Deutschlands Alleinschuld am Krieg

1914-1918 Weltkrieg Ein Schild an einer Stele in Frankreich
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Die Beschuldigung des Feindes, allein für den Krieg verantwortlich zu sein, ist in jeder Nation und in jedem Krieg üblich.

Was uns betrifft, waren die Russen (im Krimkrieg), die Afghanen, die Araber, die Zulu und die Buren allesamt unprovozierte Aggressoren, um einige aktuellere Beispiele zu nennen. Das ist eine notwendige Unwahrheit, die auf der gegenwärtigen voreingenommenen Meinung einer Seite in einem Konflikt beruht, und sie wird zur unverzichtbaren Grundlage aller nachfolgenden Propaganda. Die Leitartikel der Zeitungen bei Ausbruch eines jeden Krieges läuten die Wende zu diesem Thema ein und ähneln einander so sehr, als würden Standardartikel bereitstehen und der Name des Feindes, wer auch immer er sein mag, im gegebenen Moment eingefügt. Wenn die Vernunft wieder einsetzt und die Festigung des Friedens zu einer zwingenden Notwendigkeit für alle Nationen wird, wird die Anschuldigung nach und nach offiziell fallen gelassen.

Ein Buchauszug.

Es ist kaum nötig, viele Beispiele für die allgemeine Erklärung der Alleinschuld, des Verbrechertums und der bösen Absicht Deutschlands zu geben. Ähnliche Erklärungen könnten in jedem Land auf beiden Seiten des Krieges gesammelt werden.

»[Die Kriegserklärung] ist kaum eine überraschende Nachricht, da eine lange Reihe von Tatsachen zeigt, dass Deutschland die Krise, die jetzt über Europa schwebt, absichtlich herbeigeführt hat.«
(The Times, 5. August 1914)

»Deutschland und Österreich allein haben diesen Krieg gewollt.«
(Sir Valentine Chirol, The Times, 6. August 1914)

»Und bei wem liegt diese Verantwortung? … Bei einer Macht, einer Macht allein, und diese Macht ist Deutschland.«
(Mr. Asquith im Rathaus, 4. September 1914)

»(Wir kämpfen), um die gefährlichste Verschwörung zu zerschlagen, die jemals gegen die Freiheit der Nationen geschmiedet und die sorgfältig, geschickt, heimtückisch und heimlich mit skrupelloser, zynischer Entschlossenheit bis ins Detail geplant wurde.«
(Mr. Lloyd George, 4. August 1917)

Lord Northcliffe, der für die Kriegspropaganda zuständig war, erkannte, wie wichtig es war, die Anschuldigung zur Grundlage all seiner Handlungen zu machen. »Die gesamte Stellung der Alliierten gegenüber Deutschland wird von der Tatsache bestimmt, dass Deutschland für den Krieg verantwortlich ist«, und nochmal: »Die Alliierten dürfen nicht müde werden, darauf zu bestehen, dass sie Opfer einer vorsätzlichen Aggression waren.« (Secrets of Crewe House)

Zu den wenigen gemäßigten Stimmen gehörte Lord Rosebery im August 1914, der schrieb:

»Es war ein Funke inmitten des großen Pulverfasses, das die europäischen Nationen in den letzten zwanzig oder dreißig Jahren errichtet haben … Ich weiß nicht, ob es einen Drahtzieher gab … Ohne Beweise möchte ich niemandem eine solche Bürde auferlegen.«

Die Anschuldigung wurde jedoch in allen alliierten Ländern so stark und häufig erhoben, dass die Regierung gezwungen war, sie in den Friedensvertrag aufzunehmen.

Artikel 231. – Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt an, dass Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen wurde, erlitten haben.

Als die Kriegsbegeisterung nachließ, wurde die Anschuldigung nach und nach fallen gelassen. Sogar die Staatsmänner selbst zogen sie zurück.

»Je öfter man die Memoiren und Bücher liest, die in den verschiedenen Ländern über die Geschehnisse vor dem 1. August 1914 geschrieben wurden, desto deutlicher wird, dass zu diesem Zeitpunkt niemand an der Staatsspitze ernsthaft einen Krieg gewollt hat. Er war etwas, in das sie vielleicht aus Dummheit hineingerutscht, oder vielmehr getaumelt und gestolpert sind, und ich zweifle nicht daran, dass ein Gespräch ihn abgewendet hätte.«
(Mr. Lloyd George, 23. Dezember 1920)

»Ich kann nicht sagen, dass Deutschland und seine Verbündeten die Alleinschuld für den Krieg tragen, der Europa verwüstet hat … Diese Behauptung, die wir alle während des Krieges machten, wurde damals als Waffe genutzt; jetzt, wo der Krieg vorbei ist, kann sie nicht als ernsthaftes Argument dienen … Wenn es möglich wird, die diplomatischen Dokumente des Krieges sorgfältig zu begutachten, und die Zeit uns erlaubt, sie in aller Ruhe zu beurteilen, wird man sehen, dass die Haltung Russlands die eigentliche und grundlegende Ursache des globalen Konflikts war.«
(Signor Francesco Nitti, ehemaliger Ministerpräsident von Italien)

»Gibt es irgendeinen Mann oder irgendeine Frau, gibt es irgendein Kind, das nicht weiß, dass der Keim des Krieges in der modernen Welt die industrielle und kommerzielle Rivalität ist? … Das war ein industrieller und kommerzieller Krieg.«
(Präsident Woodrow Wilson, 5. September 1919)

»Ich behaupte nicht, dass Österreich oder Deutschland von vorneherein die bewusste und durchdachte Absicht hatten, einen allgemeinen Krieg auszulösen. Es gibt keine Dokumente, die uns zu der Annahme berechtigen, dass sie damals etwas derartig Systematisches geplant hätten.«
(M. Raymond Poincaré, 1925)

»Ich wage zu behaupten, dass der Glaube an eine Alleinschuld Deutschlands nicht einmal Monsieur Poincaré möglich ist. Aber wenn man eine Politik errichtet, die auf der Theorie der Alleinschuld Deutschlands beruht, ist offensichtlich, dass man eisern an dieser Theorie festhalten oder sich zumindest den Anschein der Überzeugung geben sollte.«
(General Subhomlinoff, russischer Kriegsminister. Zitiert von M. Vaillaint Conturier in der Abgeordnetenkammer, Journal Officiel, 5. Juli 1922)

Auch die Presse und die Publizisten änderten ihren Ton.

»Deutschland die alleinige Verantwortung für den Krieg anzulasten, ist nach allem, was wir schon wissen – und es wird noch mehr hinzukommen –, eine Absurdität. Einen Vertrag auf Absurdität aufzubauen, ist ein Unrecht. Menschlich, moralisch und historisch gesehen ist der Vertrag von Versailles zu verurteilen, ganz abgesehen von seinen ökonomischen Ungeheuerlichkeiten.«
(Austin Harrison, Herausgeber der English Review)

»Haben rachsüchtige Nationen jemals etwas Gemeineres, Falscheres oder Grausameres getan als die Alliierten, die Deutschland durch den Versailler Vertrag zwangen, als Sündenbock die Schuld zu übernehmen, die alle trugen? Welche Nation hat saubere Hände und ein reines Herz?«
(Charles F. Dole)

1923 versammelten sich die Vertreter der Nationen in einer vorläufigen, gemischten Kommission, um unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes einen Vertrag über gegenseitigen Beistand auszuarbeiten. Im vollen Bewusstsein darüber, was von ihren Regierungen als abscheulicher und unbestreitbarer Fall einer unprovozierten Aggression Deutschlands erklärt worden war, waren sie außerstande, »unprovozierte Aggression« zu definieren. Die belgische, brasilianische, französische und schwedische Delegation erklärten in einem Memorandum:

»Es reicht nicht aus, den Ausdruck ›unprovozierte Aggression‹ zu wiederholen, da es unter den Bedingungen der modernen Kriegsführung unmöglich zu sein scheint, auch nur theoretisch zu entscheiden, was einen Fall von Aggression darstellt.«

Diese Auffassung wurde praktisch übernommen, und der Juristenausschuss schlug bei seiner Konsultation vor, den Begriff »Aggression« zu streichen. Sollte sich künftig eine Nation der Empfehlung des Rates oder dem Urteil des Gerichtshofes verweigern und zu den Waffen greifen, würde das im Rahmen des Völkerbundabkommens als Angriffskrieg (»war of aggression«) gewertet.

In der Präambel der Verträge von Locarno, die 1925 zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien geschlossen wurden, findet sich nicht der kleinste Hinweis auf diese Anschuldigung; im Gegenteil, es wird sogar der folgende Satz eingefügt:

»In dem Bemühen, den Wunsch nach Sicherheit und Schutz zu befriedigen, der die Völker beseelt, die unter der Geißel des Krieges von 1914–1918 zu leiden hatten (les nations qui ont eu à subir le fléau de la guerre).«

Das hier ist nicht der Ort, um die Frage der Verantwortung zu diskutieren, die Schuld von einer Nation auf die andere zu schieben oder zu zeigen, in welchem Maße Deutschland tatsächlich verantwortlich war. Alleinschuld ist etwas völlig anderes als eine gewisse Verantwortung. Die Deutschen und die Österreicher waren nicht ohne guten Grund damit beschäftigt, Russland zu beschuldigen. Aber die Streitigkeiten und Verwicklungen sowie die beklagenswerte Unfähigkeit der Diplomatie in den letzten Wochen auf allen Seiten waren ebenso wenig die Ursache des Krieges wie die Ermordung des Erzherzogs , auch wenn immer wieder besondere Dokumente angefertigt werden, um einen falschen Eindruck zu erwecken.

Die Ursachen waren weitreichend und tiefgreifend und es ist zweifelhaft, ob selbst zukünftige Historiker in der Lage sein werden, die Schuld zwischen den beteiligten Mächten mit einer gewissen Genauigkeit zuzuordnen.

Lord Cecil von Chelwood hat vor kurzem den Finger auf die unzweifelhafteste aller zugehörigen und unmittelbaren Ursachen gelegt. In einer Rede in der Stadt im Jahr 1927 verwies er auf »den gigantischen Rüstungswettlauf vor dem Krieg« und sagte:

»Niemand kann leugnen, dass die durch die Rüstungswettläufe erzeugte Geisteshaltung den Boden bereitete, auf dem die schreckliche Pflanze wuchs, die schließlich im Krieg Früchte trug.«

Die oben angeführten Zitate reichen aus, um zu zeigen, dass die Alleinschuld des Feindes ebenfalls ein Mythos aus Kriegszeiten ist. Der große Erfolg der Propaganda hinterlässt jedoch für lange Zeit Eindruck in den Köpfen derjenigen, die sich für ihre Unterstützung des Krieges rechtfertigen wollen, und derjenigen, die sich nicht die Mühe gemacht haben, die späteren Rückzieher und Leugnungen zu verfolgen. Darüber hinaus wird der Mythos vor einer »unprovozierten Aggression« in Form von Angst so weit wie möglich im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert und zur wichtigsten, gar einzigen Rechtfertigung für die Vorbereitung eines weiteren Krieges.

Arthur Ponsonby

Arthur Ponsonby, 1. Baron Ponsonby of Shulbrede (geb.1871; gest.1946) war ein britischer Staatsbeamter, Politiker, Schriftsteller und Pazifist. Zunächst war Ponsonby Mitglied der Liberal Party, für die er 1908 in das Unterhaus einzog. 1914 gründete Ponsonby mit anderen die „Union of Democratic Control“ (UDC). Ziel dieser Gruppe war es, den vermeintlichen militärischen Einfluss auf die britische Regierung zurückzudrängen und sich für den Frieden einzusetzen. Die UDC war insbesondere gegen die Zensur und die Einführung der Wehrpflicht anstelle des im Vereinigten Königreich üblichen Freiwilligensystems. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wechselte Ponsonby zur Labour Party (die er 1940 wieder verließ) und war seit 1922 wieder Mitglied des Unterhauses. Er war von 1934 bis 1937 Vorsitzender der „War Resisters International“.
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38 Kommentare

  1. Die Kriegsschuld für den Ersten Weltkrieg trägt allein der Europäische Adel eine privilegierte Gesellschaftsklasse, und die letzten Reparationen wurden am 3. Oktober 2010 von der Bundesrepublik Deutschland beglichen.

  2. Der exzeptionale Status kommt aus der Vokabel E!
    Jeder Kontinent beginnt mit A, außer einem, Kontinent beginnt mit E.
    Das römische reich existiert nicht umsonst, deshalb zahlen ihre gläubigen und nicht gläubigen ihren Obolus, um ihren narrativen Status gerecht zu werden. Es lebe die Propaganda und nicht, die Einsicht.

  3. Im sogenannten Historikerstreit der 1960er Jahre, obsiegte der Historiker Fritz Fischer mit seiner Theorie der Alleinschuld Deutschlands am 1. Weltkrieg. Seine diesbezüglichen Werke „Griff nach der Weltmacht“ und „Krieg der Illusionen“ untermauerten seine These, lösten aber in der Öffentlichkeit eine kontroverse Diskussion aus. Sein Gegenspieler war der Historiker Ernst Nolte. Entwarnung für die deutsche Alleinschuld schaffte erst der Historiker Christopher Clark mit seinem Buch „Die Schlafwandler“ von 2013.

    1. Ihr Beitrag ist wenig hilfreich, der Historikerstreit
      fand 1986/87 statt, zwischen Habermas und Nolte. Dabei drehte es sich um die Gemeinsamkeiten zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus. Ich muss Sie dafür leider tadeln.

    2. Im sogenannten Historikerstreit der 1960er Jahre, obsiegte der Historiker Fritz Fischer mit seiner Theorie der Alleinschuld Deutschlands am 1. Weltkrieg.

      Das ist ein wenig oberflächlich (das Wort „Alleinschuld“ sucht man bei Fischer vergeblich) und insofern falsch, wie übrigens auch die Erwähnung von Ernst Nolte in diesem Zusammenhang. Ja, Fischer schrieb zusammenfassend, dass das „kaiserliche Deutschland keinen Verteidigungskrieg“ führte, sondern „es im Juli 1914 bewußt auf einen Konflikt mit Rußland und Frankreich ankommen“ ließ.
      Aber im Begleitwort zur Neuauflage seines Buchs „Der Griff nach der Weltmacht“ von 1977 machte Fischer eigentlich auch genügend klar, worum es ihm in erster Linie ging. Nämlich um die Interessen, welche die deutsche herrschende Klasse mit dem Krieg verband:

      „… Der vehemente, vielfach emotional geladene Widerspruch gegen dieses Buch bei seinem ersten Erscheinen 1961 ist nicht allein wissenschaftsintern zu begreifen, sondern nur verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die in den 20er und 30er Jahren entstandene amtlich geförderte apologetische GrundeinsteIlung der deutschen Geschichtswissenschaft zur Frage des Kriegsausbruchs 1914 – für die europäischen Völker noch immer der tiefste Einschnitt in der jüngeren Geschichte – und zu den deutschen Kriegszielen 1914/18 weiterlebte über die Zäsur von 1945 hinweg bis in die 6oer Jahre. Die deutsche Öffentlichkeit hatte sich mit dem Diktum von Lloyd George beruhigt: »Wir sind alle hineingeschlittert«, und hielt sich für die Zielsetzungen im Krieg nach 1918 so sehr an die Auseinandersetzungen zwischen den (bösen) »Radikalen« und den (guten)
      »Gemäßigten«, daß darüber die Sicht verlorenging, welche Schichten, Gruppen, Interessen und Ideen vor dem Kriege und im Kriege die entscheidenden waren. Wie stark aber selbst jene »Gemäßigten« noch Vorstellungen und Zielen anhingen, die Europa und die Welt zu ertragen nicht bereit waren, vermochte jene Zeit noch nicht zu sehen.

      Die deutsche Geschichtswissenschaft war so auf die Kriegsschuldfrage fixiert, die man glücklich abgeschlossen glaubte und die zum Tabu geworden war, daß in der Kontroverse um das Buch sein eigentlicher Gegenstand: die deutschen Kriegsziele in ihrer Verwurzelung in industrie-kapitalistischen, agrarischen und überseeisch-kommerziellen Interessen
      zusammengebunden mit den strategischen Forderungen von Heer und Marine, weit zurücktrat gegenüber der Diskussion über die deutsche Politik im Vorkrieg und in der Julikrise, die nur in den zwei ersten von 23 Kapiteln behandelt werden. …“

      1. das Wort „Alleinschuld“ sucht man bei Fischer vergeblich

        Hierzu mal Fischer wortwörtlich:

        Es ist nicht legitim, die Frage der Ursprünge des Ersten Weltkriegs und der Julikrise 1914 mit den ergriffen der „Kriegsschuld“-These von 1919 und der damit verbundenen Frage der Reparationen anzugehen. Wie der verstorbene Schweizer Historiker Adolf Gasser beobachtet und formuliert hat, war der Krieg, gesehen vom Standpunkt des Völkerrechts, 1914 noch ein anaerkanntes Mittel der Politik und so wurde er noch von allen großen Mächten der Zeit betrachtet. Auch die englischen Historiker Zara Steiner und James Joll teilen dieses Urteil. Betrachtet vom Standpunkt der Moral ist unbestreitbar, dass alle Mächte expansionistische und Machtpolitik betrieben haben, selbst wenn einige es mehr mit der Absicht taten, ihre Beziehungen, also den Status quo, zu erhalten, als ihn zu verändern. Betrachtet vom Standpunkt der Politik indessen entsteht die Frage, ob es im Falle von Preußen – Deutschland klug, weise und praktikabel war, in einer so kurzen Zeit, mit solcher Ungeduld und Vehemenz und mit dem Mittel hochgesteigerter See- und Landrüstungspolitik eine Änderung im internationalen System bewirken zu wollen, kurz, eine Politik zu verfolgen, die mehr oder weniger unvermeidlich zum Krieg führen mußte, weil sie eine gegnerische Koalition hervorrief und bestehende Spannungen nicht milderte, sondern erhöhte. In der Durchführung einer solchen Politik kann man sehr wohl ein schuldhaftes Verhalten sehen.

        Nach 1914 und nach 1919 haben die Deutschen dann – selbst in ihren gebildeten Schichten – nicht erkannt und nicht anerkannt, daß die Regierung 1914 den entscheidenden Anteil an der Verantwortung für die Auslösung des Ersten Weltkriegs trug, und haben statt dessen eine 20jährige Apologie gegen die „Kriegsschuldlüge“, d.h. gegen die „Lüge“, daß Deutschland am Krieg schuld gewesen sei, durchgefochten. Darüber hinaus haben die Deutschen auch die Niederlage, die 1918 durch den Widerstand der französischen und englischen Armeen und durch das Eingreifen der frischen amerikanischen Truppen herbeigeführt worden war, nicht erkannt und nicht anerkannt und haben statt dessen Zuflucht zur sog. „Dolchstoßlegende, d.h. zu der Lehre genommen, daß dem deutschen Heer durch Juden, Defätisten, Pazifisten, Sozialisten und Kommunisten ein Dolchstoß in den Rücken versetzt worden sei. Diese zweifache Weigerung der deutschen Nation, die Wahrheit zu sehen und anzuerkennen, hat es möglich gemacht, daß dieses Volk in eine neue Wiederaufrüstung, in eine neue expansionistische Politik und schließlich in einen zweiten Weltkrieg geführt werden konnte.

        Rechte Revanchisten hassen diesen Trick!

        Wegen der „Dolchstoßlegende“ gibt es ansonsten ja auch die Ansicht, dass ein großer Fehler der Alliierten darin bestand, nicht bereits 1918/1919 das ganze Deutsche Reich zu besetzen, gerade um den Deutschen ihre militärische Niederlage zu verdeutlichen – aber auch, um sie mit den Opfern ihrer Mordbrennereien in Belgien, Serbien etc. zu konfrontieren. So zog sich der Kaiser in sein Lumberjack Retreat in den Niederlanden zurück und andere Verantwortungsträger kamen auch davon. Den Leuten, die den Kriegsverlauf – wie heute in der Ukraine – mit dem Frontverlauf verwechselten und verwöhnt waren, dass deutsche Truppen in fremden Ländern standen, hätte das vielleicht ein anderes Bild vermitteln können. 🤷‍♂️

        Tja – doch dafür gibt es heuer dank der Seelentröster Clark, Münkler, McMeekin und Co. bloß die dritte Weigerung. Das neue deutsche Reich hat sich abermals selbst„entschuldet“ und verteilt nun entweder auf alle der 1914 Beteiligten gleichermaßen das moralische Konstrukt „Schuld“ – oder siedelt sie gleich direkt und einzig bei St. Petersburg an. Schuldig – damals wie heute. 1914 hat der Zarismus zuerst mobil gemacht und „uns“ im Frieden überfallen, wie der Kaiser es ausdrückt. 1939 haben die Iwans mit Hitler paktiert und 1941 ist das Dolferl ja eigentlich nur den Russen zuvorgekommen – wissen ja auch unsere baltischen Freunde. Und heute ist der modernisierte Zarismus, der Putinismus, drauf und dran „uns“ zu überfallen – wissen „wir“ und unsere baltischen Freunde sowieso. Damit wird die abermalige Wiederaufrüstung legitimiert und möglich gemacht und auch das Tor zum nächsten Großkriegs aufgestoßen.

        Nämlich um die Interessen, welche die deutsche herrschende Klasse mit dem Krieg verband

        Sowas ist natürlich unverzeihlich. Und das hat ihm die cholerische Rechte auch bis heute nicht verziehen. Hat der doch das pöse I-Wort in den Mund zu nehmen gewagt!

        Liebknecht wurde gerade auch wegen seiner Wühlarbeit in puncto Interessen der herrschenden deutschen Klasse erst an die Front geschickt und später dann ermordet.

    3. Christopher Clark ist kein Historiker, allenfalls ein lustiges Abbild von Melnyk. Sein „Schlafwandler“-Mythos kaufen ihm höchstens beinharte ZDF-Zuschauer ab.

  4. Der böse böse russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begann völlig überraschend am 19. Februar 2022, nachdem US-Präsident Joe Biden ihn schon für den 15. Februar angekündigt hatte. Der Westen war völlig überrascht und hat sofort das Brandenburger Tor in den ukrainischen Farben beleuchtet und alle öffentlichen Gebäude mit ukrainischen Flaggen geschmückt. Die Geschichte wird halt von der eigenen Presse und den eigenen Historikern geschrieben.

    1. Der Ukrainekrieg begann mit der Verhängung und Exekution der sogenannten „anti-terroritischen Operation“ (ATO) durch die Post-Maidan-Regierung in den Oblasten Donezk und Lugank am 13.04.2014. Dieselbe Post-Maidan-Regierung, die vom Westen – gerade auch von deutschen Fraktionen – installiert, unterstützt und sonstwie hofiert wurde / wird.

      Deutsche Kräfte waren in die dem ATO-Entscheid vorausgegangen Beratungen eingebunden. Seither ist es auch ein deutscher Krieg (Stichwort: „OSZE-Mitarbeiter / Westliche Geiseln in Separatisten-Hochburg Slowjansk festgehalten“).

  5. Bei aller Richtigkeit der Rolle von Propaganda auf allen Seiten, 1914 wollte Österreich gar nicht so richtig, wurde aber von W II solange gedrängt, dass es Serbien den Krieg erklärte. Die Hauptschuld Deutschlands ist nicht relativierbar.

    1. So hat Willy dann Lenin nach Russland gebracht. Man könnte ihn glatt als Patenonkel der UdSSR bezeichnen.

      Dafür gebührt Willy II doch geschichtlicher Ruhm.

    2. @ OberstMeyer

      1914 wollte Österreich gar nicht so richtig

      Meinen wir beide dasselbe Österreich?

      War auch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine bewusste Entscheidung des Kaisers?

      Franz Joseph war zweifellos derjenige, der den Weg in den Krieg freigemacht hat. Es ist ein Ammenmärchen, dass der Kaiser von kriegslüsternen Militärs und Politikern ausgetrickst worden wäre. Ende Juli 1914 wurde dem Kaiser vom Minister des Äußeren ein umfangreicher Akt zum Konflikt mit Serbien vorgelegt. Dazu schrieb Franz Joseph in gestochener Handschrift ausführlich dazu, dass er den Minister ermächtigt, die Kriegserklärung an das Königreich Serbien abzuschicken.

