Das Ende der Eiszeit zwischen Saudi-Arabien und dem Iran

Qom, Iran
Bild: mostafa_meraji, via Pixabay License

Saudi-Arabien und der Iran nähern sich an: Ein cleverer chinesischer Schachzug und eine neue Lage für „den Westen“.

Am 10. März 2023 haben die Außenminister Irans und Saudi-Arabiens, Ali Schamchani und Musaed bin Muhammad Al-Aiban, unter der Vermittlung Chinas in Peking vereinbart, das Verhältnis der beiden Länder auf eine neue Basis zu stellen und innerhalb der nächsten zwei Monate wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen.

In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die Frage, welche Absichten China mit der Übernahme der Vermittlerrolle verbindet, sondern auch, wie diese neue Situation aus westlicher Sicht zu beurteilen ist

Die beiden Regionalmächte und ihre wesentlichen Interessenkonflikte

Das bisherige Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien war im Wesentlichen von folgenden Aspekten, Differenzen und Streitigkeiten geprägt:

Die größten Anrainer-Staaten des Persisch-Arabischen Golfes, Saudi-Arabien und der Iran befinden sich in einem direkten Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft in der Region. Das Königreich ist als Bewahrerin der Heiligen Stätten Mekka und Medina die dominierende sunnitische Macht am Golf, während der Iran weltweit und einzigartig sozusagen die Mutter aller Muslime schiitischen Glaubens ist.

Das Verhältnis zwischen den beiden muslimischen Staaten veränderte sich grundsätzlich nach dem Sturz des Schahs und der Umwandlung Persiens in den islamischen Gottesstaat Iran 1979 durch den Revolutionsführer Ayatollah Khomeini. Diese zunächst religiös begründete Rivalität verschärfte sich entscheidend 1987 als 400 schiitische Pilger aus dem Iran bei dem Hadsch in Mekka ihr Leben verloren und die weitere Teilnahme iranischer Pilger für drei Jahre untersagt wurde. Imam Khomeini verkündete damals vor der ganzen Welt, “that he would never forgive the Saoud ruling family“.

2016 wurden der schiitische Prediger Nimr al-Nimr und andere schiitische Geistliche in Saudi-Arabien hingerichtet. Daraufhin stürmten aufgebrachte Iraner die saudische Botschaft in Teheran und setzten diese teilweise in Brand. Es kam zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. In ihrem politisch-religiösen Bestreben die Region zu dominieren, stehen die beiden Staaten de facto in allen Konflikten der Region auf der jeweils anderen Seite. In dem von Saudi-Arabien 2015 vom Zaun gebrochenen Bürgerkrieg im Jemen unterstützt Riad die rechtmäßige Regierung von Maeen Abdul Malek und des Leiters des präsidialen Führungsrates  Rashad al-Alimi, die sich mit der Regierung im saudischen Exil befinden, während der Iran –wenn auch nicht offiziell – auf der Seite der rebellierenden Huthis steht, die ihre Raketen auch immer wieder auf saudisches Territorium abschießen.

Nach dem völkerrechtswidrigen Krieg der USA gegen den Irak, in dem der sunnitische Herrscher Saddam Hussein gestürzt wurde, ist der Iran zum engsten Verbündeten der nunmehr schiitischen Regierung des Iraks geworden, was in Riad ein ständiger Anlass zur Sorge ist. Im Libanon sieht sich der sunnitische und von Saudi-Arabien gestützte Premierminister Nadschib Miqati nicht nur einer mittlerweile mehrheitlich schiitischen Bevölkerung gegenüber, sondern befindet sich in einem Dauerkonflikt mit der Hisbollah, die eng verbündet ist mit dem Iran und als stärkste politische und vor allem auch militärische Kraft des Libanons zwangsweise an der Regierung beteiligt werden muss.

