Die geplante „Reform“ der Netanjahu-Regierung ist ein Umsturz, ein coup d’etat

Bild: US Embassy/CC BY-2.0

 

Moshe Zuckermann über die Gewalt in Israel, die geplante Justizreform, die Tendenz zum Faschismus und den politischen Messianismus.

 

Vor dem Besuch von US-Außenminister Blinken in Israel gab es gleich mal Drohnenanschläge in Iran, die wahrscheinlich von Israel ausgegangen sind. Heute wurden Ziele im Gazastreifen bombardiert, weil Hamas ein paar Raketen abgeschossen hat (Das Gespräch wurde am Donnerstag letzter Woche geführt). Und dann gab es die vielen Toten durch Anschläge von Palästinensern und Erschießungen von Aufständischen. Kurz nach Beginn der Netanjahu-Regierung ziehen sich über Israel wieder dunkle Wolken zusammen. Gleichzeitig finden viele Demonstrationen gegen die Netanjahu-Regierung statt. Was ist denn der Hauptgrund? Welche Sorgen treiben die Protestierenden an?

Moshe Zuckermann: Ich würde zwischen den Demonstrationen, die sich nach innen richten und nichts mit der Okkupation und dem Iran zu tun haben, und der Tatsache unterscheiden, dass der Konflikt mit den Palästinensern jetzt zum Sieden gekommen ist. In den vergangenen anderthalb Jahren gab es nie so viele Tote auf palästinensischer Seite wie in den letzten Monaten. Eigentlich macht es keinen besonders großen Unterschied, wer regiert, wenn es um die Okkupation des Westjordanlands geht. Man schlägt immer zu, wenn es opportun ist.

Die Sache hat sich jetzt gesteigert, weil der Polizeiminister Itamar Ben-Gvir jetzt auch für das Westjordanland zuständig ist. Er hat versprochen, dass er jetzt ganz anders mit den besetzten Gebieten umgehen wird. Er will also Konflikte schüren. Die Brandstiftung hat bereits stattgefunden. Dass die Palästinenser jetzt einen Terroranschlag verübt haben, war eine Folge davon, dass Israel in Jenin eingedrungen war. Man muss wissen, Jenin ist eine Stadt, die permanent Widerstand leistet. Wer heute mit dem Grenzschutz oder mit dem Militär in die Stadt geht, weiß genau, dass es ein Blutbad geben wird, weil hier Bewaffnete Widerstand leisten. Es ist nicht das erste Mal, dass daraufhin Terroranschläge kamen, worauf Beschießungen folgten und sich auch die Hamas einmischten. Die Eskalation haben Ben-Gvir und seine Leute gewollt.

Die Frage ist, welche Funktion das erfüllt. Es ist ein ganz altes israelisches Muster. Jedes Mal, wenn es im Innern brenzlig wird, also bei größeren Streiks oder innenpolitischen Auseinandersetzungen, und die Regierung in Schwierigkeiten gerät, gibt es ein Wundermittel, das man immer wieder anwendet. Dann lässt man es an den Grenzen brenzlig werden und macht das zu einer Sicherheitsfrage. Das haben wir 2011 bei den großen Demonstrationen gesehen, das haben wir immer wieder gesehen.

Das Fatale ist doch auch, dass die andere Seite mitspielt. Es ist ja ein altes Spiel, das seit Jahrzehnten funktioniert.

Moshe Zuckermann: Im Inneren der palästinensischen Seite ist es nie ruhig geworden. Es gab den Bürgerkrieg zwischen Hamas, die heute den Gazastreifen kontrollieren, und der PLO, die das Westjordanland kontrolliert, in das die Hamas vordringen wollen. Jedes Mal, wenn die PLO sich mit den Okkupationsmächten geeinigt hat, nutzt das die Hamas aus, um Widerstand zu demonstrieren. Die Frage ist, ob im Moment die Hamas  eine größere Notwendigkeit sieht, die Gewalt zu eskalieren. Wenn sie das machen, das wissen sie genau, wird im Gazastreifen wieder so einiges in Schutt und Asche gelegt werden. Im Moment gab es keinen unmittelbaren Anlass, warum die Palästinenser die Situation hätten zum Brodeln bringen wollen, es sei denn, was ich anfangs gesagt haben, weil bei den Israelis im Militär wie beim Grenzschutz der Finger immer lockerer auf dem Drücker ist.

