Indien ist ein zerrissenes und gespaltenes Land. Was verbindet Indien und Deutschland? Und was trennt die beiden Nationen?
Kürzlich erschien Oliver Schulz‘ neues Buch »Neue Weltmacht Indien. Geostratege, Wirtschaftsriese, Wissenslabor«.
Seit Jahrzehnten nehmen Autoritarismus und Menschenrechtsverletzungen in Indien zu. Die hindunationalistische Zentralregierung wie auch die Regierungen einzelner Bundesstaaten gehen massiv gegen Minderheiten vor. Mit neuen Gesetzen werden Minderheiten ausgegrenzt, Verschwörungstheorien und Hassreden kursieren. Besonders Muslime, aber auch Christen und andere Minderheiten leben in Angst vor der Staatsmacht und Attacken hinduistischer Fundamentalisten.
Anfang Juli hat das Europäische Parlament eine Resolution verabschiedet, in der es vor dem „Hindu-Majoritarismus” in Indien warnt. Die Resolution fordert die indische Regierung auf, die “anhaltende ethnische und religiöse Gewalt”, insbesondere im Bundesstaat Manipur, unverzüglich zu beenden. Seit Mai ist der nordöstliche Bundesstaat Manipur Schauplatz Gewalt zwischen Milizen verschiedener indigenen Völker. Bisher sind mehr als 120 Menschen getötet und 50.000 vertrieben worden. Die Konflikte zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen in Indien, vor allem zwischen Muslime und Hindus sind so massiv, wie seit der Unabhängigkeit 1947 nicht mehr.
Großes Potenzial für weitere Zusammenarbeit
Doch die deutsche Außenpolitik ficht diese Entwicklung kaum an. Ende 2022 reiste Annalena Baerbock nach Indien. Die deutsche Außenministerin fuhr mit der Autorikscha durch Delhi. Sie verteilte barfuß vor Gandhis Gedenkmal Rosenblätter und buk in einer Tempelküche mit den Frauen traditionelles Fladenbrot.
Bei einer Pressekonferenz unterzeichneten die Länder eine Vereinbarung über eine Migrations- und Mobilitätspartnerschaft. Damit sollen hochqualifizierte Fachkräfte leichter nach Deutschland kommen. Dann sprachen die beiden Minister. Bearbock duzte ihren indischen Amtskollegen in ihrer auf Deutsch gehaltenen Rede. Es gebe ein enges Band zwischen den beiden Demokratien, sagte sie: „Ein Band, das uns auf der Grundlage geteilter Werte verbindet.“ Und sie zählte auf: „Menschenrechte, Freiheit, Demokratie. Das Vertrauen in eine Ordnung, basierend auf dem Recht.“
Baerbock verwies auf konkrete Projekte, die vereinbart wurden, um Indien dabei zu unterstützen, seinen Energiebedarf auf sozial und ökonomisch nachhaltige Quellen umzustellen. Die beiden Länder wollten die Zusammenarbeit etwa bei der Energiewende ausbauen. Deutschland stehe dafür als Partner zur Seite. Auch gemeinsame Verteidigungspolitik war ein Thema. Kooperationen im indopazifischen Raum sollten verstärkt werden, im Bereich der Sicherheit wie auch der Klimapolitik. Insgesamt gebe es ein großes Potenzial für weitere Zusammenarbeit. Das beziehe sich auf die Wirtschaftsbeziehungen wie auf die Verteidigung. Man habe in der Bundesrepublik erlebt, wie es sei, sich von einem Land abhängig zu machen, dessen Werte man nicht teile, sagte die Außenministerin mit Blick auf Russland. Deswegen wolle man in diesen Bereichen stärker mit Indien kooperieren.
