Der „War on Terror“ der Taliban

Taliban-Soldaten
VOA, Public domain, via Wikimedia Commons

Bei ihrem Kampf gegen die afghanische Zelle des „Islamischen Staates“ haben sich die Taliban die Taktiken jener angeeignet, die sie einst bekämpften. Hinzu kommt, dass sie wohl mit regionaler Unterstützung rechnen dürfen.

Es war ein etwas muffig riechender Container, in dem sich Jawed wiederfand, nachdem er von zwei bewaffneten Taliban-Kämpfern mit langem Bart, Turban und Gebetskäppchen im Westen Kabuls verhaftet worden war. Jawed, 28, im letzten Herbst abends zu Fuß unterwegs als er einen der vielen Taliban-Checkpoints der afghanischen Hauptstadt passieren musste. Normalerweise halten die Kämpfer mit ihren Kalaschnikows meist Autos an und kümmern sich nicht um Fußgänger. Doch der Student hatte Pech. Er musste sich ausweisen und wurde gefilzt.

Dann griff einer der Kämpfer nach seinem Smartphone. „Öffne das. Sofort!“, befahl er ihm. „Nein, sicher nicht. Dazu hast du kein Recht!“, antwortete ihm Jawed schroff. Wenige Momente darauf wurde er gepackt, geohrfeigt und in den nebenstehenden Container gebracht. Dieser diente zugleich als Unterkunft und als Gefängnis. Während in einer Ecke Taliban-Kämpfer saßen, Tee tranken und ihren bekannten Kampfliedern, den sogenannten Tarana, lauschten, hielten sich am anderen Ende des Raumes junge Männer auf, die von den Extremisten mit Gewalt festgehalten wurden.

Zurück als Sieger

Jawed war nicht der einzige Inhaftierte. Neben ihm saßen zwei Männer. Sie trugen langes Haar und Bart und starrten grimmig vor sich hin. „Gut, du bekommst noch eine Chance. Öffne dein Telefon“, sagte einer der Taliban-Soldaten zu Jawed und hielt ihm sein iPhone entgegen. Er weigerte sich abermals. „Dann musst du hierbleiben“, meinte der Talib und wandte sich ab. „Hey, schließ dich doch uns an, wenn du auch keine Lust mehr auf die hast“, flüsterte ihm kurz darauf einer seiner beiden Mitgefangenen zu. Sie stellten sich als Mitglieder des „Islamischen Staates in der Provinz Khorasan““ (ISKP), der afghanischen IS-Zelle vor.

Seit nun mehr als achtzehn Monaten regieren die Taliban abermals Afghanistan. Im August 2021 zogen die internationalen Kräfte der NATO unter US-amerikanischer Führung ab, während die Extremisten nach fast zwanzigjähriger Abwesenheit in Kabul einmarschierten und die Macht übernahmen. „Ich habe viele Opfer gebracht, doch nun bin ich als Sieger hier“, meinte damals Ghulam Rohani, hochrangiges Taliban-Mitglied, während der ersten Pressekonferenz der neuen, alten Machthaber. Sie fand im Arg, dem afghanischen Präsidentenpalast, kurz nach der Flucht des letzten Präsidenten der afghanischen Republik, Ashraf Ghani, statt. Die „Opfer“, von denen der Talib sprach, gab es tatsächlich. Er war jahrelang im berühmt-berüchtigten Foltergefängnis auf Guantanamo inhaftiert gewesen – neben Männern, die weder mit den Taliban noch mit Al-Qaida etwas zu tun hatten und meist einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen waren.

Elite-Einheiten der Taliban sehen wie US-Truppen aus

Der Kreislauf der Gewalt wird nun von den Taliban fortgeführt. Vor allem die Afghanen, die damals zu ihrem Sturz beitrugen oder sie in den letzten Jahren bekämpften, sollen dafür jetzt den Preis bezahlen. Deshalb sind die Taliban seit ihrer Rückkehr vor allem mit einer Sache beschäftigt: Dem Wiederaufbau ihres totalitären Emirats, einer Diktatur, in der nur sie das Sagen haben. Wer sich dagegen stellt, wird gejagt, verhaftet, gefoltert oder getötet. „Menschen sitzen aufgrund von Facebook-Kommentaren monatelang im Gefängnis und werden misshandelt“, erzählt Mohammad Nabi aus der Provinz Baghlan. Auch er selbst wird in anderen Landesteilen von den Taliban gesucht. Bis August 2021 diente Nabi, der heute 27 Jahre alt ist und im Untergrund lebt, der afghanischen Armee als Elitesoldat. „Ich habe im Kampf viele Taliban getötet. Man wird mir nicht vergeben“, resümiert er.

Von den Gräueltaten, die sich in den Taliban-Kerkern abspielen, erfuhr er durch einen Nachbarn. Einst war dieser für den NDS (National Directorate of Security), den Geheimdienst der gefallenen Kabuler Regierung tätig. „Heute trägt er Käppchen, Bart und langes Haar und arbeitet für die Taliban“, erzählt Nabi. Der GDI (General Directorate of Security), der mittlerweile berühmt-berüchtigte Geheimdienst der Taliban, ersetzte den NDS kurz nach der Rückkehr der Extremisten. Spätestens seitdem sollte klar sein, dass das Bild des ungebildeten Talibs, der mit Sandalen und Kalaschnikow aus den Bergen heruntergestiegen ist, den heutigen Realitäten nicht entspricht.

Viele GDI-Agenten sind Tech-Freaks, die sich etwa Hacking oder Coding selbst beigebracht haben, während sie dank amerikanischer Serien oder britischer Sachbücher über das Kriegshandwerk auch Englisch gelernt haben. Heute überwachen diese meist jungen Männer nicht nur Soziale Medien wie Facebook oder TikTok, sondern sind auch in der Lage, zurückgelassene US-Datenbanken mit den Personalien afghanischer Soldaten wie etwa Mohammad Nabi auszuwerten. Die Elite-Einheiten der Taliban unterscheiden sich äußerlich kaum mehr von den US-Truppen, die sie einst bekämpften. Ein Grund hierfür ist auch das zahlreiche Gerät des US-Militärs, über das die Taliban verfügen. Im Laufe des Krieges wurde vieles erbeutet. Beim Abzug haben die Amerikaner große Mengen Kriegsmaterial zurückgelassen, das von den neuen Machthabern dankend angenommen wurde. Die Taliban sind weiterhin fanatische Extremisten. Aber sie sind schon längst im 21. Jahrhundert angekommen.

Emirat vs. Kalifat

Seit 2015 ist der sogenannte Islamische Staat auch in Afghanistan präsent. Die ersten IS-Mitglieder waren Taliban-Abtrünnige. Hinzu kamen Extremisten aus Pakistan, die einst den dortigen Taliban, der TTP („Tehrik-e Taliban Pakistan“) angehörten. Die afghanischen Taliban und die TTP verfolgten unterschiedliche Ziele und waren gleichzeitig in komplexer Art und Weise miteinander verwoben. Während Erstere hauptsächlich die NATO und ihre afghanischen Verbündeten bekämpften und dabei unter anderem vom sogenannten Establishment in Pakistan, bestehend aus Militär und Geheimdienst, unterstützt wurden, hatte die TTP den pakistanischen Staat zum Feind erklärt. Obwohl die TTP einst dem Taliban-Führer und Gründer Mullah Omar die Treue geschworen hatte, kam es zu internen Spannungen und Spaltungen, die letztendlich zu einem weitgehenden Zerfall der Terrorgruppe führten.

Dies änderte sich mit der Geburt des IS. Die neue Terrorgruppe brach in Irak und Syrien die Grenzen des modernen Nationalstaates auf und zog damit eine neue Generation von Dschihadisten an. Männer und Frauen, die ihre Zukunft in einem globalen Kalifat sahen, wie es auf der IS-Agenda bis heute steht, und nicht in einem von „Ungläubigen“ kreierten Staat. Dieser Gedanke erschien auch in Afghanistan attraktiv.