      In dem Akt wurde dem Kaiser von einer serbischen Attacke berichtet, die nie stattgefunden hat.

      Sie meinen das angebliche Gefecht von Temes Kubin. Das war natürlich unsauber, aber der Minister hat Franz Joseph über die Fehlinformation informiert. Der Kaiser hat deswegen keine Veranlassung gesehen, den Feldzug zu stoppen.

      Der Kaiser wollte also den Krieg.

      Ja, Krieg gegen Serbien – aber keinen Weltkrieg. Da ging Franz Josephs Politik an der Realität vorbei.

      War ihm nicht klar, dass er damit einen Dominoeffekt von gegenseitigen Beistandsvereinbarungen auslöst?

      Das ist schwer zu sagen. Er war sich sicher bewusst, dass Krieg gegen Serbien mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Krieg gegen Russland bedeutet. Da hat er sich aber auf die Waffenbruderschaft mit den Deutschen verlassen. Kaiser Wilhelm II. hat sich ja unmissverständlich geäußert und außerdem wusste er von Plänen der deutschen Heeresleitung, Frankreich binnen sechs bis acht Wochen zu besiegen. Danach wollte man gemeinsam Russland fertigmachen. Bis Weihnachten wollte man dann wieder zu Hause sein.

      (…)

      Der Krieg gegen Serbien wurde zum Weltenbrand, den auch Franz Joseph miterlebte. Seine Armee erlitt furchtbare Niederlagen. War dem Kaiser klar, dass das Habsburger Reich vor dem Ende stand?

      Jein. Als Italien 1915 den Österreichern den Krieg erklärte, hat der Kaiser gesagt: „So werden wir eben zugrunde gehen.“ Das hat ihn allerdings nicht daran gehindert, den Krieg weiterzuführen. Ein Verzichtfriede kam für ihn nicht in Frage. Allerdings hat er im August 1916 eingewilligt, dass die gemeinsame oberste Kriegsleitung gebildet wird, wo der deutsche Kaiser Wilhelm II. das letzte Wort hatte. Hier trat der österreichische Monarch einfach zurück, weil ihm wohl klar war, dass Österreich-Ungarn alleine nicht mehr in der Lage war, den Krieg erfolgreich fortzusetzen.

      Quelle: hier

      wurde aber von W II solange gedrängt, dass es Serbien den Krieg erklärte.

      Derselbe W II, der auf hoher See geweilt wurde, während Bethmann, Stumm und Co. in der Wilhelmstrasse alles managten? Zu dessen Rolle gibt es aber noch ein paar sachdienlichen Hinweise aus diesem älteren SPIEGEL-Interview:

      SPIEGEL: Aber was wollte Wilhelm?
      Röhl: Am 3. oder 4. Juli – genau wissen wir das nicht – notierte der Kaiser am Rand eines Dokuments: „Jetzt oder nie. Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald.“ Das war ein Plädoyer für einen Krieg Österreich-Ungarns gegen Serbien.

      SPIEGEL: Woher rührte der Wandel Wilhelms?
      Röhl: Wahrscheinlich reagierte er so auf Grund eines Gesprächs, das er mit einem Generalstabsoffizier und Balkanexperten am Abend des 3. Juli führte. Um das alles zu verstehen, müssen Sie sich eine Matrjoschka-Puppe vorstellen. Der Serbienkrieg ist die kleine Figur im Innern. Den wollten alle: der Kaiser, die Generalität, Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg. Österreich sollte damit seine Vorherrschaft auf dem Balkan sichern. Die Hoffnungen der Militärs und Bethmann Hollwegs gingen allerdings weiter: Sie planten auch einen Krieg gegen Russland und Frankreich, weil sie glaubten, dass die Gelegenheit günstig wäre, den Eindämmungsring zu sprengen, den Paris, London und St. Petersburg um das Reich gelegt hatten. Das ist die zweite Puppe. Das Attentat von Sarajevo kam Bethmann Hollweg insofern gelegen. Vielleicht haben die Deutschen sogar von dem Anschlagsplan vorab gewusst.

      SPIEGEL: Wie kommen Sie denn darauf?
      Röhl: Graf Alfred von Waldersee, der Generalquartiermeister, hat zwölf Tage vor dem Attentat die Militärbevollmächtigten, die die Könige von Sachsen, Bayern und Württemberg in Berlin unterhielten, zu sich gerufen und gebeten, keine schriftlichen Berichte mehr für die Kriegsminister ihrer Staatsregierungen zu verfassen. Das deutet darauf hin, dass etwas streng Geheimes vor sich ging.

      SPIEGEL: Das klingt nach einer großen Verschwörung.
      Röhl: Sicher ist: Im Kalkül Bethmann Hollwegs sollte Österreich-Ungarn im Falle eines Krieges an der deutschen Seite stehen. Daher brauchte man eine Balkankrise, so dass Wien von Anfang an involviert war. Russland musste zugleich als Angreifer dastehen. Denn sonst war die deutsche Bevölkerung für einen Krieg nicht zu gewinnen.

      SPIEGEL: Und was ist die dritte Puppe?
      Röhl: Der Krieg gegen England. Den wollten weder der Kaiser noch seine Generale. Die Konsequenz ihrer Politik haben sie insofern ganz falsch eingeschätzt.

      SPIEGEL: Teilte der Kaiser denn das Kalkül Bethmann Hollwegs?
      Röhl: Es gibt Indizien dafür. Am 5. Juli erschien der österreichische Botschafter im Neuen Palais in Potsdam mit einem Schreiben. Darin bat der österreichische Kaiser Franz Joseph um Rückendeckung für seine Pläne, gegen Serbien vorzugehen. Wilhelm sah sofort, dass sich ein Krieg mit Russland und Frankreich ergeben könnte. Dennoch sagte er: Auf mich können Sie sich verlassen. Das ist der berühmte Blankoscheck.

      SPIEGEL: Haben Sie noch mehr Indizien?
      Röhl: Am gleichen Abend und am nächsten Morgen empfing er Bethmann Hollweg, den Kriegsminister und führende Militärs, um sie über die Möglichkeit eines Krieges mit Russland zu informieren. Und was mir auffällt: Es gab keinen Dissens. Die nahmen das alle so hin, als ob dies eine Absprache sei, von der sie schon lange wussten.

      SPIEGEL: Wenn Wilhelm wirklich das Risiko eines Weltkriegs einging, warum stach er dann am 7. Juli zu einer Kreuzfahrt in See?
      Röhl: Bethmann Hollweg hatte ihn ausdrücklich gebeten, die übliche Nordlandreise anzutreten. Andernfalls, so sagte der Reichskanzler, würde ganz Europa merken, dass sich hier etwas anbahnt.

      SPIEGEL: Aber führende Militärs gingen ebenfalls in die Ferien. Das macht man doch nicht, wenn ein Krieg bevorsteht.
      Röhl: Auch dies sollte den Schein der Friedfertigkeit erwecken. Außerdem hielten sie ihre Vorbereitungen für abgeschlossen. Es gab keinen Grund, in Berlin zu verweilen.

      SPIEGEL: Dennoch. Es fällt schwer zu glauben, dass ein Kaiser, der die Regierungszentrale verlässt, wirklich auf Kriegskurs ist.
      Röhl: Es gibt noch einen Hinweis. Normalerweise fuhr der Kaiser bis zum Nordkap. Dieses Mal aber ging sein Schiff nur in Balholm vor Anker, rund 100 Kilometer nördlich von Bergen. In 22 Stunden konnte der Kaiser von dort aus Cuxhaven erreichen.

      SPIEGEL: Aber das ist doch kein Beweis, dass der Kaiser den Krieg wollte.
      Röhl: Vielleicht überzeugt Sie das: Am 25. Juli kam der Kommandant der deutschen Hochseeflotte nach Balholm und berichtete, dass der Krieg mit Russland näher rücke. Und was war die erste Reaktion Wilhelms? Er wollte die russischen Flottenstützpunkte Reval (Tallinn) und Libau (Liepaja) an der Ostsee beschießen lassen. Das redete man ihm aus, aber so war der Mann. Bethmann Hollweg bezeichnete Wilhelm in diesen Tagen als „geschwollenen Leutnant“: nassforsch, militaristisch, kriegerisch.

      SPIEGEL: Dann kehrte Wilhelm nach Deutschland zurück und bekam offenbar kalte Füße. Am 28. Juli notierte der preußische Kriegsminister Erich von Falkenhayn, der Kaiser halte „wirre Reden, aus denen nur klar hervorgeht, dass er den Krieg jetzt nicht mehr will“.
      Röhl: Das stimmt. „Jetzt“ nicht mehr. Er bekam wirklich Angst, wenn auch nur vorübergehend. Aber man muss genau hinsehen: Die Unterjochung der Serben, die er als Räuberpack bezeichnete, durch die Österreicher wollte er weiterhin. Und auch den Flottenwettlauf mit Großbritannien mochte er nicht aufgeben. Als Bethmann Hollweg ihm auf dem Höhepunkt der Julikrise vorschlug, mit London eine Verständigung in dieser Frage zu suchen, lehnte er ab. Mit hochrotem Kopf verließ der Reichskanzler nach dem Gespräch damals den Raum.

      (…)

      SPIEGEL: Waren die anderen denn vollkommen unschuldig? Immerhin koppelte Zar Nikolai II. sein Land immer enger an Serbien, das von einem großserbischen Reich träumte und aus der Großmacht Österreich-Ungarn eine Art Schweiz des Ostens machen wollte. Auf friedlichem Wege war das nicht möglich.
      Röhl: Ich will Russen und Serben nicht verteidigen. Aber eines ist sicher: Das Ultimatum Österreich-Ungarns an Serbien bedeutete Krieg, und ohne die Deutschen hätte es das Ultimatum nicht gegeben. Ich glaube übrigens, dass es überhaupt nicht zu einem Krieg gekommen wäre, wenn die Deutschen ihren Weltmachtanspruch reduziert hätten.

      SPIEGEL: Gemessen an den Maßstäben der Zeit, war der deutsche Wunsch nach einem Weltreich freilich nicht mehr und nicht weniger legitim als der französische oder britische.
      Röhl: Da haben Sie Recht. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die deutsche Politik ein Weltreich nicht an der Peripherie des Staatensystems, sondern auf Kosten der drei etablierten Weltmächte Russland, Frankreich und Großbritannien im Herzen Europas errichten wollte, und das musste zum Krieg führen.

      (…)

      SPIEGEL: Das war anderthalb Jahre vor der Julikrise. Es gab später auch andere Signale.
      Röhl: Die Briten haben sich teilweise um einen Ausgleich bemüht, was in Berlin als Beleg dafür angesehen wurde, dass London im Kriegsfall neutral bleiben wolle. Insofern kann man sagen, dass die Briten den Fehler gemacht haben, zu freundlich gewesen zu sein.

      SPIEGEL: Das war nicht die einzige Fehleinschätzung in der Julikrise.
      Röhl: Stimmt. Der Kaiser unterschätzte seine Gegner. Er hielt wenig von Frankreich, weil es eine Demokratie war. Die Russen verachtete er als Slawen, da war Wilhelm ein Rassist. Und bei den Briten setzte er auf Verständigung mit König George V., obwohl der politisch keine Rolle spielte.

      (…)

      SPIEGEL: Aber anders als der „Führer“ hat er sich nicht eingemischt.
      Röhl: An der Kriegführung im Detail war er nicht beteiligt. Das heißt aber nicht, dass er auch politisch keine Rolle mehr spielte. Denn er war die letzte Entscheidungsinstanz.

      SPIEGEL: Aber hat er denn wirklich so viel entschieden?
      Röhl: Er hat gegen das Drängen der Marine bis 1916 der Hochseeflotte die Erlaubnis zum Auslaufen verweigert, weil er um seine Schiffe fürchtete und die Stärke der britischen Flotte richtig einschätzte. Er traf sodann alle wichtigen Personalentscheidungen. Und er sagte „Ja“ zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg, was den Kriegseintritt der USA bedeutete. Eine verhängnisvolle Fehlentscheidung.

      SPIEGEL: Aber er war eher Getriebener als Treiber.
      Röhl: Ich habe das als Königsmechanismus beschrieben. Es waren fast immer zwei Richtungen in Militär und Regierung vorhanden, die gegeneinander kämpften, und er musste entscheiden.

      SPIEGEL: Von programmatischer Politikgestaltung ist das weit entfernt.
      Röhl: Vor dem Krieg war das anders. Wilhelm hatte nach der Entlassung Bismarcks 1890 das politische System ganz auf sich zugeschnitten.

      Quelle: hier

      1. Danke, ist mir noch im Hintergedächtnis, eben.
        Es geht mir nicht um Alleinschuld, das wäre Blödsinn. Aber die Auszüge belegen auch den letzten (deutschen) Tropfen, der den Überlauf erbrachte.

  6. „Deutschlands Alleinschuld am Krieg“

    Falls wir den nächsten Krieg überleben sollten werden alle europäischen Länder, auch die Koalition der Billigen /Willigen, über Deutschland herfallen und wieder die Alleinschuld geben, da beisst die Maus keinen Faden ab.

    1. Der SWR hat das Anti-Kriegs-Lied „Nein, Meine Söhne geb´ ich nicht“ aus dem Votingsystem der Hitparade entfernt. Scheinheiliger Grund: Es bestehe Manipulationsverdacht da es von den Hörern „zu oft“ angeklickt wurde.

      Quelle?

      Das Lied war laut Verwandtenbericht auf Platz 12 und das Narrenschiff auf Platz 4. 😎

      Eine Schnellsuche bestätigt den Bericht (hier).

    2. @Otto0815, Altlandrebell
      Um die Zahlungen (18,36€) einzustellen, bedarfs es einen Grund, und der SWR liefert den Grund frei Haus.

      Was wollt ihr mehr?

  7. Schauen wir uns das Ganze mal an.

    Der Vertrag von Versaille ist nicht verständlich ohne die Friedenbedinungen, die Deutschland Frankreich nach den Krieg 1870 auferlegte. Die waren ähnlich drastisch. Zumal Frankreich sein hauptsächliches Industrigebiet Elsass / Lothringen abtreten musste. Und auch finanziell waren die Bedingungen eine harsche Bereicherung des Deutschen Reichs
    Und wenn man sich diesen Krieg anschaut, wurde er bewusst von Deutschland provoziert.
    Schauen wir nun nach der schlafwandlerischen Entwicklung hin zu WWI. Das Domino hätte von Deutschland gestoppt werden können. Aber das großkotzige Reich sah sich in einer Position der Stärke und war nicht bereit, eine Mittlerposition einzunehmen. Von der Mechanik her wurde hier die Chance vertan, den Krieg, den insgeheim alle Eliten suchten, zu verhindern.
    Auch war das Deutsche Reich zu dämlich, frühzeitig Verhandlungen zu suchen als sich eine Niederlage abzeichnete. Der Stolz von Konsorten wie Hindenburg, Ludendorff und dem Kasper Wilhelm II trieb es in den Abgrund.

    1. Das ist alles richtig. Man muss sich aber den „Frieden“ von Brest-Litowsk zum Vergleich ansehen, um einzuschätzen, wie dDeutschland mit besiegten Gegnern umging. Dagegen war Versailles milde und grosszügig. Vom Wüten der Ostseedivision und der Freikorps-Marodeursbanden noch nicht gesprochen. Keine Besatzungsmacht im Reich hat sich auch nur annähernd so aufgeführt. Diese deutsche Wehleidigkeit kotzt auch dann an, wenn man die anderen imperialistischen Mächte nicht für Unschuldsengel hält.

  8. Die Schuld Deutschlands an der Katastrophe des Ersten Weltkriegs beginnt mit der Umwandlung des preussischen Verteidigungskampfes gegen die Aggression Napolein III. in einen imperial-nationalistischen deutschen Eroberungskrieg nach dem Ende des Kaiserreichs mit der Gefangenname de skleinen Napoleon nach dme deutschen Sieg in Sedan. Mit dem anschliessenden Raubzug gegen den Widerstand des französischen Volkes wurde das Klima Europas nachhaltig vergiftet. Der Erzreaktionär Bismarck legte die Wurzel des Intrigenspiels zwischen den diversen Zweigen der europäischen Herrscherfamilie(n), alle verwandt und verschwägert, das 40 jahre später in die Katastrophe mündete. Und aus all dem haben deutsche Politiker anscheinend überhaupt nichts gelernt.

  9. Wichtig ist dieser Artikel und die darin enthaltenen historischen Aussagen vor allem im Bezug auf die heutigen Kriege und die dabei verwendete Propaganda – und dass sowas wie „vollkommen unprovozierte Angriffskriege“ zwischen größeren Mächten eigentlich eine Seltenheit ist.

    Über das Maß an Schuld von Deutschland für WK1 kann und möchte der Artikel aber gar nicht so viel aussagen, denn:

    Das hier ist nicht der Ort, um die Frage der Verantwortung zu diskutieren, die Schuld von einer Nation auf die andere zu schieben oder zu zeigen, in welchem Maße Deutschland tatsächlich verantwortlich war.

    Mir stellt sich dabei auch die Frage ob es überhaupt wichtig ist genau zu klären welchen Anteil an Schuld Deutschland denn wirklich hatte. Am Ende ist das eine ewige Diskussion, deren Sinn sich mir nicht so wirklich erschließt.

    Verschiedene Dinge scheinen mir aber unzweifelhaft zu sein:
    1. Es ist unmöglich Deutschland vollkommen zu entschulden für diesen Krieg. Eine große Portion Verantwortung dafür trägt es auf jeden Fall mindestens. Daran kann auch Christopher Clarke nix ändern.
    2. Es ist genauso unmöglich die anderen Großmächte vollkommen zu entschulden, denn alle waren mehr oder weniger von imperialer Gier getrieben und haben dieses Pulverfass durch konsequente Hochrüstung erst entstehen lassen.
    3. Der Versailler Vertrag war in jedem Fall ein großer Fehler und ein Zeichen für große Dummheit und Arroganz der handelnden Siegermächte.
    4. Selbst wenn man Deutschland nur eine Teilschuld an WK1 geben will, ist die Existenz dieses Landes durch drei große Kriege gekenntzeichnet, die es alle hätte verhindern können. Dass es sie aber zugelassen hat und in beiden Weltkriegen darüber hinaus auch solch umfassende Zerstörungen zugelassen hat – und dass es heute schon wieder dabei ist in dieser Hinsicht vielleicht großen Mist zu bauen (um es noch freundlich auszudrücken) und riesiges Unheil anzurichten, führt mich immer mehr zu dem Gedanken, dass Deutschland eigentlich eine Fehlkonstruktion ist. Dass es nicht eigentlich Deutschland ist, sondern noch immer ein Art Preußisches Reich.
    Selbst wenn die deutsche, kulturelle Gegenwart größtenteils von ganz anderem Geist durchdrungen ist, steckt in diesem Land, weil es noch immer dieses Land ist, das gleiche Land wie vor 150 Jahren, hartnäckig ein Erbe arroganter Großmannssucht, dass auch eine nicht zu unterschätzende aggressive Komponente hat. Es sind nicht wirklich die Deutschen, die so sind, nicht die Bevölkerung. Es ist das unselige Erbe dieser abstrakten Konstruktion namens Deutsches Reich.

    1. welchen Anteil an Schuld

      Schuld ist 🧙‍♂️☕ (siehe unten).

      Am Ende ist das eine ewige Diskussion, deren Sinn sich mir nicht so wirklich erschließt.

      Wie wäre es damit?

      1️⃣ Schutz vor Geschichtsvergessenheit

      Eine exakte Kenntnis solcher Vorgänge ist notwendig, um der Mythenbildung entgegenzutreten, die weitere Nationalisierung / nationale Vereinnahmung jener Vorgänge zu verhindern und die rechts-revanchistischen Vorstöße – auch in diesem Forum – abzuwehren.

      2️⃣ Friedenspädagogisch wertvoll

      Da es ein Großkrieg war, der im Grunde in jeder Familiengeschichte irgendwo auftaucht, kann man anhand dessen seinem Nachwuchs wertvolle Lektionen über die Notwendigkeit einer Friedensorientierung und die Bekämpfung von Militarismus, Imperialismus und deutsche Großmannssucht erläutern.

      3️⃣ Lehre in Verantwortungsübernahme

      Es geht nicht um juristische oder moralische Schuld, sondern um Verantwortung.

      Das Verhalten etlicher Staatenlenker – gerade der deutschen und der österreichisch-ungarischen – changierte irgendwo zwischen rücksichtslos und mit klarer Absicht auf den Krieg hinarbeitend.

      Anhand ihrer Beispiele kann man illustrieren, wie wichtig anderes Handeln oder das Unterbrechen solchen Treibens sind.

      Und dem Nachwuchs wiederum helfen, ein Bewusstsein für historische wie persönliche Verantwortung zu entwickeln. Und dafür gerade zu stehen, wenn man Scheiße gebaut hat.

      Daran kann auch Christopher Clarke nix ändern.

      Sein Buch aber, das – genauso wie die anderer „Seelentröster“ – gerade auch von den Bundesregierungen vermarktet („promoteted“) und unter die Leute gebracht wurde. Ergebnis:

      Wie eine Forsa-Umfrage im Januar 2014 ergab, teilten inzwischen 58 Prozent der Deutschen die Ansicht, dass Deutschland nicht mehr als andere Länder Schuld trage an der Auslösung des Ersten Weltkriegs. Nur noch 19 Prozent sahen eine „Hauptverantwortung“ bei der Reichsregierung.

      Tja – wie heißt es so schön? Mission accomplished.

      Der Versailler Vertrag war in jedem Fall ein großer Fehler

      Der größere Fehler war m.E., dass die Alliierten es 1918/19 versäumten das gesamte Reich zu besetzen, da sich so der Mythos vom „Dolchstoß“ versetzen konnte (siehe meine Replik unter @ Besdomny).

      dass Deutschland eigentlich eine Fehlkonstruktion ist.

      Staaten an sich sind Fehlkonstruktionen, da es auf Gewalt basierende Ordnungen sind. Mit Staaten wird es immer Krieg gegeben. Staat und Krieg gehören zueinander wie die Kuh und ihr Fladen.

      Es ist das unselige Erbe dieser abstrakten Konstruktion namens Deutsches Reich.

      So eine Konstruktion füllt aber von selbst nichts mit Leben. Der Punkt hier sind vielmehr die Eliten, die herrschende Klasse. Dieselben Großgruppenemotionen, Vorurteile, Ruhmesblätter und gewählten Traumata (Vamık D. Volkan) werden innerhalb der – nie ausgewechselten – herrschenden Klasse von Generation zu Generation tradiert. Eines davon ist die Vorstellung von den Deutschland vernichten wollenden asiatischen Horden aus dem Osten. Und Stalingrad hat man den Iwans bis heute nicht verziehen. 🤷‍♂️

      Es sind nicht wirklich die Deutschen, die so sind, nicht die Bevölkerung.

      Bin ich froh, dass Sie gerade so die Kurve um den Biologismus bekommen haben. 😉

  10. tldr: Das Zusammenschmeißen von Verantwortung mit dem Moralin-Trollinger „Schuld“ ist genauso wenig hilfreich wie eine fehlende Tiefenanalyse bei der Erörterung einer Konfliktgenese. 🤷‍♂️

    1. Teil I:

      Ein paar Groschen…

      … doch zunächst der Hinweis, dass dieses Thema ja schon x-fach im Forum diskutiert worden ist. Weswegen ich nicht alles wiederhole, da säße ich ja noch zu Hello Wien! am Schreibtisch. Ich verweise mal nur auf meine Anmerkungen zu Leo Ensels Beitrag von Ende Juni hier.

      Die Beschuldigung des Feindes, allein für den Krieg verantwortlich zu sein, ist in jeder Nation und in jedem Krieg üblich.

      Moralin- und Druidenteeausgießen 🧙‍♂️☕ ist für jede Nation üblich – und das auch außerhalb von Kriegen.

