Feministische Außenpolitik in Paraguay: Alles nur Gedöns?

Bild: Gaby Weber

Im weit entfernten Paraguay verteidigt die deutsche Außenministerin keine „westlichen Werte“, wie sich am Beispiel der schwer bewachten Siedlung “El Paraíso Verde” zeigt.

 

Der Begriff “feministische Außenpolitik” wurde vor neun Jahren von der schwedischen Außenministerin in den Ring geworfen, um neue Maßstäbe in die internationale Politik einzuführen: gegen Diskriminierung und Gewalt, für Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte. Hört sich alles sehr hübsch an, dachte auch die grüne Aspirantin auf das deutsche Außenamt und ließ das Schlagwort im Koalitionsvertrag der Ampel festschreiben. Bis heute unklar ist allerdings, was Annalena Baerbock darunter versteht.

Meint sie damit, dass nun in den Ämtern neben den männlichen Seilschaften die der Frauen und Diversen hinzukommen? Endlich Cousinen- statt immer nur Vetternwirtschaft? Im Falle ihrer neuen Staatssekretärin für Umwelt ist das gelungen: die US-Amerikanerin Jennifer Morgan (vormals Greenpeace) wurde per “Turbo-Einbürgerung”, wie die Bildzeitung nörgelte, mit der deutschen Staatsbürgerschaft versehen und erhält als neue (verbeamtete) Staatssekretärin satte Versorgung bis an ihr Lebensende.

Eigentlich gehörte zu feministischer Politik Friedenspolitik, Engagement gegen den Krieg. Aber bei der Debatte im Bundestag um das 100-Milliarden-Sondervermögen im März vergangenen Jahres begründete die Außenministerin ihre neue Begeisterung für Kriegsgerät aller Art mit den Worten “feministische Außenpolitik ist kein Gedöns”. Denn in der Ukraine stehen in ihren Augen die „westlichen Werte“ auf dem Spiel, und da müsse auch der Feminismus den neuen Zeiten irgendwie angepasst werden.

Im weit entfernten Paraguay hingegen verteidigt die deutsche Außenministerin keine „westlichen Werte“. Dort steht seit Monaten die schwer bewachte Siedlung “El Paraíso Verde” in den Schlagzeilen, die paraguayische Presse spricht gar von einer neuen “Colonia Dignidad”. Zahlreiche deutsche Staatsbürger leben in dem “grünen Paradies”, darunter die 20-jährige Lea (die Namen wurden geändert). Ihre in Dresden lebende Familie, Freunde und Kollegen befürchten, dass sie dort gegen ihren Willen festgehalten oder zumindest unter Druck gesetzt wird. Ihre Mutter hat Frau Baerbock um Hilfe und um einen „dringenden Gesprächstermin“ gebeten. Doch statt der jungen Frau in Paraguay beizustehen, verweigert ihr Amt jegliche Unterstützung. Der Gesprächstermin wurde nicht gewährt, man könne nichts machen, die Tochter sei ja schon volljährig, teilte man ihr telefonisch mit. Feministische Außenpolitik à la Baerbock?

Grünes Paradies von bewaffneten Wächtern abgeschirmt

Trägerin der Siedlung ist die Aktiengesellschaft Reljuv – das steht für Relax und juvenecer, also relaxen und verjüngen. Mitten in einem Sumpfgebiet und abgeschirmt von bewaffneten Wächtern. Sie ist eng verbunden mit der regierenden rechten Colorado-Partei. Wer sich in das „grüne Paradies“ einkaufen will, muss tief in die Tasche greifen, viel zu tief, beklagen etliche Aussteiger. Viele Fragen stehen im Raum. Deshalb habe ich mir im November das „grüne Paradies“ angeschaut – soweit dies möglich war, denn ich konnte mich bei meinem Besuch dort nicht frei bewegen oder mit den Siedlern sprechen.

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Nach der Veröffentlichung erhielt ich eine Email aus Dresden, von Eva, Leas Mutter. Sie fürchtet, dass ihre Tochter gegen ihren Willen im “grünen Paradies” festgehalten oder zumindest massiv unter Druck gesetzt wird. Sie ist die Freundin des Sohnes der Betreiber des “Paradieses”, John Annau. Sein Vater Erwin war jahrelang Scientologe und ist damit mit den Instrumenten von Gehirnwäsche und Manipulation vertraut.

2018 und 2019 waren Mutter und Tochter für einige Tage nach Paraguay gereist, um sich in der Nähe von Caazapá das Projekt anzusehen, das in sozialen Medien um Auswanderungswillige wirbt. Lea, die in Dresden eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten absolvierte, verliebte sich in John und blieb ab Sommer 2020 in der Siedlung. Mutter Eva reiste alleine nach Dresden zurück, versuchte aber in Telefonaten und Whatsapp ihre Tochter zur Rückreise oder wenigstens zu einem Besuch in Deutschland zu überreden. Das wurde, laut Eva, vom Ehepaar Annau verhindert, Emails und Nachrichten kontrolliert.