Denn was Francois Georges-Picot und Mark Sykes, die Architekten des nach ihnen benannten Sykes-Picot-Abkommen im Nahen Osten waren, war der britische Diplomat Sir Mortimer Durand in Afghanistan. Die sogenannte Durand-Linie, die Afghanistan und Pakistan bis heute voneinander trennt, wurde 1893 von ihm gelegt. Die Grenze, die durch die paschtunischen Stammesgebiete läuft und seit ihrer Ziehung regelmäßig für Probleme sorgt, wird nicht nur von regionalen Nationalisten und Separatisten säkularer Natur abgelehnt, sondern auch von verschiedenen islamistischen Akteuren.

Schiiten und Sufis werden als Ketzer betrachtet

Diejenigen, die sich dem IS in Afghanistan anschlossen, waren nicht nur unzufrieden mit den Taliban, sondern auch deutlich extremistischer. Während die Taliban sich weitgehend als militant-islamistische Nationalisten betrachten, die ein Emirat auf dem Gebiet Afghanistans anstreben, hat der IS eine global-dschihadistische Agenda, die keine nationalen Grenzen kennt. Hinzu kommen theologische Unterschiede. Trotz ihrer extremistischen Ader sehen sich die Taliban als Traditionalisten der hanafitischen Rechtsschule des Islams, der bis heute die meisten Muslime der Welt angehören. Währenddessen sind die IS-Extremisten Salafisten, die viele andere Muslime, darunter vor allem Schiiten und Sufis, als „Ketzer“ oder „Ungläubige“ betrachten und sie deshalb verfolgen.

Afghanistan ist allerdings ein Vielvölkerstaat, in dem unter anderem auch die genannten Konfessionen seit Jahrzehnten und Jahrhundert koexistieren. Die Mehrheit des Landes besteht aus hanafitisch-sunnitischen Muslimen. Viele von ihnen gehören verschiedenen Sufi-Orden an, die seit Jahrhunderten bestehen und teils sehr unterschiedliche Weltanschauungen haben. Sufis gab es nicht nur unter den Mudschaheddin, die einst die Sowjets bekämpften, sondern sogar unter den Taliban. Abu Hanifa, der islamische Theologe, der im 8. Jahrhundert wirkte und nach dem die Rechtsschule benannt ist, stammte ursprünglich aus Kabul.

Die hanafitische Rechtschule gilt in der Verfassung Afghanistans seit ihrem Bestehen als zentrale Doktrin, an der man sich in Rechtsfragen zu orientieren hat. Dieser Grundsatz betraf auch die schiitischen Minderheiten des Landes, was im Laufe der Geschichte immer wieder zu theologischen Konflikten führte. Die afghanischen Salafisten hingegen existieren erst seit einigen Jahrzehnten und fanden vor allem im Laufe des Krieges gegen die Sowjetunion in den 1980er-Jahren Zulauf. Ein Grund hierfür war die Rolle Saudi-Arabiens im Kalten Krieg. Neben den USA, Pakistan oder Westeuropa gehörte die absolutistische Monarchie, die als Geburtsort des Salafismus gilt, zu den wichtigsten Unterstützern der afghanischen Mudschaheddin-Rebellen, die die Rote Armee und ihre Verbündeten in Kabul bekämpften.

