Friedenspräsident ade: Trump und die Sequenzierung des Dritten Weltkriegs

Donald Trump will Friedenstaube fangen.
Quelle: Dieses Bild wurde mittels KI entwickelt.

Spätestens nach dem Angriff auf den Iran sollte jedem klar sein, dass Trump definitiv kein Friedenspräsident ist. Um seine Absichten zu verstehen, lohnt sich ein Blick in ein US-Strategiepapier: Demnach sollen die europäischen NATO-Mitglieder Russland im Ukraine-Krieg binden, damit die USA sich auf einen Krieg mit China vorbereiten können.

„Vielleicht tue ich es. Vielleicht tue ich es aber auch nicht. Ich meine, niemand weiß, was ich tun werde.“

Mir diesen  für ihn typischen Worten ließ US-Präsident Donald Trump die Welt am 18. Juni zunächst im Unklaren darüber, ob die USA in den Krieg zwischen Israel und dem Iran eingreifen werden. Wenige Tage später stellte Trump mit dem US-Angriff auf iranische Atomanlagen endgültig klar, dass er trotz aller vollmundigen Ankündigungen im Wahlkampf nicht als „Friedenspräsident“ in die Geschichte eingehen wird. Durch diesen Militärschlag hat der US-Präsident auch seine eigene MAGA-Wählerbasis deutlich verärgert. Doch genaugenommen hätte man ohnehin nie damit rechnen sollen, dass sich Trump für den Frieden einsetzt, insbesondere, wenn dieser seinen „Deals“ abträglich sein sollte.

Mittlerweile geht auch so gut wie niemand mehr davon aus, dass Trump seine Entscheidung zum Angriff auf den Iran „spontan“ oder aus einer seiner scheinbar irrationalen, willkürlichen Launen heraus getroffen hat. Trump ist zwar bekannt dafür, seine Meinung innerhalb von Tagen (manchmal auch innerhalb von Stunden oder sogar im selben Satz) zu ändern, sodass die Medien mit der Berichterstattung kaum hinterherkommen. Doch wie immer empfiehlt es sich auch in diesem Fall, zwischen Getöse und den Signalen im Hintergrund zu unterscheiden.

Mittlerweile hat Trump auch verkündet, dass er Russland die Pistole auf die Brust setzen will: Sollte innerhalb von 50 Tagen kein „Deal“  bzw. kein Friedensabkommen mit der Ukraine zustande kommen, werde man Strafzölle gegen Russlands Handelspartner verhängen. NATO-Generalsekretär Mark Rutte nannte in diesem Zusammenhang später explizit die BRICS-Staaten China, Indien und Brasilien. Mittlerweile hat Trump die Frist noch einmal auf zehn Tage verkürzt.

Der Sündenbock für die Massen: Pete Hegseth

Trump kündigte außerdem an, nun doch Waffen an die Ukraine liefern zu wollen. Angeblich aus dem Grund, dass seine Geduld mit Putin „am Ende sei“. Jetzt sollen also die USA und auch EU-Staaten Patriot-Systeme an die Ukraine liefern, wobei es wieder Streit gibt, wer wie viel liefert, da die Bestände erschöpft seien. Zahlen sollen natürlich dir Europäer.

Mit Trumps „Kehrtwende“, die letztendlich auch nur darin bestand, dass er die von seinem Vorgänger Joe Biden genehmigten Waffenlieferungen lediglich weiterlaufen lies, ist der vorläufige „Waffenstopp“ mittlerweile außer Kraft gesetzt. Für diesen soll laut einem Bericht von CNN jedoch ohnehin nur Verteidigungsminister Pete Hegseth (der Mann mit den interessanten Tattoos) verantwortlich sein, der diesen angeblich ohne Absprache mit Trump und Konsorten veranlasst habe, was  die „oft planlose Politik innerhalb von Trumps Administration unterstreiche“. CNN versucht sich an dieser Stelle wieder einmal in  einem interessanten Framing. Dass dies planlos geschehen sein soll, ist allerdings mehr als fragwürdig.

Ebenso sind die letzten Vereinbarungen zu Waffenlieferungen keine wirklich großen Neuigkeiten: Bereits im Mai zeigte sich, dass Trump zwar keine Waffen an die Ukraine liefern wollte (da ihm dies zu teuer sei). Allerdings hatte er kein Problem damit, dass die europäischen NATO-Mitglieder US-amerikanische Waffen in die Ukraine exportieren. Dies konnte man freilich nur feststellen, wenn man die Nachrichten jenseits der groß aufgemachten Trumpschen „Skandale“ genauer betrachtete.