Im Juli 2021 tauchten Leas Vater und Eva unangemeldet im ,,El Paraiso Verde“ auf. In ihrer Tasche hatten sie ein Rückflugticket für Lea. Und die war zunächst glücklich, mit ihren Eltern zurückzufahren, obwohl sie von den Annaus und dann vom Chef der Siedlung, Juan Buker (zugleich Parteipolitiker der regierenden rechten Colorado-Partei), “in die Mangel genommen wurde. Sie hatte große Angst. Am darauffolgenden Tag war Lea eingeschüchtert, mit grauen Augenringen und sagte leise: ,Ich komme nicht mit.´ Wir konnten sie nicht mehr allein sprechen und wurden von bewaffneten Wachen bedroht.” Die Eltern mussten ohne sie zurückreisen.

Im April 2022 erkrankte Eva an Krebs; auch in dieser Situation kam ihre Tochter nicht zu Besuch. Seitdem erhält sie nicht einmal mehr Telefonanrufe.

Im vergangenen Dezember wandte sie sich verzweifelt an das Auswärtige Amt, schrieb einen persönlichen Brief an Frau Baerbock und bat um einen „dringenden Gesprächstermin“. Natürlich weiß die Hochschuldozentin, dass das Amt keine “Kavallerie nach Caazapá schicken” wird, aber deutsche Diplomaten haben zahlreiche Möglichkeiten, aktiv zu werden – falls der politische Wille dazu besteht. Sie könnten in Asunción bei den dortigen Behörden nachfragen oder sich persönlich von den Zuständen in der Kolonie ein Bild machen und mit Lea unter vier Augen sprechen – Indizien, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, liegen ausreichend vor.

Und schließlich gibt es in der Vergangenheit Beispiele, wo solche abgeschlossenen Siedlungen ein dramatisches Ende hatten, zum Beispiel die abgeschottete Siedlung von US-Bürgern in Guayana, Jonestown. 1978 kam es dort zu einem Massen(selbst)mord, Hunderte von Sektenmitgliedern kamen ums Leben. Seit damals halten sich Gerüchte, dass es sich bei Jonestown um ein CIA-Projekt im Rahmen des Programms Mk Ultra (Mind Control) gehandelt haben soll. Bewiesen oder widerlegt wurden diese Gerüchte bis heute nicht.

Ein anderes Beispiel ist die Colonia Dignidad in Chile. Der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier musste sich öffentlich für das jahrelange Nichtstun der deutschen Diplomatie in Sachen “Kolonie der Würde” entschuldigen. Jahrzehntelang waren deutsche Staatsbürger gegen ihren Willen festgehalten und viele von ihnen sogar sexuell missbraucht worden; dort wurde für den Geheimdienst gefoltert. Doch die deutsche Botschaft in Santiago wollte von allem nichts gewusst haben und schützte die Siedlung.

Ich hatte für diese Veröffentlichung das Amt gefragt, warum es in Sachen „Grünes Paradies“ auf sämtliche Maßnahmen verzichtet, die Aufklärung versprechen? Will man die Fehler der Vergangenheit wiederholen und einfach wegblicken, wenn eine junge Frau in Not ist und wahrscheinlich gegen ihren Willen in einer bewaffneten Siedlung festgehalten wird? Und schließlich habe ich gefragt, wie dieses diplomatische Nichtstun mit der angeblichen „feministischen Außenpolitik“ zusammenpasst? Oder war alles nur „Gedöns“? Eine Antwort erhielt ich bislang nicht.

Ähnliche Beiträge:

8 Kommentare

  1. Eine Antwort vom AA wird auch nicht kommen. Das einzige, was mir bei so einer Geschichte einfällt (außer der Leichtfertigkeit der angeblich so mündigen jungen Leute), ist: Was interessiert dieses machtgeile Geschöpf im deutschen Außenministerium ein fremdes Schicksal? Wer ein wenig ihren Lebenslauf, ihre Aktivitäten verfolgt, weiß: die interessiert sich nur für sich selbst. Dazu sind Eitelkeit und Inkompetenz im Außenministerium noch größer als in anderen Behörden. Für die junge Frau tut es mir leid. Aber wenn sie sich nicht selber helfen kann und auch nicht von den Eltern helfen lässt – was erwartet sie? Jeder kann und muss wissen, was es mit den Scientologen auf sich hat. Wie schrieb jemand hier? Bildung ist eine Holschuld. Mit ständig schwindender Bildung werden wir in Zukunft noch viel mehr solcher Schicksale haben. Aber die Welt verbessern – das wollen sie.