      I. Das Schuld-Konstrukt

      Das Konzept der „Schuld“ ist ja – wie alle anderen Erscheinungsformen von Moral – ein Kontrollinstrument, das die herrschende Kaste einerseits benutzt, um ihre Macht abzusichern – und das ihr andererseits dazu dient, sich, ihre Lakaien und Büttel (Ämter, Polizeien, Gefängnisse) und ihre(n) restliche Staat(sordnung) mit Legitimation aufzuladen. Moral, Schuld und die sich aus diesem Diskurs ergebenden „Sitten“ (mores!), Gebräuche und Gesetze sind freilich alles andere als universell, sondern schlicht von den Mächtigen bzw. ihren Wasserträgern zusammengeschustert. Fabriziert und konstruiert. Und wandelbar wie Moden – die ja genauso zusammengeschustert und -geschneidert werden! Den B. Traven in die Wiedervorlage gegeben:

      Aber das Recht ändert sich infolge wechselnder Verhältnisse. Es gibt nichts, was nicht einmal Recht gewesen ist. Man darf das Recht nur nicht einpökeln wollen und erwarten, dass es in hundert Jahren noch immer Recht, vielleicht gar dasselbe Recht sein werde.

      Aus: Das Totenschiff, S. 391

      Der Schuldschmu ist ein Disziplinierungsmittel – ob auf internationaler oder intranationaler Ebene. Mit ihm wird dem Schuldiggemachten eingeflößt:

      Du bist schuldig, weil du gegen das und das Gesetz verstoßen hast – und nur durch aufrichtige Reue und Buße kannst du (vielleicht!) wieder rein werden.

      Oder:

      Wer arm ist, ist selbst schuld – er hat eben nicht hart genug (an sich) gearbeitet!

      Mit solchem Sabbel werden immer die jeweiligen (Macht-)Verhältnisse legitimiert und reingewaschen, während die Verantwortung der Herrschenden natürlich verdrängt oder auf die ominösen „Einzelfälle“ reduziert wird.

      „Schuld“ ist also immer etwas fremdbestimmtes und von außen oktroyiertes – und wenn Sie jetzt meinen, dass sich manche doch auch vor ihrem „inneren Gewissen“ schuldig fühlten, dann sage ich Ihnen, dass auch dieses oft zutiefst gesellschaftlich – also fremd – geprägt ist. Der Mensch lernt in dieser Gesellschaft früh sein Ureigenstes, sein Selbst, von sich zu stoßen – und mit ihnen die Freiheit. Dafür saugt er dann irgendwelche Ideologien als Krücken und Surrogate auf sowie die zugehörigen mores. Hält sie für „echt“, „authentisch“ und „selbstgewählt“. Und unterwirft sich dabei doch bloß einem so fremdinduzierten wie abstrakten „höheren Gesetz“ (Eltern, Lehrer, Staat, Markt, Tempel…), statt seine eigenen Bedürfnisse zu suchen und zu leben.

      (Einschub: In Ethik erblicken manche das Gegenstück zur oktroyierten Moral – ein konsensualer, selbstbestimmter Prozess, in dem eine Gemeinschaft Grundlagen und Regeln für ihr Zusammenleben aushandelt. Ohne universelle „Gesetze“ in Steintafeln zu meißeln, andere zu geißeln – und vor allem ohne Moralin.)

      Und der Schuld-Diskurs lässt sich natürlich auch ohne Weiteres auf die internationale Ebene heben: Denn mit dieser moralischen Nebelkerze wird schlicht zu verborgen gesucht, dass Gewalt eine Kernsignatur von Staaten ist und Krieg eben die strukturelle Folge des ganzen Systems. Ich habe das schon x-fach geschrieben: Staaten sind nun mal Systeme, die auf Gewalt basieren, in denen die herrschenden Clans und Cliquen nach innen wie nach außen um claims, interests und priveleges rangeln und zoffen – weswegen die Massaker logischerweise dem ganzen auf dem Fuß folgen. Dazu muss man so ein Clan noch nicht mal in die imperialistische, kapitalistische oder koloniale Phase von Staatlichkeit vorgedrungen sein. Und diese ganzen Kämpfe und Kriege – ob zwischen edlen Rittern um Fräulein und Fleischtöpfe im Lande oder mit fremden Staaten und Ritterhorden außerhalb der Landesgrenzen – dienen immer all zuvorderst den Herrschenden. (Für die Beherrschten fällt freilich hier und da ein Groschen oder ein Stück Büchsenblech mit Stoff ab, als Belohnung für’s Raub-und-Mord-Durchführen oder als Entschädigung für die geschundenen Knochen. Für die meisten ist dieser Henkerslohn gleichwohl genug.)

      Und wenn nun ein siegreicher Staat dem niedergerungenen Feind „Schuld“ zuschreibt, dann dient das eben auch nur der so ostentativen wie janusköpfigen Legitimierung und Verschleierung von Interessen und Sachverhalten. Man verschleiert nach innen wie nach außen, dass alle Staaten inhärent gewalttätig und ins Kriegswesen verstrickt sind und es „gerechte“ Kriege zwischen ihnen nicht gibt. Und legitimiert über dieses moralische Konstrukt nach innen wie nach außen zudem die Opfer, Kosten, Kontrolle, Reparationen etc., deren Folge all zuvorderst die Arbeiter zu tragen haben. (Nach innen kommt obendrein noch die bewusste Pflege von Feindbildern hinzu, sodass man zu einem späteren Zeitpunkt das ganze wieder von vorn starten kann.)

      Ergo: „Schuld“ ist ein Werkzeug der Machtausübung und dient der Unterdrückung. Ob auf inner- oder interstaatlicher Ebene.

      II. Verantwortung

      Die Kritik am Schuld-Konstrukt sollte freilich nicht dazu führen, dass man Fragen der Kausalitätsklärung oder Verantwortung mit über Bord wirft. Das macht die nationalchauvinistische deutsche Rechte gern, die mittels Sabbel wie „Schuldstolz“ oder „Schuldkult“ ihrerseits mit Moralin hantiert, um ihre heilige deutsche Nation blütenweiß und gülden zu halten. Dem sollte keiner auf den Leim gehen. Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen dem staatlich- / herrschaftlich-konstruierten 🧙‍♂️☕ „Schuld“ und Vorstellungen von Verantwortung, bei denen es um die Analyse der strukturellen Beiträge einer bestimmten Konfliktpartei zu einer konkreten Ereignisauslösung beziehungsweise den daraus resultierenden Schäden, Opfern und Folgen geht.

      Dass das Deutsche Reich die maßgebliche Verantwortung für die Auslösung des Zweiten Weltkriegs und den Deutsch-Sowjetischen Krieg trägt und der deutsche Militarismus, Imperialismus und Rassismus dem ganzen zugrunde liegen, sollte beispielsweise klar sein und hat nichts mit „Schuldkult“ zu tun. Wie bitte? Der Russe war auch damals schon schuld? Ja, okay, dann sollte das zumindest außerhalb der deutschen Rechten, ihren baltischen Speichelleckern und des rechtsversifften Parlaments der Deutch-EU hier allen klar sein.

      Aus dieser Verantwortung lässt sich aber freilich keine „deutsche Kollektivschuld“ ableiten. Das wäre zum einen höchst undifferenziert, da es all die system-antagonistischen deutschen Arbeiter, Kommunisten, Juden, Sinti, Deserteure… und sonstigen Widerständler ja in Mithaftung nähme und mit aburteilte. Und das würden nichts anderes bedeuten, als dass hier Opfer doppeltbestraft würden. Und zum anderen wäre es wie gezeigt moralischer Sabbel, mit dem ganz entscheidend von Fragen abgelenkt würde wie: Wann, wo, warum werden Faschismus / Imperialismus und Co. eigentlich möglich / gebraucht / vorangetrieben? Und für wen beziehungsweise von wem? Kurzum: Mit dem „Der Deutsche ist schuld“ macht man sich einen verdammt schlanken Fuß, wenn man das ganze nicht noch biologistisch verbrämt („Der Deutsche war schon immer so.“) und umgeht geschickt Gretchens Systemfrage(n). Und letztlich ist dieses Moralisieren dann eben nur die Legitimation neuer Gewalt oder das Reinwaschen von eigener Mitverantwortung. Oder der Verschleierung von Interessen (warum standen eigentlich die Ford-Werke in Köln anno 1945 noch während die (Zwangs-)Arbeiterbaracken ausgebombt waren? Na, damit ab Mai wieder LKWs rollen konnten!).

      Freiheitliche Geister begnügen sich nicht mit kurzen Antworten, sondern ziehen differenzierte Tiefenanalysen vor:

      1️⃣ Da hat man zunächst die individuelle Verantwortungsebene (Hitler, Himmler und Co. bzw. Bethmann, Stumm, Jagow, der Kaiser, Moltke, Zimmermann 1914) und deren zugehörige Handlungen. (Bei Karl Jaspers, der an Staat und Gesetz glaubt, ist das die „kriminelle Schuld“.)

      2️⃣ Dann die institutionelle, ergo die Strukturen (Wirtschaft, Wehrmacht…), die das individuelle Handeln ermöglichten.

      3️⃣ Drittens die gesellschaftliche (Blockwarte, Mitläufer…), ohne welche sowohl die Individuen an der Spitze wie deren Institutionen blöd dastünden wie fuffzig Meter Feldweg bei Kassel. Die ist sehr wichtig und ihre Rolle illustriere ich immer mit einem Zitat von Olga Misař – so natürlich auch heute:

      Das Volk selbst ist ja der Faktor, der die Kriege wirklich führt, und daher hat es auch die Macht in der Hand, diesen Dienst zu verweigern. Die Diplomaten können nur Kriege beschließen, die militärischen Machthaber können Marschbefehle erteilen – wenn aber das Volk den Gehorsam versagt so wird nicht gekämpft und die Diplomaten hätten höchstens die Möglichkeit, ihre Kriege untereinander auszukämpfen.

      Politisch-gesellschaftlich mitverantwortlich ist, wer mitmacht. Ob er Ungeimpfte bespuckt und ausgrenzt oder seine kommunistischen Nachbarn verrät. Oder wenn er eben mitschießt.

      4️⃣ Und dann gibt es last but not least das normopathische kapitalistisch-imperialistische System als solches, in das Entscheider, Institutionen / Staat und Gesellschaft nun mal eingebettet sind und in dem Faschismus unter bestimmten Voraussetzungen auftreten oder von bestimmten Kräften in Stellung gebracht werden kann – freilich keineswegs zwangsläufig und auch nicht nur in Deutschland oder Italien, sondern auch andernorts (Lektüretipp: Wippermann, Wolfang (2012): Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus, Berlin: Rotbuch). Das ist dann die systemische Verantwortung.

      Kurzum: Hört auf zu fragen, wer „schuld“ sei und schaut lieber, wer warum wann… wie konkret handelte und den Kladderadatsch begünstigen / vorantreiben half. Und fragt wie man die Scheiße beheben kann ohne, dass „wir“ am Ende wieder mit neuen Machtverhältnissen und neuer Gewalt dastehen.

      Und das ganze zur Scheidung, weil in diesem Buchauszug „Schuld“ und „Verantwortung“ so durcheinandergehen wie Kraut und Rüben. Oder treffender: wie alte Autoreifen und Parkbänke.

      Dann mal zu Ponsonbys Text selbst:

      (Mr. Lloyd George, 23. Dezember 1920)

      Mal ein paar sachdienliche Hinweise. Lloyd George – der fast die ganze Julikrise mit ebenselbiger nicht betraut und auch nicht sonderlich über sie informiert war, da das handling, wie bei vorangegangen Krisen, in den Händen von Außenminister Grey lag – ist natürlich seit 105 Jahren ein beliebter Stichwortgeber für die deutschen Verantwortungsleugner und nationalchauvinistischen Revanchisten. Der werte Herr war damals Finanzminister – und spielte – im Gegensatz etwa zu seinem habsburgischen Pendant Leon von Biliński – auch keine zentrale Rolle bei der Entscheidungsfindung. Dafür verblieb er dann aber – im Gegensatz zu ein paar anderen, die sich nicht nur temporär gegen den britischen Kriegseintritt positionierten – an Bord, bekam Pöstchen und Meriten und durfte später Sabbel wie „aus Dummheit hineingerutscht“ von sich geben. (Danke @ Besdomny, dass Sie es mir abnahmen diese Fischer-Passage abzutippen).

