Deutschland, deine Rüstungsgüter

Panzerrohr von vorne
włodi, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Deutsche Rüstungsindustrie und deutsche Waffenexporte: ein moralisch verwerflicher Boom?

Aktuell verzeichnet (auch) die deutsche Rüstungsindustrie einen starken Anstieg an Aufträgen. Das hängt sicherlich mit den aktuellen Krisen und Kriegen zusammen, vor allem mit der Lage in der Ukraine, aber auch mit dem Gazakrieg.

Vor diesem Hintergrund hat die politische Führung endlich kapiert, dass die Bundeswehr nicht in der Lage ist, ihren verfassungsmäßigen Auftrag, nämlich die Landesverteidigung und damit den Schutz der deutschen Bevölkerung sicherzustellen. Dafür gibt es neben Gründen im organisatorischen Bereich vor allem Defizite in der erforderlichen Personalstärke und in der materiellen Ausstattung. Über den Weg, wie man die Personalstärke verbessern kann, wird aktuell in der Regierungskoalition gestritten, weil der politische Wille fehlt, die Aussetzung der Wehrpflicht zu beenden oder stattdessen ein Pflichtjahr für alle jungen Frauen und Männer nach Vollendung des 18. Lebensjahrs einzuführen. Was die materielle Ausstattung angeht und zwar hauptsächlich mit geeigneten Waffensystemen und einem ausreichenden Vorrat an Munition, muss man entweder, wie bislang, auf Importe aus den USA setzen oder die eigene Rüstungsindustrie weiter ausbauen. Da unter einem Präsidenten Trump nicht mehr verlässlich davon ausgegangen werden kann, dass die USA liefern, hat die Bundesregierung entschieden, die eigene Rüstungsindustrie zu stärken, nicht zuletzt, weil die produzierten deutschen Waffen qualitativ überzeugen.

Grundsätzlich sollte man Waffen nicht Begriffen wie Angriff oder Verteidigung zuordnen, weil der Zweck, zu dem eine Waffe gebraucht wird, von demjenigen bestimmt wird, der diese einsetzt.

Und damit komme ich zum Thema Rüstungsexport, der natürlich für die deutsche Rüstungsindustrie von Bedeutung ist, nicht zuletzt, weil sich für die Hersteller von Rüstungsgütern eine ausschließliche Ausstattung für die Bundeswehr wegen der Stückzahl nicht rechnet.

Gesetzliche Grundlagen für den deutschen Rüstungsexport

Damit diese Rüstungsgüter – um es mal einfach zu sagen –, nicht in die falschen Hände geraten, war und ist die Politik gefordert, entsprechende Vorgaben und Bedingungen festzulegen, die bei Rüstungsexporten zu beachten sind.

Da ist zunächst der Artikel 26 (2) GG zu nennen, in dem es heißt:

„Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Das Grundgesetz behandelt nur den Export von Kriegswaffen im engeren Sinne; der Export von Rüstungsgütern und Dual-Use-Gütern ist von der Regelung nicht betroffen. Grundsätzlich lässt das Grundgesetz Rüstungsexporte zu und verbietet sie nicht, es verlangt jedoch nach einer Kontrolle mittels Genehmigungen. Entsprechend der im zweiten Satz enthaltenen Anforderung wurde zu diesem Zweck das „Kriegswaffenkontrollgesetz“ erlassen.

Dieses Gesetz bildet den gesetzlichen Rahmen für Herstellung, Handel und Transport von Kriegswaffen. Darin heißt es u.a., dass es für jede Handlung in Bezug auf Kriegswaffen (auch für den Export) stets einer Genehmigung bedarf, für die das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zuständig ist. Im § 6 des Gesetzes ist festgelegt, wann das Wirtschaftsministerium den Export von Kriegswaffen verbieten muss. Exporte dürfen nicht genehmigt werden, wenn „die Gefahr besteht“, dass die gelieferten Waffen „bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg“ verwendet werden Ebenfalls dürfen Kriegswaffen dann nicht exportiert werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass dies die Erfüllung von Deutschlands völkerrechtlicher Pflichten gefährden würde oder die Käufer nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen.

