
Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen in der Innenpolitik bei beiden Parteien, außenpolitisch aber ist die große Trennungslinie die Ukraine. Joe Biden und die Demokraten unterstützen die Ukraine gegen Russland, viele Republikaner sind dagegen.
Was für eine Nacht! Tapfer und immer im Dienst bin ich zur Wahlbeobachtung nach Bayside gefahren, zu den Republikanern. Wo liegt Bayside? Das war auch meine erste Frage, gefolgt von, wie kommt man dort bloß hin? Mit Hilfe von Google Maps und der über alles geliebten U-Bahn-Gesellschaft MTA fand ich heraus, dass Bayside eine Community im äußersten Queens ist, dort, wo New York in das lange graue Nichts von Long Island übergeht; Long Island, wo die Freunde von Friends herstammen und Dichter wie Walt Whitman und Max Frisch dichteten.
Bayside wirkt sicher, wohlhabend und weiß, viele Restaurants und „Marthas ländliche Bäckerei“ blieben mir im Gedächtnis. Man erreicht es allerdings nur mit der Long Island Railroad und die kostet schlappe 22 Dollar (hin und zurück). Diese Ausgabe wurde aber durch das italienische Buffet in der Trattoria, wo die Republikaner feierten, mehr als wettgemacht. Es gab auch eine Open Bar, was heißt, kostenfrei. Davon hatte ich aber nicht viel, denn ich musste ja arbeiten.
Ich lernte ein paar Republikaner kennen, allesamt Griechen, die sich freuten, eine Deutsche zu treffen. Einer davon hat einen Onkel, der bei mir um die Ecke lebt. Ein anderer empfahl mir ein griechisches Restaurant. Da gehe ich mal hin, wenn ich einen meiner Freunde aus Manhattan überzeuge, nach Bayside zu fahren, also nie.
Der Höhepunkt des Abends war der Sieg beim New Yorker Gouverneursrennen. Leider musste ich vorher gehen, denn ich wollte noch auf eine Party der Demokraten im westlichsten Manhattan; die Ausgewogenheit, ihr versteht? Außerdem geriet ich mit zunehmender Dunkelheit in leichte Panik; was, wenn plötzlich kein Zug mehr zurückfährt und ich sitze in Bayside fest, fast zwanzig Meilen von Zuhause entfernt?
In der Demokraten-Bar (nicht open) kam ich in genau dem Moment an, als Kathy Hochul ihre Siegesrede hielt, unsere alte (und neue) Gouverneurin. Ihr republikanischer Gegenkandidat war Lee Zeldin; sein politisches Vorbild ist Benjamin Netanyahu, der in New York nur sehr begrenzt beliebt ist.
Ich hatte aber Daniel Mendez, einen Columbia-Studenten, der auch in der Trattoria in Bayside war, gebeten, mich über den weiteren Verlauf des Abends zu informieren, also hier: Große Enttäuschung, viele Buhs, ein Mann namens Larry sagte „No, No, No“ und dann sei die Luft rausgewesen aus der Party. Mir selber ist Hochul lieber, aber vielleicht könnte sie mal etwas dafür tun, endlich eine Tarifeinheit zwischen der MTA und der Long Island Railroad zu schaffen.
Was nun? Das Ergebnis ist noch nicht ganz ausgezählt und nach den düstersten Prognosen könnte das bis Dezember dauern. Es sieht aber so aus, dass die Republikaner ein klein wenig zugelegt haben; nicht der erwartete große Sieg, aber, wie Konrad Adenauer sagte, Mehrheit ist Mehrheit. Oder war es Senator Binks?
Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen in der Innenpolitik bei beiden Parteien, außenpolitisch aber ist die große Trennungslinie die Ukraine. Joe Biden und die Demokraten unterstützen die Ukraine gegen Russland, viele Republikaner sind dagegen. Eine interessante Kehrtwende seit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, als die Demokraten noch die Russen unterstützten, aber das nur am Rande.
Wenn die Republikaner den Kongress übernähmen, gebe es keinen Pfennig mehr für die Ukraine, sagte Marjorie Taylor Greene. Greene ist eine rechte Sumpfblüte. Sie wurde berühmt, als sie sagte, dass die kalifornischen Waldfeuer womöglich von „Space Lasern“ verursacht wurden, die von der Rothschild-Bank finanziert wurden (sie behauptete auch, Bill und Hillary Clinton hätten John F. Kennedy Jr. umbringen lassen). Für die Partei spricht sie nicht. Aber hier trifft sie die Stimmung.
Auch bei den Wählern sind die Milliarden für die Ukraine nicht populär. Natürlich senden die USA nicht Berge von Cash. Die Waffenhilfen produzieren gewaltige Gewinne für die U.S.-Rüstungsindustrie, und wenn die von heute auf morgen wegfallen würden, würden die Lobbyisten von Boeing und Northrop Grumman vor der Tür stehen und unkontrolliert weinen. Schon deshalb ist Mitch McConnell, der einflussreiche Parteiführer, für Militärhilfen an die Ukraine. Kevin McCarthy hingegen, die Nummer Zwei bei den Republikanern, glaubt, dass der amerikanische Steuerzahler mitten in der Rezession nicht unbegrenzt Blankoschecks ausstellen wird.
Zum Glück haben die Amerikaner schon eine Lösung im Auge: Die Europäer sollen zahlen. Das findet zumindest J.D. Vance, der gerade für die Republikaner den Senatssitz für Ohio gewonnen hat. Und wenn Amerika sich zurückhalte, täten die das wahrscheinlich sogar, was bliebe ihnen übrig? Ich vermute mal, die Europäer sollen die Waffen auch bei Boeing kaufen und nicht bei Airbus oder Rheinmetall.
Aber auch linke Demokraten sind von den ewigen Waffenlieferungen nicht begeistert. Sie machten einen vorsichtigen, inzwischen zurückgezogenen Vorstoß in Richtung Joe Biden, Druck auf die Ukraine auszuüben, damit die mit Russland verhandelt. Und tatsächlich plant er das, er will nur nicht, dass es nach Umfallen aussieht.
Die Neocons hingegen sind weiterhin für eine harte Linie gegenüber Russland. Aber sie sind gerade nicht hoch im Kurs bei den Republikanern, so wenig, dass sich einige von ihnen wieder zu den Demokraten zurückbegeben. Jedenfalls, in der Ukraine selbst sind viele besorgt, und das Vertrauen von Vance, dass die Europäer schon irgendwann finanziell einspringen werden, haben sie nicht. Die Griechen in Bayside hatten das übrigens auch nicht, aber, irgendwie, war es ihnen egal.
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In Amerika gewinnen „Kandidaten“ die schon tot sind!
Ein Hoch auf die beste Demokratie der Welt…
Viel flacher geht wohl nicht.
Aber die Info mit den Spacelasern war gut…….