Da  spielen zwar die Palästinenser mit, aber es ist eine Funktion, die die Israelis brauchen. Wenn es für eine Regierung brenzlig wird, braucht sie eine Ablenkung – und es gab in Israel nie eine bessere Ablenkung als in der Sicherheitsfrage, weil man genau weiß, wenn die Kanonen donnern, dann schweigen die Musen, es schweigen alle, die Opposition wird still etc. In dem Moment, in dem geschossen wird und jemand umgekommen ist, dann gibt es keinen innerjüdischen Kampf mehr. Jetzt ist es meines Erachtens auch wieder brenzlig geworden, weil gegen die Netanjahu-Regierung in den letzten Wochen Massendemonstrationen stattgefunden haben, bei denen sich viele Branchen des israelischen Berufslebens artikuliert haben und laut geworden sind.

„Wir haben heute wirklich den Faschismus an der Regierung“

Auch von außen kommt mehr Kritik. Große jüdische Verbände in den USA haben mit einem Brandbrief gewarnt, die Kompetenz des Obersten Gerichts und damit die Gewaltenteilung einzuschränken. So weit ich weiß, hat Israel keine Verfassung. Das Oberste Gericht ist daher die letzte Instanz, um die Macht der Regierung einzuschränken.

Moshe Zuckermann: Israel hat von Anbeginn keine Verfassung. Grund ist, dass in Israel noch nie bestimmt worden ist, wer eigentlich Jude ist, obwohl in der israelischen Realität Jude-Sein und Staatsangehörigkeit zusammengehen. Nur Juden dürfen hier Staatsangehörige sein. Die Orthodoxen haben gefragt, von welcher Art von Jude reden wir hier? Reden wir von einem Juden, der auch die religiösen Gebote einhält? Besonders nach der Schoah gab es eine ganze Menge Juden, die aus Mischehen gekommen waren und auch deswegen überhaupt überlebt haben. Es gab auch immer Fragen, wer die Leute sind, die zuwandern? Es gab ja eine Masseneinwanderung aus der ganzen Welt. Wer ist denn Jude? Und dieses Problem war unlösbar. Deswegen hat man die Verfassung nicht weiter verfolgt.

Es gibt nur die Unabhängigkeitserklärung und danach dennoch eine einigermaßen funktionierende liberal-formale Demokratie. Von Anfang an waren die Palästinenser im Land und außerhalb des Landes nicht voll berechtigte Bürger. Man würde sich heute nie einfallen lassen, mit Palästinensern und israelischen Palästinensern zu koalieren. Sie kommen auch nicht in die oberen Eliten und Instanzen des Staates.

Für das Zusammenleben im Land gab es ein westliches Modell mit Gewaltenteilung, mit Wahlrecht usw. Das hat man über Jahre so eingehalten und hingenommen. Dass das heute Sprünge bekommen hat, hängt natürlich damit zusammen, dass Netanjahu in die Bredouille geraten ist und sich eine Koalition zusammengezimmert hat, die das Schlimmste ist, was Israel je gehabt hat. Seine Verbündeten sind rechtsklerikale Menschen. Wir haben heute wirklich den Faschismus an der Regierung. Wir haben auch Tendenzen zur Theokratie. Das hätte man sich vor 20, 30 Jahren nie vorstellen können. Man hat zwar die Anfänge gesehen, sich aber nicht gewehrt. In Israel gab es noch eine Gewaltenteilung, die mit der sogenannten Justizreform untergehen wird. Die Judikative wird der Exekutive letztendlich untergeordnet sein, wenn sie das durchsetzen, was sie wollen.