Diese Formulierungen lassen dem verantwortlichen Ministerium einen Ermessensspielraum, der sich an den s.g. „Politischen Grundsätzen“ orientieren muss. Eine erteilte Genehmigung für den Export von Kriegswaffen kann jederzeit widerrufen werden. Einzelheiten über die politischen Grundsätze hat das Wirtschaftsministerium unter dem Titel „Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ veröffentlicht.

Keine Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete

Den Inhalt dieser Grundsätze kann man mit Statement zusammenfassen: Keine Waffen in Kriegs- und Krisengebiete.

Leider ist dieser Grundsatz in den letzten Jahren, vor allem seit Beginn des Ukrainekrieges immer mehr verwässert worden. Wenn Deutschland sich zu Beginn dieses Krieges darauf beschränkt hätte, Kiew intensiv in allen „zivilen Bereichen“ zu unterstützen, stände die Bundesregierung heute nicht vor dem Dilemma, die Ukraine immer weiter und immer intensiver militärisch zu unterstützen und zwar – wie es heißt – so lange, wie nötig, ohne diese Aussage überhaupt einmal definiert zu haben. Das hat ja sogar dazu geführt, dass Waffensysteme aus dem Bestand der Bundeswehr in die Ukraine geliefert wurden, so dass die eigenen Streitkräfte heute noch weniger in der Lage sind, ihren verfassungsmäßigen Auftrag zu erfüllen als das im Februar 2022 der Fall war. Dies wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern, weil neue Waffensysteme der deutschen Rüstungsindustrie, die von der Bundeswehr bestellt wurden, bereits seit geraumer Zeit nicht an die eigenen Streitkräfte geliefert, sondern in die Ukraine exportiert wurden. Eklatante Beispiele dafür sind das Luftverteidigungssystem „Iris TSLM“ und das modernste Systeme zur Drohnenabwehr „Sky Ranger.“

Fazit

Die deutsche Rüstungsindustrie ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern in vielen Bereichen auch ein Garant für eine moderne waffentechnische Ausstattung der Bundeswehr, um den Auftrag der Landesverteidigung sicherzustellen. Wünschenswert wäre es, wenn sich in der EU eine europäische Rüstungsindustrie entwickeln würde, in der die Produktion verschiedener Waffensysteme oder Munitionsarten bestimmten Ländern zugeordnet würde. Damit würde die Wirtschaftlichkeit verbessert und ein unnötiger Wettbewerb vermieden. Auf diese Weise könnte man auch die Abhängigkeit von den USA reduzieren und letztlich erhebliche Kosten sparen. Die USA praktizieren nämlich ihren Rüstungsexport immer nach derselben Methode. Waffensysteme werden zunächst relativ preiswert angeboten und später in der logistischen Versorgung immer teurer bis die Ersatzteillieferung irgendwann gänzlich eingestellt wird und Nachfolgesysteme in den USA gekauft werden müssen.

Deutschland hat verbindliche gesetzliche Grundlagen für die Herstellung von Rüstungsgütern und vor allem für deren Export. Wenn diese Vorgaben konsequent eingehalten – und nicht dagegen verstoßen – würde, wie das seit Jahren gegenüber Israel und aktuell natürlich auch im Ukrainekrieg der Fall ist, wäre die Rüstungsindustrie ein lukrativer Arbeitgeber, der für betroffene Arbeitnehmern auch Schwächen in der Autoindustrie kompensieren könnte. Dann müsste auch niemand mit dem moralischen Zeigefinger drohen.