In Syrien bemüht sich der alawitische und damit religiös den Schiiten nahestehende Präsident Bashar al-Assad zwar um ein gutes Verhältnis mit Saudi-Arabien, dürfte sich aber wohl darüber im Klaren sein, dass die jahrelange CIA-Operation “Timber Sycamore“, die seinen Sturz zum Ziel hatte oder vielleicht immer noch hat, zu einem großen Teil von Saudi-Arabien finanziert war/wird. Sie ist Teil der amerikanischen Doppelstrategie in Syrien.

Der Iran steht seit 2011, dem Beginn der Auseinandersetzungen, eindeutig auf der Seite des syrischen Herrschers und unterstützt diesen, in einem engen Bündnis mit der Hisbollah, durch iranische Milizen und die Pasdaran, die Revolutionsgarden Teherans. Es gibt Hinweise, dass auch reguläre iranische Soldaten an der Seite der syrischen Armee kämpfen. Ohne die Unterstützung Russland und des Irans wäre Assad bereits vor Jahren gestürzt worden, während er heute mit Hilfe dieser, seiner wichtigsten Verbündeten den größten Teil Syriens wieder kontrolliert.

Last but not least gibt es zwischen dem Iran und Saudi-Arabien auch noch einen Interessenkonflikt in Bahrain, wo Riad behauptet, Teheran würde die schiitische Bevölkerungsmehrheit zum Sturz des sunnitischen Herrscherhauses anstiften, während Iran Saudi-Arabien vorwirft, den selbst ernannten König von Bahrain, Hamad bin Isa Al Chalifa, dabei zu unterstützen, eben diese schiitische Mehrheit zu unterdrücken und politisch und gesellschaftlich nicht zu beteiligen.

Die USA und ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien und Teheran

Neben den wesentlichen Interessenkonflikten zwischen den beiden Regionalmächte spielen natürlich auch ihre Beziehungen zu den USA eine wichtige Rolle.

Der britische Rückzug “östlich von Suez” ab 1966 konfrontierte die USA mit einer völlig neuen Lage, weil sie durch den Abzug der britischen Truppen praktisch keine militärischen Verbündeten mehr in der Region hatten und das auf der Höhe des Kalten Krieges mit der Sowjetunion auf der einen Seite und dem Vietnamkrieg andererseits.

Das erforderte für die US-Regierung unter Präsident Nixon die Entwicklung eines völlig neuen sicherheitspolitischen Konzeptes für die Region – und war letztlich die Geburtsstunde der sogenannte “Twin Pillar Strategy”. Die eine Säule wurde der Iran unter dem westlich orientierten Schah und die zweite Saudi-Arabien unter seinem damaligen Herrscher König Faisal.

Beide Staaten wurden von den USA in der Hauptsache durch massive Waffenlieferungen unterstützt, und in Saudi-Arabien wurden zusätzlich amerikanische Militäreinrichtungen geschaffen und US-Soldaten stationiert. Diese Strategie funktionierte bis zur iranischen Revolution 1979, in der die eine Säule mit der Geiselnahme amerikanischer Staatsbürger in der US-Botschaft in Teheran umgehend und vollständig zusammenbrach.

Diese Geiselnahme war der Beginn einer ausgesprochen emotionalen Beziehung zwischen den USA und Teheran. Praktisch bis zum heutigen Tag versuchen die USA, auch wenn Washington das offiziell bestreitet, einen ihrer “berüchtigten Regime Changes” im Iran durchzusetzen. Vor allem durch immer schärfere Sanktionen wollte und will man auch über innenpolitischen Druck erreichen, dass die iranische Bevölkerung sich gegen das System auflehnt. Inwieweit die aktuellen Demonstrationen im Iran von den USA beeinflusst werden, ist bislang nur eine Vermutung.