Laut einem Bericht der New York Times aus dem Mai hatte Washington zu jener Zeit grünes Licht dafür gegeben, dass Deutschland 100 Patriot-Luftabwehrraketen und 125 Langstreckenraketen aus US-amerikanischer Produktion an die Ukraine liefert. Hintergrund dessen ist, dass es auch in den USA  Ausfuhrbestimmungen für den Re-Export von Waffensystemen in Drittländer gibt. Die Zusage von Washington erfolgte ausgerechnet zu jener Zeit, als Russland angesichts des „Tag des Sieges“ und des Gedenkens an den Sieg über Hitler-Deutschland eine 72-stündige Waffenruhe verkündet hatte. Für einen „Friedenspräsidenten“, der den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden wollte, spricht ein solches Verhalten wahrlich nicht.

Außerdem gibt es nun Diskussionen, ob die USA direkt Langstreckenwaffen an die Ukraine liefern wollen, was Trump natürlich erst einmal dementierte. Um es kurz zu fassen: Mittlerweile ist die Diskussion fast genau an dem Punkt angelangt, an dem sie sich bereits unter Trumps Vorgänger Joe Biden befand.

Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Trump und Biden?

Trumps imperialistische Absichten zeichneten sich zwar schon zu Beginn seiner zweiten Amtszeit ab. Sei es seine Inanspruchnahme von Kanada, von Grönland (aufgrund der neuen strategischen Bedeutung der Arktis)  oder die Tatsache, dass er den Panamakanal zum Staatseigentum der USA erklärte und die dortigen Häfen nach der Verdrängung eines in Hongkong ansässigen Unternehmens durch BlackRock aufkaufen ließ.

Doch auch in Bezug auf seine erste Amtszeit kann man sich genauso gut fragen, was eigentlich der Unterschied zu Joe Biden gewesen ist. Nun ja, Biden

  1. hat Russland sanktioniert und erfolgreich gegen Nord Stream agitiert (letzteres auch erfolgreich).
  2. ist (mit Hilfe des US-Stellvertreters Israel) gegen den Iran vorgegangen.
  3. und führte einen Handelskrieg gegen China.

In seiner ersten Amtszeit hatte Trump hingegen:

  1. Russland sanktioniert und gegen Nord Stream agitiert.
  2. ist militärisch gegen den Iran vorgegangen (man denke nur an die Ermordung Suleimanis).
  3. den Handelskrieg gegen China entfacht.

So gesehen, bestand außenpolitisch bisher kein großer Unterschied zwischen Trump und Biden. Beide Präsidenten zeichneten sich dadurch aus, dass sie den hegemonialen Status der USA angesichts einer neuen Weltordnung, die multipolar geprägt ist, verteidigen wollten. Der „Showmaster“ Donald Trump hat sich durch diverse „Deals“ in Nahost und viel Inszenierung nur wesentlich besser verkauft. Begleitet wird das Ganze natürlich immer von viel Getöse, sodass die Medien mit einer realistischen Einordnung kaum hinterherkommen. Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon bezeichnete diese Strategie bekanntlich einmal als: „Flood the zone with  shit“.

Ein aufschlussreiches Strategiepapier: China first, Russia second

Wenn man allerdings noch etwas weiter zurückgeht, stellt man fest, dass Trumps scheinbar irrationale Politik durchaus einen langfristigen Plan verfolgt. Hierzu lohnt sich die Lektüre des Strategiepapiers „Strategic Sequencing, revisited“ der Denkfabrik „The Marathon Initiative“ aus dem Oktober 2024. In diesem wird gleich zu Beginn offen dargelegt, dass die größte Befürchtung der USA darin besteht, in einen gleichzeitigen Krieg zwischen China, Russland und dem Iran verwickelt zu werden. Um dies zu vermeiden, wird im Papier eine „Strategie der Sequenzierung“, also gewissermaßen eine „Salami-Taktik“ empfohlen. Diese zielt darauf ab, „Russland in der Ukraine eine strategische Niederlage zuzufügen, und zwar schneller als China bereit ist, gegen Taiwan vorzugehen“. Damit dies funktioniert, müsse man das „derzeitige Zeitfenster klug nutzen“. Im Wesentlichen werden im Strategiepapier vier Ziele formuliert:

  1. Die Ukraine soll einen Vorteil auf dem Schlachtfeld zu erlangen, um den Krieg
    diplomatisch zu günstigen Bedingungen zu beenden.
  2. Es soll ein „osteuropäischer Schutzwall“ mit der Ukraine als Basis aufgebaut werden, damit sich die USA auf den indopazifischen Raum konzentrieren können.
  3. Weiterhin ist eine effektivere „Arbeitsteilung“ vorgesehen, bei der die Verbündeten den Großteil der konventionellen Abschreckung im europäischen Raum bereitstellen, damit sich die USA auf den indopazifischen Raum konzentrieren können.
  4. Die industrielle Basis der USA sowie der verbündeten Staaten soll reformiert werden, um sich auf eine Konfrontation mit China, Russland und dem Iran vorzubereiten.

Nach der Lektüre des Papiers sollte einem schnell klar sein, dass die USA bereits dabei sind, die wichtigsten Punkte umzusetzen. Dass Trumps vollmundige Ankündigung, den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden, von Anfang an nichts als eine Lüge war, wird ebenfalls klar.

Idealerweise soll Russland im Ukraine-Krieg zwar eine strategische Niederlage hinzugefügt werden, doch der US-amerikanische geopolitische Analyst Brian Berletic geht zum Beispiel davon aus, dass ein „Pausieren“ oder vorläufiges „Einfrieren“ des Konflikts in der Ukraine, die ohnehin nur ein Werkzeug der USA ist, um Russland zu binden, ebenfalls vom Vorteil für die Vereinigten Staaten wäre, da Washington sich so verstärkt auf den Konflikt zwischen China und Taiwan konzentrieren könne.

Genaugenommen zeichnete sich diese Strategie bereits während des Wahlkampfs ab, als Trumps Verbündeter J.D.Vance ankündigte, weniger Waffen an die Ukraine liefern zu wollen. Vances Begründung, dass dieser Schritt erfolgen solle, da die USA Taiwan eine höhere Priorität einräumen, ging im Jubel der MAGA-Anhängerschaft (die sich mittlerweile vermutlich verwundert die Augen reiben) freilich unter.

Dass die europäischen NATO-Staaten nun auch US-amerikanische Waffenlieferungen an die Ukraine bezahlen sollen, passt ebenso ins Bild wie das Fünf-Prozent-Ziel der NATO oder die massive Aufrüstung der USA und insbesondere ihrer Verbündeten.

Der letzte Punkt dürfte sich allerdings nicht nur auf die  militärische Aufrüstung, sondern vor allem auf die Produktion von Mikrochips in Taiwan beziehen, die vor allem bei Spezial-Anwendungen einen Großteil der globalen Produktion ausmacht und die für moderne Technologien  (auch im Militär) unerlässlich sind. An dieser Stelle wundert einen auch nicht, dass Trump die Chipproduktion in die USA zurückholen will und den Hersteller TSMC (wie bereits Biden) verpflichtete, mehr Fabriken in den USA zu bauen.

Trumps Männer im Hintergrund

Wie bereits erwähnt, stehen vor allem Leute wie  Pete Hegseth oder auch der republikanische Falke Lindsey Graham im medialen Fokus. Doch eine Betrachtung von Trumps Leuten in der zweiten Reihe ist wesentlich aufschlussreicher, um dessen langfristige Strategie zu verstehen. Werfen wir also mal einen Blick auf den Autor des genannten Strategiepapiers, A. Wess Mitchell.

Dieser war bereits von 2017 bis 2019 essentieller Bestandteil der ersten Trump-Administration und als stellvertretender Minister für europäische und eurasische Angelegenheiten im Außenministerium tätig. In dieser Funktion spielte er eine entscheidende Rolle bei Europa-Strategie der USA, insbesondere mit Blick auf die globale Konkurrenz durch China und Russland. Mitchell plädierte bereits zu jener Zeit für eine stärkere westeuropäische Lastenteilung und monierte, dass die westeuropäischen US-Verbündeten „den strategischen Wettbewerb nicht ernst nehmen“ und weiterhin Handelsbeziehungen zu China und Russland unterhielten.

Er sprach sich zudem für eine Erhöhung des NATO-Budgets für alle Mitgliedsstaaten, den Kauf von US-Flüssiggas durch Europa und erleichterte Zölle für US-Importe in die EU aus. 2019 trat er aus privaten Gründen von seinem Posten zurück. Nach einem kurzen Intermezzo bei einer NATO-Kommission gründete er zusammen mit Elbridge Colby  eben jenen berüchtigten Think Tank „The Marathon Intitiative“.