      Diese Auffassung wurde praktisch übernommen, und der Juristenausschuss schlug bei seiner Konsultation vor, den Begriff »Aggression« zu streichen.

      Das ist dann die historische Illustration der Worte Travens. Was heute „Gesetz“ oder Bestandteil eines Gesetzes oder Vertrages ist, kann morgen schon… Pfeifenwichs sein.

      In der Präambel der Verträge von Locarno, die 1925 zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien geschlossen wurden, findet sich nicht der kleinste Hinweis auf diese Anschuldigung

      Dass die kapitalistischen Locarno-Mächte damit de facto ein westeuropäisches Sicherheitsbündnis zu bilden suchten und das gerade in Abgrenzung zur und unter Eindruck von der „roten Gefahr“ namens UdSSR, hat damit natürlich nichts zu tun. Sachdienliche Hinweise von Westipedia:

      Die Sowjetunion fürchtete eine Festlegung Deutschlands auf einen antisowjetischen westlichen Block, versuchte Deutschland vom Abschluss des „Westpaktes“ und dem Eintritt in den Völkerbund abzuhalten, drohte mit der Anerkennung der polnischen Grenzen, mit einem Nichtangriffspakt mit Polen und versuchte gleichzeitig, mit Frankreich und Deutschland zu einer Verständigung zu kommen. Stresemann kam den Befürchtungen der Sowjets entgegen. Im April 1926 wurde ein deutsch-russischer Freundschafts- und Neutralitätsvertrag zwischen der Sowjetunion und Deutschland unterzeichnet.

      Wenn’s gegen die Russen geht, ist für Wortklaubereien einfach weder Zeit noch Platz da. 🤷‍♂️

    2. Teil II:

      Das hier ist nicht der Ort, um die Frage der Verantwortung zu diskutieren

      Doch genau das ist hier der Ort, um diese Frage zu diskutieren. Ich kann da nur auf meinen Link aus Teil I verweisen. Da ich mir das Wiederkäuen spare, will ich ansonsten lieber noch ein wichtiges, oft übersehenes, Ereignis teilen. Aber das in Teil III. Zunächst das hier:

      Die Deutschen und die Österreicher waren nicht ohne guten Grund damit beschäftigt, Russland zu beschuldigen.

      Und welcher soll das sein? Das verrät Ponsonbys Auszug leider nicht. Ich habe auch sonst nie einen validen Punkt von den Rechten hierzu gehört außer „Der Russe machte zuerst mobil“ oder irgendwelche zusammengeschusterten Argumentationen von McMeekin und Co. Lesen „wir“ dazu doch einfach etwas Dominic Lievens Towards the Flame (S. 337 f. bzw. 340):

      In German propaganda and sometimes in the works of historians, the fact that Russia was first to authorize general mobilization is used as an argument for pinning responsibility on Petersburg for the outbreak of war. At the time this was an important means for the German government to disclaim responsibility before its own people and particularly before German socialists. In so doing, it could play on the revulsion of left-wing elements in the country for the tsarist regime and on an older and deeper current of fear in German culture about the threat of Russia’s barbarian hordes. Subsequently, blaming Russia was a useful element in German rejection of the war guilt clauses of the Treaty of Versailles.

      In my opinion, there is a little truth in the accusation but not much. By July 30 and 31, the only way to avoid war would have been for Chancellor Bethmann Hollweg to force the Austrians to accept the British proposal for meditation. Given the mood in Vienna, this could have been achieved only by a direct, sustained, and credible threat by the chancellor to abandon Austria should it ignore German advice. In reality, German pressure on Austria during these two days never amounted to this. The impact of Bethmann Hollweg’s advice to the Austrians was also being undermined both by the German ambassador in Vienna, Tschirschky, and by Moltke’s plea to the Austrian leadership to ignore the chancellor and plunge ahead into war.

      (…)

      In 1913-14, fear of Russia and claims of an inevitable war between Slav and Teuton were spreading widely in Germany. It bears remembering that before the Balkan Wars turned German eyes eastward, paranoia had focused on England’s strategy of encirclement (…). In March 1914, the German ambassador in Petersburg, Court Pourtalès, wrote that no one in power in Russia either currently desired war with Germany or was likely in any foreseeable future to want a war or to adopt policies designed to bring it about. The simple truth was that the conflicts between empires and nationalisms in east-central Europe were much harder to resolve than Anglo-German commercial and naval competition. But German paranoia was to a significant extent generated from within

      Deutsche Russenparanoia, gerade bei sogenannten „Linken“, deutsche Verantwortliche, die alles tun, um die finsteren Horden aus dem Osten zu beschuldigen – woher kommt mir das nur so bekannt vor? Na, von Kalle Liebknecht!

      Die Parole „Gegen den Zarismus“ diente nur dem Zweck, die edelsten Instinkte des deutschen Volkes für den Kriegszweck, für den Völkerhass zu mobilisieren, nicht aber einem Befreiungsfeldzug für das russische Volk oder die Fremdvölker Russlands. Deutsches Kapital hat Russlands Rüstungen auf ihre jetzige Höhe gebracht. Deutschland hat die äußere Politik Russlands in wichtigsten Momenten unterstützt; noch 1910 lieferte die Potsdamer Entrevue Persien, auf dessen Erhebung die deutschen Staatsmänner heute sehnsuchtsvoll harren, an Russland und England auf Halbpart aus. Kein Staat der Welt hat das zarische Schreckensregiment gegen das geknechtete russische Volk so gestützt wie Deutschland. Deutschland ist der Mitschuldige des Zarismus bis zum heutigen Tage. Die deutsche Regierung stand bereit selbst zur militärischen Hilfe für den Blutzaren gegen die große russische Revolution. Deutschland, in dem die Masse des Volkes wirtschaftlich ausgebeutet, politisch unterdrückt, rechtlos ist, wo fremde Nationalitäten durch Ausnahmegesetze drangsaliert werden, hat keinen Beruf zum Völkerbefreier. Die Befreiung des russischen Volkes muss dessen eigene Sache sein; die Befreierrolle Deutschlands wird von ihm voll Misstrauen abgelehnt.

      In der inneren Politik wurde sofort nach Kriegsausbruch unter Verhängung des Belagerungszustandes mit den äußersten Mitteln der Unterdrückung vorgegangen. Scheinbare Erleichterungen, die man der Arbeiterbewegung zuteil werden ließ, sind nur die Kehrseite ihrer Wehrlosmachung und verfolgen den Zweck, sie in den Dienst des Militarismus zu stellen. Die Parteien wurden für aufgehoben erklärt – die politische Unterdrückung, Wahlunrecht und Ausnahmegesetz blieben bestehen, nicht einmal die Schande des preußischen Dreiklassenwahlrechts ist ausgetilgt. Vom Klassenkampf zu sprechen wurde verboten – die Klassengegensätze blieben bestehen. Der Befreiungskampf des Proletariats wurde entwaffnet – an der politischen Unterdrückung und wirtschaftlichen Ausbeutung wurde nichts geändert. Der höchst einseitige Burgfriede, den man verkündete, ist nichts als eine stilistische Umschreibung der Worte Belagerungszustand und politische Kirchhofsruhe. Das Postulat „Es gibt keine Parteien mehr!“ bedeutet nur: Anerkennung des Proletariats als gleichberechtigtes Kanonenfutter. Was können wir von denen erwarten, die nicht einmal in diesen Tagen sich auf ihre politische und soziale Pflicht gegenüber der Masse des Volkes besonnen haben?

      Quelle: Karl Liebknecht: Zur Begründung eines Minderheitsvotums gegen die Kriegskredite, in: Gesammelte Reden und Schriften, Band 8, S. 160–172 (hier: Auszüge)

      Und selbstverständlich kennt man die Paranoia aus den Leidmedien, Staatskanälen und angeschlossenen Rundfunkhäusern von heute. Der Goldauto-Mythos von anno 1914 ist die Drohnensichterei von 2025…

      Aber die Streitigkeiten und Verwicklungen sowie die beklagenswerte Unfähigkeit der Diplomatie in den letzten Wochen auf allen Seiten waren ebenso wenig die Ursache des Krieges wie die Ermordung des Erzherzogs

      Die Ursache waren sie in der Tat nicht. Die liegen unter anderem in der systemischen Verfasstheit – damals wie heute – und können unter anderem in Schlagwörtern wie „Militarismus“, „Imperialismus“ und „Paranoia“ (Großgruppenemotionen) gefunden werden.

      Aber Auslöser waren sie. Das ohne weiteres. Und auch das sollte man benennen und ausdifferenzieren.

      Die Ursachen waren weitreichend und tiefgreifend und es ist zweifelhaft, ob selbst zukünftige Historiker in der Lage sein werden, die Schuld zwischen den beteiligten Mächten mit einer gewissen Genauigkeit zuzuordnen.

      Ja, wenn die irgendwelchen Schuldsabbel zuordnen wollen, dann schminken die sich das besser gleich ab. Seelentröster wie Clark, Münkler und Co. unternehmen freilich genau diese Schuldumverteilung und – wie ich das in meinen Ausführungen im Juni unter Verweis auf verschiedene Quellen zu illustrieren suchte – gerade mit Rückendeckung der heutigen Bundesregierungen und der hinter ihr stehenden Kapital- und sonstigen Fraktionen. Ich zitiere nochmals die entsprechende Passage aus dem Wette, den ich im Juni bereits zitierte:

      [In Clarks Werk] geht es, ohne dass es direkt ausgesprochen würde, um eine groß angelegte Entlastung der Deutschen. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gab die Rezeptionsrichtung vor, indem es das Clark-Buch unter der Überschrift präsentierte: „Schlafwandelnd in die Schlacht: Die Deutschen trugen Schuld am Ersten Weltkrieg – aber nicht mehr als andere“. Hernach wurde das Werk in den Feuilletons fast aller großen Tages- und Wochenzeitungen positiv besprochen, mitunter sogar euphorisch gelobt. Die Wirkung sollte nicht ausbleiben: Wie eine Forsa-Umfrage im Januar 2014 ergab, teilten inzwischen 58 Prozent der Deutschen die Ansicht, dass Deutschland nicht mehr als andere Länder Schuld trage an der Auslösung des Ersten Weltkriegs. Nur noch 19 Prozent sahen eine „Hauptverantwortung“ bei der Reichsregierung. Die revisionistische Welle rollte an.

      Zum Meinungswandel mochte auch das Buch des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler beigetragen haben, der hinsichtlich der deutschen Kriegsschuld ähnliche Ansichten wie Clark vertritt. Er bestreitet demonstrativ „die deutsche Alleinschuld am Ersten Weltkrieg“, ohne zu bemerken, dass diese niemand behauptet hat, schon gar nicht (…) Fritz Fischer, der von den deutschen Konservativen stets bekämpft wurde. Diesem warf Münkler zudem die unwürdige, ja entehrende Bewertung nach, seine Methodik „würde heute in einem Proseminar mehr akzeptiert“.

      Quelle: Wette, Wolfram (2017): Ernstfall Frieden. Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914, S. 145 f.

      „Die Deutschen sind verweichlicht! Der Schuldkult wirkt!“ Und sonstiger rechter Schmu, kann damit getrost in der Pfeife geraucht werden. Das Gros der Leute geht den revanchistischen Seelentröstern auf den Leim – klar, wenn man innerlich verroht und entseelt ist, kein Selbst mehr hat, dann braucht es was, an das man sich klammern kann. Und das ist dann gerne mal die heilige Nation. Die man natürlich blütenrein halten muss, denn wo käme denn hin, wenn sich die Geschichte der Nation statt in „zwölf dunkler Jahre auf 1000 Jahre geiles Reich“ plötzlich in 154 Jahre Mordbrennerei, Vergewaltigung und Raubkrieg(sbeteiligungen) seit Gründung des Zweiten Reichs materialisierten? Nicht, dass noch jemand das System hinterfragt.

