
Bis heute ist unklar, wie viele Menschen in Afghanistan tatsächlich durch Drohneneinsätze getötet wurden. Was klar ist: Es gibt deutsche Mithilfe.
Es war am Abend des 29. August 2012 als eine amerikanische Predator-Drohne über das jemenitische Dorf Khashamir flog. Mindestens zwei Hellfire-Raketen wurden abgeschossen und trafen Salim bin Ali Jaber und dessen Sohn Waleed Abdullah. Das “Feuer der Hölle”, nachdem die Raketen zynischerweise benannt wurden, löschte die beiden Menschenleben sofort aus. Wie nach vielen Drohnenangriffen blieb nicht viel von ihren Körpern übrig. Wie gewohnt, sprach die US-Regierung von “mutmaßlichen Terroristen”, die “erfolgreich” und “gezielt” getötet wurden.
Tod durch deutsche Mithilfe
Zwei Jahre später reichte die Familie Ali Jaber ihre erste Klage in Deutschland ein. Der Grund: Die US-Regierung konnte ihre Verwandten, zwei Zivilisten, die mit keiner Terrororganisation in Verbindung standen, nur mittels deutscher Mithilfe töten. Denn alle Drohnenoperationen der USA können nur mittels einer speziellen Satellitenrelaisstation, die am US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein steht, stattfinden. Ohne den Datenaustausch wäre kein einziger Einsatz möglich. Ein Umstand, der einst selbst vom US-Militär vor dem US-Kongress genannt wurde, als es um Budgetfragen ging.
Wiederholt wurde die Wichtigkeit Ramsteins in den letzten Jahren vor allem von Whistleblowern, die aufgrund von ethischen Fragen aus dem US-Drohnenprogramm ausgestiegen und zu großen Kritikern geworden sind. “Ramstein ist das Herzstück des Drohnenkrieges”, hieß es bereits 2015 als die sogenannten “Drone Papers” veröffentlicht wurden. Daniel Hale, jener Whistleblower, dem die Öffentlichkeit all diese Erkenntnisse zu verdanken hat, wurde im Juli 2021 von einem US-Gericht zu einer 45-monatigen Haftstrafe verurteilt. Er lebt heute nur bedingt in Freiheit und wird weiterhin beaufsichtigt.
Von all dem, so scheint es, wollte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, das sich nun lange mit dem Fall auseinandergesetzt hat, nichts wissen. Die Klage der Familie Ali Jaber wurde abgewiesen. Laut dem Gericht verletzt Deutschland nicht das Völkerrecht, wenn über Ramstein Drohneneinsätze, die jahrelang nicht nur im Jemen, sondern vor allem auch in Afghanistan, Pakistan, Somalia und anderswo unschuldige Menschen töteten, stattfinden.
Eskalierter Drohnenkrieg
Besonders schockierend ist der Umstand, dass Karlsruhe nicht feststellen konnte, dass die USA unvertretbare Kriterien zur Abgrenzung von militärischen Zielen und Zivilisten anwenden. Dabei ist seit dreizehn Jahren das genaue Gegenteil bekannt. 2012 enthüllte die “New York Times”, dass aus Sicht der damaligen Obama-Regierung jede männliche Person im wehrfähigen Alter (“military-age male”) im Umfeld eines jeden Drohnenangriffs per se als “feindlicher Kombattant“ gilt, sofern nicht anderweitiges bewiesen wurde. Durch dieses Kriterium wurden auch minderjährige Jemeniten, Afghanen oder Somalis zu legitimen Abschusszielen erklärt.
Derartige Praktiken ließen den US-Drohnenkrieg eskalieren. Sie sorgten für eine Entmenschlichung der Opfer seitens der verantwortlichen Piloten und Operatoren und ließen Hellfire-Raketen über ganze Landstriche regnen. Die “Todesengel”, wie die Drohnen in Afghanistan und Pakistan genannt wurden, töteten Tausende von Menschen. Meist waren die Opfer der vermeintlich präzisen Operationen keine Terroristen, sondern Zivilisten. Bereits 2015 berichtete die UN, dass US-Drohnen im Jemen mehr Zivilisten getötet hätten als Al-Qaida. Das in London ansässige “Bureau of Investigative Journalism”, das zur damaligen Zeit den Drohnenkrieg observierte, schrieb 2014, dass lediglich vier Prozent der identifizierten Drohnenopfer in Pakistan einen Al-Qaida-nahen Hintergrund haben würden.