Scholz in Indien
Diese bereits mehrfach zitierten gemeinsamen Werte blieben auch ihr Schwerpunkt, als eine Zeit-Journalistin sie fragte, ob Indien jetzt ein Ersatzpartner für China werden solle. Baerbock antwortete mit einem klaren Nein. Indien sei schon immer Partner für Deutschland und Europa gewesen. Diese Partnerschaft solle jetzt erweitert werden. Denn, und da war es wieder: „Uns verbindet eine Wertepartnerschaft. Insbesondere die wollen wir weiter ausbauen.“ Als größte Demokratie der Welt stehe Indien beispielhaft für viele Länder in der Welt.
Auch Bundeskanzler Scholz, der im Februar 2023 das Land besuchte, unterstrich die Bedeutung der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Und das, obwohl Indien sich kurz zuvor bei einer neuen Resolution zur Verurteilung des Einmarschs Russlands in die Ukraine in der UN-Generalversammlung erneut der Stimme enthalten hatte. Scholz‘ Lob für Indien war zwar weniger euphorisch, ging aber in dieselbe Richtung wie das der Außenministerin. Auch ihm ging es um Werte: „In der Tat bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Länder eng verbunden sind, weil wir ähnliche Vorstellungen haben – ganz besonders, was die Demokratie betrifft und was die Bedeutung betrifft, die sie für unser Leben und für die Zukunft hat“, sagte er in New Delhi gegenüber Premier Modi.
Ambivalenz zwischen USA und Russland
Tatsächlich ist die Lage eine andere. Indien ist heute eine tief gespaltene Nation. Um ein zuverlässiger Partner für Deutschland und den Westen zu sein, muss das Land seine Menschenrechtspolitik neu ausrichten. Auch wenn deutsche Politiker dies bisher – anders als etwa gegenüber China – nicht anmahnen. Egal, ob es um die Rechte von Muslimen oder Christen oder auch um Frauenrechte geht: Nur wenn die indische Regierung einen anderen, komplett neuen Weg einschlägt, sind dauerhaft Konflikte in dem Land zu vermeiden. Nur dann ist der Frieden im Land sicher.
Außenpolitisch sind vor allem die guten Beziehungen New Delhis zu Moskau ein Widerspruch zu der immer enger werdenden Verteidigungs-Partnerschaft mit dem Westen. Denn trotz aller Annäherung an Washington und Brüssel in den vergangenen Jahren: Es ist kaum zu erwarten, dass das Land in den kommenden Jahren seine Ambivalenz zwischen den USA und Russland komplett überwindet. Geostrategisch ist New Delhi auch heute nur insofern ein verlässlicher Verbündeter für den Westen, als es nichts tun wird, was die nationalen Interessen der EU-Länder oder der USA verletzt. Doch das gilt eben auch für die Interessen Russlands und sogar Chinas.
Und auch das viel zitierte wirtschaftliche Potenzial ist zwar gewaltig – aber bisher taugt Indien auch ökonomisch nur bedingt als neuer Partner für den Westen. Denn allem Wachstum zum Trotz: Die sozioökonomische Schere klafft weit auseinander.
Die Inder haben die letzten Jahrzehnte viel Erfahrung mir dem von Pakistan ausströmenden dschihadistische Terror sammeln dürfen. Man denke nur, wie der Terroranschlag auf das Bataclan oder Charlie Hebdo von der Politik und dem Medienbetrieb hier aufgenommen und ausgewertet wurden.
Indien hat die Islamisten direkt neben sich und natürlich nutzen Politiker, die Ängste der Bevölkerung.
BTW: Baerbock; “Die beiden Länder [Deutschland, Indien] wollten die Zusammenarbeit etwa bei der Energiewende ausbauen.”
Die größte Solaranlagen der Welt stehen in Indien.
https://de.wikipedia.org/wiki/Solarpark_Bhadla
Die größte Solaranlage der Welt ist der Huanghe Hydropower Hainan Solar Park in China mit 2,8 GW. Der Bhadla Solar Park ist lediglich Platz 2 (2,7 GW)
Hast du dazu einen Link?
Ist ihnen schon mal in den Sinn gekommen, daß die Teilung des indischen Subkontinents in Indien und Pakistan ein Produkt des britischen Kolonialismus ist?