      Ansonsten fragt man sich natürlich wie viele dieser 58 Prozent Umfrageteilnehmer überhaupt die Literatur zur Julikrise kennen, um sich eine halbwegs fundierte Meinung zu bilden. Teile der Antwort könnten vermutlich die Bevölkerung verunsichern. 🤷‍♂️

      Freilich: Wenn man die Schuld von damals endlich (wieder) auf den Russen von damals abwälzen kann, dann kann man ja umso befreiter gegen die Russen von heute aufrüsten. Und es funktioniert, wie obige Passage unterstreicht. Oder auch dieser aktuelle Hinweis von German Foreign Policy:

      So sprechen sich bloß sieben Prozent aller 45- bis 54-Jährigen und elf Prozent aller Deutschen im Alter von 65 Jahren oder mehr für eine deutsche Bombe aus. Zugleich sind allerdings 54 Prozent aller 18- bis 24-Jährigen dafür, Deutschland solle sich atomar bewaffnen. Das zeigt, dass ein Schwenk in der öffentlichen Meinung auch in Fragen der nuklearen Aufrüstung durchaus möglich ist.

      So ist es. Schwenks sind möglich, zumal öffentliche Meinung nun einmal gemacht wird. Mit genügend Propaganda lässt sich einfach alles verkaufen. Lassen sich Leute sogar für eine Wurst „impfen“. Und gerade die jungen Quexe – nicht nur die AfDer-Jugend, sondern auch die Olivgrünen und die transatlantische JU beziehungsweise die JU S.O.S.-Kiddies – kann man natürlich für nukes begeistern. Gegen Russen allemal. Da ist ein ganz rechtes Gebräu seit den geistig-moralischen Wenden von 1982 und 1989 ff. herangewachsen, das „Stärke, Härte, Sieg“ lebt und „Harter Hand, fester Schlag“-Slogans den Vorzug vor so verweiblichten wie verweichlichten Friedensschwurblern gibt.

      Und hier wundern sich Autoren, dass sich „die Jugend“ nicht für Friedensdemos begeistern lasse. Warum auch, wenn man im Panzer fahren und das Rittergut im Osten erringen kann, das Opa noch verwehrt worden ist?

      Niemand kann leugnen, dass die durch die Rüstungswettläufe erzeugte Geisteshaltung den Boden bereitete, auf dem die schreckliche Pflanze wuchs, die schließlich im Krieg Früchte trug.

      Hat sich bei diesen Rüstungswettläufen eigentlich jemand besonders hervorgetan? Rufen wir nochmals hinzu, den Abgeordneten Dr. Liebknecht:

      Die unter dem Vortritt Deutschlands vollzogene militaristische Entwicklung Europas, in der die Mächte einander zu überflügeln suchten, hatte einen Grad erreicht, der einer Steigerung nicht mehr fähig schien. Zur Durchsetzung der immer gewaltigeren Rüstungsvorlagen wurde der Völkerhass systematisch genährt. Die ins Ungemessene gestiegenen Heereslasten mussten auch in Deutschland schließlich teilweise den besitzenden Klassen auferlegt werden, die dadurch in zunehmende Unruhe gerieten. Jede Anregung zur Verständigung über eine internationale Rüstungseinschränkung wurde vor allem von dem vorantreibenden deutschen Imperialismus abgelehnt.

      Eine verhängnisvolle Rolle bei der Zuspitzung der Konflikte spielte das international versippte Rüstungskapital, das im Zeichen des bewaffneten Friedens glänzend gediehen war, das bei einem Krieg ohne Rücksicht auf den Ausgang goldene Ernte erwarten durfte und dessen deutsche Hauptunternehmungen zudem in Belgien und Französisch-Lothringen lebhaft interessiert sind.

      Der Militarismus erzeugte aus sich selbst noch andere mächtige Kriegsinteressenten: eine Offizierskamarilla, die besonders in Deutschland ungeniert auf einen kriegerischen Konflikt hinarbeitete und selbstherrlich ihre Nebenregierung etablierte.

      Die innerpolitischen Zustände hatten infolge der Zuspitzung der nationalen und vor allem der Klassengegensätze für die herrschenden Klassen ein bedenkliches Gesicht gewonnen. In Deutschland entlockte ihnen das rapide Wachstum der Sozialdemokratie, die ihren politischen und wirtschaftlichen Besitzstand bedrohte, bereits vor fast einem halben Jahrzehnt den Ruf nach einem Kriege als dem einzigen Mittel zur Vernichtung der Arbeiterbewegung.

      Die kapitalistischen und militaristischen Kriegsinteressenten, deren Ziele sich freilich keineswegs decken, bildeten in Deutschland eine von Jahr zu Jahr mehr hervortretende Kriegspartei unter dem Protektorat des deutschen Kronprinzen, der sie wiederholt in unverhohlener Fronde gegen die offiziellen Vertreter des Deutschen Reiches demonstrativ anfeuerte.

      Diesen Treibereien, für die es auch in den übrigen Staaten Gegenstücke gibt, wurde in Deutschland Vorschub geleistet durch halbabsolutistische Verfassungszustände, die die Entscheidung über Krieg und Frieden dem Einfluss der breiten Masse entzogen und in der auswärtigen Politik ein durch keine Kontrolle des Volkes begrenztes, um so mehr aber den Einwirkungen der herrschenden Klassen unterworfenes persönliches Regiment ermöglichten.

      Die Geheimdiplomatie, die Politik der Geheimverträge, bedrohte seit langem den Frieden.

      So zweifellos auch breite Kreise der nichtproletarischen Bevölkerung ein starkes und steigendes Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens besaßen, ihr Hass gegen das Proletariat, ihre Angst vor ihm lähmte ihren Widerstand gegen das persönliche Regiment und warf sie stets aufs neue dem Militarismus in die Arme, in dem sie ihren zuverlässigen Schutzherrn im Klassenkampf gegen die anschwellende revolutionäre Flut anbeteten.

      Quelle: hier

      Ja, es sind einfach alle irgendwie „reingeschlittert“…

      Liebknecht war übrigens bereits Anfang September 1914 in Belgien (als „Verwandtenbesuch“ o.Ä. deklariert) und konnte sich dort ein Bild von der Arbeit der sauberen deutschen Soldateska machen, insbesondere in Leuven (Löwen).

    3. Teil III:

      Ansonsten noch weitere lesenswerte Passagen, zunächst vom Liebknecht:

      Nicht die Opposition, nicht der Klassenkampf kräftigt danach letzten Endes und auf die Dauer den Kriegswillen, den Willen zum „Durchhalten“, sondern die „Mehrheits“politik. Kriegswille diesseits der Grenzen entzündet Kriegswillen jenseits der Grenzen in verhängnisvoller Wechselwirkung. Opposition, Klassenkampf diesseits der Grenzen entfacht Opposition, Klassenkampf jenseits der Grenzen – in heilsamer Wechselwirkung. Es liegt ein internationaler Prozess vor, dessen Naturgesetzlichkeit zu begreifen nur allzu viel Sozialisten in der heutigen Zeit verlernt haben. Jeder Versuch einer Orientierung der Taktik aus bloßen nationalen Gesichtspunkten führt unvermeidlich in einen verhängnisvollen Zirkel, in den Zirkel des Imperialismus und der politischen Abdankung des Proletariats.

      Das sind die berechtigten Perspektiven der gerühmten Politik des „Durchhaltens“. Und diese Perspektiven sind wahrlich hoffnungslos genug für das deutsche und das ganze internationale Proletariat. Die David und Genossen verkünden das gute Recht der Franzosen und Engländer und Russen auf eine gleiche Politik des Durchhaltens, wie sie ihr in Deutschland das Wort reden; nicht nur das Recht, nein: die Pflicht zu dieser Politik. Sie wollen sich so selbst decken; sie schalten damit das Proletariat als politischen Faktor aus; sie schüren damit in Wahrheit den Krieg bis zum Weißbluten.

      Vom Frieden reden, den Friedenswillen bekunden, den Frieden fordern heißt Schwäche zeigen und die Feinde zur Anspannung aller Kräfte anspornen, so lehrt die Politik David-Heine-Scheidemann. Das heißt den internationalen Charakter des Sozialismus begraben. Wenn die Sozialdemokratie eines Landes sozialistisch redet und handelt, wenn sie als Klassenkampfopposition auftritt, kann sie, ja muss sie international reden und handeln; kann sie, ja muss sie im Namen nicht nur des eigenen, sondern aller, auch der „feindlichen“ Länder auftreten. Wenn sie in einem Lande gegen den Krieg kämpft, kämpft sie zugleich in allen anderen kapitalistischen Ländern für den Frieden, denn ihr Beispiel ist der stärkste Hebel zur Entfaltung einer gleichen Klassenkampfbewegung gegen den Krieg auch in den anderen Ländern. Nie kann die Bekundung des Friedenswillens, des Willens zum Klassenkampf durch die Sozialdemokratie irgendeines Landes etwas anderes erzeugen als sozialistische Prinzipientreue und Kampfes- und Opferbereitschaft.

      (…)

      Der Tendenz nach bleibt aber Krieg und Frieden ein kapitalistisches Geschäft, das heißt, wesentlich kapitalistisch-geschäftliche Erwägungen über die höchste Profitmöglichkeit entscheiden jeweils darüber, ob von den herrschenden Klassen der eine oder der andere der gesellschaftlichen Aggregatzustände als der zweckmäßigere gewählt wird. Natürlich sind die kapitalistischen Interessen auch in jedem einzelnen Land nichts Homogenes, sondern ein Komplex mannigfaltiger, auch miteinander in Widerstreit stehender Tendenzen einzelner ökonomischer Gruppen; so dass schon hier in demselben Lande Vorteil und Nachteil höchst ungleich verteilt sein kann, ja verteilt zu sein pflegt. Es kommt bei der kapitalistischen Entscheidung über Krieg und Frieden in dieser Beziehung schließlich darauf an, welche Interessentenfraktion die Staatsgewalt am meisten beherrscht, die Staatsmaschinerie am ehesten für sich arbeiten lassen kann, wobei natürlich immer noch gründlichstes Verrechnen möglich ist.

      Neben dem rein wirtschaftlichen Geschäft steht noch das politische Geschäft, das natürlich in seiner Wurzel im Wesentlichen auch wirtschaftlich ist.

      Wenn das „Volksblatt für Anhalt“ zur Widerlegung meiner These auf die furchtbaren Opfer hinweist, die der Krieg auch den besitzenden Klassen abfordert, so freut uns dieses Bekenntnis der Dessauer Weisheit, die sich einst als ein legitimes Kind des Sozialismus gebärdete und nun ihre illegitime Abstammung aus Schulze-Delitzschs Jupiterhaupt so energisch bekennt. Die herrschenden Klassen haben sich ihre Herrschaft schließlich stets etwas kosten lassen, wenn auch nie so viel wie die Massen sich ihre Knechtschaft; und Blut, selbst ihr eigenes Blut, war der Bourgeoisie schon öfter minder wert als Gut, als kapitalistisches Gut, das Allerheiligste des Kapitalismus. Mit naiver Deutlichkeit verrät Ballin, Generalgewaltiger der Hapag, seine Grundauffassung vom Kriege in jenem Brief an den Bund „Neues Vaterland“: „Solange die Erträgnisse nicht abzuschätzen sind, halte ich es für ein aussichtsloses und schädliches Beginnen, die Friedensdividenden festsetzen zu wollen.“

      (…)

      Dass die kapitalistischen Interessen nicht homogen sind und es auf die jeweilige „Interessentenfraktion [ankommt, die] die Staatsgewalt am meisten beherrscht“ haben freilich die meisten bis heute nicht begriffen. Für die sind Staaten „like units“ – da gibt es nur „Paris“, „NATO“, oder „die“ USA. Da kann man dann sich im Nationalen ergehen, dass „der“ Ami „uns“ die Nord Streams kaputt gemacht habe – dass es hier Interessengruppen gibt, die das mittrugen, mitvorantrieben, wahrscheinlich auch mithalfen? Ach, egal. Oder dass „Deutschland“ in der Ukraine eigene Interessen haben könnte und in Konkurrenz zu anderen (inländischen wie ausländischen) Kapital- und sonstigen Gruppen steht? Undenkbar!

