
Wie der Angriff auf UN-Soldaten den Sudan-Krieg eskalieren lässt.
Sechs bangladeschische UN-Soldaten wurden am Wochenende im Sudan getötet, mehrere weitere verletzt. Ihr Konvoi geriet nahe Kadugli im Bundesstaat Süd-Kordofan unter Beschuss, als er sich auf dem Weg zu einem UN-Stützpunkt befand. Die Vereinten Nationen sprechen von einem gezielten Angriff. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Tat scharf und ließ erklären, es handele sich mutmaßlich um ein Kriegsverbrechen.
Der Angriff markiert eine neue Eskalationsstufe im sudanesischen Bürgerkrieg. Zum ersten Mal seit Beginn der Kämpfe im April 2023 wurden UN-Friedenstruppen in dieser Deutlichkeit und mit tödlichem Ausgang attackiert. Dass es ausgerechnet Blauhelme traf, ist mehr als ein tragischer Zwischenfall. Es ist ein Signal: Selbst internationale Schutzsymbole verlieren im Sudan ihre abschreckende Wirkung.
Was genau geschah
Nach Angaben der Vereinten Nationen bewegte sich der Konvoi in der Nähe eines UN-Standorts, als er unter Beschuss geriet. Die Soldaten gehörten zum Kontingent aus Bangladesch, das im Rahmen der UN-Mission in Abyei und angrenzenden Regionen eingesetzt ist. Die Fahrzeuge wurden getroffen, mehrere Soldaten starben noch am Ort des Angriffs.
Unklar ist bislang, welche der Konfliktparteien verantwortlich ist. Sowohl die reguläre sudanesische Armee (SAF) als auch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) operieren in der Region. Beide Seiten weisen jede Verantwortung zurück. Doch für die Vereinten Nationen steht bereits fest: Der Angriff war kein Kollateralschaden, sondern ein gezielter Akt.
In New York wurde der Sicherheitsrat einberufen. Diplomaten sprechen von einem „dramatischen Einschnitt“. Für Hilfsorganisationen vor Ort ist die Botschaft eindeutig: Wenn selbst UN-Soldaten nicht mehr sicher sind, ist niemand mehr sicher.
UN-Friedenstruppen sind im Sudan nicht als Kampftruppen präsent, sondern als Puffer, Beobachter und Schutzmechanismus. Ihr Mandat ist begrenzt, ihre Bewaffnung defensiv. Sie gelten völkerrechtlich als besonders geschützt. Ein Angriff auf sie ist mehr als eine militärische Handlung, er ist ein politisches Statement.
Der Angriff zeigt, wie sehr sich der Krieg verändert hat. Was als Machtkampf zweier Generäle begann, hat sich zu einem entgrenzten Konflikt entwickelt, in dem keine roten Linien mehr gelten. Zivilisten, Krankenhäuser, Märkte und nun auch UN-Stellungen, werden Teil der Kriegslogik.
Für die internationale Gemeinschaft ist das ein Alarmsignal. Denn mit jedem Angriff auf UN-Personal sinkt die Bereitschaft, überhaupt noch präsent zu bleiben. Missionen ziehen sich zurück, Helfer verlassen das Land, Beobachtung bricht weg. Gewalt gedeiht dort, wo niemand mehr hinsieht.
Der Angriff fällt nicht vom Himmel. Er ist das Ergebnis einer Entwicklung, die lange ignoriert wurde.
Nach dem Sturz des Langzeitdiktators Omar al-Bashir im Jahr 2019 stand der Sudan kurzzeitig für Hoffnung. Millionen Menschen forderten Demokratie, zivile Kontrolle und einen Bruch mit der Militärherrschaft. Doch der Übergang blieb halbherzig. Die bewaffneten Machtapparate, Armee und Milizen, wurden nicht entmachtet, sondern in den politischen Prozess integriert.