Ist denn schon klar, was das Netanjahu-Lager beabsichtigt, wenn sie das schaffen sollte? Was haben sie vor, wenn diese rechtlichen Grenzen wegfallen? Gibt es einen größeren Plan dahinter?

Moshe Zuckermann: Der große Plan ist erstmal, dass die Regierung diese „Reform“, die keine ist, sondern ein Umsturz, ein coup d’etat, durchsetzt. Damit würde  der Oberste Gerichtshof geschwächt, der über Jahrzehnte eine Instanz war, die immer mal wieder ein Stoppschild aufgerichtet hat, wenn es ganz schlimm wurde. Das war übrigens auch einer der Gründe, warum Politologen gefragt haben, wer denn eigentlich regiert: die Politik oder die Justiz? Jetzt will die Regierung die obersten Richter selbst benennen, noch entscheidet ein Komitee darüber. Man will Gesetze erlassen, dass beispielsweise der Prozess von Netanjahu hinfällig wird, dass ein Mann wie Innenminister Arie Deri, der gerade wegen seiner Vorstrafen zurücktreten musste, wieder eingesetzt werden kann, oder dass Korruptionsfälle legalisiert werden und partikulare Interessen sich durchsetzen können.

Das hat mit dem Rechtssystem in Israel nichts mehr zu tun. Es hat diese Woche zwei symptomatische Reaktionen gegeben. Bei einem Treffen von Justizexperten, Rechtsanwälten und Richtern wurde über diese „Reform“ diskutiert. Einer der angesehensten Anwälte in diesem Land sagte: Wenn ich gezwungen werde, hier unter einer Diktatur zu leben – er geht davon aus, dass es in Richtung einer Diktatur geht -, dann werde ich zu Schusswaffen greifen. Das sagte kein Außenstehender, sondern jemand aus dem Establishment. So weit ist es schon bei uns gekommen.

Die andere Reaktion kam von einer ganzen Menge anderer Instanzen liegen im Land. So haben Universitäten jetzt die Sorge, dass die akademische Freiheit ideologisch eingeschränkt wird. Oder Ökonomen warnen, dass dann, wenn das Justizsystem einbricht, dies auch schwere Folgen für die Wirtschaft haben wird. Eine Größe in der israelischen Hightech-Branche sagte, dass er das Land verlassen wird, wenn das so weitergeht. Er wolle dann keine Steuern mehr zahlen und werde sein Milliardenunternehmen ins Ausland verlagern. Er ist nicht der einzige, der so redet. Wenn im Land nicht mehr investiert wird und die die Leute anfangen, ihre Konten ins Ausland zu verlegen, dann entsteht eine ökonomische Krise, die politisch hergestellt wurde.

Wie reagiert denn die Regierung darauf?

Moshe Zuckermann: Die halten sich die ganze Zeit bedeckt, weil sie immer auf den großen Magier warten. Es ist ja wirklich auffällig, dass Netanjahu seine eigene Partei hintergangen hat. Alles, was es zu verteilen gab, also die Posten bei der Koalitionsbildung, hat er den Koalitionspartnern gegeben. Für seine Likud-Partei ist nicht viel übrig geblieben. Man hatte erwartet, dass es deswegen einen Aufschrei unter den Leuten geben wird, die schon seit Jahren darauf gewartet haben, wieder an die Regierung zu kommen und einen höheren Posten zu kriegen. Den Aufschrei hat es nicht gegeben. Also der große Magier bestimmt. Man wird das in der Zukunft vielleicht erforschen. Wie ist es möglich gewesen, dass ein so korrupter, ja nahezu krimineller Mensch, der im Gegensatz zu einigen seiner Minister intelligent und gebildet ist, sein Klientel so dirigieren konnte und dass er so angehimmelt wird. Das ist bis zum heutigen Tag noch nicht ganz ergründet worden.