Jürgen Hübschen

Jürgen Hübschen, Jahrgang 1945, Westfale und Europäer. Ehemaliger Luftwaffenoberst im Generalstabsdienst. Zehn Jahre Einsatz als Raketenspezialist mit amerikanischen Kameraden in NATO-Verbänden. Drei Jahre Verteidigungsattaché bei der deutschen Botschaft in Bagdad während des Irak-Iran Krieges. Weiß dadurch, was Krieg für eine Scheiße ist, wie wichtig unabhängige Medien sind und wie wenig Möglichkeiten die Menschen in einer Diktatur haben, das herrschende System zu kritisieren oder gar zu ändern. 5 Jahre Leiter einer erfolgreichen OSZE-Mission in Lettland zur Überwachung eines Vertrags zwischen Russland und Lettland. Weiß dadurch, wie man mit Russen zusammenarbeitet. Letzte militärische Verwendung Referatsleiter im Verteidigungsministerium, zuständig u.a. für die Landesverteidigung, die zivil-militärische Zusammenarbeit und die Unterstützung der alliierten Streitkräfte in Deutschland.
Nach der Pensionierung 14 Jahre Unterstützer von NGOs in Sicherheitsfragen. Durchführung praktischer Trainings und Einsätze in Afghanistan und Afrika
Verfasser sicherheitspolitischer Bücher und Artikel, mit dem Ziel die Berichterstattung unserer stark stromlinienförmigen Medien aufzubrechen.
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9 Kommentare

  1. Die deutsche ‚angebliche‘ Politik hat genau das gemacht, was die deutsche Politik wollte.
    Sie bezahlen einen Trillionen Betrag an ihren formerlichen Kolonien zur Entschädigung.
    Im heitsprech ein Betrag von perzillionan, aber genug, um sich aus der Affäre zu ziehen…
    Aber die westliche Bevölkerung wird dazu in Haftung genommen…

  2. „Deutsche Rüstungsindustrie und deutsche Waffenexporte: ein moralisch verwerflicher Boom?“
    Das Fragezeichen ließ mich ja schon stutzig werden. Dass Hübschen dann aber Waffenexporte super findet, schlägt dem Fass den Boden aus. Hauptsache nicht in Krisengebiete! Das ist ungefähr das Niveau: Geschützte Geimpfte werden von den ungeschützten Ungeimpften bedroht.
    Junge, Junge. Kriege werden von interessierter Seite gemacht. Länder, die noch im Frieden leben, werden aufgerüstet um zu einem späteren Zeitpunkt einen Krieg vom Zaun zu brechen. Du weißt vorher nicht, wer Verteidiger und Aggressor sein wird. (Gut, mit einer Außnahme. Putin böse.😜) Vorhandene Waffen werden üblicherweise nicht vor Kriegsbeginn verschrottet. Waffen werden benutzt, das ist ihre Bestimmung. Costa Rica braucht übrigens keine Armee!
    Ich will so eine Scheiße hier auf Overton nicht lesen!

    1. Zustimmung! Bei mir kommt der Artikel auch nur als Militarisierungsbooster an, ohne weiteren Nährwert. Mag sein, dass Waffenproduktion Gewinne abwirft, aber wieviel Zukunft wird damit gestaltet oder zerstört? Geld, was in die Rüstung fliest, fehlt woanders. Und die Gewinne aus Waffenverkäufen werden dafür benötigt, die Folgen der Waffeneinsätze zu mildern, siehe Ukraine. Das ist aber noch nicht die ganze Idiotie. Unsere Gamechanger haben bislang versagt und sind im Grab gelandet und das wird sich auch nicht grundlegend ändern, da die anderen auch nicht schlafen. Da das mit der beabsichtigten Militarisierung nicht so klappt, wie man es gerne hätte, ist man ja nun schon per Nachahmung bei Drohnen gelandet, als ob die nicht auch woanders vorhanden wären. Nein, jede weitere Unterstützung von Militär bringt Europa dem Grab näher. Es gibt nur einen Ausweg: Die Zeitenwende muss rückgüngig gemacht werden und eine neue Entspannungspolitik entstehen, wenn nötig und möglich, von Europa allein angestoßen, bevor Europa als zersplitterter Krüppel endet.

  3. „Exporte dürfen nicht genehmigt werden, wenn „die Gefahr besteht“, dass die gelieferten Waffen „bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg“ verwendet werden“

    Und wie sieht es mit Exporten aus, wenn man sich als Opfer eines Angriffskriegs wähnt, der in fünf Jahren stattfinden wird? Darf man dann auch exportieren oder muss man die geleerten Arsenale füllen?

    Und wie sieht es für diesen Fall mit Munition und Ersatzteilen, für Waffensysteme von US-Lieferanten aus. Hat man die schon auf Lager gelegt oder will man – wie die Ukraine – mitten im Krieg bestellen und warten?