Dieser Umstand bedeutet allerdings keineswegs, dass die Mehrzahl der afghanischen Salafisten heute per se IS-Anhänger sind. In den letzten Jahren ließen sie sich auf allen Seiten des Konflikts finden. Einige ihrer prominenteren Führer waren etwa Teil der politischen Elite in Kabul und wichtige Partner des US-Militärs, während die breite Mehrheit zurückgezogen lebte und ihren eigenen Sitten und Bräuchen nachging. Heute ist das anders. „Ich musste meine Dokumente fälschen lassen, damit ich keine Probleme bekomme“, erzählt etwa Noor ul-Hadi aus der östlichen Provinz Nangarhar. Er ist als Rikscha-Fahrer tätig, weshalb er sich oft ausweisen muss. Das Problem: Sein Heimatdorf wurde von den Taliban als Salafistenhort abgestempelt. „Man wird drangsaliert und willkürlich verhaftet. Wir können nicht mal frei beten“, sagt der Dreißigjährige. In einigen Rechtsschulen des Islams weicht die Verrichtung des Gebets leicht von der hanafitischen ab. Dies betrifft auch die Salafisten, die im Gegensatz zu den meisten Afghanen anders beten. Die Taliban nutzen diesen Umstand, um in Moscheen gezielt nach „potenziellen IS-Terroristen“ Ausschau zu halten.

„Wir wollen sie stürzen“

„Der IS ist im ganzen Land aktiv und präsent. Allerdings sind seine Mittel eingeschränkt. Das Hauptinteresse der Gruppierung ist die Diskreditierung der Taliban-Machthaber“, sagt der britisch-afghanische Analyst Ahmad-Waleed Kakar. Er meint, dass die IS-Ideologie bei vielen Afghanen wenig Anklang finden würde. Doch der Antiterrorkrieg der Taliban hat in den letzten Monaten dazu geführt, dass sich weitere Teile der afghanischen Gesellschaft radikalisiert haben. Die Taliban instrumentalisieren ihren Anti-IS-Kampf, um gegen Dissidenten und jeglichen bewaffneten Widerstand rücksichtslos vorzugehen. Die Radikalisierung, die sie damit im Lager ihrer Gegner auslösen, hat nicht nur die salafistischen Gemeinden erfasst, die von den Repressalien betroffen sind, sondern auch die eigenen Reihen. Im vergangenen März wurde Mohammad Daoud Muzammil, der Taliban-Gouverneur der nördlichen Provinz Balkh durch einen Selbstmordangriff getötet. Der Attentäter hatte Zugang zu Muzammils Büro in Mazar-e Sharif. Kurz darauf bekannte sich der IS zum Anschlag. Der getötete Gouverneur war in zahlreichen Anti-IS-Operationen involviert.

Für viele Beobachter ist seitdem klar: Die afghanische IS-Zelle hat das Emirat erfolgreich infiltriert und führt nun gegen das Taliban-Regime den Kampf, den die heutigen Machthaber zuvor zwanzig Jahre lang gegen die afghanische Republik geführt haben. „Wir wollen sie stürzen. Das sind keine Muslime, sondern nationalistische Fanatiker, die andere Muslime verraten“, sagte der IS-Kämpfer, der mit Jawed im Container saß. Er sah sich schon bald in Freiheit und schwadronierte davon, dass seine Gruppierung im gesamten Land Anhänger habe, die man zu mobilisieren wisse. Jawed selbst wurde nach einer Nacht im Container entlassen. „Sie merkten wohl, dass ich nur ein einfacher Student war“, erinnert er sich heute. Was aus den gefangenen IS-Kämpfern geworden ist, weiß er nicht.

Afghanistan wird wohl von einer neuen Welle des Extremismus heimgesucht werden. Besorgt darüber sind nicht nur viele Menschen im Land, sondern auch die regionalen Akteure. Der IS soll auch Extremisten aus den Nachbarstaaten Tadschikistan und Usbekistan anziehen, wo autoritäre Diktaturen herrschen. Der Magazin Overton wurde von einem Mitarbeiters des Taliban-Außenministeriums, der anonym bleiben möchte, bestätigt, dass auch Russland betone, es betrachte die IS-Präsenz in Afghanistan als Risikofaktor, und dass es deshalb entschlossene Abwehrmaßnahmen von den Taliban fordere.  Auch China, dessen Bürger bereits zum Ziel von IS-Anschlägen in Kabul geworden sind, zeigt sich beunruhigt.