Gemeinsame Werte? Indien betreibt eine nach nationalen Interessen Indiens ausgerichtete Politik, Deutschland nach den Interessen von US Konzernen und ihren Lakaien in der Politik ausgerichtete Politik. Ich vermag da keine gemeinsamen Werte erkennen. Indien nominiert Profis für politische Ämter, Deutschland Leute, die in der Sonderschule ein “mangelhaft” bekommen hätten.
Indien strebt ein robustes wirtschaftliches Wachstum an, Deutschland strebt eine Deindustrialisierung an.
Nein, zwischen Indien und Deutschland gibt es genauso wenig gemeinsame Werte wie zwischen einem Elefanten und das, was dem Elefanten aus dem Hintern fällt.
Die EU ist mit ihrem permanenten Hass, ihrer Diskriminierung alles Russischen (und nicht erst seit 2014!) völlig ungeeigent, einem anderen Land gegenüber Verhaltensmaßregeln aufzustellen. Schon der Ton dieser “Resolutionen” ist anmaßend. Natürlich verfallen die demokratischen Verhältnisse in Indien, aber wo ist das nicht der Fall! Wir in Deutschland sollten zuerst im eigenen Hof kehren. Anders als Deutschland ist Indien fast überall von Konfliktgebieten umgeben. Man möchte hoffen, dass Indien wenigstens sein Verhältnis zu China auf eine partnerschaftliche, vernunftorientierte Basis stellen kann, das ist entscheidend. Chauvinismus ist selten ein gutes Argument. Werden dort die entscheidenden Fehler gemacht, wird sich Indien gezwungen sehen, sich wieder mehr den USA anzunähern.
Zu Indien fallen mir zunächst die Umweltkatastrophen, verursacht z.B. durch Leder und Pharmaindustrie, ein, die das Potenzial haben Teile des bevölkerungsreichsten Landes unbewohnbar zu machen. Vor allem das (Trink)Wasser ist betroffen.
Indien braucht kein Wirtschaftswachstum sondern dringendst Umweltschutz. 1,4 Milliarden Menschen sind der helle Wahnsinn. Ich kenne Indien gut und war dort das erste Mal 1989. Ich sehe für Indien leider Pechschwarz wenn das ungezügelte Wachstum so weitergeht. Wer schon mal in Uttar Pradesh war weiß wovon ich rede. Die totale Dystopie. Weniger Menschen und konsequenter Umweltschutz sind der einzige Weg dieses ehemals so wunderschöne Land wieder lebenswert zu machen. Dieses Wirtschaftswachstum ist wie Krebs und ruiniert seinen eigenen Wirt, unsere Erde.
Genau. Ich verwundere mich immer ein wenig über Beiträge zu wirtschaftlichen Themen, die wie im luftleeren Raum geschrieben sind. Schubladendenken, Fachidiotie ?. Als ob es keine Umweltprobleme gäbe.
All diese so hoch gehandelten Konkurrenten des Westens, Indien, Brasilien, China (vielleicht mit Einschränkungen ?) werden genau wie der Westen im Orkus enden, wenn sie den Weg des Wachstumswahns weiter beschreiten,
Interessanter Artikel, der viel Stoff zum Nachdenken bietet.
Modi gilt als tiefreligioeser Hindu und trotzdem versucht er in Indien das Kastensystem aufzuloesen, weil es auch mittlerweile bei ihm angekommen ist, dass dieses System den Aufstieg des Landes verhindert, weil es manpower blockiert. Fuer Kinder der unteren Kasten gibt es mittlerweile Ausbildungsprogramme und fuer Arbeitgeber Foerdermittel, wenn sie Angehoerigen der unteren Kasten jobs geben. Denn auch da gibt es Karma-Hindernisse.
Das sind Riesenschritte, denn im Prinzip sagt er damit, dass Religion gut ist, wenn man sie sich leisten kann.