Das einseitige Aufkündigen des Atomvertrags durch die USA hat das Verhältnis schwer belastet und dazu geführt, dass der Iran sich nicht mehr an die Auflagen Vertrags gebunden fühlt. Die Absicht der USA, den islamischen Staat als Ganzes in der westlichen Staatengemeinschaft zu isolieren, scheint – zumindest teilweise –, Erfolg zu haben. Allerdings mit der Konsequenz, dass sich der Iran deshalb zunehmend in Richtung Russland orientiert und Moskau z.B. in seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützt. Neben Sanktionen kam es auch zu Gewaltaktionen wie z. B. der Liquidierung des iranischen Generals Suleimani durch eine amerikanische Drohne bis hin zum Abschuss einer amerikanischen “Global Hawk”-Drohne durch die iranische Luftverteidigung. Es herrscht quasi bis heute auf allen Ebenen ein unerklärter Krieg zwischen den USA und dem Iran.

Washington versuchte 1979 den Ausfall des ehemaligen Verbündeten Iran durch verstärkte Waffenlieferungen an Saudi-Arabien auszugleichen und darüber hinaus mit Hilfe Israels zu kompensieren, musste aber erkennen, dass dies wegen der Differenzen Jerusalems mit den arabischen Staaten letztlich keine Lösung war. So setzte man auf den irakischen Herrscher Saddam Hussein und unterstützte diesen in seinem Krieg gegen den Iran. Mit dem Überfall Saddam Husseins auf das Emirat Kuwait brach 1990 auch diese “Ersatz-Säule” zusammen. Das war de facto das endgültige Ende der “Twin Pillar”-Strategie. Der völkerrechtswidrige Krieg der USA gegen den Irak belastet das Verhältnis zu den arabischen Staaten immer noch, wenn auch nicht ganz so entscheidend wie die einseitige Politik Washingtons gegenüber Israel.

Die US-Regierung von Präsident Biden schien Saudi-Arabien – unter anderem wegen Riads Krieg im Jemen und der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi – zunächst nicht mehr vorbehaltlos zu unterstützen. Das änderte sich aber im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. So war der Besuch des US-Präsidenten im Sommer 2022 der Versuch, das Verhältnis zu Saudi-Arabien auf eine neue Basis zu stellen, muss aber letztlich als gescheitert angesehen werden. Dem Wunsch Präsident Bidens, die Ölförderung wegen der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energiekrise zu steigern, wurde nicht entsprochen. Stattdessen wurde bekannt, dass Saudi-Arabien billiges russischen Erdöl für den heimischen Bedarf importiert und das eigene wesentlich teurere Öl auf dem Weltmarkt verkauft.

Trotzdem erklärte der US-Präsident auf dem Gipfel des Golfkooperationsrates im Juli 2022: „Lassen Sie mich klar sagen, dass die Vereinigten Staaten ein aktiver, engagierter Partner im Nahen Osten bleiben werden. Wir werden nicht weggehen und ein Vakuum hinterlassen, das von China, Russland oder dem Iran ausgefüllt wird.” Ob diese Aussage auch den Vorstellungen der Saudis entsprach, sei dahingestellt.

Nicht zuletzt die Entwicklungen in den Beziehungen zu den USA scheinen in Teheran und Riad zu der Erkenntnis geführt zu haben, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, ihr bilaterales Verhältnis auf eine neue Basis zu stellen und damit die Abhängigkeit von Washington zu verringern.

Ende der Eiszeit zwischen Saudi-Arabien und Iran?

Vor diesem Hintergrund entwickelten Riad und Teheran eine Initiative, die im Oktober 2019 im saudischen Jidda begonnen hatte. Damals trafen sich der damalige pakistanische Premierminister Imram Khan und der saudische Kronprinz, Mohammed Bin Salman (MBS), der de facto Herrscher Saudi-Arabiens. In diesem Gespräch soll der Kronprinz den pakistanischen Premier mit den Worten “I want to avoid war” gebeten haben, mit dem Iran zu sprechen.

Wenige Tage später traf sich Imram Khan am Rande der UN-Vollversammlung mit dem damaligen iranischen Präsidenten Rohani. Dieser wandte sich später in seiner Rede vor der UN Vollversammlung an die arabischen Staaten mit den Worten: “It´s the Islamic Republic of Iran who is your neighbour“, und er ergänze in Richtung Amerika: “At the day of an event you and us will be alone. We are each other´s neighbours, not America.”