Ein Blick auf den Lebenslauf seines Kollegen Colby ist ebenfalls erhellend: Dieser war von 2017 bis 2018 im Bereich Strategie und Streitkräfteentwicklung als „Deputy Assistant Secretary“ des Verteidigungsministeriums tätig und spielte bei der Entwicklung der Nationalen Verteidigungsstrategie der USA von 2018, die unter anderem den Fokus der US-Außenpolitik auf China verlagerte, eine Schlüsselrolle. Im Dezember 2024 wurde Colby von Trump dann zum Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik ernannt.

Politisch ist Colby vor allem als Falke bekannt, der China für die größte Bedrohung der USA hält. Laut Colby sollte sich die USA daher also vor alle darauf fokussieren, ihre militärischen Ressourcen nach Asien verlagern, um eine drohende Übernahme Taiwans durch China zu verhindern. Aufgrund jener neuen Ausrichtung sollte auch die Militärhilfe für die Ukraine verringert werden. Er plädierte bereits frühzeitig dafür, sich aus „regionalen Konflikten“ wie Afghanistan oder dem Irak zurückzuziehen, um sich stattdessen auf die Konkurrenz durch revisionistische Großmächte wie China und Russland konzentrieren zu können.

Im Mai 2025 schaffte es Colby kurz in die Schlagzeilen, als er verkündete, die Vereinigten Staaten wünschen, dass sich die britischen Streitkräfte weniger auf den Indopazifik und mehr auf den euro-atlantischen Raum konzentrieren sollten, da sie dort eher gebraucht werden. Er äußerte sich in diesem Zusammenhang auch  besorgt darüber, dass das Vereinigte Königreich die HMS Prince of Wales in den Indopazifik entsendet hatte.

Interessanterweise scheint Colby allerdings kein Freund der US-Militärpräsenz im Nahen Osten zu sein. Entsprechende Überlegungen finden sich auch im Strategiepapier seines Kollegen Mitchells, in dem es heißt:

„Eine dritte Option, die in einigen Kreisen diskutiert wird, wäre der Versuch, das Mehrfronten-Dilemma durch einen Militärschlag gegen den Iran zu entschärfen. Die Idee wäre, gegen den schwächsten von Amerikas großen Gegnern entschlossen vorzugehen und so den Druck auf einen gefährdeten Verbündeten (Israel) zu mindern und Bandbreite für andere Schauplätze freizumachen. Das offensichtliche Problem ist, dass ein solcher Schritt wahrscheinlich nach hinten losgehen würde, mit potenziell katastrophalen Folgen. Der moderne Iran ist nicht der Irak der 1990er Jahre; er ist eine Beinahe-Atommacht, die durch Pseudo-Bündnisse sowohl mit China als auch mit Russland verbunden ist. Ein Angriff auf den Iran könnte einen umfassenderen Krieg im Nahen Osten auslösen, der auf unvorhersehbare Weise eskalieren und die Vereinigten Staaten dazu zwingen könnte, erschreckende militärische Ressourcen aus dem europäischen und indopazifischen Raum umzuleiten.“

Mit dieser Position machte Colby sich im Pentagon allerdings nicht nur Freunde. Mittlerweile ist auch offensichtlich, dass die beiden Gründer der „Marathon Intiative“ sich in diesem Punkt auch nicht gegen die antiiranischen Falken in Washington durchsetzen konnten.

An dieser Stelle noch eine Anmerkung am Rande: Überlegungen, welche Vorteile es hätte, Israel die „Drecksarbeit“ (Zitat Friedrich Merz) machen zu lassen, oder als US-Hegemon selbst anzugreifen, finden sich übrigens bereits in früheren Strategiepapieren über den Iran.

Der Versuch der Spaltung

Letztendlich stellt jene Strategie aber auch nur eine Ergänzung zur neuen Ausrichtung des US-Militärs dar, welches verstärkt auf MDO-Konzepte (Multi-Domain Operations) setzt. Ziel dieser erweiterten Kriegsführung ist es, in einem Konflikt mit mehreren gleichwertigen Gegnern in mehreren Domänen (Land, Luft, See, Cyberraum, Weltall) gleichzeitig operieren zu können und idealerweise zu dominieren. Bei der Entscheidungsfindung soll natürlich – wie könnte es auch anders sein – KI zum Einsatz kommen.

Ironischerweise könnte man sogar sagen, dass Trump sich nun (ausgerechnet!) auf seinen Vorgänger Obama bezieht, unter dem die Risiken eines Krieges gegen China bereits diskutiert wurden.

Allerdings könnte man sogar noch weiter zurückgehen und davon ausgehen, dass Trump sich auch an Richard Nixon und Henry Kissinger orientiert und versucht, das enge Bündnis zwischen Russland und China zu spalten. Beide Länder sehen ihre Partnerschaft in der zunehmend multipolaren Welt, welche Washington ein Dorn im Auge ist, als Gegenpol zur westlichen, US-dominierten Weltordnung. Sollte es den USA gelingen, Russland aus der Partnerschaft und sanktionsbedingten Abhängigkeit von der Volksrepublik zu lösen, könnten sie sich voll auf China konzentrieren.

Doch China scheint dieses Spiel bereits durchschaut zu haben und erklärte jüngst auf einem Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, dass man kein Interesse an einer Niederlage Russlands in der Ukraine habe. Sollte Russland verlieren, so Chinas Außenminister Wang Yi, würden sich die USA „voll auf die Rivalität mit China konzentrieren“.

Eines steht jedenfalls fest: Mit Blick auf derartige Berater sollte einen an Trumps Außenpolitik nichts mehr wundern.

Mitunter wird aber auch das „beste“ Strategiepapier von der Realität eingeholt. Dass Trump nun Russland mit seinem Ultimatum und der Erpressung durch Sekundärsanktionen die Pistole auf die Brust setzt, dürfte vor allem daran liegen, dass Moskau sich bisher nicht auf einen Waffenstillstand oder ein Abkommen einließ – unter anderem mit der Begründung, dies würde nur dazu dienen, Kiew in der Zwischenzeit weiter aufzurüsten. Hinzu kommt, dass Russland an der Front langsame, aber stetige Fortschritte macht. Entscheidend dürfte aber vor allem die Tatsache sein, dass die Rüstungsindustrie des Westens, vor allem die europäische, aber auch jene in den USA, offenbar nicht mit dem Bedarf der Ukraine und der Produktion Russlands mithalten kann.

Daher drängt Trump aufgrund des schwindenden Zeitfensters offenbar darauf, dass sowohl die USA als auch Europa ihre Rüstungsproduktion in kürzester Zeit massiv hochfahren müssen. Ein Abweichen von der ursprünglichen Strategie scheint also nicht in Sicht zu sein. Angesichts dessen stellt sich nicht einmal mehr die Frage, ob es zu einem Krieg im Indopazifik kommt. Die Frage ist vielmehr wann…

Die letzten Medienberichte über die Ausweitung der Militärmanöver in Taiwan, die extensiv gesteigerte Drohnenproduktion vor Ort (die wohl nicht nur ausschließlich dem Export dient), das angekündigte (mittlerweile allerdings abgesagte) Treffen von Taiwans Verteidigungsminister mit Hegseth und Colby oder auch der jüngste Besuch des Ministerpräsidenten der Philippinen (einem der engsten US-Verbündeten in der Region), bei dem Trump verkündete, dass die USA und die Philippinen künftig enger militärisch zusammenarbeiten werden,  lassen jedenfalls nichts Gutes erahnen.

Letzte Hoffnung Querfront – oder doch eine Graswurzelbewegung made in China?

Es scheint also egal zu sein, ob es um Russland, China oder den Iran geht: Die USA sind auch unter Trump weiterhin bestrebt, angesichts des erstarkenden Globalen Südens ihren Status als Hegemonialmacht aufrechterhalten zu wollen und setzen dabei auf militärische Mittel.

Allerdings ist nicht alles vergebens: Da wäre zum Beispiel zum einem die Tatsache, dass die Aufrüstung des Westens doch nicht so schnell vorangeht wie geplant. Zum anderen könnten die USA vielleicht auch bemerken, dass sich die industrielle Basis nicht von heute auf morgen in das eigene Land zurückholen lässt und die Folgen einer Eskalation mit China für die USA womöglich größer sind als für alle anderen Beteiligten, was einen Krieg zumindest verzögern würde. Die größte Hoffnung auf Frieden für den Rest der Welt besteht jedoch darin, dass die USA an ihren eignen inneren Widersprüchen zerbrechen – und dies ist derzeit nicht mehr so unwahrscheinlich.