Das hebt andere Nachteile / Verbrechen nicht auf, nur muss man eben bedenken, dass jedes Land seine eigene Wahrheit und seine eigene Geschwindigkeit hat. Man sollte auf die Fortschritte sehen. 1.4 Milliarden Menschen mit krassen Unterschieden in Wohlstand und Bildung sind nicht leicht zu managen. Bis vor ein paar Jahren hat Indien nicht mal FDI zugelassen und eine Firmengruendung eines Auslaenders war nur in joint venture mit einer indischen Firma zulaessig. Sehr gutes Beispiel JCB. Mittlerweile hat Indien die Hindernisse fuer FDI voellig beseitigt, so dass es nur noch eine Informationspflicht gibt. Ausserdem sollen mWn in den naechsten 10 Jahren 80 Flughaefen gebaut werden. Nur mal so als Dimension. Deutschland hat in dieser Zeit nicht mal einen hinbekommen.
Dass es da so furchtbar ist, hat unsere Granden nicht daran gehindert, dort qualifizierte Fachkraefte abwerben zu wollen. Die braucht Indien aber selbst. Das Land zahlt auch fuer deren Ausbildung. Wenn also Deutschland Indiens Fachkraefte abwerben will, sollten die Ausbildungskosten erstattet werden, auf Hoehe Deutschland’s. Es muss aufhoeren, dass reiche Laender sich auf Kosten armer Laender durchschmarotzern. Das aber nur als Seitenhieb.
Der Auszug liest sich wie von einer denkfabrik kreiert.
Alle Punkte und was die Konflikte angeht, sollte man ‘seine Finger’s daraus nehmen.
Einer der aktivsten ist mal das Königshaus aus Angeln und Sachsen.
Der Artikel ist ziemlich widerlich, abgehoben, bevormundend, selbstgefällig. Er schliesst sich nahtlos and den gleichfall schlechten Artikel “Weltmacht Indien” vom selben Autor an, nur dass ihm nun die Probleme und Widersprüche des Landes aufgefallen sind.
Es geht nicht darum, die halbfaschistische Hindutva-Ideologie der BJP und ihrer Partei-SA RSS zu beschönigen, noch weniger, die indischen Widersprüche kleinzureden oder zu leugnen. Aber “deutsche Werte” sind mit Sicherheit das Letzte, was Indien für seine Entwicklung braucht.
Ehe der Westen, westliche Autoren, selbstgefällig auf andere Nationen herabblicken, sollten sie doch bitte vor der eigenen Haustüre kehren!
Funktionieren die westlichen Werte denn in den westlichen Ländern? Schaut euch doch mal den Zustand der westlichen Welt an und ihr werdet sehen, Eurer westliches Modell ist für den Rest der Welt kein Exportschlager!
Trotzdem versucht der Westen nun schon seit 500 Jahren seine „westlichen Werte“ anderen Nationen mit Feuer und Schwert aufzuzwingen. Das ging fast immer schief und der westliche Kolonialismus verlor viele Kriege. Auch in Afghanistan – man mag zu den Taliban stehen wie man will – ging das schief und eine Bauernarmee hat die noch Weltmacht USA vertrieben. Vor fast 50 Jahren passierte dasselbe in Vietnam. Indien war viel zu lange eine Kolonie der Briten und ich wüßte nicht, daß diese Indien jemals für ihre Unrechtsherrschaft entschädigt hätten?.
Die westlichen Menschen müssen lernen, daß sie nicht der Mittelpunkt der Welt sind! Sie sollen erst mal selbst ihre Werte vorleben, ehe sie diese anderen Nationen mit Gewalt und Kriegen aufzwingen wollen.
Der Westen, die westlichen Menschen müssen zwei grundlegende Dinge lernen:
RESPEKT vor anderen Kulturen und Nationen und Toleranz gegenüber einen vielschichtigen, bunten Welt, die viele Wertesysteme kennt und westliche Werte nicht will! Bescheidenheit wäre auch eine Tugend, die der Westen für sich selbst neu entdecken sollte, so wie es doch die westliche, christliche Religion fordert. Der Autor als ehemaliger Theologe sollte doch sein eigenes Wertesystem ernst nehmen und sich in Demut und Bescheidenheit üben.