  2. Ich will zurück zur Außenpolitik alter weißer Männer . Ich will Brandt, Genscher und ja, dass ich so was mal schreibe, auch Kohl.
    „Feministische“ Außenpolitik bringt uns an den Rand der finalen Auslöschung. Und wenn wir die schon erleiden müssen, dann wenigstens nicht mit dieser unerträglichen Melange aus Phrasen, Heuchelei und schlechtem Stil, dieser aufdringlichen Dauerpräsentation von Unbildung, unzureichender Intelligenz und fehlender Klasse. Wenn man die Menschheit schon töten lassen will, muss man uns dann zuvor noch die Nerven töten?

    Der Soundtrack zum letzten Akt der Menschheit könnte irgendwie großartiger sein. Wagner, Mahler und die Doors. Stattdessen bekommen wir Billigpop mit hohem Ekelfaktor: Lets go Barbie Girl…
    Wir haben uns auf diesem Planeten wirklich nicht gut benommen. Aber doch nicht so schlimm , dass wir dieses politische Personal als Sterbebegleiter bekommen müssen.

    Aber ich will sich ungerecht sein und dahinter steckt ein raffinierter geheimer Plan. Wir werden zuletzt die Nukes als Erlösung empfinden. Lieber das Ende der Welt als weiter durch Wokeschisten erklärt zu bekommen, wie sie den so ist, die Welt.

    1. Sorry Frau Weber, dass ich so arg an ihrem Artikel vorbei geschrieben habe. Hat mich einfach so gepackt.
      Möchte dann wenigstens noch ergänzen, wie sehr ich sie und ihre Arbeit schätze. Wenn die Alien dereinst unseren verwüsteten Planeten entdecken und Texte von ihnen finden, haben sie den Beweis, dass es mal intelligentes Leben auf der Erde gegeben hatte.

  3. Deutschland richtet sich in ihrer Außenpolitik ganz nach den USA. Nur noch peinlich mit anzusehen, wie es sich gegenüber lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern verhält. Persönliche Schicksale haben da leider keinen Platz. Zumal der Einsatz, den AA bringen müsste um Hilfe zu leisten, lächerlich gering ist.
    In die Fänge der Scientologen oder Sekten geraten mehr Menschen als man denkt. Das Problem kann nicht auf mangelnde Bildung oder Alter reduziert werden. Ziemlich viele „gebildete“ Menschen allen Alters sind Anhänger oder geraten in deren manipulative Fallen.

    Ein Beispiel für Deutschlands hinterhältige Außenpolitik (Es gibt so viele) – Am selben Tag Nigeria: Medien-inszenierte Rückgabe der Bronzestaturen und Sammelabschiebung. Dazu dieser arrogante Bundeswehreinsatz à la „Friedensmission“ aufgrund ökonomischer Interessen.
    https://www.akweb.de/politik/benin-bronzen-der-preis-der-restitution/
    „Diese Rückgabe zeigt vor allem, wie internationale Beziehungen im postkolonialen Zeitalter aussehen. Der Kolonialismus ist in den 1960er Jahren zwar in fast allen Ländern formal beendet worden, die Herrschaft über afrikanische Staaten wird jedoch mit anderen Mitteln fortgesetzt. Gerade Institutionen wie die Europäische Union oder ihre Vorgängerin, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, und andere internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds spielen hier eine strategische Rolle. Diese Beziehungen sind durch eine stetige ökonomische Abhängigkeit, eine hohe Verschuldung und eine politische Bevormundung der afrikanischen Länder gekennzeichnet, denen auch immer die militärische Intervention der europäischen Staaten innewohnt. In Mali ist immer noch die Bundeswehr im Einsatz.“

  4. Das Video mit dem Zwockelehepaar ist schon heftig. Mit welch einer Dummdreistigkeit sie ihre Bauernfänger und Schleppermethoden einsetzen.
    Eines wird auch deutlich, Paraguay mit seinen Strukturen ist ein Paradies krasser Korruption und sollte tatsächlich etwas wie ein MK Programm laufen, dann ist das ein „Gefängnis“ und nur sehr schwer dem zu entrinnen.

    Ich schreibe einfach DANKESCHÖN für eure Arbeit

  5. Ganz so schlimm wie es hier im Ursprungsbeitrag geschildert wird ist es dort beileibe nicht.Die Wachen an den Toren dienen dazu um zu erfassen wer das Gelände betritt und nicht dazu Bewohner am verlassen zu hindern.ich kenne das Paraiso Verde von zahlreichen Besuchen bin kein Teil der Organisation dort ber bei allen Bewohnern bekannt.Mir ist bekannt das es natuerlich Anwohner gibt die dort nicht mehr wohnen wollen und die sich woanders ansiedeln.Auch hier ganz klar:keiner wird gehindert wegzuziehen.soweit ich es aus den Information von noch Bewohnern und weggezogenen kenne werden auch abgeschlossene Verträge eingehalten ;teilweise was Rückzahlungen angeht mit Verzögerungen aber sie erfolgen. Was soll also in solch einem Fall die deutsche Aussenpolitik machen .Bei klaren Hilferufen von Deutschen wird da in Asuncon schon reagiert aber natuelrich nicht von Dritten Personen……..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert