
Ein Roman aus den 1950er-Jahren kann die unbegreifliche Politik Israels begreiflich machen und gibt Einblicke in das Selbstverständnis nicht nur von Zionisten. Ben Gurion, der erste und langjährige Premierminister Israels fand, das Buch sei ein großartiges Stück Propaganda.
Ari ben Kanaan, Oberst beim Palmach, einer Spezialeinheit der Hagana, zögert, ein Araberdorf zu zerstören. Er ist innerlich zerrissen. Denn es handelt sich um das Nachbardorf des Kibbuz, in dem er aufgewachsen ist. Sein Vater ist mit dem Mukhtar befreundet gewesen, er mit dem arabischen Altersgenossen Taha. Aber der Befehlshaber überredet ihn. Es geht um die Niederschlagung des arabischen Widerstands und die Sicherung des Territoriums für den künftigen Staat Israel. „Tausendmal haben wir die Araber von Palästina gebeten, sich nicht an diesem Kampf zu beteiligen. Niemand von uns hat den Wunsch, sie von Heim und Hof zu vertreiben. Die Dörfer, die sich loyal verhalten haben, hat man in Ruhe gelassen. Doch bei den anderen blieb uns keine andere Wahl. Der Gegner hat sie als Waffendepot verwendet, als Ausbildungslager, als Stützpunkte für Angriffe auf unsere Transportkolonnen und für die Belagerung unserer Siedlungen.“[i]
Die Rechtfertigung erinnert an die routinemäßigen Verlautbarungen der IDF, der Israel Defence Forces, im Gazakrieg. Der Roman „Exodus“ von Leon Uris, in dem man dieses fiktive Gespräch findet, ist aufschlussreich und lesenswert, weil er das Selbstverständnis, das Welt- und Geschichtsbild der Zionisten, und vermutlich vieler Israelis heutzutage, beleuchtet. Das Buch hat vermutlich zur nationalen Identitätsstiftung beigetragen. Man bekommt beim Lesen eine Vorstellung davon, wie ein Roman propagandistisch wirksam sein kann, und zwar gerade auch beim nicht jüdischen Publikum, den Gojim.
Ein Welterfolg auf dem Buchmarkt und für den Zionismus
Das Buch Exodus erschien 1958 und belegte 1959 Monate lang den ersten Platz der Bestsellerliste der Time.[ii] Es wurde in ein Dutzend Sprachen übersetzt und auch verfilmt. Ende 1959 erreichte die Paperback-Ausgabe eine Auflage von fünf Millionen. 1985 waren es 30 Millionen. Israeltouristen bereisten das Land mit dem Buch in der Tasche.[iii] Der Verfasser Leon Uris, geboren 1924 in Maryland, gestorben 2003, war der Sohn eines Juden aus dem heutigen Belarus, damals Teil des Zarenreichs, und einer Amerikanerin russischer Abstammung. Der Vater war nach der Revolution zuerst nach Palästina ausgewandert. Während des Zweiten Weltkriegs als Angehöriger des Marine Corps im Südpazifik eingesetzt, verarbeitete Leon Uris zuerst seine Kriegserlebnisse in einem Roman, dessen Erfolg ihn vermutlich ermunterte, sich der Schriftstellerei zuzuwenden. Gespräche mit dem israelischen Konsul in Los Angeles und ein längerer Aufenthalt in Israel in Begleitung eines israelischen Diplomaten sollen die Idee zu „Exodus“ geweckt haben.[iv]
In epischer Breite wird die Geschichte der Besiedlung Palästinas bis zur Gründung des Staates Israel erzählt, vermittelt über die Erlebnisse einiger Protagonisten. Uris beansprucht keine historische Wahrheitstreue. Das Flüchtlingsschiff Exodus, das dem Roman den Namen gibt, startete zum Beispiel in Wirklichkeit nicht von Zypern aus, erreichte auch nicht Palästina, wie im Roman gefeiert, weil es von den Briten geentert und zur Rückfahrt nach Europa gezwungen wurde. Aber viele Ereignisse und Entwicklungen sind historisch belegt. Für unsre Überlegungen ist das aber völlig sekundär. Ob Uris sich als Zionist verstand, wissen wir nicht. Aber dem Roman bescheinigte der Rezensent der Time damals einen „fahnenschwingenden Enthusiasmus für den Zionismus“.[v]
Ein rassistisches Araberbild
Dem Eingangszitat wurden damalige Rechtfertigungsstrategien entnommen und mit heutigen verglichen. Wir müssen uns jedoch klarmachen, dass zwei sehr unterschiedliche historische Situationen, speziell militärische Lagen, den Hintergrund bilden. Der Kommandierende der Hagana hält viele Araberdörfer für „loyal“. Vor der Nakba ahnten wohl noch in den 1940er Jahren manche „Araber“ nicht – wie viele sich schon als „Palästinenser“ definierten, ist offen – welche Pläne die Führer des Jischuw verfolgten. In Uris’ Interpretation der Lage steckt aber schon ein gut Teil Rassismus.
Die Masse der Araber erscheint in seiner Darstellung harmlos in ihrer Rückständigkeit, ihrem Fatalismus und mit ihren aufs Überleben beschränkten Interessen. Schlimm sind nur die selbsternannten fanatischen Führer und gierigen Efendis, von denen sich viele Einheimische aufhetzen und zum Aufruhr verführen lassen. „Diese Menschen wollten nicht kämpfen. Sie wurden jedoch von Führern, die im Augenblick der Gefahr als erste die Flucht ergriffen, betrogen und irregeführt… Man hatte sie gegen die Juden aufgehetzt und ihnen Furcht vor einem militanten Zionismus eingejagt, den es nie gab“ (500). Die Palästinenser wurden demnach Opfer einer Bedrohungslegende. Eine solche Sichtweise kann entlasten, wenn man beteuert, man wolle nur den harten Kern treffen, und belasten, weil bei hartem Vorgehen in der Breite Unschuldige zu Schaden kommen.
In einer Besprechung des Buchs im Jewish Journal von 2013 findet Alan Elsner das rassistische Araberbild in dem sonst von ihm geschätzten Buch befremdlich. Er zählt mehrere rassistische Passagen auf.[vi] Uris lässt zum Beispiel Kitty, eine Amerikanerin, die sich vom Elan der Zionisten mitreißen lässt, und im Araberdorf medizinische Dienste anbietet, sich folgendermaßen äußern: „Wie rührend waren manchmal doch diese schmutzigen kleinen Araberkinder… Wie würdelos war ihr Leben, verglichen mit dem Geist des Jugend-Aliya-Dorfes! […] Man lebte einfach in den Tag hinein; neue Generation einer sich ewig in einem endlosen Kreis sich bewegenden Karawane in der Wüste. Der Magen drehte sich ihr jedesmal um, wenn sie eine der nur aus einem einzigen Raum bestehenden Hütten betrat… Und doch konnte Kitty diese Menschen nicht verabscheuen. Sie waren gutmütig und herzlich, weit über ihre geistigen Grenzen hinaus“ (318).
„Nazareth stank. Die Straßen lagen voller Mist… Überall wimmelte es von Fliegen“ (306). „Der arabische Teil von Safed enthielt die elenden und halbverfallenen Hütten, wie man sie überall in den von Arabern bewohnten Orten fand“ (332). Die Rückständigkeit dieser Eingeborenen soll der Leserschaft vor Augen geführt werden. Bei der Beschreibung von Dörfern ist nie von Häusern, sondern stets von „Hütten“ die Rede. Welches Bild von den Arabern müssen Leserinnen und Leser gewinnen, sofern sie nicht schon einmal in arabischen Ländern waren oder aufgeklärte, belesene Zeitgenossen sind? Dabei weiß man inzwischen dank der Studien des Historikers Ilan Pappé, dass palästinensische Dörfer schon in den 1940er Jahren fließend Wasser und ein funktionierendes Abwassersystem hatten.[vii] Fotos aus der Zeit zeigen traditionelle Häuser aus Stein.
Orientalismus, die Wundertaten der Kolonisten
Uris liefert in seinem Roman ein klassisches Beispiel für Orientalismus, wie der palästinensische Intellektuelle Edward Said das Fremdbild der westlichen Welt von den Kulturen des Nahen Ostens und Nordafrikas bezeichnet.[viii] Die Araber haben danach keine zivilisatorischen Leistungen vorzuweisen. Die Araber, erklärt Ari der Amerikanerin, „seien Fachleute darin, sich der zivilisatorischen Leistungen anderer Völker zu bedienen. In ganz Palästina hätten sie im Verlauf von tausend Jahren nur eine einzige völlig neue Stadt errichtet […] Alles, was Sie hier sehen, war vor fünfzig Jahren noch wüst und öde, sagte Ari“ (288).
Selbst die Glaubensbrüder und -schwestern aus arabischen Ländern werden von den Höhen der westlichen Zivilisation aus betrachtet. Auch die Beziehung zu ihnen ist vom Orientalismus geprägt. Die jemenitischen Juden, die man mit einem gecharterten Flugzeug heimholt, werden nicht nur als arm, ja verelendet, sondern auch als hoffnungslos rückständig geschildert. „Die Frauen wehrten sich schreiend, als man versuchte, ihnen die verlausten Lumpen auszuziehen und gegen saubere Kleidung auszutauschen. Sie lehnten es ab, sich untersuchen zu lassen, und protestierten gegen Schutzimpfungen […] Sie (die Juden auf dem Flugplatz, G.A.) sahen den Adler und nickten sich bedeutungsvoll zu: Gott hatte ihn gesandt, wie er versprochen hatte“ (509f.). Einige entfachen in ihrer Einfalt während des Flugs ein Feuer an Bord, weil es zu kalt wird.
Uris will deutlich machen, wie diese armen Menschen dank Israels aus einer mittelalterlichen Welt herausgeholt worden sind. Bei ihrer Ankunft küssen sie israelischen Boden. Generell gilt auch für die arabischen Juden: Israel ist ihre Rettung; denn die arabischen Machthaber wie zum Beispiel der im Jemen herrschende Imam wollen keine Zivilisation, haben Angst vor ihr (507).[ix]
Die scheinbar vernachlässigten Kulturen der Einheimischen halten dem Vergleich mit den Innovationen der jüdischen Pioniere nicht stand. „Sie kamen durch Landstriche, die von Arabern bewohnt waren, und Kitty fiel auf, wie anders die Ortschaften und Felder hier aussahen. Auf den Feldern arbeiteten Frauen, und der Boden war voller Steine und unfruchtbar“ (ebd.). Wiederholt vergleicht Kitty auf ihren Fahrten diese scheinbar verwahrlosten Felder mit der fruchtbar gemachten, grünen Agrarlandschaft der jüdischen Siedler. Uris bedient sich am Schluss des Buches eines biblischen Bildes. „Die Negev-Wüste war eine Herausforderung, und Israel nahm diese Herausforderung an… Sie machten es wie Moses: Sie schlugen Wasser aus den Felsen und ließen Leben in der unbelebten Einöde entstehen“ (517).
Jüdische Entwicklungshilfe und die Vision von einer friedlichen Koexistenz
Wie sollten die Leserinnen und Leser in Europa und den USA angesichts solcher Schilderungen die Alija, die jüdische Einwanderung und Kolonisierung Palästinas nicht segensreich finden? Sie erfahren im Roman auch, wie die jüdischen Einwanderer großzügig Entwicklungshilfe in dem rückständigen Land leisten. So auch Barak, der Vater von Ari, im arabischen Nachbardorf Abu Yesha. „Barak erfüllte alles, was er zugesagt hatte. Er richtete Lehrgänge für die Araber ein, um sie im Gesundheitswesen, der Verwendung landwirtschaftlicher Maschinen und in neuen Methoden der Landbestellung zu unterweisen. Die Schule von Yad El (der jüdischen Siedlung, G.A.) stand jedem arabischen Knaben aus Abu Yesha offen…“ (242). Und die Juden von Yad El halfen „ihren arabischen Nachbarn, eine Wasserleitung nach Abu Yesha zu legen, die es bisher in keinem arabischen Dorf in ganz Palästina gegeben hatte“ (252).
Sie lieferten so den Beweis, „dass Araber und Juden trotz der zwischen ihnen bestehenden kulturellen Unterschiede einträchtig Seite an Seite existieren konnten“ (242). In den 1950er Jahren noch eine wichtige Botschaft an das Publikum weltweit. Die Araber waren überglücklich und dankbar, so der Eindruck. Der Mukhtar von Abu Yesha ist zwar nicht ganz sicher, „ob uns die Juden nicht letzten Endes vielleicht doch das ganze Land wegnehmen werden. Trotzdem – die Juden sind die einzige Rettung für das arabische Volk. Sie sind im Verlauf von tausend Jahren die einzigen, die Licht in diesen dunklen Winkel der Welt gebracht haben“, meint er (239). Die Rührung der Leserinnen und Leser kann man sich vorstellen. Wer das Beste für Juden und Araber wollte, musste sich die vorbehaltlose Unterstützung der jüdischen Kolonisten zur Aufgabe machen. Die Entrüstung über die Überfälle der „Räuberbanden“, Banditen auf Kibbuzim und Moschawim – die Bezeichnung „Terroristen“ war damals noch nicht üblich – kann man sich vorstellen.
Der idealistische Dr. Liebermann, ein Jude aus Deutschland, verfolgt mit Unbehagen, wie seine Zöglinge im Jugenddorf militärisch geschult und auf den Kampf vorbereitet werden. „Das ist nicht sehr schön… und unsere Kinder begeistern sich nach meinem Geschmack viel zu sehr für kriegerisches Heldentum. Doch ich fürchte, das wird so bleiben müssen, bis wir unsere Unabhängigkeit erreicht und unsere Existenz auf etwas gegründet haben, das menschlicher ist als Waffen“ (314f.). Diese Illusion ist geeignet, Glücksgefühle bei der Leserschaft aufkommen zu lassen.
Dabei beleuchtet das eingangs zitierte Gespräch das Dilemma, mit dem die Kolonisten konfrontiert sind, die auf dem fremden Land „eine Nation wiedererstehen lassen“ wollen (23).[x] „Wir haben keine andere Wahl, als den Gegner zu vernichten oder selbst vernichtet zu werden“, sagt der Kommandeur zu Ari (485).
Die zionistische Mission
Den Major P. P. Malcolm, der „fanatischer“ ist als mancher Zionist, lässt Uris die zionistische Mission formulieren: „Es geht um die jüdische Nation, Ben Kanaan, um den Gehorsam gegenüber der Vorsehung“ (262). Bereits die Immigranten der zweiten Alija-Welle nach 1900 „waren erfüllt von der Mission, das Land zurückzugewinnen“ (214). Hatten sie nicht schon im Schtetl beim Pessach-Gebet sehnsuchtsvoll geseufzt „Nächstes Jahr in Jerusalem!“ (189). Ein verständliches Motiv hat Dov Landau, der als Kind im Warschauer Ghetto ums Überleben gekämpft hat und zu unmenschlicher Handlangertätigkeit an den Verbrennungsöfen gezwungen worden war. Er schließt sich als Jugendlicher der radikalen Miliz der Makkabäer[xi] an und schwört, wie im Aufnahmeritual vorgesehen: „Ich werde in diesem heiligen Kampfe nicht nachlassen bis zur Verwirklichung eines jüdischen Staates beiderseits des Jordans, auf den mein Volk ein geschichtliches Anrecht hat“ (362).
Das historische Anrecht auf das Land beiderseits des Jordans ist ein zentrales Element der zionistischen Ideologie. Zionisten leiten es her aus der jüdischen Besiedlung vor 2000 Jahren. Deshalb sprechen sie davon, dass man das Land wiedergewinnen will. Ganz unhistorisch versichert man auch, dass man wieder zu einer Nation werden müsse (191). Ob man die politischen Einheiten in der Antike als Nationen bezeichnen und vor allem als solche begreifen kann, ist höchst zweifelhaft.
Ein Prediger der Zionsfreunde verkündet seinen Zuhörern aus dem Schtetl im zaristischen Russland: „Kameraden, alle Nationen dieser Erde haben uns verhöhnt und erniedrigt. Wir müssen uns erheben und wieder zu einer Nation werden“ (191). Die eigene Nation verspricht die Rettung. Später, nach der traumatischen Erfahrung des Holocaust, wird die Vorstellung von einer Geschichte immerwährender Verfolgung zu Obsession. Judenhass als „eine unheilbare Seuche“ (206) erfordert Zusammenschluss und permanente Wachsamkeit. Der militante Ari meint gegenüber dem jüngeren David, der ihm zu vertrauensselig ist: „Sie weinen blutige Tränen über die Millionen von uns, die man umgebracht hat, doch wenn es ernst wird, dann werden wir allein sein. Mandria (ein griechischer Mitverschworener auf Zypern, G.A.)[xii] wird uns genauso im Stich lassen wie alle andern. Wir werden verraten und verkauft sein, wie wir es stets gewesen sind. Wir haben keinerlei Freunde außer unseren eigenen Leuten, vergiss das nicht“ (28).
David vertraut darauf, dass das jüdische Volk wunderbarerweise nicht auszurotten sein wird. „Wir haben die Römer überlebt, die Griechen und Hitler. Wir haben jeden überlebt, der uns unterdrücken wollte“ (29). Aber nur noch auf die eigene Kraft zu vertrauen, das prägt bis heute das Verhältnis der israelischen Führung zur Welt. Das schließt auch ein, dass ihr das Urteil der Weltgesellschaft gleichgültig ist.
Schonungsloser Kampf nach Jahrhunderten der Verfolgung
Der Anführer der Terrormiliz beansprucht mit Hinweis auf die Vergangenheit Straflosigkeit für seine Truppe. „Nichts von alledem, was immer wir tun mögen, sei es recht oder unrecht, kann mit dem verglichen werden, was man dem jüdischen Volk angetan hat. Die Makkabäer sind nicht in der Lage, etwas zu tun, was man nur einen Augenblick lang für ein Unrecht halten könnte, wenn man an das Morden denkt, das sich über Jahrtausende erstreckt“ (251).
Gnadenloses Vorgehen gegen arabische Widerstandsgruppen exerziert der bereits erwähnte britische Major Malcolm den Kämpfern der Hagana vor. Seine „großartigen taktischen Lehren“ wurden „ihre militärische Bibel“ (267). Nach einem grausamen Anschlag führt er ein kleines Kommando nachts zu einem willkürlich ausgewählten Dorf. Die Männer werfen Handgranaten in die Hauseingänge und schießen auf die Überlebenden, die in Panik fliehen. Einen Gefangenen demütigt Malcolm und schießt ihn dann in den Kopf. Nach der Sabotage an einer Ölleitung wird irgendein Dorf dem Erdboden gleichgemacht. Die militärische Logik: „Die Juden sind zahlenmäßig unterlegen. Wir müssen uns des Prinzips der Vergeltung bedienen“ (267). Das Prinzip heißt: Angst machen, einschüchtern, kollektiv bestrafen!
Um das große zionistische Projekt nicht zu gefährden, muss man notfalls auch das Leben von Juden aufs Spiel setzen. Uris entwirft folgendes Szenario im Roman: Ein Kommando von ein paar Männern hat es geschafft, unbeobachtet von den Briten den Exodus für die Überfahrt nach Haifa auszurüsten und mehrere Hundert Kinder aus dem zyprischen Lager nachts dort unterzubringen. Aber die Briten blockieren nach der Aufdeckung der Aktion die Ausfahrt aus dem Hafen. Ari ben Kanaan will die Blockade mit einem Hungerstreik der kindlichen Passagiere brechen, die er dafür gewinnt. Wegen der Hartnäckigkeit der britischen Regierung muss er stufenweise den Hungerstreik auf bis zu über 80 Tage ausdehnen. Beobachter, die Amerikanerin Kitty und selbst David aus der Kommandoeinheit werden immer besorgter. Ari ben Kanaan belehrt David, der auf die Millionen Toten der Shoa verweist, jedoch: „Wenn jetzt dreihundert von uns auf der Exodus sterben, dann wissen wir sehr genau, warum und wofür. Und die Welt wird es auch wissen“ (176). Um die Weltöffentlichkeit zu mobilisieren, nimmt er zumindest den Tot einiger Kinder in Kauf. Der Autor lässt die Briten aber schließlich nachgeben.
Ben Gurion: beste Propaganda
Bemerkenswert ist, dass Uris und sein Buch Exodus in jüngerer Zeit von neuem die Aufmerksamkeit jüdischer Journalisten und Wissenschaftler geweckt hat. Uris’ Exodus „half, eine internationale jüdische Identität zu etablieren“, schrieb Robert Cohen 2011.[xiii] In einem Beitrag im Jewish Journal wird daran erinnert, dass David Ben Gurion, der langjährige Premierminister Israels, meinte: „Als literarisches Werk ist es nichts Besonderes. Aber als ein Stück Propaganda ist es das Größte, was je über Israel geschrieben wurde“,[xiv] und dass auf der Gegenseite Edward Said bedauernd feststellen musste: „Das wichtigste narrative Modell, das das Denken der Amerikaner beherrscht, scheint der Roman von Leon Uris von 1958 zu liefern.“[xv] Wir können also davon ausgehen, dass das Buch uns viel über das Selbstverständnis nicht nur der Zionisten, sondern der Israelis und zumindest weiter Teile der jüdischen Diaspora verrät.
Und das Buch vermittelt allen folgendes Bild von Israel: Ein ungeheuer fortschrittliches, hart erkämpftes Land, auf das die Juden ein historisches Anrecht haben, das ihre Rettung vor unausrottbarem Judenhass und ein Segen für die ganze Region des Nahen Ostens ist.
Fußnoten
[i]Leon Uris: Exodus. Roman. München: Heyne Verlag 1985, S.485
[ii] Der Spiegel v. 06.10.1959, https://www.spiegel.de/politik/reisser-mit-tiefgang-a-dc299c77-0002-0001-0000-000042622844
[iii] https://jewishreviewofbooks.com/articles/237/the-exodus/#
[iv]https://de.wikipedia.org/wiki/Leon_Uris
[v]Der Spiegel v. 06.10.1959
[vi]https://jewishjournal.com/mobile_20111212/115763/
[vii]Pappé, Ilan (2025): Die vergessenen Palästinenser. Die Geschichte der Palästinenser in Israel. Neu-Isenburg: Westend Verlag. Auszug in Hintergrund, H. 7-8 2025, S.37-41.
