
Wo Reichtumspflege vor Gemeinwohl geht, da sind Demokratie und Rechtsstaat am Ende. Die „freie Welt“ ist die Brutstätte ihres Gegenteiles.
Originalton Trump: „Am liebsten würde ich ihm ins Gesicht schlagen…. Prügelt ihm die Scheiße aus dem Leib… Ich verspreche euch, ich bezahle die Anwaltskosten. Versprochen, versprochen… Ich würde ihm gerne ins Gesicht hauen, wie damals in der guten alten Zeit.“ So Trump 2016 als Reaktion auf einen Demonstranten während des Wahlkampfs in Iowa.
„In der guten alten Zeit“ – ja, wirklich, die Brutalität hat Tradition. Und auch wenn veranschlagt wird, dass Trump ein Demagoge und politischer Dilettant und vielleicht nur beschränkt zurechnungsfähig ist, hat diese Sprache der Gewalt Symbolwert. Sie passt in ein Land, das wie kaum ein anderes eine Blutspur des Terrors hinter sich herzieht.
Terror gegen streikende Arbeiter, Terror gegen abgewertete Rassen, gegen Zuwanderer, Kommunisten und überhaupt gegen alle, die sich nicht bedingungslos anpassen. Während die USA nach außen nahezu ständig Krieg führen, sieht es nach innen nicht besser aus: Die gegenwärtig beklagte Spaltung der amerikanischen Gesellschaft ist vielleicht eine Zuspitzung, aber keineswegs ein neues Phänomen.
„Freie“ Welt?
Zu diesem Thema hat Bernd Greiner eine hervorragende Studie vorgelegt. Von Greiner, einem der informiertesten Amerikakenner, emeritierter Historiker der Universität Hamburg, stammen umfangreiche Analysen des Vietnamkriegs, der Kubakrise oder eine vorzügliche Biografie Henry Kissingers.
Sein Buch „Weißglut, die inneren Kriege der USA“ ist gerade im Münchner Beck-Verlag erschienen. Wer gerne von der „freien Welt“ spricht und sie in alter Tradition gegen die unfreie Welt in Russland positioniert, dem sei empfohlen, jene andere Seite der USA genauer zu studieren, die den Klischeevorstellungen so gar nicht entspricht. Die folgenden Zeilen sind keine Inhaltsangabe, sondern der Versuch, Greiners Analysen weiterzudenken.
Nach Greiner sind die USA eine „Gesellschaft, die sich seit über 100 Jahren unerbittliche Klassenkämpfe und Kulturkriege leistet.“ Dabei kann gefragt werden: Worum geht es denn im Kern? Gibt es eine Art Generalthema, durch das verständlich würde, was die Gesellschaft der USA zerreißt und die Menschen gegeneinander in Stellung bringt und das nicht erst seit heute?
Kämpfe um Identität und Zugehörigkeit
Die Antwort könnte lauten: Es ging und geht um die Frage, wann ist jemand ein richtiger Amerikaner oder anders herum: Was ist „unamerikanisch“ und muss daher abgelehnt, bekämpft oder beseitigt werden? Es geht also um den Nachweis der Zugehörigkeit, um Identität und damit um jenes vage, inhaltlich schwer zu fassende Verhaltensmuster, das einer Gruppe das Gefühl heimatlicher Übereinstimmung gibt. Auch außerhalb der USA drehen sich viele der modernen Kämpfe um Identität. In einer Welt, die endgültig in plurale Interessen, in plurale Sichtweisen auseinanderfällt, wird gewissermaßen anachronistisch darum gerungen, Eindeutigkeit auch dort herzustellen, wo das von der Sache her unmöglich ist. Daher die Unerbittlichkeit der Kämpfe.
Was dabei unser eigenes Bild der USA angeht, vor allem dasjenige der so genannten Transatlantiker, die seit Konrad Adenauer den Kurs der deutschen Politik prägten, so mag es überraschen, dass gerade das Zentrum des „freien“ Westens niemals eine wirklich demokratische und offene Gesellschaft war. Regional und was die Milieus oder die historischen Zeitpunkte angeht gewiss sehr unterschiedlich, aber niemals zur Gänze.
Gerade zurzeit zeigt sich, dass das als so vorbildlich betrachtete US-System im Kern mit dem Faschismus schwanger geht. Oder um terminologisch korrekt zu bleiben, denn „Faschismus“ ist eine historische Kategorie, die in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts gehört: Die USA beherbergen alle jene Voraussetzungen, welche die postdemokratischen Bedingungen für die Entstehung einer schrankenlosen Plutokratie darstellen.
„Plutokratie“ bedeutet die Konzentration der Macht in den Händen einer winzigen Schicht an der Spitze, einer Art Superklasse. Diese verfügt über Finanzmittel, die in großem Abstand über den Einkommen und Vermögen des Durchschnitts liegen, selbst derer, die lediglich reich oder wohlhabend sind. Voraus ging in den USA die systematische Umverteilung der gesellschaftlichen Ressourcen von unten nach oben und zwar bis zu dem gegenwärtig beobachtbaren Punkt: wenn nämlich nahezu die gesamte ökonomisch basierte Macht in die Hände von „Oligarchen“ fällt. Dann ist Schluss mit der offenen Gesellschaft, vor allem Schluss mit Demokratie und Rechtsstaat. Ein Begriff wie „Gemeinwohl“ wird sinnlos. Der Allgemeinheit bleiben lediglich jene Reste an Freiheit und Rechtssicherheit, die von den Oligarchen gnädig zugestanden werden.
Land der Money Maker und Rassisten
Diese Entwicklung basiert auf einem Glauben, besser einem Mythos: nämlich, dass zum kapitalistischen Wirtschaftssystem keine Alternative existiert. Kapitalismus als „Verkörperung göttlicher Vernunft“, wie es Greiner ausdrückt, akzeptiert also auch die Umverteilungsmaschine: Wer nach unten aussortiert wird, hat selber schuld und wen es nach oben spült, der kann das – ohne dass dabei weitere Faktoren eine Rolle spielen – ausschließlich seiner eigenen Leistungsfähigkeit zurechnen.
Die alte Story des Tellerwäschers, der zum Millionär wird oder dass die steigende Flut des Reichtums alle Schiffe hebt, könnte zwar falscher nicht sein, ebenso die merkwürdige Vorstellung, Leute, die beim „Geld machen“ erfolgreich sind oder wenigstens so tun, seien auch als Staatenlenker bestens ausgewiesen.
Deutlich wird bei Greiner, dass der amerikanische Kapitalismus zugleich ein Rassismus ist. Stets ging es gleichzeitig um die „white supremacy“, die weiße Vorherrschaft. Nicht Trump hat den Rassismus erfunden, in den USA gehört er – auch hier freilich nicht bei allen – zur Identität einer weißen Mehrheit, die befürchtet, ihre Mehrheit zu verlieren. Im Jahre 2045 würden die Weißen erstmals seit Gründung der Republik in der Minderheit sein. Und auch wenn durch die kapitalfreundlich organisierte Globalisierung und die folgende Deindustrialisierung weiße Mittelständler reihenweise unter die Räder kamen, so bleibt ihnen auch bei völliger Verarmung wenigstens das Bewusstsein, „weiß“ zu sein und somit irgendwie auch „great“.
Kampf gegen die Arbeiterklasse
„Rassismus“ sollte aber nicht so eng gefasst werden. Etwa die gleiche Verachtung wie gegenüber den People of Color wird oft denjenigen entgegengebracht, die durch Umverteilung und Ausbeutung zum minderwertigen Bodensatz der Gesellschaft gehören. Es passt dann besonders gut, sind diese Verlierer nicht-weißer Hautfarbe.
Neben der nur mühsam zurückgedrängten Sklaverei und Rassentrennung zeigt sich die systematische Abwertung der gesellschaftlichen Verlierer überall dort, wo unter politischem Aspekt jeder Gedanke an sozialen Ausgleich als unamerikanisch gilt. Historisch zunächst in der durchgehend gewaltsamen Unterdrückung der aufstrebenden Arbeiterbewegung. „Damals“, etwa um die Wende des vorletzten Jahrhunderts, „wurde es Usus, die junge Arbeiterbewegung auf jede erdenkliche Art und Weise kleinzuhalten“, so Greiner.
Allein die Nationalgarde rückte zwischen 1870 und 1917 mehr als hundert Mal gegen streikende Arbeiter aus. Hunderte Arbeiter wurden erschossen, zu Tode geprügelt oder in die Wüste getrieben. Liest man, dass bei einem der Massaker der Sold der Nationalgarde von der Familie Rockefeller beglichen wurde, wird deutlich, um was es ging: um den Schutz des geradezu obszönen Reichtums in einer Phase, die von Monopolen, Trust und Großbanken dominiert wurde. Eine Geldaristokratie verfügte „über zwei Drittel des wirtschaftlichen Reichtums“.