Nationalisten oder Islamisten: Die Taliban müssen sich entscheiden

Als Grund für die Angriffe, die als „Racheakte“ bezeichnet wurden, gilt das repressive Vorgehen Chinas gegenüber den muslimischen Uiguren in Xinjiang. „All dies wird dazu führen, dass zumindest einige dieser Akteure die Taliban in ihrem Antiterrorkrieg in irgendeiner Art und Weise unterstützen werden. Die Frage ist allerdings, ob eine solche Hilfe von den Taliban auch angenommen wird“, meint Ahmad-Waleed Kakar. Eine solche Kooperation würde nämlich den IS-Propagandisten, die die Taliban regelmäßig als Marionetten ausländischer Kräfte bezeichnen, in die Hände spielen. „Aus Sicht des IS haben die Taliban ihre pan-islamistischen Ideale verraten, als sie mit der Trump-Administration den Deal unterzeichneten, der zum Abzug der US-Truppen führte,“, fährt Kakar fort. Diese Analyse wird auch von anderen Beobachtern schon seit längerem gemacht. „Die Taliban müssen sich irgendwann entscheiden, ob sie Nationalisten oder Islamisten sein wollen. Beides wird auf Dauer nicht gut gehen und sie vor allem auf der global-dschihadistischen Bühne in die Bredouille bringen“, meinte der bekannte afghanische Taliban-Kenner Waheed Mozhdah, der 2019 in Kabul ermordet wurde, bereits vor Jahren.

Diese Entscheidung wurde womöglich schon getroffen. Im August vergangenen Jahres wurde Al-Qaida-Führer Ayman az-Zawahari mittels einer neuen US-Drohnentechnologie in Kabul getötet. Die einstige Nummer Zwei hinter Osama bin Laden soll sich nach der Rückkehr der Taliban in der afghanischen Hauptstadt in Sicherheit gewähnt haben – und wurde wahrscheinlich vom eigenen Gastgeber verraten. Ohne Mithilfe der Taliban wäre die gezielte Ermordung des Terrorchefs nicht möglich gewesen.

Ob die Tötung az-Zawahiris tatsächlich den Bruch zwischen den Taliban und dem internationalen Dschihadismus darstellt, bleibt allerdings weiterhin unklar. Klar ist hingegen, dass seit geraumer Zeit ein Flügelkampf zwischen Moderaten und Hardlinern in den Reihen der Taliban stattfindet. Erstere wollen mit den USA und der Welt kooperieren und haben wahrscheinlich auch das Versteck das Qaida-Chefs preisgegeben, während Letztere nicht nur von ihrer Ideologie überzeugt sind, sondern einen Zerfall der Gruppierung aufgrund von Meinungsverschiedenheiten befürchten. Aus Sicht der Taliban würde dieses Worst-Case-Szenario nicht nur den Machtverlust bedeuten, sondern auch einen neuen Krieg mit offenem Ende. Denn noch werden interne Streitigkeiten nur mit Worten und nicht mit Waffen ausgetragen.

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16 Kommentare

  1. Afghanistan seit 1978 im Krieg nur unterbrochen und abgelöst von Inneren Bürgerkriegen. Vielleicht ist einfach die Friedens-Fähigkeit nach 55 Jahren Terror Ausgerottet worden!

    1. Sie haben alle aus ihrem Land vertrieben ob die Briten, die Russen 2 mal, die Amis und die Deutschen.

      Quelle: https://www.planet-wissen.de/kultur/naher_und_mittlerer_osten/afghanistan/index.html
      „Ein alter asiatischer Spruch lautet: „Wenn Gott eine Nation bestrafen will, dann lässt er sie in Afghanistan einmarschieren.“ Und tatsächlich: Afghanistan erlebte im Laufe seiner Geschichte immer wieder Invasionen.“

      „1838 stritten sich bereits die russischen und britischen Kolonialmächte um das strategisch wichtige Land, über das man einen Zugang zum Indischen Ozean erreichen wollte – eine wichtige Handelsroute.“

      „Es folgten drei blutige anglo-afghanische Kriege, die mit einer Niederlage für die Briten und 1919 mit der Unabhängigkeit für Afghanistan endeten. Seit dem ersten britisch-afghanischen Krieg heißt die Gegend „Graveyard of the Empires“ – Friedhof der Großmächte.“

      1. Das schlimme an diesem ‚Graveyard‘ ist, das die komplette Hirnwäsche tatsächlich funktioniert bis zum heutigen Tag. Die erzeugte Not findet immer ihre Sympathisanten, Geld macht geil zum töten.