[viii]Said, Edward (19..): Orientalismus.
[ix]Zu Ansehen und Stellung der arabischen Juden in Israel vgl. Avi Shlaim (2024): Three Worlds. Memoirs of an Arab Jew. London: Oneworldpubl.
[x]Die Ziffern in Klammern geben die Seitenzahlen in der oben genannten Ausgabe des Romans an.
[xi]Uris hat den Namen vermutlich gewählt für die in den 1950er Jahren wahrscheinlich noch anrüchigen Terrorgruppen Irgun und Stern-Gruppe. Die Makkabäer begannen 167 v. Chr. einen heldenhaften Aufstand gegen die Römerherrschaft.
[xii]Es ging darum, heimlich ein Schiff für die Überfahrt von Holocaust-Überlebenden nach Haifa klar zu machen. Die Briten versuchten damals, eine weitere Einwanderung nach Palästina zu unterbinden.
[xiii] „Uris’s Exodus galvanized worldwide Jewry and helped establish an international Jewish identity“. Jewish Book Council 13.09.2011, https://www.jewishbookcouncil.org/book/our-exodus-leon-uris-and-the-americanization-of-israels-founding-sto
[xiv] “As a literary work, it isn’t much. But as a piece of propaganda, it’s the greatest thing ever written about Israel,” Israel’s first prime minister, David Ben-Gurion, said.
https://jewishjournal.com/mobile_20111212/115763/
[xv] Edward Said: “the main narrative model that dominates American thinking still seems to be Leon Uris’ 1958 novel Exodus.” https://jewishreviewofbooks.com/articles/237/the-exodus/#
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- Die Zweistaatenlösung ist tot, aber niemand will das zugeben
Israel ist und war brutaler Landraub, durch die Zionisten.
Israel hat als Staat nie existiert, sondern nur als Region im heutigen Syrien.
Die alten Juden sind die Palästinenser, die Israeliten stammen aus Europa. Vorwiegend aus der Ukraine und Georgien, dem alten Khasarenreich.
Die Juden sind auch keine Rasse sondern eine Missionarsreligion.
Es gibt sogar viele schwarze Juden in Ädhiophien.
Missionarsreligion? Nee nee, schon „Rasse“ : Mutti muss jüdisch sein, Vati spielt keine Rolle, da immer incertus! Und von den Nazis konnte man lernen: „Halbjude“? Naja, „Vierteljude“? Da wird’s schon schwierig, „Achteljude“? Das ist schon reichlich verwässert usw. Das Kurioseste ist dabei, dass sich auch Bruchteil-Juden heutzutage ihrer jüdischen Identität rühmen, ich kenn` welche …
Prof Shlomo Sand, Tel Aviv: Die Erfindung des jüdischen Volkes.
Lesenswert. Shomo Kann seine Hypothese mittlerweile auch durch zahlreiche Fakten untermauern.
Witziger Weise gab es bis ins 18. Jh. Auch kein jüdisches Volk, obwohl sie um 1200 – aus der heutigen Ukraine – vor den Warägern nach Mitteleuropa flohen.
Der Erfinder war ein Judenhasser namens Blumenbach. Diese Behauptung wurde aber bald widerlegt und erst von der NS wieder aufgenommen.
Ist egal, ohne sie wären wir jedenfalls besser dran.
Sehr interessanter Artikel. Auch ich las das Buch in meiner Jugend, vermutlich wie viele millionen anderer Gojim. Sehr einprägsam und für lange Zeit ein (unbewusster?) Massstab um die israelischen Aktionen als gerechtfertigt und in der ausgeführten Weise als notwendig zu beurteilen. Ha, eine weitere persönliche Lebenslüge entlarvt, weil der zugrundeliegenden Propaganda auf den Leim gegangen. Besser spät als nie.
Danke für die Veröffentlichung.
Schönes Beispiel wie man Propaganda macht durch gefühlsduseliges Erzählen und Lügen (historisches Anrecht auf Israel) und Auslassug (die Geschichte der vertriebenen Araber).