Herrschaft des einen Prozents
Das klingt aktuell. Auch wenn auf den Gipfeln der kapitalistischen Raubzüge die Macht der Konzerne und Trusts vorübergehend begrenzt wurde und der New Deal im Gefolge der Weltwirtschaftskrise eine für amerikanische Verhältnisse geradezu sozialdemokratische Vorgehensweise bedeutete, – speziell die neoliberale Wende seit den frühen 1980er-Jahren hat zu einer bislang unbekannten Konzentration von wirtschaftlicher Macht ganz oben an der Spitze der Gesellschaftspyramide geführt.
Dass diese Macht zugleich eminent politisch ist, beweist zurzeit die MAGA-Bewegung. Sie kann als die eigenartige Mesalliance zwischen den Interessen einer Fraktion der Superreichen und einer heterogenen Masse von Enttäuschten und Frustrierten angesehen werden. Bedingung ist die extreme gesellschaftliche Ungleichheit. Während zahllose Amerikaner wohnsitzlos in zerschlissenen Zelten auf den Gehsteigen der großen Städte kampieren und manche ehemals industrialisierte Gebiete wie Schandflecken des globalen Südens aussehen – eingestürzte Fabriken und Wohnhäuser, verdreckte Landschaften – macht sich jenes eine Prozent, gegen das einst die Occupy Wall Street-Bewegung protestierte, daran, die Welt neu zu ordnen, nämlich als Spielcasino der Geschäftemacher und zwar endgültig jenseits von Rechtsstaat und Kontrolle.
Die Kooperation zwischen dem einen Prozent (bzw. dem einen Promille, wird veranschlagt, dass zurzeit vor allem die Tech-Milliardäre das Sagen haben) und der Masse ihrer Unterstützer muss zugleich als die Folge eines Betrugs angesehen werden. Und das ist ja schon immer der Kern des „Amerikanismus“ gewesen: eine Art ideologischer Schwindel. Die Hauptprofiteure einer Gesellschaftsordnung verkünden durch ihre Medien, das Gemeinwohl sei dann am besten realisiert, sobald ihnen selbst vollkommen freie Hand gewährt wird – die Philosophie des Marktradikalismus.
Dass dieser „Deal“ eine Miniminderheit begünstigt und die große Mehrheit benachteiligt, ist das undemokratische daran. Jedenfalls wenn Demokratie als ein System der Teilhabe verstanden wird. Teilhabe verlangt eine gewisse Gleichverteilung: an Einkommen, Versorgung, Bildung, etc. Demokratie und der soziale Ausgleich sind Zwillinge.
Verschiedene Welten – unterschiedliche Regeln
Umso erklärungsbedürftiger ist deshalb die Unterstützung von Kleptokraten durch die „kleinen Leute“. In zerstörten Industrielandschaften hoffen sie darauf, dass Trump sich mitleidig ihrem Elend zuwendet und für alles eine Lösung hat. Doch niemand, der in Trump den Messias erblickt, hat sich jemals auf Jachten, in Luxusvillen oder auf privaten Inseln aufgehalten, um dort mit den VIP’s und CEO’s dieser Welt zu prassen und zu kungeln. Die Distanz zwischen „denen da unten“ und jenen, die sich brüsten, deren Interessen zu vertreten, entspricht etwa dem Unterschied zwischen der Fortbewegung mit einem Rollator und der Geschwindigkeit eines privaten Jets in großer Flughöhe.
Und selbstverständlich gelten „unten“ und „oben“ nicht die gleichen Regeln. Keiner, der die rote MAGA-Kappe trägt, könnte sich wie Trump kriminelle Machenschaften leisten, ohne dafür jahrelang in den überfüllten US-Gefängnissen einzusitzen. Jemand aus dem „Volk“ mag ja phantasieren, sich für sexuelle Dienstleitungen Tag für Tag junge Mädchen anliefern zu lassen, ohne dass er auch nur wüsste, wie das zu bewerkstelligen wäre. Wobei unterstellt ist, dass der Fall Epstein auch typisch für die Superklasse ist, die sich letztlich alles leisten kann – finanziell und moralisch. Wieweit diese Unterstellung zutrifft ist, muss freilich noch aufgeklärt werden.