Die MAGA-Wählerbasis war bekanntlich alles andere als begeistert über Trumps Militärschlag gegen den Iran. Wie bereits an anderer Stelle von Overton berichtet, ist Trumps ehemalige Wählerbasis am Kochen. Das Interview des (einstigen?) Trump-Unterstützers Tucker Carlson mit dem republikanischen US-Senator Ted Cruz, der für einen Regime Change im Iran plädierte und dabei noch nicht einmal weiß, wie viele Einwohner das Land hat, ist mittlerweile fast schon legendär.

Auch Steve Bannon, Trumps ehemaliger Berater, erklärte, ein Militäreinsatz im Iran werde die USA „zerreißen“. Die Rechtsaußen-Politikerin Marjorie Taylor Greene gab zum Besten, das all jene, die an den Sinn solcher Kriege glaubten, „gehirngewaschen seinen“, was ihr Kopfschütteln von linken Satirikern einbrachte – da diese nicht wussten, an welcher Stelle sie ihr widersprechen sollen. Dass sich MAGA-Leute nun teilweise anhören wie der „linke“ Bernie Sanders, ist durchaus eine erstaunliche Entwicklung.

Kommt es nun zu einer Querfront in den USA? Dies ist weiterhin extrem unwahrscheinlich, dafür sind die innenpolitischen Widersprüche im Land dann doch zu groß. Dazu muss es allerdings auch gar nicht kommen. Es wäre (zumindest für den Rest der Welt) bereits ausreichend, wenn der Druck auf die US-Regierung von allen Seiten steigt und sich diese irgendwann gezwungen sieht, sich mehr um den innenpolitischen Zerfall der Vereinigten Staaten zu kümmern, anstatt sich als Weltpolizist aufzuführen.

An dieser Stelle mag für den Leser vielleicht eine persönliche Anekdote des Autors hilfreich sein. Vor den letzten US-Wahlen meinte ein alter Bekannter zu mir: „Außenpolitisch mag man Trumps erste Amtszeit gemischt sehen. Vielleicht war sie gar nicht so schlecht.  Und innenpolitisch…Nun ja, innenpolitisch hat Amerika wesentlich Schlimmeres verdient.“

Ob damals nur der Zynismus aus ihm sprach oder doch etwa der reichlich genossene Wodka, lässt sich wohl nicht mehr zweifelsfrei klären.

Allerdings scheinen entsprechende Betrachtungen mittlerweile auch von anderen geteilt zu werden und haben bereits ihren Weg in die heutigen geopolitischen Analysen fernab des Atlantiks gefunden. So wird in einem Artikel der South China Morning Post festgestellt, dass die durch Trumps Migrationspolitik verursachten jüngsten Unruhen in Los Angeles angesichts der anstehenden Zwischenwahlen durchaus ein Risiko darstellen könnten.

Mit Blick auf die Proteste in Hongkong 2019, die von der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi als „wunderschöner Anblick“ bezeichnet wurden, ist diese verbale Retourkutsche Chinas zwar nicht verwunderlich. Allerdings wird mit Blick auf die Proteste gegen Trumps Migrationspolitik auch Zhao Kejin, Professor für Internationale Beziehungen an der  Tsinghua-Universität in Peking, mit den Worten zitiert, dass die USA derzeit einen „historischen politischen Wandel“ von einer progressiven zu einer konservativen Dominanz erleben – ein Wandel, der nicht nur für Amerika, sondern für die ganze Welt „tiefgreifende Auswirkungen“ haben werde.

„Mit Blick auf die Zukunft werden die politischen Schockwellen von Trump wahrscheinlich anhaltenden Widerstand des liberalen Establishments auslösen und zu einer anhaltenden Konfrontation innerhalb der USA führen“, so Zhao. Um in dieser neuen Realität zurechtzukommen, müsse sich China strategisch auf globale Probleme konzentrieren und den geopolitischen „Mittelweg“ einschlagen – und zwar nicht nur gegenüber einzelnen Ländern, sondern auch gegenüber transnationalen Akteuren.

Die chinesische Diplomatie mit den USA solle ihren Schwerpunkt „nach unten verlagern und sich vorrangig auf die Zusammenarbeit mit Großstädten und lokalen Regierungen konzentrieren, um die sozialen und öffentlichen Grundlagen der bilateralen Beziehungen zu stärken“.

Ist die letzte Hoffnung für eine „Friedensmacht USA“ also eine Graswurzelbewegung „made in China“?

Nun ja, man sollte die Möglichkeiten der chinesischen „Soft Power“, insbesondere in der Außenpolitik, nicht unterschätzen.

Und da die Amis so etwas wie eine Friedensbewegung offensichtlich nicht selbst hinbekommen, wäre ein solches Szenario gerade in der heutigen „ interessanten“ Zeit auch nicht mehr verwunderlich.