Wenige Tage nach dem pakistanischen Regierungschef besuchte der damalige irakische Premierminister Adel Abdul Mahdi Saudi-Arabien und sprach mit MBS ebenfalls über das Verhältnis Saudi- Arabiens zum Iran und erklärte nach seiner Rückkehr vor Journalisten in Bagdad: ” There is a big response from Saudi Arabia and from Iran…and I think that these endeavors will have a good effect.” Die Antwort gab wenige Tage später Ali Larijani, der damalige Sprecher des iranischen Parlaments: “Iran is open to starting a dialogue with Saudi Arabia and other countries in the region. An Iranian-Saudi Dialogue could solve many of the region´s security and political problems.”

Danach hatte man lange nichts mehr über die Entwicklung der Beziehungen zwischen Teheran und Riad gehört, wahrscheinlich, weil die Diskussion über den iranischen Atomvertrag die Schlagzeilen beherrschte. Erst 2021 wurde bekannt, dass es am 9. April in Bagdad unter Vermittlung des damaligen irakischen Premierministers Mustafa al Kadhimi ein Treffen zwischen hochrangigen Delegationen der Geheimdienste und Außenministerien aus Teheran und Riad gegeben hat, das nur eine Woche später fortgesetzt werden sollte. Nach einer Quelle, die nicht genannt werden wollte, soll Hauptthema die Wiederaufnahme der 2016 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen und die Wiedereröffnung der Botschaften und Konsulate gewesen sein.

Nachdem die Thematik, nicht zuletzt wegen des Ukraine-Krieges, aus den Schlagzeilen verschwunden war, weiß man jetzt, dass die positive Entwicklung der Beziehungen zwischenzeitlich offensichtlich weitergegangen war und mit der Vereinbarung von Peking zu einem konkreten Ergebnis gekommen ist, das aber durch die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen quasi noch offiziell bestätigt werden muss.

Welche konkreten Veränderungen könnten sich in der Region durch das neue Verhältnis zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ergeben?

Die für die betroffenen Menschen wichtigste Konsequenz aus der Normalisierung der Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien könnte eine Beendigung des seit fast acht Jahren andauernden Kriegs im Jemen sein, einem Krieg mit Millionen von Toten in einem Land, in dem die Bevölkerung entsetzlich unter Hunger und fehlender medizinischer Versorgung leidet. Entscheidend wird dabei sein, dass der Iran die Huthis dazu bringt, Verhandlungen zu akzeptieren und dass auch die Verbündeten Saudi-Arabiens, nämlich Ägypten, Bahrain, Jordanien, Marokko. Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch der Sudan die Regierung Saudi-Arabiens dabei unterstützen, zunächst einmal den im Oktober 2022 nicht verlängerten Waffenstillstand wieder einzuhalten.

Der zweite Krisenherd, der ganz wesentlich von den Spannungen zwischen Teheran und Riad bestimmt wird, ist der Libanon. Hier kommt es vor allem darauf an, dass Teheran seinen Einfluss auf die Hisbollah dafür nutzt, sich konstruktiv an einer stabilen Regierung zu beteiligen und der Iran und Saudi-Arabien auf die Schiiten und Sunniten im Libanon einzuwirken, das aktuelle politische und in seiner Folge wirtschaftliche Chaos im Land zu beenden.

Der dritte „Kriegsschauplatz“, auf dem Iran und Saudi-Arabien auf der jeweilig gegnerischen Seite stehen, ist Syrien. Iran hat bislang die Kämpfer der schiitischen Hisbollah unterstützt und zusätzlich durch den Einsatz von Kräften der Revolutionsgarden und mit Hilfe russischer Luftunterstützung den Sturz des syrischen Präsidenten verhindert. Auf der Gegenseite hat Saudi-Arabien über Jahre die verdeckte Operation der CIA „Timber Sycamore“ unterstützt, die das Ziel eines Regime Change in Damaskus hatte oder vielleicht immer noch hat, obwohl Washington behauptet hat, sie sei beendet.