    Und falls man über beide Fragen nicht nachgedacht hat, wozu braucht man dann mehr Personal? Man hört im Internet, dass die beiden Großmächte Frankreich und Großbritannien heute innerhalb von zwei Monaten ihre Vorräte an Munition und Gerät aufgebraucht haben würden.

  4. Ich glaube zu verstehen, dass sich Autor für eine Emanzipation von den USA ausspricht. Verfolgt man, wie sich aktuell das Verhältnis der USA zu ihren „Partnern “ entwickelte, dann wird es das nicht geben. Das aktuelle politische Personal ist dazu weder bereit noch in der Lage und ob ich den Wunsch des Autoren teile, sowas wie eine wirkungsmächtige starke europäische Militärmacht zu entwickeln? Glaube ich eher nicht. Ich früchte, dass wir, wenn es sowas gäbe, schon im Krieg lägen.

    Aber vielleicht ist diese aktuelle Bundesregierung die beste, die ich mir wünschen kann. Die vergangenen Jahre haben auch mich radikalisiert. Die zunehmende Unvernunft, die Art wie man über den Krieg und die Bereitschaft ihn zu führen spricht, das völlige Fehlen jeglicher Bereitschaft einen diplomatischen Ausweg zu suchen – alles wie immer in der deutschen Geschichte. Dieses Land gehört nicht verteidigt, es gehört abgeschafft. Und ich komme nicht umhin anzuerkennen, dass niemand besser geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen, als die gegenwärtig Regierenden. Hatten wir in der letzten Regierung noch Minister, die mit Deutschland nichts anfangen konnten, hat die jetzige es in die Hand genommen, dass Thema Deutschland ein und für alle Mal aus der Welt zu schaffen.
    Ich hätte sie wählen sollen.

  5. Die deutsche Rüstungsindustrie unterstützt, durch die Rüstungsaufträge der Regierung, den Völkermord in Gaza. Nachdem Trump die Kapitulation des palästinensischen Widerstandes fordert und, ähnlich den britischen Mandatsgebiet, für Gaza ein neues Mandatsgebiet einrichten will, liefert Deutschland aber wieder Waffen in vollen Umfang

    Das ist moralische höchst verwerflich! Spätere Generationen werden ihren Großvätern vorwerfen, warum sie beim Völkermord in Palästina einfach zugeschaut haben. D.h, einige Deutsche haben nichts aus den Verbrechen der Nazis gelernt und schauen wieder einen Völkermord nicht nur zu, sondern befürworten auch noch Waffenlieferungen.

    Damit isoliert sich Deutschland zunehmend auch von anderen europäischen Völkern, wie den Spaniern, Italienern, die streikten und Waffenexporte blockierten, den Belgiern usw.

    Die Profite der deutschen Waffenindustrie sind Blutgeld, Geld, das für die Ermordung von Frauen und Kindern ausgegeben wird

    Der Bundeskanzler sagt, Israel mache für uns die Drecksarbeit. Welche Drecksarbeit? Den Mord an Frauen und Kindern arabisch/palästinensischer Herkunft, die für einige Deutsche offensichtlich Menschen zweiter Klasse, arabische Untermenschen sind. Die Sache mit den Untermenschen hatten wir doch schon mal in Deutschland!

    Shame on you

  6. Nebenbei bemerkt, warum sollte ein Land des globalen Südens Deutschland Waffen abkaufen?
    Warum sollte Pakistan deutsche Waffen kaufen?
    Warum sollte Indien deutsche Waffen kaufen?
    Warum sollte Frankreich deutsche Waffen kaufen, die haben doch selbst eine starke Rüstungsindustrie

    Sind die deutschen Waffen so gut und so preiswert?

    Wenn ich ein Land des globalen Südens wäre, wenn die Pakistan wäre, dann würde ich chinesische Waffen kaufen. Die sind technologisch ausgezeichnet und nicht so teuer.

    Aber am besten wäre eine Welt ohne Waffen!
    Das setzt aber voraus, das die Militanz der westlichen Hegemonie gebrochen wird. Dazu werden wohl leider Waffen nötig sein

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