Arno Böttcher

Arno Böttcher ist freier Journalist und lebt in Berlin. Zu seinen Schwerpunkten zählen neben Politik und Technik insbesondere das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland.
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16 Kommentare

  1. Es ist zum Kotzen wie die Amis in Schutt und Asche legen…nur um ihre Weltmachtposition zu erhalten.

    Genauso zum Spucken ist es, dass die europäischen Vasallen es erst möglich gemacht haben. Mit einem starken
    Europa, das ein Russland als wertvollen Handelspartner an seiner Seite hat,
    wäre der ganze Scheiß nicht möglich gewesen.

    Merkel hat Tür und Tor dafür weit geöffnet, hinzu kommt eine „von der Leyen“, der Rest mit Scholz, Biden und den Grünen ist Geschichte…

  2. Ich sehe ja den Wandel „von einer progressiven zu einer konservativen Dominanz“ — würde eher sagen von neoliberal zu neoautoritär — nicht nur in den USA sondern im gesamten „freien“ Westen.

  3. Schön zu sehen, wie sich jetzt im Overton-Magazin, wenn auch mit ca. einem Dreivierteljahr Verspätung, langsam die Erkenntnis durchzusetzen scheint, dass Trump doch nur ein ganz stinknormaler US-Präsident ist.
    Dieses ständig von Rötzer, Kenius, Hübschen et al. wiedergekäute „Trump will Frieden“ wirkte zunehmend albern, während Trump die Ukraine weiter fleißig mit Waffen belieferte und nebenbei den Iran bombardieren ließ.

    1. Ich weiß nicht, ich denke, es ist eher so, dass dem Trump unaufhörlich die Neocon-Hardliner im Nacken saßen und sitzen und ihn allmählich sozusagen „gedreht“ haben. Trump ist nicht stabil und auch nicht intelligent genug, um diesen Einflüssen zu widerstehen. Will ihn nicht in Schutz nehmen oder reinwaschen, aber seine ursprünglichen Friedensabsichten beispielsweise in der Ukraine waren aus meiner Sicht tatsächlich ehrlich gemeint. Er hatte natürlich eine naive Vorstellung davon, wie leicht es für ihn sein würde, den Konflikt in der Ukraine zu beenden. Da leidet er wohl unter einer überhöhten Einschätzung seiner Wirksamkeit. Dass er nun ganz anders redet, liegt meines Erachtens an den Einflüssen aus seinem Umfeld, die ihn nun zu einem Biden 2.0 geformt haben.
      Ich persönlich hatte leichte Hoffnung, diese ist aber vollständig dahin. Seine Wankelmut ist kaum zu ertragen und eines so mächtigen Mannes unwürdig, diese persönliche Instabilität ist auch gefährlich für die globalpolitische Entwicklung.

      1. Hallo Annando,

        ich verstehe Ihre Logik und sie haben vollkommen recht. Trump, das „stabile Genie“, ist weder stabil noch besonders intelligent, dafür aber ignorant und ungebildet und stolz darauf. Das ist eine gefährliche Mischung von Eigenschaften, die in Summe eine Persönlichkeit ergeben, welche für Manipulation, z. B. in Form von Fütterung mit Falschinformationen, besonders anfällig ist. Und genau das geschieht sicher auch täglich im morgendlichen Briefing.
        Allerdings deutet unabhängig davon nichts darauf hin, dass er es jemals wirklich ernst gemeint hat mit irgendwelchen Friedensabsichten. Ich denke es ist eher wahrscheinlich, dass es mal einen Zeitpunkt gab, an dem Trump in der üblichen Überschätzung seiner Möglichkeiten dachte er könne den Krieg in der Ukraine beenden, indem er die russische Führung zur Annahme eines für sie extrem unvorteilhaften Friedens zwingt. Den Versuch jemandem am Verhandlungstisch eine Niederlage abzupressen sollte man aber nicht mit Friedenswillen verwechseln.
        Aber eigentlich ist’s auch wurscht, was in dem Kopf von dem Irren vorgeht. An ihrem Handeln müssen wir sie messen, und in der Hinsicht ist Trump genauso übel wie Biden, Obama, Bush, Clinton und all die anderen Massenmörder vor ihnen.