    2. „Afghanistan seit 1978“

      Die Durand-Linien wurde 1893 von den Briten gezogen.

      Mich stört, dass Herr Feroz seine Islamisten-Erzählung wieder und wieder bei der sowjetischen Besatzungszeit beginnen lässt. Das läuft dann ähnlich wie die Nato-Erzählungen hier bei uns: Der Russe hat die Krim annektiert.

      Dem Leser fehlen wichtige Teile der Vorgeschichte.

      Der König wurde 1973 von seinem Vetter geputscht. Der rief die Republik aus. Meiner Meinung nach kein Fehler.

      Dann erfolgte schon 1974 ein Putschversuch des Islamisten Gulbuddin Hekmatjar. Kein sowjetische Unterstützung. Keine von der CIA.

      Die Radikalisierung begann meiner Meinung nach mit der Ermordung des Parteiführers Chaiber 1978. Das waren auch nicht die Sowjets. Es folgt aber ein Putsch, dessen Folgeregierung von den Sowjets schnell anerkannt wird, was dann die „Rettungsfront“ und deren Kampf gegen die „Roten in Kabul“ ins Leben ruft, und die schrittweise Eskalation, eben mit Hilfe zuerst der verdeckt arbeitenden CIA, die damals überall ihren Eindämmungskampf gegen den Kommunismus kämpfte, wenig später dann durch das bekannte US-Programm Operation Cyclone.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Cyclone
      Operation Cyclone ab Sommer 1979
      Sowjettruppen ab Dezember 1979
      Rein zeitlich betrachtet, waren die Sowjettruppen eine Reaktion auf die islamistische, von der CIA unterstütze Konterrevolution.

      Ich denke allerdings, es wäre schlich mühsamer, nennenswert Bücherleser zu finden, wenn man davon abrückt, jedes Mal die Sowjets ans „Die Sowjets sind schuld, an der afghanischen Tragödie“-Scheunentor zu nageln.

      Hätte sich die CIA rausgehalten, wäre es wie die Jahrhunderte zuvor auch gelaufen, die innerafghanischen Gruppen hätten sich so lange gekloppt, bis ihnen die Puste ausgeht. Letztlich hätten Faktoren wie die in Aussicht stehenden Frauenrechte die Hälfte der Bevölkerung überzeugen können. Die in Afghanistans bis heute so arg fehlende Modernisierung hätte das Resultat sein können.

      So aber lief es wie 2011-15 in Syrien. Das ausländische Geld und die Waffenhilfe erschufen die Möglichkeit eines Kriegerdaseins. Das sich ausbreitende Chaos und immer mehr Geld lockten dann schnell kampfwillige Islamisten aus aller Welt an, die alle ihr Auskommen finden konnten, weil das ausländische Geld in immer breiteren Strömen ins Land floss.

      1. „Operation Cyclone ab Sommer 1979
        Sowjettruppen ab Dezember 1979
        Rein zeitlich betrachtet, waren die Sowjettruppen eine Reaktion auf die islamistische, von der CIA unterstütze Konterrevolution.“

        Den verlinkten Wikipedia-Artikel auch tatsächlich gelesen?

  2. „Erstere wollen mit den USA und der Welt kooperieren und haben wahrscheinlich auch das Versteck das Qaida-Chefs preisgegeben“
    Dann schließe ich daraus, das immer noch ‚Intelligente‘ vor Ort sind.
    Vor ein paar Tagen gab es auch Grenzprobleme zum Iran wegen einem ‚Wasservertrag‘ von vor zig Jahren. Wilde Schießereien und zig tote.