Und Deutschland?
Was hat das alles mit Deutschland zu tun? Im historischen Rückblick kann das verdeutlicht werden. Hier muss zunächst jene Psychose ins Auge gefasst werden, die nach dem zweiten Weltkrieg in den USA vor allem während der McCarthy-Ära grassierte: der Antikommunismus. Nach Auffassung der damaligen Kommunistenjäger führte alles irgendwie „Soziale“ direkt nach Moskau, war also Feindpropaganda. Zwischen den vielfachen Varianten sozialdemokratischen oder sozialistischen Denkens konnte nicht mehr unterschieden werden. Westdeutschland konnte von Glück reden, dass zunächst wenigstens eine „soziale Marktwirtschaft“ eingeführt wurde, auch wenn diese lediglich ein dürftiger Kompromiss zwischen den Kapitaleignern und den Ansprüchen der Lohnabhängigen war.
Und als ab 1945 in Westdeutschland aus den USA nicht nur Coca-Cola, die Blue Jeans oder der Rock and Roll übernommen wurden, sondern in hohem Maße auch der Amerikanismus, war dies gleichbedeutend mit einem Verständnis von Demokratie, das mehr als fragwürdig ist. Anfänglich wurde das deutlich gesehen. Für den ersten Nachkriegsvorsitzenden der damals noch gewichtigen West-SPD Kurt Schumacher – die SPD war zu dieser Zeit noch eine kapitalismuskritische Partei – waren Kapitalismus und Demokratie unvereinbar. Hitlers Krieg sei kaum ohne die aktive Mitwirkung des großen Kapitals möglich gewesen. Ähnliche Stimmen gab es auch in der CDU, es entsprach einem damals verbreiteten Konsens.
Triumph der Feindbilder
Doch auch in Westdeutschland wurden solche Einsichten rasch verdrängt. Dabei spielte vor allem das antikommunistische Feindbild eine entscheidende Rolle. Feindbilder sind wesentliche Elemente von Herrschaftsideologien. Noch bis zum Ende der 1980er-Jahre war es in Westdeutschland kaum möglich, öffentlich den Begriff „Kapitalismus“ zu verwenden, ohne in den Verdacht zu geraten, man sei ein „Kommunist“ und wolle die „Demokratie“ abschaffen. Die Frage, ob nicht das deutsche Grundgesetz selbst, zu dessen Verfassungsprinzipien das Sozialstaatsgebot gehört (Art. 2O, Abs. 1), auf eine Demokratie verweist, die den sozialen Ausgleich fordert, konnte kaum mehr thematisiert werden – und das ist ja heute noch so. Auch das Feindbild ist irgendwie konstant geblieben: der Feind sitzt auf jeden Fall in Moskau.
Während also in Westdeutschland ähnlich wie in den USA jedermann angstgelähmt gen Moskau starrte, rückte der Reichtum erneut in jene sozialen Positionen auf, aus denen heraus der Kurs eines Staatswesens maßgeblich gesteuert werden kann. Bis auf Reste verschwand das „Soziale“ an der westdeutschen „Marktwirtschaft“ rasch und erlag schließlich dem Trommelfeuer einer ideologischen Offensive, die sich pseudo-sachlich als „neoklassische Theorie“ tarnte.
Verschärft wurde nun der Kampf aller gegen alle als neue Kultur ausgerufen. Meilenweit waren dabei jene im Vorteil, die zum Teil ihre Besitztümer bereits unter Hitler angehäuft hatten. Man befasse sich etwa mit der Familiengeschichte der Quants, die gegenwärtig etwa zur Hälfte an BMW beteiligt sind. Auch das Wirken des Kriegsverbrechers Alfried Krupp von Bohlen und Halbach gehört hierher. So gut wie überall in der deutschen Industrie war Zwangsarbeit üblich gewesen. „Vernichtung durch Arbeit“, nannte sich das.
Mit Gewinnern solcher Art sollten nun die so genannten „Ich-AG’s“ in Wettbewerb treten. Angeblich habe nun jedes „Ich“ die gleiche Chance, wobei der Erbe eines prallen Aktiennetze von Beteiligungen schlicht mit dem Betreiber einer Würstchenbude an der Ecke gleichgesetzt wurde. Nachgerade grotesk ist die Tatsache, dass eine Partei, die ehemals den Kapitalismus abschaffen wollte, diesen neoliberalen Umschwung besonders eifrig betrieb, assistiert durch angebliche Rebellen wie die Grünen.