General Abdel Fattah al-Burhan und RSF-Chef Mohammed Hamdan Dagalo präsentierten sich als Garanten der Stabilität. Internationale Akteure akzeptierten diese Erzählung, weil sie Ordnung versprach und Kooperation bei Migration, Sicherheit und Terrorbekämpfung.
Als beide Generäle im Oktober 2021 gemeinsam gegen die zivile Übergangsregierung putschten, blieb die internationale Reaktion begrenzt. Sanktionen wurden angedroht, aber kaum durchgesetzt. Die Botschaft war klar: Macht lohnt sich.
Der Krieg der Generäle
Im April 2023 brach der Machtkampf offen aus. SAF und RSF lieferten sich Gefechte in Khartum, später in Darfur, Kordofan und anderen Regionen. Es ging nicht um politische Programme, sondern um Kontrolle über Territorien, Ressourcen und internationale Anerkennung.
Die RSF, hervorgegangen aus den berüchtigten Janjaweed-Milizen, verfügt über erhebliche Einnahmen aus Goldabbau und Schmuggel. Die Armee kontrolliert Teile der staatlichen Infrastruktur und den Luftraum. Beide Seiten sind hochgerüstet, beide Seiten setzen auf Eskalation.
Zivilisten wurden schnell zu Geiseln dieses Machtkampfes. Wohnviertel verwandelten sich in Schlachtfelder. In Darfur kam es erneut zu ethnisch motivierter Gewalt und Massakern. Millionen Menschen wurden vertrieben.
Parallel zum militärischen Krieg entwickelte sich ein zweiter Konflikt: der Kampf um humanitäre Hilfe. Hilfskorridore wurden blockiert, Konvois geplündert, Zugang als Druckmittel genutzt. Hunger wurde zur Waffe.
Internationale Organisationen warnten früh vor einer Hungersnot. Doch die Finanzierung blieb lückenhaft. Ende 2025 kündigte das Welternährungsprogramm an, Rationen drastisch zu kürzen. Millionen Menschen stehen vor dem Nichts, nicht wegen fehlender Nahrungsmittel, sondern wegen fehlender politischer Priorität.
Der Angriff auf die UN-Soldaten fällt in genau diese Phase. Er trifft eine ohnehin ausgedünnte internationale Präsenz und verschärft die Krise weiter.
Seit dem Angriff auf die Blauhelme hat sich die Lage weiter verschärft. In Süd-Kordofan und Darfur nehmen die Kämpfe zu. Hilfsorganisationen melden neue Vertreibungswellen. Gleichzeitig nimmt die internationale Aufmerksamkeit ab. Andere Krisen dominieren die Schlagzeilen.
Der Sicherheitsrat ringt um eine Reaktion. Doch klare Konsequenzen bleiben bislang aus. Sanktionen, Waffenembargos, gezielte Maßnahmen gegen Verantwortliche, all das wird diskutiert, aber selten umgesetzt.
Für viele Sudanesen ist das nichts Neues. Sie erleben seit Jahren, dass Gewalt folgenlos bleibt.
Der Angriff auf die UN-Soldaten ist ein Symbol für das internationale Versagen im Sudan. Hätte man die Milizen nach 2019 entwaffnet, hätte man den Putsch von 2021 konsequent sanktioniert, hätte man humanitäre Hilfe frühzeitig abgesichert, vieles wäre anders verlaufen.
Stattdessen setzte man auf Hoffnung statt auf Durchsetzung. Auf Appelle statt auf Konsequenzen. Der Preis dafür ist jetzt sichtbar, in zerstörten Städten, hungernden Familien und getöteten Friedenssoldaten.
Der Tod der UN-Soldaten im Sudan ist kein tragischer Zufall. Er ist das Ergebnis eines Krieges, der lange unterschätzt, verharmlost und verdrängt wurde. Wer jetzt noch glaubt, es handele sich um einen „fernen Konflikt“, verkennt die Realität.
Wenn selbst Blauhelme sterben, ist der Punkt erreicht, an dem Wegsehen zur Mitschuld wird.