Wenn jetzt nun große Teile der israelischen Gesellschaft Bedenken haben, so ist Netanjahu und seine Koalition doch gewählt worden, es stehen doch viele Leute hinter dieser Regierung. Wie erklärst du dir denn das? Jeder wusste ja, dass Netanjahu vor dem Prozess ausbüchsen will, trotzdem wurde er wieder gewählt.

Moshe Zuckermann: Dahinter steht, dass Netanjahu ein Gewinner von Wahlen ist. Das ist er schon seit vielen Jahren. Er ist kein Staatsmann, aber einer der größten Politiker, die es gegeben hat, wenn es um Finten und Tricks geht. Und das bedeutet, dass er auch viele Pöstchen verteilen kann. Es geht ja nicht nur um Minister, sondern auch um Vizeminister und die ganzen Posten in der Administration usw. Die Leute wissen genau, warum sie ihn wählen.

„Warum hat der Populismus überhaupt einen solchen Erfolg?“

Die meisten kriegen ja keine Pöstchen ab, wenn sie ihn wählen. Seinerzeit war Franz Josef Strauß in Bayern vielleicht ein ähnlicher Politiker wie Netanjahu in Israel. Man sagte damals: A Hund is er schon. Viele haben ihn auch deswegen bewundert, weil er so durchtrieben war.

Moshe Zuckermann: Ja, das geht in dieselbe Richtung. Aber man sollte diese Pöstchen nicht so sehr unterschätzen. Die Leute sagen, zumindest bringt er die und die rein, aber was haben wir bei anderen Parteien überhaupt zu erwarten? Es gibt darüber hinaus auch die Theorie des autoritären Charakters. Eine ganze Menge Leute in seinem Lager himmeln ihn an, weil sie meinen, er sei wirklich ein ganz toller Führer. Ich benutze ganz bewusst dieses Wort Führer. Zu den wichtigsten, die zu ihm stehen, gehören auch die Anhänger der Schas-Partei,  also die orientalischen Orthodoxen, die nur das tun, was die Rabbiner sagen. Wenn der Rabbiner gesagt hat, ihr habt die und die zu wählen, dann ist sozusagen ein heiliges Wort gesprochen worden.

Weil dem so ist, kann Netanjahu davon ausgehen, dass er mit diesen Leuten und denen von Modrich und den anderen der Koalition eine Mehrheit hat, von der er weiß, dass große Teile nicht rational entscheiden und urteilen, sondern mit einem großen Hass gegenüber den anderen. Da gibt es auch ethnische und identitätsmäßige Abrechnungen. Er hat eine Klientel, die wie ein Block hinter ihm steht. Die Opposition hat es nie geschafft, selbst wenn sie Anti-Netanjahu gewesen ist, innerlich so eine „Homogenität, Solidarität und Loyalität“ zu schaffen wie die Netanjahu-Regierung.

Das ist ein schlimmes Phänomen, aber man hätte auch die Frage stellen können, warum Orban oder Bolsonaro einen so großen Erfolg haben. Warum hat der Populismus überhaupt einen solchen Erfolg? Es ist ja bekannt, dass der Populismus viel herumrührt, aber sozial nichts leistet. Das ist, glaube ich, ein Teil des Faschismus. Im Gegensatz zum historischen Faschismus ist der Fall von Israel natürlich anders. Als Hitler an die Regierung gekommen ist, konnte er immerhin einiges verzeichnen. Er konnte beispielsweise die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Bis zum heutigen Tage röhren ja noch die Altnazis, dass er doch die Autobahnen gebaut hat. Auch Mussolini hatte anfangs einige Erfolge zu verzeichnen. Sehr bald hat sich dann aber herausgestellt, dass diese Erfolge nicht langfristig waren, sondern mit dem Krieg dann untergegangen sind.

Aber in Israel ist es wirklich, wie ich versucht habe zu sagen, ein Rätsel, warum gerade diese Leute ein dermaßen anhaltendes autoritäres Verhältnis zu diesem Mann haben und ihn am Leben erhalten. Er hat schon so viel Unglück gebracht. Gerade zerstört er das Rechtssystem und den Rechtsstaat. Warum hält man so zu ihm? Es ist schrecklich.