Und Afghanistan? Das wurde dank der Drohnenpolitik Barack Obamas, die später auch Donald Trump auf dem Silbertablett serviert wurde, zum am meisten von Drohnen bombardierten Land der Welt. Bis heute ist unklar, wie viele Menschen tatsächlich durch die “Todesengel” getötet wurden. Jahrelang suchte ich viele dieser Opfer in den entlegensten Landesteilen auf – und war meist schockiert darüber, wenn sie mir erzählten, ich sei der erste Journalist, der sie besucht hätte. Bei den Opfern handelte es sich meist um Bauern, Taxifahrer oder Bergarbeiter. Getroffen wurden auch viele Frauen und Kinder, etwa auf Hochzeiten oder Beerdigungen. Der Hass der Hinterbliebenen wurde im Nachhinein meist geschickt von Gruppierungen wie den Taliban instrumentalisiert, um neue Rekruten zu gewinnen. Diese Schattenseiten des “War on Terror” der Amerikaner und ihrer Verbündeten – und dazu gehört vor allem Deutschland – wurden bis heute nicht aufgearbeitet.
Allgemeiner Schutzauftrag Deutschlands
“Wir haben diesen Fall nicht nur für sie [Salim und Walid bin Ali Jaber] geführt, sondern für alle unschuldigen Opfer von Raketenangriffen, im Jemen und überall auf der Welt. Zu hören, dass das Gericht Deutschland keinerlei Pflicht zuspricht, sie zu schützen, obwohl das Land den tödlichen Angriff mit ermöglicht hat, macht den Schmerz nur noch größer”, hieß es kurz nach der Urteilsverkündung seitens der Familie bin Ali Jaber. Anwaltlich vertreten wird sie in Deutschland vom ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights).
In einem Statement betrachtet das ECCHR die Entscheidung Karlsruhes etwas differenzierter. Darin heißt es unter anderem, dass zumindest der “allgemeine Schutzauftrag” Deutschlands vom Gericht betont wurde. Damit sei die Tür offen für die Überprüfung von zukünftigen Fällen von mutmaßlichen Völkerrechtsverletzungen. Doch in diesem Kontext stellt sich die Frage: Wie soll es in Zukunft besser laufen, wenn die Vergangenheit trotz der lange bestehenden Faktenlage kaum aufgearbeitet wurde?
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hätte ein richtungsweisendes Urteil, von dem auch die Kriegsaufarbeitung profitiert hätte, fällen können. Doch stattdessen hat es sich dem seit Jahren bestehenden Neusprech Washingtons und Berlins, endgültig untergeordnet.
Solche zwar gerechten Ansprüche wurden und werden in Deutschland imner abgewiesen, das scheint Staatsräson zu sein. Egal ob im Kosvo, Afghanistan, etc., oder nach dem WKII Russland, Polen, etc und demnächst auch Gaza und Iran.
Man hätte sich hier durchaus an der Begründung der Entscheidung des Bundesverarsc…, pardon Bundesverfassungsgericht, abarbeiten können.
Z.B. warum die „roten Roben“ meinen, dass keine systematische Verletzung des Völkerrechts vorliegt (und auch keine
ernsthafte Gefahr für eine systematische Verletzung des Völkerrechts vorliegt). Oder mit welchem Klimmzügen die „roten Roben“ zu Ihrer Begründung kamen. Ich finde, da gibt es ein paar schöne „Schmankerl“ in der Begründung.
ps. Es ist natürlich auch gut, dass es eben bei der Kategorisierung, welche Opfer nun zivile Opfer und welche nun gegnerische Kämpfer sind, dann doch nicht so einfach ist und die Beurteilung im Nachgang auch nicht so einfach ist.
pps. Ich bin dazu zu faul, allerdings habe ich auch keinen Abschluss in Betrugswissenschaften, pardon Rechtswissenschaften.
ppps. Solange die Drohnen nicht von Ramstein aus gesteuert werden und auch nicht von Ramstein (für den jeweiligen Einsatz) gestartet wurden, ist alles in Ordnung – und mit der Satellitenrelaisstation werden ja (aus einer Perspektive) die Drohnen ja nicht direkt gesteuert, sondern es werden nur Informationen/Daten damit weitergeleitet…
Informativ ++
Wartet erstmal ab, bis es zur Regel wird autonome Dronen einzusetzen.