Sollten sich der Iran und Saudi-Arabien darauf einigen, diese Krisenherde nicht nur zu entschärfen, sondern die Auseinandersetzungen wirklich zu beenden, so hätte das wohl nur dann Erfolg, wenn Washington diese Bemühungen unterstützt und in Bezug auf den Libanon und Syrien auch Israel in eine Lösung einbindet.

Das veränderte Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und Iran und die Konsequenzen für die USA

Diese fundamentale Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die einmal die Stützen der US-Politik in der Region waren, wird in den USA sicherlich mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen, vor allem, weil eine damit verbundene Distanzierung gegenüber den USA nicht zu übersehen war.

Der damalige amtierende Präsident des Iran, Hassan Rohani, hatte es vor der UN-Vollversammlung auf den Punkt gebracht, in dem er sagte: ” It´s the Islamic Republic of Iran who is your neighbour and at the day of an event you and us will be alone. We are each other´s neighbours, not America.”

Zu dieser Einsicht scheint man auch in Riad gekommen zu sein, und dies könnte die Basis für ein neues Verhältnis zwischen den beiden Ländern sein. Die Vision der USA eines “New Middle East” ist zerplatzt, und die Folge ist eine völlig destabilisierte Region, in der die Staaten jetzt offensichtlich die Gestaltung ihrer Zukunft selbst in die Hand nehmen. Ein erster Schritt dazu ist das Beenden einer Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft in der Region. Damit stoppen sie die Verschwendung von Ressourcen und reduzieren gleichzeitig die amerikanische Dominanz. Um ein offizielles Scheitern ihrer bisherigen Strategie zu vermeiden, setzen die USA jetzt offensichtlich auf “interne Problemlösung” durch die Staaten der Region, bei der Iran und Saudi-Arabien eine Schlüsselrolle zukommt.

Washington verlangt einen Stopp des Bürgerkriegs im Jemen, der aber nur in enger Abstimmung zwischen Teheran und Riad zu erreichen ist. Dasselbe gilt für den Irak, den die USA zerstört haben, für dessen Zukunft Washington aber offensichtlich ein Konzept fehlt.

Die zurzeit auf Eis liegenden Verhandlungen über den Atomvertrag mit dem Iran könnten einen positiven Impuls bekommen, wenn Saudi-Arabien sich von Teheran nicht mehr bedroht fühlt. Gleichzeitig dürfte Washington allerdings nicht der Versuchung unterliegen, weiterhin auf die Kassandra-Rufe des erneut wiedergewählten Premierministers Netanjahu zu hören.

Was Syrien angeht, muss Washington sein doppeltes Spiel aufgeben und gemeinsam mit Assad, Russland, Saudi-Arabien und Iran eine Zukunftsperspektive entwickeln. Dazu gehört sicherlich auch der Abzug der völkerrechtswidrig stationierten amerikanischen Truppen aus der Öl-Region im Nordosten Syriens. Darüber hinaus wäre Washington gut beraten, sich am Wiederaufbau des auch von amerikanischen Streubomben zerstörten Jemen zu beteiligen und sich auch im Libanon mit umfangreicher Wirtschaftshilfe zu engagieren.

Chinas Engagement bei der Aussöhnung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran

Die USA sollten sich bei der Stabilisierung der genannten Krisenherde auch im eigenen Interesse engagieren, allerdings nur in enger Abstimmung mit den jeweiligen Regierungen und sich immer darüber im Klaren sein, dass China und auch Russland keine „selbstlosen Ziele“ verfolgen.

Ein Blick auf die Landkarte zeigt, welche Vorteile China z.B. in einer engeren Zusammenarbeit mit dem Iran hat, nachdem Peking erst im Januar dieses Jahres ein umfangreiches Abkommen mit den Taliban in Afghanistan geschlossen hat, einem Land, das im Westen eine 950 km lange Grenze zum Iran hat. Dabei spielt vor allem die weitere Realisierung der chinesischen „Belt and Road Initiative“ (BRI), als Nachfolgerin des Konzeptes der Seidenstraße eine wichtige Rolle.