Die aufgeworfene Frage wer sich 1948 als Palästinenser sah, ist einfach zu beantworten: niemand. Das waren alles Araber, angehörige verschiedener Sippen und Religionen. Vor nicht allzulanger Zeit hat das alles noch das osmanische Reich regiert. Die Idee einer Nation ist eine fremde europäische. Die heutigen Palästinenser wurden ja eigentlich erst durch die Vertreibung durch die Israelis erschaffen als zusammnehängende Gruppe.
wir täten gut daran, die Worte von Moshe Dayan, einem der Gründerväter Israels, zu berücksichtigen, der 1956 sagte:
„Welchen Grund haben wir, uns über ihren heftigen Hass uns gegenüber zu beschweren? Seit acht Jahren sitzen sie in ihren Flüchtlingslagern in Gaza, und vor ihren Augen verwandeln wir das Land und die Dörfer, in denen sie und ihre Vorfahren gelebt haben, in unser Zuhause.“ … Wir sind eine Generation von Siedlern, und ohne Stahlhelm und Gewehrlauf werden wir nicht in der Lage sein, einen Baum zu pflanzen oder ein Haus zu bauen. … Lasst uns nicht Angst haben vor dem Hass, der das Leben von Hunderttausenden Arabern begleitet und verzehrt, die überall um uns herum sitzen und auf den Moment warten, in dem ihre Hände unser Blut erreichen können.“
„Könnten es mit euch genauso tun: Westliche Völkermord-Beihilfe sollte als Drohung verstanden werden“
Von Susan Bonath – https://rtnewsde.com (vollständig auf der Seite)
„Wachsende Massen protestieren im Westen gegen die Komplizenschaft ihrer Regierung am Völkermord in Palästina. Ohne deren Hilfe könnte Israel das Grauen nicht betreiben. Das Fazit daraus ist bitter: Die Barbarei bedient imperialistische Interessen, sie ist systemkonform – und könnte jederzeit die eigene Gruppe treffen.“
„Ihre Skrupellosigkeit hatten die NATO-Imperialisten über Jahrzehnte gut getarnt, nicht nur hinter ihren Floskeln von „westlichen Werten“ und „freiheitlich-demokratischer Grundordnung“, mit denen sie ihre zahlreichen Kriege und politischen Interventionen in anderen Ländern gern labelten.
Sie versteckten ihre Barbarei auch hinter ihren Sozialsystemen und Arbeitsgesetzbüchern, mit denen sie in ihren eigenen Ländern eine Art Arbeiteraristokratie im Vergleich zum Rest der Welt schufen – gern mit Bausparvertrag, Kleinhäuschen am Stadtrand, zwei Familienautos und Betriebsrente.
Jahrzehntelang florierte die US-geförderte (und besetzte) BRD im Aufschwung des Wiederaufbaus der Nachkriegszeit.
Die Gewerkschaften, umfunktioniert zu Subunternehmern der Großkonzerne, fantasierten von einer (nie existenten) „Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit“. Konzerne wie Volkswagen produzierten zwei BRD-Generationen privilegierter Fließbandarbeiter mit Jobgarantie, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dass die Privilegien mit brutaler Ausbeutung anderswo einhergingen, bekam kaum jemand mit.
Nicht wenige VW-Veteranen dürften aus allen Wolken gefallen sein, als ihr Konzern kürzlich zu einer (lächerlichen) Millionenstrafe wegen Sklaverei in Brasilien in den 1970er und 1980er Jahren (!) verurteilt wurde.“
Ein sehr interessanter Artikel, der die Hintergründe des Handelns Israels und seiner Bevölkerung nachvollziehbar, aber nicht entschuldbar, macht. Es ist ein tief sitzender Rassismus in Israel vorhanden, der ausgerottet werden muss. Natürlich gibt es Unterschiede in den Ethnien, das berechtigt aber keine, sich über andere Lebensformen zu stellen und erst Recht nicht, diese anderen mit Ansage und Propaganda zu vernichten. Die Lösung der Probleme kann nur darin bestehen, die Ideologie, den Glauben an die Unfehlbarkeit und Gottgleichheit, auszurotten, wie seinerzeit die Ideologie der Nazis.
Ich fürchte, der Wertewesten hat das immer noch nicht geschnallt.
Nie war es so klar wie heute: Israel ist ein Paria-Staat, auf Vertreibung, Enteignung, Besetzung und Apartheid gegründet, eigentlich weltweiter Ächtung würdig! Nun, daran wird wenigstens jetzt gearbeitet, aber das Fatalste bleibt: Es besteht innerhalb der gesamten einheimischen Bevölkerung (der 20% Araber-Anteil „genießt“ Apartheid) keinerlei Unrechtsbewusstsein, Reue und Wille zur Aufarbeitung. Die jetzigen Proteste gegen Bibi sind oberflächlich und gehen nicht ans Eingemachte. Und das Schlimmste: in der weltweiten jüdischen Diaspora schämt man sich kaum für die Unterstützung dieses nunmehr 77 Jahre alten Terrorstaates.