      Zum Abschluss (man könnte und müsste freilich noch mehr am Text Ponsonbys auseinandernehmen):

      Die oben angeführten Zitate reichen aus, um zu zeigen, dass die Alleinschuld des Feindes ebenfalls ein Mythos aus Kriegszeiten ist.

      Ja, Alleinschuld ist freilich allein deshalb ein Mythos, weil Moral schon ein Konstrukt ist. Das Problem ist, dass das Schuldkonstrukt ein sehr lebendiges und wirksames ist und die Mythenmoral sichtbare Konsequenzen zeitigt – ob bei Krieg oder anderen Themen.

      Die Hauptverantwortung kann man freilich ohne Weiteres auch 1914 in Berlin (und Wien) ansiedeln, wie ich im Juni dargelegt habe.

      Und Berlin war früh gewarnt, welchen Weg London im Falle des Großkrieges einschlagen könnte. Ein wichtiges Datum hierfür findet sich bereits Anfang Juli 1914. Die folgenden Passagen hierzu entnehme ich T.G. Otte (2014): July Crisis. The World’s Descent Into War, Summer 1914, Cambridge UP, S. 142–149 (Auszüge):

      Sir Edward Grey issues an early warning

      One of the few to have realized the gravity of the situation, almost from the moment the first news of the assassination reached London, was the Foreign Secretary. Sir Edward Goschen, the ambassador at Berlin, then on home leave, found the Foreign Secretary ‘rather nervous as regards Austria & Servia’. (…) His handling of the Sarajevo crisis, however, has attracted a great deal of criticism, much of it quite unjustified. In part, the criticism may reflect Grey’s personality.

      Grey represented the Whiggish element in the party, once its dominant force socially and politically, but now much diminished. He also stood for continuity in foreign policy. (…) These attributes also characterized Grey’s foreign secretaryship. He proved a skilled and flexible diplomat, yet with a clear appreciation of British interests. Above all, he had kept a ‘free hand’, neither committing Britain to France, let alone Russia, nor compromising her with Germany.

      According to his critics, Grey failed to react swiftly to the unfolding events in the summer of 1914. More significantly, it is claimed that he did not issue a clear and timely warning to Berlin. There is little new in that latter assertion. It first emerged a few days into the war in opposition circles. It was then given a wider airing in Lloyd George’s wartime memoirs – mendacious even by the low standard of that genre in general and of their author in particular – and it has never gone away since. And yet it is problematic. The extant evidence and the context of events suggest a different interpretation. Grey’s conversations with the German and Russian ambassadors on 6 and 8 July are crucial here.

      [The German ambassador, Prince Karl Max Lichnowsky, an Anglophile] had established a personal rapport with Grey, and he was in the habit of talking freely with the Foreign Secretary. Their meeting of 6 July was no exception. (…) The import of Lichnowsky’s candid explanation was clear: Britain and Germany had to cooperate to ensure the peaceful outcome of the crisis. Grey reciprocated these sentiments. (…) Grey, the ambassador observed, was alert to the danger of European complications arising out of any Austro-Hungarian move against Serbia. But he also appeared to appreciate the difficulty for the Habsburg leadership ‘permanently to refrain from all energetic measures’, and promised ‘to remain in touch with us also about this question’. Grey returned to this point at the end of the interview, and emphasized that the wished ‘to bring the two groups [of the powers] closer together so as to prevent European complications and to facilitate an understanding about all emerging questions’.

      Two days later, on 8 July, Grey made similar observations to Benckendorff, the Russian ambassador, who was also Luchnowsky’s first cousin. (…) It was imperative, Grey urged Benckendorff, that the Russian government ‘should do all in their power to reassure Germany, and convince her that no coup was being prepared against her’.

      (…)

      This consideration was important to Grey. He well understood that recent developments had shifted the military balance in Europe to Germany’s disadvantage. (…) Even before meeting Benckendorff, Grey had impressed upon Paul Cambon, the French ambassador, that in the event of an Austro-Serb crisis, Britain and France ‘must do all we could to encourage patience in St Petersburg.’

      (…)

      On 9 July, Grey asked Lichnowsky to call on him at the Foreign Office for a private and confidential conversation. The ambassador’s gloomy account three days earlier of the apprehensive mood prevailing at the Wilhelmstrasse had made some impressions on Grey. He returned to the subject of the alleged naval talks with Russia. He hinted that France and Russia wished for such talks to proceed, but underlined that ‘the hands of the [British] Government were quite free’. Britain would not enter any agreement against Germany, nor had there ever been ‘anything in the nature of preparing an attack on Germany’. (…) Grey then informed Lichnowsky of his conversation with Benckendorff. He also suggested that, ‘if Austrian action with regard to Servia kept within certain bonds, it would of course be comparatively easy to encourage patience at St Petersburg’. He himself – according to Lichnowsky – was prepared to encourage the authorities there to adopt ‘a calm stance and a conciliatory attitude’. If, however, Vienna overstepped the mark, pan-Slav sentiments would force St Petersburg’s hand so ‘that they must send an ultimatum or something of that sort’. For his part, Grey would continue the policy he had pursued during the previous Balkan crises, ‘and do my utmost to prevent the outbreak of war between the Great Powers… (…)’.

      Grey, then, appreciated the potential risks of the post-Sarajevo situation in the Balkans, and this he clearly signaled to Berlin, Paris and St Petersburg. He had also given a strong indication that, in the event of an escalation of the crisis, Britain could not be ignored. His suggestion to Benckendorff that it was incumbent upon Russia to allay German fears of Russian designs upon the wo Central Powers was sensible enough; and so was his appeal to Paris for joint efforts to moderate any Russian response in the event of an Austro-Serb stand-off. Equally, his offer to Lichnowsky of some form of Anglo-German crisis management was good practical politics.

      (…)

      It is true that Grey had not issued an explicit warning to Berlin. But, then, this was neither necessary nor desirable at this stage. It is important to judge Grey’s diplomacy against previous crises, for they had established the framework within which he operated. Key to understanding his calculations throughout the July crisis was the palpable improvement in Anglo-German relations during the course of the previous year or so.

      Das „perfide Albion“ hatte bereits Anfang Juli 1914 kommuniziert, dass es bei einem Großkrieg nicht beiseite stehen könne. Sein Außenminister war früh besorgt und im Bild. Es kommunizierte seine Position allen anderen Mächten. Und es ging ihm immer nur um die ominöse „Balance of power“ und inwiefern welches Kriegsauskommen bei britischem Fernbleiben britischen Interessen schädlicher wäre. War wahrscheinlicher, dass Deutschland mit seinen Dreibundpartnern Frankreich als Großmacht ausschaltete und auch Russland in Stücke hackte? Ergo – den Kontinent dominieren und sich dann gegen das neutral gebliebene England wenden würde? Oder musste man annehmen, dass das franko-russische Bündnis die Mittelmächte zerschlug und dann einen mächtigen Kontinentalrivalen für London bilden würde? Man ging von ersterem aus, denn die Waagschale begann sich zwar gegen den Dreibund zu neigen, aber noch waren dessen Mitglieder nicht das kleinere Übel.

      Man hätte es in Berlin also wissen können, aber zum einen hatte Lichnowsky kein besonderes Gewicht geschweige denn fand er sonderlich Gehör. Und zum anderen setzten Bethmann Hollweg und Co. – denen man gut gerne individuelle Verantwortung für die Kriegsauslösung attribuieren kann –darauf, dass sie die Sozialdemokratie mittels des Schreckgespensts Russland ins Boot bekämen (was klappten) und dass die jüngere Entspannungsphase mit London tragfähig genug wäre, um das Vereinigte Königreich aus dem Krieg heraushalten zu können (was nicht klappte).

      Aber groß gekümmert hat die Entscheidung Londons sie dann letztlich auch nicht. Zitat Falkenhayn (31.07.1914):

      Selbst wenn wir darüber zugrunde gehen, schön war’s doch!

      Ansonsten nochmals Liebknecht:

      Es bleibt dabei: Das österreichische Ultimatum an Serbien vom 23. Juli 1914 war die Brandfackel, die die Welt entzündete, wenn auch der Brand erst spät auf Italien übergriff.

      Es bleibt dabei: Dieses Ultimatum war das Signal für die Neuverteilung der Welt und rief mit Notwendigkeit alle kapitalistischen Raubstaaten auf den Plan.

      Es bleibt dabei: Dieses Ultimatum rollte die Frage der Vorherrschaft auf dem Balkan, in Kleinasien und im ganzen Mittelmeer und damit auch alle Gegensätze zwischen Österreich-Deutschland und Italien mit einem Schlage auf.

      Und hier noch ein kleines Lektüreverzeichnis:

      Bloch, Camille (2014): Die Ursachen des Ersten Weltkrieges, Donat

      Fischer, Fritz (1990): Hitler war kein Betriebsunfall, C. H. Beck

      Geiss, Imanuel (1963): Julikrise und Kriegsausbruch 1914, Verlag für Literatur und Zeitgeschehen GmbH Hannover

      Gietinger, Klaus; Wolf, Winfried (2017): Der Seelentröster: Wie Christopher Clark die Deutschen von der Schuld am Ersten Weltkrieg erlöst, Schmetterling Stuttgart

      Ham, Paul (2018): 1914 The Year The World Ended, Black Swan

      Hochschild, Adam (2013): Der Große Krieg: Der Untergang des Alten Europa im Ersten Weltkrieg, Klett-Cotta

      Janz, Oliver (2013): 14 – Der große Krieg, Campus

      Liebknecht, Karl (2017): „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“: Reden und Schriften gegen Militarismus und Krieg, Manifest

      Lieven, Dominic (2016): Towards the Flame: Empire, War and the End of Tsarist Russia, Penguin

      Mombauer, Annika (2024): The Causes of the First World War: The Long Blame Game, Routledge

      Otte, T.G. (2014): July Crisis. The World’s Descent Into War, Summer 1914, Cambridge UP

      Röhl, John C. G. (2009): Wilhelm II.: Der Weg in den Abgrund 1900 – 1941, C. H. Beck

      Wette, Wolfram (2016): Ernstfall Frieden: Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1914, Donat

        1. Na, so schlimm wurd’s aba ned. 😉

          Wollt’s ja nur ofspalten, sodass man sich das nach und nach zu Gemüte führen kann und sich koanen Wolf scrollt. 🚧

          Liebe Grüße zurück 🥂

          1. Erstens: Anspielung entdeckt? 😉

            Zweitens: Mir fällt dazu folgende Geschichte ein: Als ich noch die SZ gelesen habe, hat Prantl die letzten Minuten eines prominenten Politikers der Räterepublik geschildert. Üblicherweise wird ja in „Qualitätszeitungen“ auf die Schilderung extremer Grausamkeiten verzichtet. Er hielt es aber für notwendig, den Leser nicht zu schonen.

            Das nur zu „oben“. (Lesetipp: https://www.buchkomplizen.de/die-jakarta-methode.html )

            1. Erstens: Anspielung entdeckt?

              Asterix – Die Trabantenstadt? 🤣

              Als ich noch die SZ gelesen habe, hat Prantl die letzten Minuten eines prominenten Politikers der Räterepublik geschildert.

              Meinten Sie den Artikel hier?

              Danke für den Lesetipp! 📚🕯️

              Und – guten Morgen! 🦉

              1. „Asterix – Die Trabantenstadt? 🤣“

                Öhm. Ich denke, das kann man in Anbetracht der Uhrzeit gelten lassen! 😉

                Ab den frühen Morgenstunden (also etwa 11:30 Uhr) wäre die richtige Antwort „Die größte Zahl, die man mit römischen Zahlzeichen schreiben kann“ gewesen.

                „Meinten Sie den Artikel hier?“

                Genau den! Sie sind wirklich gut!

                „Danke für den Lesetipp! 📚🕯️“

                Ergänzung: https://www.imdb.com/de/title/tt2375605/

                Es heißt, in Chile hätten Rechtsextreme vor dem Putsch „Jakarta is coming!“ an Wände gesprüht …

  11. Im Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye, der zu den Pariser Vorortverträgen gehört, werden Österreich und Ungarn als Rechtsnachfolger der Donaumonarchie von den Siegermächten des I. Weltkriegs als Anstifter des Krieges angesehen.

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