Russland produziert Drohnen jetzt massenhaft und überzieht die Ukraine damit:
https://www.telepolis.de/features/Ukraine-Krieg-Russlands-Drohnen-Revolution-von-200-pro-Monat-zu-200-pro-Tag-10500724.html
Schlechter NATOpolis-Artikel. Lange war mal links (oder glaubte das wenigstens) und ist komplett zum „Dienstleistungsintellektuellen“*) degeneriert. Er hält sich seit einer Weile für einen Militärexperten, wenn er Artikel aus NATO-nahen Auftritten (hier der Wiener Onlinepostille „Militär Aktuell“ erbricht.
Wen die Svesdanews-Sendung interessiert, hier gibt es sie mit englischen Untertiteln 😉 https://www.bitchute.com/video/aYCAXILeMU2O „Episode: Voentech
Description: A world premiere on Zvezda TV channel! In the new edition of the programme ‘Combat Approved’ – something that no one has ever shown before! For the first time viewers will see the largest UAV production in the world! We are talking about the assembly of ‘Geranium’ ..“
Die NATO-Experten aus Adolfs Geburtsland haben auf ihrem Propagandakanal „Militär Aktuell“ den Begriff Военная приемка mit „Militärische Akzeptanz” holprig Google-„übersetzt“. „Combat Approved“, also Kampf- oder Einsatzerprobt trifft es besser. Stattdessen Gerüchte über „nordkoreanische Arbeitslager“. Lange, hau ab.
Weder die FPV-Drohnen (beider Seiten) noch die sehr präzisen Geran-2 haben mit den US-Mordinstrumenten für „gezielte Tötungen“ so viel zu tun. Es ging in aller Regel um schlichte Terrormorde.
*) Zum „Dienstleistungsintellektuellen“ siehe hier https://www.jungewelt.de/artikel/504925.philosophie-ideologischer-rollback.html
Und jetzt kommt auch noch raus, dass die kolumbianischen und mexikanischen Söldner doch nicht in der Ukraine kämpfen, weil sie diese so mögen (das tun nur britische und französische Söldner; deutsche Söldner wollen was anderes, aber anderes Thema), sondern weil sie ihren Marktwert bei ihren heimischen Arbeitgebern (welche das wohl sind?) mit ihren vielseitig einsetzbaren Drohnenkünsten steigern wollen.
Die US-Drohneneinsätze in Afghanistan sind ein Verbrechen gewesen und das Urteil des höchsten deutschen Gerichts ist es auch. Ein Land das die Todesstrafe abgeschafft hat, macht sich zum Gehilfen und Mittäter eines Staates, der in fremden Ländern Verdächtigte auf bloßen Befehl des Präsidenten tötet. Zufällig Umherstehende inbegriffen. Ohne Beweisführung, ohne öffentliche Verhandlung und ohne die Chance der Verteidigung. So etwas wäre selbst im tiefsten Mittelalter untragbar gewesen.
Die Drohnenmorde sind nach allen vernünftigen Massstäben Mord, heimtückisch, mit gemeingefährlichen Mitteln als mindestes. Nicht dass von dem spätestens seit Corona an die Kette gelegten Gericht anderes zu erwarten war.
Ja, die deutschsprachige Abteilung der NATO hat in Affganistan mitgemordet.
Dafür haben wir jetzt 400.000 Affganen im Land und versorgen sie. War´s das wert?
Und wieviele von den 400k haben mitgemordet? Ach, die saßen alle zu Hause und haben sich auf das Jodel-Diplom vorbereitet.
Ich nehme an, von den 400.000 hat keiner gemordet. Wenn dem so wäre, würden sie sicherlich keine Einreise nach Deutschland bekommen.
Außer der eine, der dem Polizisten in Mannheim das Messer gekonnt von oben ins Genick rammte, der hat in seiner Heimat vielleicht schon geübt. Wahrscheinlich sogar. Aber das sind Ausnahmen. 🙂
Ich frag‘ mich grad, ob der Umstand, dass Anhänger einer abrahamitischen Religion eine ihrer Mordwaffen „Höllenfeuer“ nennen, irgendwelche Rückschlüsse auf deren Selbstwahrnehmung zulässt ….