Wenn ich mir die heutige Politik zu Israel anschaue, dann fällt mit eines auf :
Das Problem Israels existiert nicht durch das Judentum, sondern von Menschen die sich als Zionisten bezeichnen.
Diese Zionisten und ihr Zirkel der mächtigen finanziellen Strukturen, zeigen offensichtlich ihre pseudo Macht, weil diese denkenden in der finanziellen Hierarchie agieren.
Diese Welt mag solch ein finanzielles Machonopol haben, aber die Realwirtschaft und die notwendigen Ressourcen sind die realen Wirtschaftsträger der heutigen Zeit.
Die EU oder USA wollen die Ressourcen im Wasser, für ihr eigenes überleben…
Wird das die arabische Bevölkerung auch so gerne sehen, nach Jahrzehnten der Unterdrückung?
Der Friedensnobelpreis sollte an China, Brasilien, Süd Afrika oder Russland vergeben werden.
Das kleine 7 Projekt ist gescheitert….
Es ist doch ganz einfach.
Egal was früher war, oder wie alles angefangen hat, Israel hat sich dermaßen deligitimiert. das es jetzt aufgelöst werden muss, damit überhaupt erst wieder Frieden in der gesamten Region herrschen kann!
Die gewalttätige totalitäre Ideologie ist der Kern des Problems. Das ist mal als ganz normale Zivilisation gestartet aber hat sich aber durch Niederlagen und eine Ideologie der Verzweiflung zu dem rechtradikalen Kult entwickelt den die Römer dann gewaltsam beendet und in eine harmlose Form transformiert haben.
Die Makkabäer der hellenistischen Zeit vor den Römern waren schon eine totalitäre Theokratie wo alle Anderen entweder beschnitten oder ausgerottet wurden. Deshalb war das Judentum im gesamten hellenistischen Kulturraum übel beleumundet und viele Juden sind da schon in die Diaspora aufgebrochen, um die Religiösen hinter sich zu lassen.
Der Zionismus ist nichts weniger als die Wiederbelebung dieses Unglücks, von Gnaden und zum Nutzen des britischen und später „westlichen“ Imperiums.
Diese Ideologie nennt sich Kapitalismus!
„Das Buch Exodus erschien 1958 und belegte 1959 Monate lang den ersten Platz der Bestsellerliste der Time.[ii] Es wurde in ein Dutzend Sprachen übersetzt und auch verfilmt.“
Mich hat dieser Film nie interessiert, und ich werde ihn mir auch nicht ansehen (vlt. ein Fehler), weil ich keine Lust auf Israel-Propaganda habe. Trotz Paul Newman und Otto Preminger.
Der gute alte Soros ist ja selber Jude.
Er war offiziell Juristensohn eines Budapester Anwalt auf der Donauinsel.
Als der aber von der Antifa, Verzeihung der SA floh, nahm er seine ganze Familie mit und ließ Soros bei seinem ungarischen Freund zurück.
Die Ungarn glauben daher, dass der Freund sein echter Vater war.
Aber da die Mutter Jüdin ist kategorisiert man ihn als Jude
und das obwohl er – offiziell als Sohn des Ungarn – in seiner Wut der NS die Verstecke der Budapester Juden verraten hatte.
Also was war die Nakba? Der Autor widerspricht der Darstellung im Buch nicht. Israel hatte sofort nach seiner Gründung die Kriegserklärung von fünf Staaten auf dem Tisch. Völkerrechtswidrige Angriffskriege demnach. Entgegen allen Erwartungen marschierte Israel vor und hat die Bevölkerung keineswegs vertrieben. Andererseits konnte sie sich keine Terroristen hinter der Front leisten und tat das, was jede Armee der Welt hier getan hätte. Vertrieben wurden die Kombatanten der Angreifer. Warum wird hier 77 Jahre später noch so intensiv gejammert? An jedem anderen Ort wäre das längst vergessen. Im gleichen Jahr wurden 12 Millionen Deutsche vertrieben. Nach einem verlorenen Angriffskrieg ist man als Land halt etwas kleiner und es kommt zu Vertreibungen. Wird weltweit als richtig angesehen.
Sind halt die Nazis, die hier immer wieder Unfrieden stiften. Zeigt sich derzeit überdeutlich.