Gibt es kein Murren in den Reihen der Militärs? Die müssen ja dann letztlich ausbaden, wenn es doch mal wieder an den Grenzen zum Zündeln kommt.

Moshe Zuckermann: Die Militärs murren nur, wenn sie schon in Rente sind.. Es gibt eine ganze Menge Militärs, die nach ihrer Dienstzeit gemurrt haben und sogar ganz kritisch waren. Solange sie im Militär sind, sind sie nicht berechtigt, gegen die Politik vorzugehen, sie haben da auch freie Hand, das zu machen, was sie wollen. Wenn Netanjahu die Loyalität des Militärs braucht, kann er ihm freie Hand lassen. Und wenn sie freie Hand haben, besonders unter einem Smodrich und einem Ben-Gvir, dann murren sie nicht so schnell. Bei den letzten Wahlen haben sehr viele Soldaten, junge Menschen von 18, 19, 20 Jahren, Kahana, also Ben-Gvir gewählt. Und wenn nicht ihn, dann andere Rechtsradikale. Das heißt, wir haben es hier mit einem Land zu tun, das ganz heftig nach rechts gerückt ist.

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„Das Siedlungswerk ist für eine ganze Menge Siedler ein messianischer Akt“

Es gibt ja eine starke Tendenz innerhalb der Religiösen zum Messianismus. Im Gegensatz zum christlichen Glauben ist im jüdischen Glauben der Messias noch nicht gekommen. Gibt es da vielleicht eine fast apokalyptische Erwartungshaltung, so dass man eben auch bis zum Letzten gehen oder den Messias erzwingen kann? Und man da schon fast suizidale Phantasien entwickelt?

Moshe Zuckermann: Bei den Nationalreligiösen wird schon seit 1967 gesagt, dass der Messias bereits unterwegs ist. Die Tatsache, dass es die Zionisten gibt, soll ein Beweis dafür sein. Man hat immer versucht, diesen Messianismus in Schach zu halten, aber als man angefangen hat, die Siedlungen zu errichten, wurde das aufgebrochen. Das Siedlungswerk ist für eine ganze Menge Siedler ein messianischer Akt. Was hat Ben-Gvir als erstes gemacht? Er ist auf den Tempelberg gegangen, wo Juden eigentlich nach orthodoxem Gesetz gar nicht hindürfen. Das ist ja das Heiligste und man weiß nicht, ob man dann irgendwie das Heiligste betreten hat. Er hat das gemacht, weil die meinen, dass sie das jetzt erzwingen können. Es gibt auch theokratische Tendenzen, die viel ausgeprägter sind als früher.

 

Warum gibt es eigentlich kaum Versuche, eine Lösung innenpolitisch und auch mit den Palästinensern zu finden?

Moshe Zuckermann: Das ist weg vom Fenster. Die ganze Palästinafrage, die ganze Frage der Okkupation, die ganze Frage des Friedens ist schon seit Jahren weg vom Fenster. Es gibt doch heute keinen Politiker, auch nicht auf der Oppositionsseite, der  ernsthaft einen Friedensplan betreiben oder fördern will. Er wäre innerhalb von wenigen Wochen erledigt. Den meisten Israelis ist es auch egal, ob jetzt Frieden gemacht wird oder nicht.

Steht das auch im Hintergrund, wenn Israel versucht, die Beziehungen zu arabischen Ländern wie Marokko oder Saudi-Arabien zu normalisieren? Gerade war der israelische Außenminister deswegen im Sudan. Oder wird damit versucht, auf der größeren Ebene mit der arabischen Welt eine Verständigung zu finden, um zu Hause Ruhe zu haben?