Diese Überlegung gilt auch für Saudi-Arabien, das ja die Gegenküste des Iran am persisch-arabischen Golf beherrscht: Wenn es Peking gelingt, in einem von Iran und Saudi-Arabien stabilisierten Jemen Einfluss zu gewinnen, hätte China nicht nur Zugang in Richtung der Ostküste Afrikas, sondern über die Straße von „Bab al Mandab“ eine mögliche Nutzung von zehn jemenitischen Häfen zum indischen Ozean und durch das Rote Meer auch zum Mittelmeer. Neben den geostrategischen Aspekten sind natürlich auch die Öl- und Gasvorkommen im Iran und in Saudi-Arabien für China von Bedeutung.

Zusammenfassende Bewertung

Das Engagement Chinas bei der Normalisierung der Verhältnisse zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ist eindeutig positiv zu bewerten, weil es zur Stabilisierung der genannten Krisenherde beitragen kann und hoffentlich auch wird. Dass die Initiative Chinas nicht völlig selbstlos erfolgt, ist legitim und nicht zu beanstanden, solange sie friedlich umgesetzt wird und vor allem die Lebenssituation der Bevölkerung in den betroffenen Ländern verbessert.

Leider war es zu erwarten, dass die USA das Abkommen zwar grundsätzlich begrüßen, aber sofort auch ihre Skepsis ausdrücken hinsichtlich der Vermittlerrolle Chinas und der Einhaltung der Verpflichtungen durch den Iran. So sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates John Kirby: „Wir hoffen auf ein Ende des Krieges im Jemen – das Abkommen könnte dazu führen”. Es bleibe aber abzuwarten, ob Teheran seinen Teil des Abkommens einhalten werde. Sollte das Abkommen Bestand haben, “begrüßen wir das” – ganz gleich, wie oder durch wen es zustande gekommen sei, sagte Kirby. Die USA würden Versuche Chinas, “in seinem eigenen egoistischen Interesse Einfluss zu nehmen und anderswo auf der Welt Fuß zu fassen”, aber weiter beobachten.

Washington hat ganz offensichtlich nicht rechtzeitig erkannt, dass der eigene Einfluss und der „des Westens“ in der Welt auf Grund einer verfehlten Politik, geprägt von einer unilateralen oder gar hegemonialen Zielführung, abnimmt und sich die Machtverhältnisse zu Gunsten Chinas verschieben. Bleibt zu hoffen, dass die USA und „der Westen“ auf diese, aus der eigenen Sicht natürlich kritisch zu bewertenden Entwicklung, kooperativ und – im handfesten eigenen Interesse – vor allem auch konstruktiv reagieren und man nicht versucht, diese Entwicklung militärisch wieder umzudrehen oder sogar zu stoppen.

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24 Kommentare

  1. Hervorragend. Endlich endet diese durch die USA provozierte Uneinigkeit der islamischen Welt. Ich hoffe, dass dies einen weiten Stein in der multipolaren Weltordnung ist, bei welcher der Westen endlich dorthin kommt, wo er nach 500 Jahren Krieg, Mord, Raub und Vergewaltigung ganzer Völker hingehört. Auf dem Misthaufen der Geschichte.

  2. “…der Beginn einer ausgesprochen emotionalen Beziehung zwischen den USA und Teheran”

    Blumiger kann man eine solche regelrechte Todfeindschaft nun wirklich nicht umschreiben.