  3. Jetzt wird unsere Freiheit seltsamerweise nicht mehr am Hindukusch verteidigt, im Gegenteil, Baerbock holt den Hindukusch nach Deutschland. Für jede Familie, die einen geliebten Menschen verloren hat und für jeden deutschen Soldaten, der dort verletzt wurde oder sein Leben riskiert hat, ist das eine Ohrfeige mitten ins Gesicht. Sie haben deutsche Soldaten in einen sinnlosen Konflikt geschickt, jeder, der dafür gestimmt hat, gehört lebenslang in den Knast und deren Parteien sind als terroristische Vereinigungen zu verbieten. Sie haben Menschen getötet, auch wenn sie nicht selbst abgedrückt haben. Als Abgeordnete sind sie für das Leben der Soldaten verantwortlich.

    Warum macht da niemand etwas? Wo ist da der Verfassungsschutz? Wo sind da die Staatsanwälte? Wo ist da die Opposition? (die nicht dafür gestimmt hat) Wo ist da der Rechtsstaat? Was soll das für eine Demokratie sein?

    1. Sie haben deutsche Soldaten in einen sinnlosen Konflikt geschickt

      Da es in Deutschland keine Wehrpflicht gibt ist jeder deutsche Soldat dort freiwillig gewesen. Außerdem gilt Art. 12
      GG

      Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.

    2. „Jetzt wird unsere Freiheit seltsamerweise nicht mehr am Hindukusch verteidigt, im Gegenteil, Baerbock holt den Hindukusch nach Deutschland. Für jede Familie, die einen geliebten Menschen verloren hat und für jeden deutschen Soldaten, der dort verletzt wurde oder sein Leben riskiert hat, ist das eine Ohrfeige mitten ins Gesicht.“

      Das ist natürlich Propagandaunsinn. Das Gegenteil ist der Fall. Die so genannten Ortskräfte kommen nur kleckerweise, gegenwärtig gibt es einen Kontrollstopp.
      Und was die so genannte „Ohrfeige mitten ins Gesicht“ – wie soll das denn gehen? – angeht, geh mal auf Jung und Naiv und höre dir an, was die Bundeswehrsoldaten zu dem Thema zu sagen haben. Es war ein privater Verein aus Bundeswehrsoldaten, der Kontrakt zu den Ortskräften gehalten hat. Die Bundeswehr ist auf Distanz gegangen.

  4. Gewisse Zweifel sind angesagt: die Taliban verkaufen ihre Gewaltakte als Kampf gegen den IS. Alle sind demnach mit der Taliban-Regierung zufrieden und die, die es nicht sind, sind die vom IS. Anrainer und der Westen klopfen den Taliban auf die Schulter und finden das prima. Indes muss ich schon feststellen: es gibt auch andere Gründe, um im Talibanstaat nicht zufrieden zu sein.

    Al Quaida und IS sind sich ideologisch ähnlich, der Unterschied liegt in der militärischen Vorgehensweise: Al Quaida pflegt einen Hit-and-Run Terrorismus, während der IS versucht, ein zusammenhängendes Gebiet zu erobern und zu halten. Das aber ist nicht zu sehen, sie beherrschen keinen einzigen Quadratkilometer. Stattdessen sollen sie nun plötzlich zu einem verteilten Partisanenkampf in der Lage sein. Die Zweifel mehren sich.

    Bei Salafisten denkt man unweigerlich an Saudi-Arabien. Die Saudis aber unterstützen den IS mit Sicherheit nicht, denn der Sturz der Königsfamilie Saud ist eins der wichtigsten Ziele des IS. Für sie ist es unzumutbar, dass dort eine weltliche Familie regiert und nicht ein Kalif.