Mit der Regierung Schröder/Fischer war also jene Restauration abgeschlossen, durch die die Ursprungsidee einer betont sozialen, ja einer sozialistischen Demokratie von Teilhabern in der Versenkung verschwand. Zur Herrschaft kam der extrem konservative Gedanke, Demokratie sei gleichbedeutend mit einem Austausch des Personals an der Spitze und bedürfe, von der Wahl abgesehen, keine wirksame Mitwirkung aller. Dies auch noch unter der Bedingung, dass dabei die Geld- und Machtverteilung, wie sie der Kapitalismus vorgibt, als nicht weiter verhandelbar anerkannt wird.
Die Folgen der kapitalistischen Machtverteilung
Die „Verkörperung göttlicher Vernunft“, der kaum mehr gebremste Kapitalismus, forderte freilich einen hohen Tribut. Als schließlich noch der Globalisierungsgedanke hinzukam, folgte auf beiden Seiten des Atlantiks eine geradezu galoppierende Zerrüttung breiter gesellschaftlicher Schichten, gemeinhin als Prekarisierung bezeichnet. Denn „Globalisierung“ wurde fast ausschließlich nur von der Kapitalseite her gedacht. Die breite Bevölkerung musste dagegen erleben, wie flächendeckend destruktive Prozesse angestoßen wurden. Vor allem der massenhafte Verlust von Arbeitsplätzen, bzw. die Umwandlung des „Normalarbeitsverhältnisses“ in alle möglichen Formen der Unsicherheit. Gesichert zu wissen, wie man seine Familien ernährt, war für viele schließlich keineswegs mehr „normal“.
So wurde in den USA – etwa im so genannten „Rust Belt“, der früher ein „Manufacturing Belt“ war – aus stolzen weißen Arbeitern der „white trash“, der weiße Müll, der um seine Würde kämpft. Die „Bankenkrise“ 2008 war zugleich eine Verarmungskrise, als zahllose Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden. Wenn Freiheit dazu führt, dass jemand seine Wertlosigkeit erfahren muss, kann nicht mehr erwartet werden, dass er eine solche „Freiheit“ schätzt.
Populismus – die Konsequenz der Prekarisierung
Und das ist praktisch der Knackpunkt, von dem her die Entstehung des Populismus verständlich wird. Das gilt auch für Deutschland. Hier glaubt man zwar, die Leute hätten einfach die falsche Einstellung, sonst würden sie nicht AfD wählen. Ihre „Einstellung“ ist aber durchaus nachvollziehbar, wenn auch völlig ohne Zugang zu den wirklichen Wurzeln ihrer Beunruhigung.
Wer befürchtet, dass ihm demnächst die Felle wegschwimmen, mag hilflos ohnmächtig nach Erklärungen suchen. Ein bewusst betriebener Bevölkerungsaustausch sei im Gange (eine „Umvolkung“, wie es in knorzigem Deutsch heißt). Die Ungesichertheit der Lebensumstände resultiere aus der Überflutung mit diebischen Fremden. Nun müsse der „wahre Volkswille“ gegen jene hintertriebenen Eliten durchgesetzt werden, die die berechtigten (Ur-)Einwohner des Territoriums aus dem Spiel drängen wollen.
So abwegig solche Narrative auch sind, restlos falsch sind sie nicht. Eine Art intuitive Witterung steckt darin: nämlich über lange Zeit sei etwas gründlich schiefgelaufen. Wie auch sollte in einer Elitendemokratie begriffen werden, dass Zuwanderung zugleich eine enorme Herausforderung für die demokratische Teilhabe bedeutet. Integration oder Inklusion sind der Prüfstein für die soziale Ernsthaftigkeit eines Gemeinwesens. Doch gerade diese fehlt ja im Marktradikalismus.
Die dramatischste Konsequenz der Prekarisierung ist aber diese: Sie brachte die Institutionen in Verruf. Trumps blinde Zerstörung der noch intakten rechtsstaatlichen und demokratischen Kontrollen ist in den Augen seiner Anhänger die Beseitigung überflüssiger Einrichtungen, die viel kosten und nichts bringen.