Quellen
Reuters
„Bangladesh says peacekeepers killed, injured in Sudan UN base attack“
https://www.reuters.com/world/asia-pacific/bangladesh-says-peacekeepers-killed-injured-sudan-un-base-attack-2025-12-13/
Associated Press
„UN chief condemns attack on peacekeepers in Sudan“
https://apnews.com/article/ce44092563b3612ec9ca26e5f85442b5
UN OCHA – Länderportal Sudan
https://www.unocha.org/country/sudan
„WFP warns of worsening hunger as fighting rages in Sudan“
https://www.wfp.org/news/wfp-warns-more-displacement-sudan-fighting-rages-darfurs-and-kordofans-amidst-shrinking
UN OCHA
„Sudan Humanitarian Update“
https://www.unocha.org/sudan
Ähnliche Beiträge:
- Der verdrängte Krieg: Hungersnot im Sudan
- Droht ein Krieg zwischen Äthiopien und Sudan?
- Auslandseinsätze der Bundeswehr: Verpflichtung im Rahmen der Bündnisfähigkeit Deutschlands oder Schwächung der Landesverteidigung?
- Einsatzfähigkeit und Einsatzwillen – zwei Seiten derselben Medaille
- Sudan nach dem Militärputsch





Den Westen interessieren nur Kriege die in seine hegemoniale Agenda fallen. Der Sudan gehört nicht dazu. Pech für den Sudan.
Der Westen unterstützt die barbarischen Kriege Israels, weil Israel der atomare Flugzeugträger gegen den Iran/ China ist
Der Krieg in der Ukraine wird durch die USA bald beendet, weil die US Ressourcen gegen China freimachen wollen.
Menschenrechte haben den Westen noch nie interessiert, weder in Israel, noch im Sudan
Im Westen nichts neues
Ist aufgefallen, dass es um den Sudan geht? Was weißt du über das Land?
Wenn es um den Sudan geht, versucht man sich doch erst einmal darüber zu informieren?
Das gilt auch für andere Poster hier. Eure eigene Agenda habt ihr doch eh schon 1000x hier reingeschrieben. Was soll denn mit dem 1001ten Mal besser werden? Ich habe nie von euch was von Sudan gelesen. Folgerichtig liese ich auch jetzt in einem Artikel über den Bürgerkrieg im Sudan nichts in euren Antworten zum Sudan.
Bitte erst informieren, dann posten. Dann haben wir alle mehr davon. Gut, der Artikel hätte auch besser sein können. Wie die Menschen im Jemen hätten auch die Sudanesen schon mehr Aufmerksamkeit verdient.
@ Naomi : Der Westen hätte im Sudan
keine Interessen? – Wer hat die Trennung in einen Nord- und einen Süd- Sudan befeuert, unterstützt, durchgesetzt ?
„Wenn selbst Blauhelme sterben, ist der Punkt erreicht, an dem Wegsehen zur Mitschuld wird.“
Wenn Journalisten in Gaza sterben, ist das Wegsehen wohl die volle Absicht dahinter.
P.S.:
Ich mag Burbachs markige Sätze nicht. Was fordert er hier? Wer soll hier intervenieren? Wenn schon beim Völkermord konsequent weggeschaut wird, weshalb dann nicht auch, wenn ein paar Blauhelme sterben?
Exakt. Den Satz kann er streichen.
In diesem Falle sind wir auch Mitschuld. Und nicht nur wegen den 135 UN Mitarbeitern sondern auch wegen der Zerstörung und (ich nenne es so) Völkermord an den Palästinensern.
https://www.ref.ch/news/viele-un-mitarbeiter-in-gaza-getoetet/
Bangla Desh
Ein Freund kam mit Traurigkeit in den Augen zu mir. Und sagte mir, dass er Hilfe bräuchte, bevor sein Land stirbt…
Die UN hat sowieso fertig.
Seit dem Debakel in Ruanda ist das nur noch ein Witzverein.
Der letzte Satz ist aber wirklich korrekturbedürftig:
Der Genozid und die vielen Flüchtlinge, den die UN nicht verhindert, das kann man übersehen?
