der Nachfolger wird dann aber auch den Kapitulationsbedingungen zustimmen müssen. Selensky wird das nicht können.

  4. Ich warte jetzt nur darauf, dass auch noch Namen unserer deutschen Spitzenpolitiker
    in diesem Skandal auftauchen. Eigenlich kann es doch auch nicht normal sein, dass
    trotz der Nazi und Korruptionsvorwürfe, die ja schon länger in Raum stehen, immer
    noch diese horrenden Summen von u.a. Merz, Pistorius und vorher schon von Habeck
    und Baerbock in der Ukraune verjubelt wurden. Nur unsere Flinten Uschi wird nicht
    vom Trohn fallen. Irgendwie glitscht an der alles ab.

    1. @Träumer „Nur unsere Flinten Uschi“
      Heißt die jetzt nicht Abhör-Uschi?

      Als EU-Dikatatorin ist wohl bestens geeignet im vereinigten Europa in dem Nationalstaaten nichts mehr zu sagen haben sollen.

  5. „Zahlreiche große internationale Medien berichten über Korruption im Umfeld von Präsident Selenskyj….“
    „Der Präsident verhängte….“

    Warum solche, sich im Text wiederholenden, Falschdarstellungen?
    *Machthaber* ist die korrekte Bezeichnung.

    1. Das ist für mich auch eine der krassesten Widersprüche: einerseits Klimahysterie, andererseits aber kein kritisches Wort zu klimaschädlichen und Umwelt zerstörenden Aufrüstungen und Kriegsvorbereitungen. Und keinen juckst.

  6. Der Herr Selenskyj spart sich angeblich jeden Monat etwa 50 Millionen Dollar von seinem kargen Präsidentengehalt vom Munde ab und investiert es in Saudi-Arabien. Das hätte man doch am Weltspartag wenigstens mal positiv erwähnen können!

  7. Der Sozialdemokrat und Kriegstreiber Michael Roth gerade im Deutschlandfunk:

    „Der Krieg in der Ukraine wird auf dem Schlachtfeld entschieden.“

    Die Tradition der Eberts, Noskes oder Zörgiebels lebt in der SPD weiter. Jeder vernunftbegabte Militarist sagt, dass es keinen Gewinner geben wird und der Krieg aufhören muss. V.d.Leyen, Starmer, Macron, Merz, Klingbeil, Kiesewetter, Baerbock Hofreiter oder dieser unsägliche Kriegstreiber Roth usw., sie alle gehören vor ein Kriegsgericht.

  8. Der Kokser von Kiew gehört dem Oligarchen Kolomoisky. Den können die anderen Oligarchen zwar nicht leiden. Aber wenn ein kleiner Leutnant mit seinen Kumpanen den Paten bestiehlt, dann solidarisieren sich all die Obermafiosi, um dem Fußvolk zu zeigen, wer der echte Chef ist. Die Tage von „Kvartal 95“ und deren Kumpane sind gezahlt…
    Ob die Dumpfbacken der Bandera- Verehrer verstehen, das kein „Ukrainer“ das Land kontrolliert und in den Untergang geführt hat? Der Oligarch Rinat Achmatow ist Tatare. Und der Rest, einschließlich der Mehrheit der „Leutnants“, hat einen israelischen Pass. Soviel zu „Ukraine den Ukrainern“…

  9. Viele Namen deutscher Staatsbürger sind schon bekannt. Oder besitzt die Bundesregierung keine Verfügungsgewalt mehr über ihren Staatshaushalt?

  10. Es gab da auch mal ein anderes kleines niedliches Bürschchen nebst entsprechendem Umfeld, kräftig an den nationalen und internationalen Futtertöpfen labend, dank noch tatkräftigerer Unterstützung von overseas auch noch. Doch dann – man höre und staune – gab es Überraschendes. Ein paar Sätze aus dem eng.Wiki-Eintrag zu Jean-Baptiste Ngô Đình Diệm seien mir zumindest erlaubt:

    „Kennedy hatte seinen engen Vertrauten Torby Macdonald nach Südvietnam entsandt, der bei einem Treffen mit Diệm dringend zu Maßnahmen gegen die grassierende Korruption in dessen Regierung geraten hatte.“ Lang ging es dann nichtt mehr, am 1. November 1963 erhob sich die Straße, ein Tag danach lag Jean Baptiste im beschmutzten Tropenanzug im Dreck. Was genau, wie und warum, Wiki ist da mal wieder mehr als mitteilsam. Und – surprise – JFK’s Beitrag zum Plot? Wie verlautbart dazu Wiki: „Kennedy berief Henry Cabot Lodge zum neuen Botschafter in Saigon mit dem Auftrag, Diệm „zur Vernunft“ zu bringen oder nach einer Alternative zu ihm zu suchen. Inzwischen freigegebene Dokumente belegen, dass amerikanische Geheimdienste (Erg.v.Komm.: die Drecksarbeit), den Sturz und die Ermordung Diệms aktiv herbeiführten. Bis dahin wurde behauptet, Lodge habe lediglich einigen unzufriedenen Militäroffizieren signalisiert, die USA hätten nichts gegen einen Putsch einzuwenden.“ Ja, genau. schlappe drei Wochen später war auch der Liebling der halben Welt – John Fitzgerald, kurz Jack genannt – auch tot.

    Zugegeben, wir leben in spannenden Zeiten. Also, schaun’mermal wie es dieses Mal weiter- und ausgehen wird.

    Ach ja, soviel Zeit muß sein …

    Bin aber gespannt darauf, was unser Besserwisser vom Wochenende – i.S. ‚Hyper Kosher‘ in Paris, Porte Vincennes 9.1.2015 – auch heute wieder einzuwenden haben wird. Hatte er doch zuletzt mit aufgeblasenen Backen mit einer wilden Geschichte aufgewartet, die – sagen wir mal – nicht nur dem französischen, der deutschen wie auch der englischen Wiki-Variante diametral widerspricht. Warum auch immer oder doch eher warum wohl? Allein sein Nickie gibt mir lange genug zu denken, allein schon das Q. Besonders einfallsreich sind die Keksperte diesbezüglich ja nie. Zwanzig Jahre Begegnung mit solcherlei Herrschaften auf Neuland reichen mir völlig. Da heißt es: Unrat vorbeischwimmen lassen, stimmt’s MAGDA?

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