Kulturkämpfe als Ersatzthemen
Angesichts solch offensichtlicher Verwerfungen lohnt sich ein Blick auf das Verhalten der (oberen) Mittelschichten, also auf die vorläufig noch nicht Prekarisierten. Bevor sie nicht selbst dazu gehören, lässt sie das Schicksal der Gebeutelten, denen die Konsequenzen der asozialen Reichenherrschaft schon um die Ohren geflogen sind, zumeist völlig kalt. Wenige engagieren sich bei Tafeln oder karitativen Einrichtungen, um zumindest die Ernährung der Ausgegliederten sicherzustellen.
Während das Elend also die wenigsten kümmert, tobt innerhalb der städtischen, meist akademischen Mittelschichten diesseits und jenseits des Atlantiks ein weltfremdes Spiel mit der Wokeness, in Deutschland um die Frage des Genderns zum Beispiel. Natürlich geht es auch hier wieder vor allem um „Identität“, Gefühle der Heimeligkeit also. Wer macht mit und gehört dazu, wer weigert sich, solche Spielchen gutzuheißen? Stünde tatsächlich der Kampf gegen Diskriminierung dahinter, würde man dort hinschauen, wo sie tatsächlich stattfindet.
Während ersatzweise also an künstlich erzeugten Fronten gekämpft wird, liefert man zugleich die Munition für die ideologischen Rattenfänger von rechts. Denen kommt die Wokeness sehr gelegen.
In unbeabsichtigter Eintracht mit den „linken“ Woken gelingt es, „Klassenfragen aus dem Bewusstsein zu verdrängen und alles in das grelle Licht des Kulturkampfes zu rücken“, so Greiner. Ökonomische Bedrängnisse verwandeln sich in Kulturkriege. Trumps Kampf gegen Universitäten ist zum Teil hier einzuordnen.
Endzustand: Plutokratie
Unter dem Lärm woker Ersatzthemen kippt das Ganze ins Faschistoide. Jedes demagogisch begabte Großmaul kann sich den gebeutelten Massen als Retter anbiedern. Zwar betreibt etwa Trump das Geschäft seiner Vorgänger lediglich wesentlich konsequenter, doch gerade die skrupellose Durchbrechung sämtlicher Regeln scheint für viele endlich die Lösung zu sein. Der auf Regeln basierende Rechtsstaat hat ihnen ja wenig gebracht.
Es lohnt sich das Folgende zu wiederholen: Die totale Plutokratie war innerhalb der so genannten „freien Marktwirtschaft“ angelegt. Der Begriff verdeckt allemal, dass die „Marktwirtschaft“ keineswegs Märkte unbeschränkter Konkurrenz, sondern die Monopolherrschaft meint oder die Finanzmärkte, die wenigen nützen und den meisten schaden. Denn was die Shareholder – die Aktiensammler – jubeln lässt, lässt den Paketboten oder den Leiharbeiter unter der Knute der nach oben gejagten Renditeerwartungen stöhnen.
Jeder, der etwa Sympathien für die AfD hegt, recherchiere, ob diese Partei an solchen Zuständen irgendetwas effektiv zu ändern plant. Dagegen schwärmen Martin Sellner wie andere Ideengeber des Rechtspopulismus vom „wahren“ Volkswillen, der sich etwa – so Sellner ausdrücklich – in Ungarn manifestiert. Auch Hitler wurde als Inkarnation eines „wahren“ Volkswillens gefeiert. Selbstverständlich nimmt auch Trump den für sich in Anspruch, Putin auch. Das Volk soll inbrünstig ihr Idol verehren, während eine Miniminderheit nüchtern und völlig frei von Überzeugungen auf reale Weise Kasse macht.
Greiner beschreibt gewissermaßen den Weg, der in den USA zurückgelegt wurde, bis sich die „freie Welt“ als faschistoide Endform des Monopolkapitalismus offenbarte. Die kanadischen Sozialwissenschaftlerinnen Naomi Klein und Astra Taylor sprechen von „Endzeitfaschismus“. Das ist hoffentlich ein wenig übertrieben. Aber: Alles war zu erwarten und nur wenige haben es gesehen.
Ergänzende Literatur
- Nancy Fraser: Der Allesfresser. Wie der Kapitalismus seine eigenen Grundlagen verschlingt, Berlin 2023.
- Bernd Greiner: Made in Washington. Was die USA seit 1945 in der Welt angerichtet haben, München 2021.
- Wilhelm Heitmeyer: Autoritäre Versuchung. Signaturen der Bedrohung I, Berlin 2018.