Hier einige Podcasts zum Sudan:
https://www.youtube.com/@reason2resist/search?query=sudan
Krieg im Sudan – mit Roman Deckert – 99 ZU EINS – Ep. 581
https://www.youtube.com/watch?v=h14kNPqiZrQ
indirekt:
Radio War Nerd EP 564 — The UAE Empire, feat. Andreas Krieg + Iraq Elections, feat. Cyrus
https://podcastaddict.com/war-nerd-radio-subscriber-feed/episode/211274166
von vor 2 Jahren:
Sudan Crisis, with Joshua Craze — Radio War Nerd EP #375
https://www.youtube.com/watch?v=NLBJ7KDDVQs
Vielleicht haben die noch mehr Episoden, die ich gerade nicht finde.
Die von mir verlinkten Podcasts gehen eher ins Detail, vor allem legen sie die Hintermänner dar, deren Stellvertreter die „Bürgerkriegsparteien“ sind. Besonders Mahder Habtemariam im Podcast von Reason to Resist legt sehr einleuchtend dar, dass der Krieg eine Konterrevolution ist, um demokratische Prozesse im Sudan zu verhindern und zwar von allen Seiten, also auch denen, die behaupten, sie wären für Demokratie, also westlichen Hintermännern, nicht nur UAE oder China.
Wie immer beziehe ich mich bei meiner Quellenauswahl möglichst auf Experten für das Land und dazu möglichst auf Einheimische. Bei Dimitri Lascaris gab es auf Publikumsanfrage bisher 2 Folgen zum Sudan mit einheimischen Experten. Die 1. Folge zeigt aber, dass es mit einheimischen Experten Sprachprobleme geben kann und dass sie z.B. auch zu vorsichtig formulieren, um nicht in die Fänge eines Regimes zu geraten – oder sie können natürlich auch einfach auf der falschen Seite sein, z.B. Kompradoren:
https://de.wikipedia.org/wiki/Komprador
Das ist aber alle Mal besser als sich auf irgendwelche Mainstream-Experten zu beziehen, die oft auch nur mit Mainstream-Erklärungen kommen, die in Wirklichkeit nichts erklären, sind alles nur dem Mainstream anpassen, auch die Politik im Sudan. Da geht es dann also gar nicht um den Sudan.
Dass es um Gold und Öl geht im Sudan, das muss doch im Artikel unbedingt auftauchen. Die vielen Waffen dort, die werden mit etwas bezahlt, eigentlich ganz einfach zu verstehen, also wie mit was, woher kommen sie? Auch dass es da viele Ethnien gibt, dabei wiederum Konflikte zwischen Bauern und Nomaden.
Das noch einmal separat verlinkt:
The US and UAE Are Pillaging Sudan And Crushing The Democratic Aspirations Of Its People
https://www.youtube.com/watch?v=lNlQssYm2xE
Die Analyse von Mahder Habtemariam erscheint mir als ausgezeichnet.
Gibt es bei uns in Deutschland Jemanden, der das so gut darlegen kann? Gut, ist in der Provinz vom Imperium -nicht so wichtig …
Jede Aktion die Medial benannt wird, hat zur Folge, daß sich etwas verändern wird.
In diesem Fall ist das die UN.
Die grossen sieben, sind heute schon Geschichte, es ist das Kapital, was Geschichte schreiben wird.
Sollte man nicht ein wenig weiter denken, als die UNO verantwortlich zu machen? Die UNO ist keine Weltregierung, die irgendetwas regeln kann. Sie ist lediglich eine Bühne, auf der sich die Staaten zur friedlichen Regelung von Konflikten treffen können, um militärische Lösungen zu vermeiden.
Das sollte erhalten bleiben, ob nun „wirksam“ oder nicht. So schwer kann doch die Einsicht nicht sein.
Hier noch zwei Videos in deutscher Übersetzung:
https://www.nachdenkseiten.de/?p=142497#h07