Die Todesmaschine

Im März 2000 äußerte sich der bekannte Strafgefangene Mumia Abu-Jamal zur Blutgier der USA und zur amerikanischen Geschichte.

Alles in der Welt hat seinen eigenen Rhythmus, sozusagen eine eigene Wellenfrequenz. Dasselbe könnte auch von der amerikanischen Maschinerie des Todes gesagt werden, jenem uneinheitlichen und widersprüchlichen politischen Instrument zur Auslöschung von Menschen, das so typisch amerikanisch ist, aber auch die europäischen Verwandten des Landes in Frankreich, Italien, Deutschland und Großbritannien weiterhin gleichermaßen fasziniert und beunruhigt.

Woran liegt das? Es liegt daran, dass gegenwärtig kein europäischer Staat die Todesstrafe praktiziert und dass die meisten von ihnen sie formell abgeschafft haben. Aus dieser Perspektive, gewonnen durch einige Generationen eines Lebens ohne Hinrichtungen, erscheint ihnen der amerikanische Hunger nach Tod als außerordentlich monströs.

Gouverneur des Todes

So fällt es ihnen jetzt schwer, ein Schreckgespenst wie George W. Bush zu begreifen, einen Gouverneur, der mehr Menschen zur Hinrichtung geschickt hat als jeder andere Gouverneur der jüngeren US-Geschichte und der gesamten Geschichte des Bundesstaates Texas. Aufgrund seiner enthusiastischen Unterstützung für das amerikanische Ausrottungsregime kann Bush, mit seinem enigmatischen hämischen Grinsen und seiner demolierten Syntax, durchaus als »Gouverneur des Todes« bezeichnet werden.

Texas ist zum Emblem für Amerikas dunkle Leidenschaft für den Tod geworden. Aber zugleich hat sich Texas auch in eine Art überlebensgroßer Karikatur der amerikanischen Todeskultur verwandelt, ein System, das die Armen, die Afroamerikaner und die Mexikaner nach Prozessen, in denen ihre Anwälte am Tisch der Verteidigung ein Nickerchen hielten, ins Jenseits befördert. Nur im Lone Star State konnte ein sogenannter Supreme Court eine solche Praxis verteidigen und das damit begründen, dass »die Verfassung einem Angeklagten vielleicht einen Anwalt garantiert, nicht aber, dass dieser Anwalt sich auch im Wachzustand befindet«. Es ist diese Sorte von »Verteidigung«, die die Armen auf die Stufen des Galgens gebracht hat – des direkten Nachkömmlings der Bäume, an denen Lynchjustiz geübt wurde.

Wie viele andere Urteilsbegründungen in den Vereinigten Staaten ist auch diese für den innenpolitischen Konsum und nicht für ein internationales Publikum gedacht. In der Leere und der Stille einer nicht vorhandenen internationalen Überprüfung können dann alle möglichen leeren Behauptungen über die »Herrschaft des Gesetzes«, das vielbeschworene »Recht auf einen Anwalt« oder all die anderen angeblichen verfassungsmäßigen »Rechte« aufgestellt werden. Aber was für eine Art von Recht kann es eigentlich ohne das fundamentale Recht auf Leben geben?

Amerikanische Geschichte studieren

Für arme Menschen, die der bewaffneten Macht des Staates gegenüberstehen, bedeutet die Rede von »Rechten«, dass in einer Sprache gesprochen wird, die eine der beiden Seiten weder verstehen noch entziffern kann. Während Schwarze der Bourgeoisie und der Mittelklasse sich über das Hissen einer Konföderierten-Flagge in einem Südstaat aufregen, findet in den Gerichtssälen von der einen Küste bis zur anderen, Tag für Tag, unter der »echten« Fahne Amerikas eine ununterbrochene Kampagne des legalen Niedermetzelns der städtischen Armen statt.

Die Angst dieser Armen hat nichts mit der archaischen Symbolik einer längst toten Konföderation zu tun, sondern basiert auf den äußerst realen Anschlägen und Angriffen auf das Leben und die Würde der Schwarzen auf den Straßen, in den Geschäften, auf den Polizeiwachen und in den Gerichten des Landes. Wir sind alle gelehrt worden, misstrauisch auf die weißen Kapuzen und die weißen Roben4 zu schielen, während man uns zugleich beibringt, voller Respekt auf dieselbe Person zu blicken, wenn sie eine schwarze Robe trägt und vor der rot-weiß-blauen Flagge unter den Emblemen des Staates sitzt.

Mittels ihrer Gerichte und mit ihren rechtlichen Proklamationen führen die juristischen Strukturen des Landes derzeit eine Art New-Age-Sklaverei ein, die nicht die Arbeit, sondern das blanke Leben Schwarzer Männer und Frauen ausbeutet. Es ist dieser soziale Faktor, der dem Begriff des »gefängnisindustriellen Komplexes« seine wahre Bedeutung verleiht.

Ohne die Sklavenzüge, das Winchester-Gewehr, die Galgenschlinge und das Ghetto sozialer Exklusion würde dieses Land gar nicht existieren. Das amerikanische System des Todes fungiert nun als die moderne Variante der alptraumhaften, gewalttätigen Schrecken, die die Geburt der Nation begleiteten. Es ist ein integraler Teil der Maschinerie von Angst, Schmerz und Unterdrückung, deren Saat bereits in den Anfängen Amerikas als Nation enthalten war.

Ausländische Beobachter, die sich immer noch über die gegenwärtige Blutgier in den USA wundern, müssen nur ein wenig die tatsächliche amerikanische Geschichte studieren.

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