- Naomi Klein, Astra Taylor: Aufstieg des Endzeitfaschismus. Die Politik mit dem Untergang – und wie wir sie noch stoppen können, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Juni 2025.
- Joseph Stiglitz: Der Preis der Ungleichheit. Wie die Spaltung der Gesellschaft unsere Zukunft bedroht, München 2012.
- Hans-Peter Waldrich: Demokratie als Sozialismus. Westdeutschland und die Ideen der ersten Stunde, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Mai 2019.





Ich vor Kurzem ein tolles Short (kurzes Video) gesehen, wo eine Chinesin ihre Sicht auf die Dinge dargelegt hat. Sie sagte: „alle sagen immer ‚Du musst in die USA gehen, um dort reich zu werden, damit Du ein gutes und erfülltes Leben führen kannst'“. Dem hat sie das chinesische Modell entgegen gestellt: „die Regierung sollte dafür sorgen, dass ALLE ein gutes, erfülltes Leben führen können, OHNE, dass man reich werden muss“. Ob man das so schwarz weiß betrachten kann (USA = schlecht, China = gut), weiß ich nicht. Darum sollte es aber auch nicht gehen. Fakt ist: sie hat recht. Im Westen geht es nicht um das Gemeinwohl. Es geht um exueptionalistische Eliten, Reiche, die sich für was Besseres halten. Da sie merken, dass die Bevölkerungen mehr und mehr die Risse und Widersprüche im System erkennen (und weil so ein System prinzipiell IMMER auf Selbstzerstörung aus ist und daher ein regelmäßiger Reset erforderlich ist), brauchen sie einen Krieg. Die aufmüpfige Bevölkerung soll in einem solchen verheizt werden.
Teil des Ganzen ist der Kampf gegen die freie Rede. Da, wo es im Wesentlichen darum geht die Menschen mit Lügen etc zu manipulieren, ist die Wahrheit der größte Feind.
Die Franzosen hatten die Revolution, die Deutschen den Faschismus. Das Eine ging vom Volk aus, das Andere von den Eliten. Das – der Faschismus – ist das Prinzip der Macht, vor allem in Deutschland.
„Dagegen schwärmen Martin Sellner wie andere Ideengeber des Rechtspopulismus vom „wahren“ Volkswillen, der sich etwa – so Sellner ausdrücklich – in Ungarn manifestiert. Auch Hitler wurde als Inkarnation eines „wahren“ Volkswillens gefeiert. Selbstverständlich nimmt auch Trump den für sich in Anspruch, Putin auch.“
Waldrich vermengt hier meiner Meinung nach in unzulässiger Weise. Putin ist nicht Trump und Orban nicht Hitler.
Jenseits allen populistischen Geschafels orientiere ich mich derzeit hauptsächlich an den nachprüfbaren Fakten (sofern nicht auch manipuliert), wie Rückhalt in der normalen Bevölkerung. Und der kommt üblicherweise von den Brot-und-Butter-Themen. Also, wie geht es mir und den Meinen wirtschaftlich? Und da stehen Orban und Putin, trotz aller autokratischen Tendenzen relativ gut da. Unangefochten an der Spitze, laut Edelman Trust Index allerdings China.
Da können unsere westlichen Oligarchien nur von träumen.
Ohne Seitenhieb auf Putin geht es halt nicht.
Alle „-ismen“ und Spielarten der „-kratie“, also des Kratos, führen immer wieder zum selben Ergebnis- wenn auch jedes Mal in einer völlig anderen Erscheinungsform.
Von der Tyrannis zur Aristokratie, diese zur Timokratie, diese zur Oligarchie/ Plutokratie, hin zur Demokratie und wieder „zurück“ zur Tyrannei.
Die Reihenfolge ist variabel und mischbar, ebenso die Verwendung alternativer Fachbegriffe.
Einer echten Anarchie steht die „Normalität der Angst“ im Wege- also der normale Mensch, der sich selbst als Kreatur begreift. Und ob er hierbei einen „Gott“, oder den „Zufall“ als Kreator sieht, spielt keine Rolle.
Der nächste Akt in diesem „Theaterstück“ ist also konsequenziell, bzw logisch.
Aus der intuitiven Furcht der Masse vor existenzieller Bedrohung entsteht eine entsprechende Realität- sozusagen als Egregor, bzw als „self-fulfilling prophecy.