  3. Die USA sind Ölexporteure, die Chinesen Importeure. Da ist es eigentlich klar, auf wessen Seite sich Saudiarabien schlagen muss. Dazu ist man auch bereit, die unergiebige Auseinandersetzung mit den Iran zu beenden. Außerdem spielen die Russlandsanktionen eine Rolle. Man kann sich fragen, wozu die EU eine Preisobergrenze für russisches Öl benötigt, wenn sein Import verboten ist. Es geht darum, dass in der EU tätige Unternehmen russisches Öl unterhalb der Obergrenze kaufen dürfen, aber sowohl das Öl als auch die Produkte daraus exportieren müssen. Der Markt wird also aufgrund der Sanktionen möglicherweise mit billigem Öl überschwemmt, das die Russen liefern müssen, nicht nur um den Krieg zu finanzieren. Genaues weiß man nicht, weil russisches Öl von der “Schattenflotte”, die mit ausgeschaltetem Transponder fährt, auf Schiffe anderer Länder umgeladen wird, zwecks Umgehung von Sanktionen und Preisgrenzen. Ich kann mir vorstellen, dass Saudi-Arabien nicht davon begeistert ist, wenn die G7 Staaten unter dem Vorwand der russischen Aggression gegen die Ukraine versuchen, den Ölpreis zu kontrollieren. Darauf wird es nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Reaktionen geben. Saudi-Arabien versucht offensichtlich, seine Abhängigkeit vom Westen zu verringern und sich bessere Bundesgenossen zu suchen. Iran und China bieten sich gerne an.

      1. Mit 172 zu 510 MT importierten sie 2021 Netto aber nur ein Drittel so viel wie China. Das ist jedoch kein Grund für Saudiarabien, sich nicht der neuen Weltmacht zuzuwenden, zumal die untergehende USA ständig Krisen mit ökonomisch negativen Auswirkungen produziert.

  4. Was soll man da glauben?

    “Washington verlangt einen Stopp des Bürgerkriegs im Jemen, der aber nur in enger Abstimmung zwischen Teheran und Riad zu erreichen ist.”

    oder
    “According to sources in the Yemeni capital, it is US intervention that prevented Saudi Arabia from putting this new agreement into action. The Saudis spilled the beans to their Yemeni negotiating partners when they said “our partners oppose expanding the truce” – and they weren’t talking about the UAE.”

    Und:

    “Whereas, the US, thousands of miles away from the fight, continues to insist on keeping Yemen’s conflict in play to use as leverage for its broader regional strategies. This includes exploiting the war’s catastrophic humanitarian consequences to increase domestic pressure on Ansarallah.

    In short, by drawing out the existing truce ad infinitum – but only under the provision that the economic blockade of Yemen continues – ending the war is not part of Washington’s plan.”

    https://thecradle.co/article-view/22436/us-and-saudi-policies-diverge-over-yemen

    Ich glaube da der amerikanischen Quelle.

  5. Eine illusionäre Darstellung, die kontrafaktisch vom konstruktiven Willen aller Stakeholder ausgeht. Die usa werden natürlich alles tun, um diesen chinesischen diplomatischen Erfolg so schnell und gründlich wie möglich ungeschehen zu machen. Es fällt auf, dass Hübschen die israelische Rolle mit keinem Wort erwähnt. Auch die Netanyahu-Regierung wird alles tun, um das Abkommen zu torpedieren. Inzwischen liefern sich israelische Ex-Ministerpräsidenten verbale Gefechte zum Thema, wer denn nun an diesem ‘Debakel’ die Schuld trage.

    Irgendwelche Äusserungen von Politikern zu zitieren und zum Nennwert zu nehmen ist schlicht naiv. Selbstverständlich handelt es sich stets um strategische Kommunikation. Der Nahe Osten ist ein Brennpunkt geostrategischer Auseinandersetzungen und das wird er auch bleiben.

      1. Zack bringt es auf den Punkt. Israel (und der israelitische Einfluss in den USA) ist in dem Artikel völlig unterbelichtet.

        (Ich vermute, dass Herr Hübschen das sehr genau weiß. Er ignoriert nicht nur strategische Kommunikation bei Politikern, sondern betreibt sie auch selbst.)