Moshe Zuckermann: Das ist ja genau das, was die offizielle Politik betreibt. Wenn man mit den arabischen Nationen Frieden schließt oder auch nur die Beziehungen normalisiert, kann man den Elefanten, den es im Raum gibt, aussparen, nämlich die Palästinenserfrage und die Okkupation. Die Tatsache übrigens, dass eine ganze Menge arabischer Nationen da mitmacht, ist der größte Verrat, den es an den Palästinensern gegeben hat. Man solidarisiert sich mit den Palästinensern nicht mehr, während die PLO so geschwächt ist wie noch nie in ihrem Leben und deshalb die Hamas so prominent aufsteigen konnte, wie dies in den letzten 20 Jahren geschehen ist.

 

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3 Kommentare

  1. Erstmal ein Dankeschön für diese ‚Grips’einlage von Herr Rötzer und Herr Zuckermann!
    Da ich ein Hobby besitze, möchte meine Meinung dazu beitragen.
    Nichts geschieht ohne Kontext, Politik ist eine der übelsten Form der Herrschaft, denn ihre Aufgabe besteht darin ‚unschuldig‘ auszusehen aber brachial dazwischen grätscht im guten wie in bösen.
    Eine unipolare Form wird in eine multipolare Ordnung übergehen und das schließt den ‚Staat‘ Israel mit ein.
    Da denke ich, das die Grossisrael Idee sich auflösen wird und Israel in einem ‚Akt‘ der Versöhnung mit Palästina und Nachbarn ein Frieden gestalten werden.
    Warum?, weil die dortige Situation auch in anderen Formen anzutreffen ist. Und weil auch das Thema Kapital angesprochen wurde, ist es ein Teil von dem „heiligen St Corona“. Das „böse“ Kapital wird durch ein „gutes“ ersetzt.

  2. „Er (Netanjahu) hat schon soviel Unglück gebracht. Gerade zerstört er das Rechtssystem und den Rechtsstaat. Warum hält man so zu ihm? Es ist schrecklich.“
    Ich lese so etwas, wie ich zugeben muss, mit einer gewissen Befriedigung. Erstens passiert derzeit das gleiche (wenn auch in verschieden starkem Ausmaß) in mehreren westlichen Staaten, die sich stets als erhabene Demokratien dünkten. Und zweitens versteht man dann ein wenig besser die Situation des deutschen Volkes vor 1933. Da gab es noch erschwerend den verlorenen Krieg und die repressiven Verträge von Versailles. Trotzdem wurde das deutsche Volk lange als abgrundtief böse verdammt, und dieses Schema wird auch heute noch gerne bei passender Gelegenheit hervorgeholt. Ansonsten könnte sich Deutschland aus unsinnigen Kriegen heraushalten.

    Ich hoffe, dass das israelische Volk (und nur das breite Volk kann es richten!) wach genug ist, diese Gefahr von Rechts abzuwehren. Ohne deshalb ins Gegenteil zu verfallen. Es wird gerne vergessen, dass eine starke Rechte meistens da entsteht, wo es schon eine starke Linke gab, die versuchte, den Staat nach ihren Vorstellungen zu verbiegen. Wenn in Israel 400.000 Menschen auf die Straße gehen (das wären auf DE übertragen 3 Millionen), dann ist die Mitte anwesend, bis hin zu den Rändern, und man kann zu Recht „Bravo!“ rufen.

  3. Ich melde mich – wiedermal – als ein Deutscher zu Wort, welcher der Überzeugung ist : Ohne Shoa, keine Nakba / ohne Holocaust, keine Massaker in Sabra und Schatila / usw. ;
    als ein Deutscher also, welcher sich selbstverständlich zur Solidarität mit den jüdischen Israelis, aber auch ( in Deutschland nicht unbedingt selbstverständlich ) mit den arabischen Palästinensern/Israelis, verpflichtet fühlt.
    Unsereins ist völlig überfordert mit der Frage, wie wir beiden Verantwortungen zugleich gerecht werden können ! Wie würden Sie den Versuch bewerten, wenn Deutsche die deutsche Regierung dazu drängen würden, den palästinensischen Flüchtlingen ein generelles Asylrecht in Deutschland zu gewähren ?

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