    Auch sonst kann ich mir nicht vorstellen, dass irgend jemand von außen den IS unterstützt. Ausnahmsweise auch nicht die USA. Diese Unterstützung aber bräuchten sie, wenn sie so gefährlich sein sollen, wie behauptet.

    Irgendwie muss ich schon warnen, ausgerechnet den Taliban ihre Märchen ungeprüft zu glauben.

    1. „Gewisse Zweifel sind angesagt“

      Sehe ich auch so.

      Die Taliban hatten vor dem Einmarsch der USA 2001 aber tatsächlich überwiegend die Macht und haben sie danach wieder.

      Bei Herrn Feroz habe ich immer den Eindruck, dass er die Mudschaheddin bevorzugt, die sich in ihrem Islamismus aber eigentlich nur dadurch unterscheiden, dass sie eine viel länger Tradition haben.

      Es scheint zu stören, dass die heutigen Taliban anders als die von 2001 englisch lesen und sprechen und Computer-Spezialisten sind, die mit US-Datenbanken hantieren.

      Mit dem Rekurs auf die sowjetische Besatzungszeit wird das Kunststück versucht, den Umstand, dass die heutigen Taliban mit US-Equipment arbeiten zu entschulden.

      Auch der Verweis auf die Uiguren darf nicht fehlen. Worin die Unterdrückung dieser genau besteht, ist nicht mal angedeutet. Bei Ulf-Röller-Produkten darf man lernen, das wenn während der chinesischen Einkindpolitik Frauen von ethnischen Minderheiten zwei Kinder bekommen durften, das als Unterdrückung zu gelten hat. Man kann vermuten, dass nach mehreren Adrian-Zenz-Kampagnen die Unterdrückungs-Erzählung überall so gut sitzt, dass es genügt von „der Unterdrückung“ zu schreiben.

      Mich gruselt wenn ich lese, dass die USA für die Taliban womöglich eine „Entscheidung“ getroffen hätten, als sie Ayman az-Zawahari mittels einer neuen US-Drohnentechnologie in Kabul getötet hätten. Diese Technologie ist eine Rakete, die am Ziel nicht explodiert, sondern bei Auftreffen etliche Messer ausklappt und schnell rotiert. so dass alles im Meterumkreis zu Hasche zerkleinert wird.
      https://www.google.com/search?q=Aiman+az-Zawahiri+Messer-Rakete

      Telematische Schwert-Exekution à la US.

  5. Der Krieg gegen den Terror!
    Achtung panzerhaubitze:
    „eine in Deutschland hergestellte Panzerhaubitze 2000 sowie Haubitzen vom Typ Msta-B und D-30 zerstört worden“ (aus dem liveticker RT)
    Deine selbst viel gepriesene ‚Neutralität‘ , wurde zerstört.

  6. Zunächst einmal danke, dass Emran Feroz über diesen vergessenen Konflikt berichtet – es ist doch überaus peinlich für den Wertewesten, dass er diejenigen im Stich läßt, die geglaubt haben, dass ihr Leben besser wird – die USA hat diese Menschen, ebenso wie die NATO-Staaten, verraten, und unsere „Nibelungentreue“ gegenüber diesem Verrat der US-AmerikanerInnen wird deswegen noch unverständlicher.

    Mehr nicht dazu, nur, dass ich sehnsüchtig auf eine 2te Auflage des Buches von Emran Feroz, wenn nicht sogar ein neues Buch, wo der ganze Verrat derjenigen ans Licht kommt, die die afghanische Normalbevölkerung wieder den islamistischen Taliban ausgeliefert haben……

    Danke, dass es diese Stimme noch gibt, in unserer schnelllebigen Zeit, und man sollte auch in der Ukraine dran denken wie schnell „Der große Bruder“ in Washington einen Staat, trotz aller, oder gerade wegen aller, vollmundiger Versprechungen von „blühenden Landschaften“ und einer westlichen Demokratie – mit Frauenrechten und pipapo – fallen läßt, wenn der „Große Bruder in Washington“ kein Interesse mehr dran hat.

    Zynische Grüße
    Bernie

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