Diese dann konkrete Angst führt zu Panik, Verzweiflung, Wut und Aggression, sowohl im individuellen, als auch im global-gesellschaftlichen Bereich- und letztendlich zur Akzeptanz eines alternativlosen Heilsversprechens.
Die Erwähnung, dass diese technische „Endlösung“ natürlich schon längst berechnet ist, ist obsolet.
Und langweilig…..
https://www.fr.de/wissen/kriege-krisen-reformen-seit-ueber-100-jahren-erschuettert-nichts-die-vermoegensungleichheit-in-deutschland-zr-94098917.html
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/die-brandmauer-ist-verfassungswidrig-das-volk-gehoert-eingesperrt-oder-wenigstens-ausgetauscht-li.2316624
Solange die Mehrheit der Menschen dieses System entweder unterstützt, ignoriert und oder verleugnet, wird sich nichts ändern.
Nur ein globaler Krieg oder eine globale Katastrophe könnte eine Änderung herbeiführen; und selbst das würde, angesichts Habgier, Dummheit und Nutzlosigkeit der meisten Menschen, nichts nützen.
Ja, die klassenlose Gesellschaft gibt es noch nicht. Auch Leute wie Waldrich werden sie nicht schaffen. Dieser Artikel ist undifferenziert. Er unterscheidet nicht zwischen USA und Deutschland, und nicht zwischen Trump und dem globalistischen Kapitalismus, der die letzten Jahrzehnte Amerika beherrschte.
Zunächst sei bestätigt, dass Trump keine Marionette, sondern ein Selbstherrscher ist, ein Begriff, der sich auf Monarchien bezog, in denen der Monarch selbst herrschte. Wie gelang es einem Außenseiter wie Trump, an die Macht zu kommen, um den Globalismus zu beseitigen, nämlich die Möglichkeit ermangelst Zöllen die Produktion ins Ausland zu verlagern und dann mit Riesengewinnen im Inland zu verkaufen. Das Wirtschaftswachstum betrug dank Zollpolitik unter Trump in den USA zuletzt 4.3 %, bei uns schrumpfte die Wirtschaft weiter. Es gibt eben in den USA direktdemokratische Elemente, zu denen, die Präsidentschaft gehört, und mit dem Sturm auf das Capitol erreichte Trump, dass die Wahl diesmal nicht gefälscht wurde. Ja, es gab in den USA die McCarthy Kampagne, aber sie scheiterte.
In der BRD gibt es keine direktdemokratischen Elemente, die einen Systemwechsel herbeiführen könnten. Bei der repräsentative Demokratie geben die Bürger alle Entscheidungen an die Gewissen von Menschen ab, die keines haben, so dass eine Funktionärsoligarchie entsteht, die wie Pech und Schwefel zusammenhält. Keine reichen Leute, sondern Marionetten, die den Reichen dienen müssen. Das Ganze ist ein Kooptationssystem, das von Parteien gesteuert wird, Es gibt ist keine demokratische Reform von innen, sondern nur die Einführung von inneren und äußeren Notständen. Jetzt gibt es wieder gigantischen Wählerbetrug, keiner will die aktuelle Regierung, und die Einführung von Notständen steht bevor, mit denen die Demokratie ähnlich wie in der Weimarer Republik ausgehebelt werden kann. Demokratisiert kann die BRD nur von außen.
Demokratie und Populismus, ein Wort ist lateinisch und das andere altgriechisch, die Bedeutung in etwa dasselbe.
Demokratie hatten wir in der Brd noch nie. Die gabs aber 40 Jahre in der DDR.
Es kommt nun mal darauf an wem die wichtigsten Produktionsmittel gehören: Privatleuten oder dem Volk.
https://sascha313.wordpress.com/2014/06/17/die-entscheidende-frage-wem-gehoren-die-produktionsmittel/
Wer tatsächlich Demokratie will der wählt keine kapitalistische Partei und geht unbedingt zur Wahl und macht sein Kreuz bei der sozialistischen Partei in der Brd, die DKP. Nichtwähler sind die zweitbesten Helfershelfer des aktuellen Regimes.
Nomineller Besitz bedeutet erstmal noch nicht viel – entscheidend ist, wer über die Verwendung der Produktionsmittel und die Arbeitsbedingungen entscheidet. Insofern war es mit der ‚Demokratie‘ in der DDR leider auch nicht so weit her.