  4. Ich persönlich glaube nicht dass Donald T. oder irgendein anderer Akteur im politischen Westen noch irgendeinen Plan verfolgt, sondern dass nur noch impulsgesteuert reagiert wird. Um 12 Uhr ist Donald gut drauf und will Frieden, 3 h später
    kriegt er einen Wutanfall und setzt Ultimaten, wie ein 3 jähriger der den Schokoriegel an der Kasse nicht kriegt.
    Hier ist es nicht anders. Die Probleme wie Energiekrise, Inflation usw werden nicht angegangen, stattdessen wird in bestem Goebbels Deutsch schwadroniert: Deutschland sei „wieder da,“ Made for Germany (was immer das heißen soll)
    und „Aufwuchs“….
    Noch lassen die Leute sich ruhigstellen mit Bratwürsten, Bierkästen und News über im Outback aufgefundene „Work and Travel“ Mädchen.

  5. Die Rabauken hinter Trump machen die Rechnung ohne Wirt. Die USA hängen vielfach am Tropf von China. Zudem ist China in vielen Bereichen führend und das lässt sich mit Mehrfrontenkriegen auch nicht so schnell ändern. Ich würde den gesamten Regierungen des Wertewestens bescheinigen, dass deren Lernfähigkeit um Welten hinter China liegt, da kann der deep state noch so perverse Strategien entwickeln. China zeigt der Welt immer mehr, wo es ohne Absturz langgehen kann, aber der Wertewesten möchte abstürzen, das wird mit jedem Tag klarer, alle helfen mit, vdL, Rutte, Merz, Starmer, Macron, Erdogan,… .

  6. Aus Russland heißt es: Trump habe Russland ein „annehmbares Angebot“ gemacht.
    Also Abwarten.

    Die Ukraine steht kurz vor dem Zusammenbruch und wird vermutlich noch dieses Jahr militärisch bedingungslos kapitulieren müssen, wenn der Krieg nicht sofort durch Verhandlungen beendet wird.

    Ich fürchte nur, Nato Staaten, allen voran die Briten, werden ihre ohnmächtige Wut in Terroranschlägen gegen russische Handelsschiffe und auch weit im russischen Hinterland zum Ausdruck bringen, auch nach einem offiziellen Ende des Krieges.
    Man denke nur an die Terroranschläge der Bandera Anhänger (mit westlicher Billigung/Unterstützung) noch Jahre nach 1945.

    1. Soweit ich mich erinnere hat der tanzende Pimmel schon vor Jahren mit Terroranschlägen im Westen gedroht falls er nicht schnell genug Waffen kriegt. Wir können uns auf einiges gefasst machen.

  7. Natürlich ist Trump kein Friedenspräsident. Wer das erwartet hat auch in Bezug auf Russland kann/konnte nicht ganz dicht im Oberstübchen sein. Ich schon früher darauf hingewiesen, macht ja nix.
    Trump ist schlimmer als jede Hyäne.

    King Donald I. freut sich über sein EU-Geschenk von 600 Mrd US-Dollar

    „600 Milliarden Dollar, die ich in alles investieren kann, was ich will, alles. Ich kann damit machen, was ich will“, sagte Trump.
    Quelle: DER SPIEGEL

    Vielleicht will er ja in einen neuen Golfplatz oder ein Luxushotel in Gaza investieren wenn sein Drecksarbeiter Netanjahu dort alle Palästinenser vertrieben oder ermordet hat???

    Panicky Trump is heading towards a war with Russia. Here’s why
    https://strategic-culture.su/news/2025/08/05/panicky-trump-is-heading-towards-a-war-with-russia-heres-why/

    Is Trump Taking Us to War?
    https://www.paulcraigroberts.org/2025/08/04/is-trump-taking-us-to-war/

    A Catastrophic War Seems Inevitable
    As President Trump recently declared to the Atlantic magazine, ” I run the country and the world.”
    https://www.paulcraigroberts.org/2025/08/05/a-catastrophic-war-seems-inevitable/

    Der DWD sagt der Juli in Deutschland war zu warm.
    Ich stimme dem zu, an manchen Tagen war es bei uns zu warm im Haus.
    Aber nur weil wir den Kamin anhatten haben wir ncht gefroren 🙂

  8. Weder die USA noch Yurop sind offenbar in der Lage und/oder Willens mittels dem Klecks Ukraine Russland zu zerstören und da will das orange Ding und seine Spießgesellen sich mit China bzw den BRICS anlegen?
    Das Imperium Americanum ist am ENDE und Yurop wird mit ihm untergehen!
    Ein untergehendes Imperium wird strampeln wie verrückt, DAS ist das Problem.

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