  6. Es ist schon faszinierend wie der Westen durch Sanktionen das magere Ästchen auf dem er steht, beständig, absägt. Dabei lockere Überheblichkeit zeigt. Auch wenn der Iran und Saudi-Arabien nicht unbedingt meine Sympathie haben, es ist schon schön wie China, sicher auch mit Gewinn, warum nicht, solange legitim, bemüht und konstruktiv Frieden zu schaffen versucht, wie sich für diese Zeit gehören sollte. Ich freue mich ein wenig, evtl. geht ja der Wunsch, all together, irgendwann in Erfüllung, für die Kinder, Enkel, das wäre so wundervoll.

  7. “Moon of Alabama” ebenfalls zum Deal hier:

    “China’s Prestigious Middle East Deal May Soon See Challenges
    The big deal between Saudi Arabia and Iran, which China mediated, may soon lead to new trouble.”
    https://www.moonofalabama.org/2023/03/chinas-prestigious-middle-east-deal-may-soon-see-challenges.html#more

    TWITTER:

    “The UAE has frozen all security/military deals with Israel, hours after the signing of the Iran-Saudi deal.
    Cited instability and violence by Netanyahu’s govt against Palestinians.”
    https://twitter.com/Ruslan_Heydari/status/1635061598497951746

  8. “Inwieweit die aktuellen Demonstrationen im Iran von den USA beeinflusst werden, ist bislang nur eine Vermutung.”

    Es ist naiv und völlig hilflos auf irgendwelche Belege für Offensichtliches zu warten. Auch angesichts der Tatsache der ständigen Fehlinformationen die uns als Tatsachen oder Belege vorgegaukelt werden.

    Was watschelt wie eine Ente, aussieht wie eine Ente, quakt wie eine Ente und scheißt wie eine Ente ist eben auch eine Ente. Selbst wenn dafür kein forensischer oder sonstiger “wissenschaftlicher” oder “gerichtsfester” Beleg vorliegt. Das pochen auf Belegen und Beweisen macht uns, die Ausgebeuteten, Leidenden und Unterdrückten, schwach und hilflos gegenüber denen die fälschen täuschen und betrügen können mit maßlosen, bald unendlich umfangreichen Mitteln und massig viel Personal.

    In 90% der Konflikte und Probleme der heutigen Welt haben die USA (bzw. die US-britischen Eliten) ihre unselige Hand im Spiel. Und wir kennen sicher nicht einmal alle deren Ränke und Eingriffsorte.

    Ich bin gewiss nicht für eine völlige Marginalisierung der USA, da mir bewusst ist, dass auch in anderen Ländern teilweise unheilige Kräfte wirken. Eine absolute Dominanz von Russland oder China wäre mir genauso unheimlich. Aber dieses massive Übergewicht der USA – verbunden mit deren Bigotterie angeblich nur Gutes zu tun, wobei nichts als ihre eigenen Interessen für “Gutes” maßgebend ist – muss ein Ende finden um endlich wieder zu einer Balance (und mehr Frieden!) in der Welt zu gelangen.

  9. Nicht zuletzt die Entwicklungen in den Beziehungen zu den USA scheinen in Teheran und Riad zu der Erkenntnis geführt zu haben, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, ihr bilaterales Verhältnis auf eine neue Basis zu stellen und damit die Abhängigkeit von Washington zu verringern.

    Es gibt solche “Abhängigkeit von Washington” nicht, schon längere Zeit nicht mehr.

    Es gab einen Haufen von Hebeln der US-Militärpolitik in der Region.
    “Israel” – zu großen Teilen entfallen.
    “Irak” – entfallen
    “Syrien” – ersetzt durch NATO (im Wesentlichen vertreten durch türkischen Islamofaschismus)

    “Yemen” war nie ein amerikanischer Hebel, und auch ein Versuch CENTCOMs im Jahr 2018, das zu ändern, ist im Sande verlaufen. Damals hat CENTCOM unter der Antiterrorgesetzgebung an Trump vorbei eine sehr substantielle Truppe im Yemen stationiert. Zum Teil hockt die immer noch da:
    https://mronline.org/2022/06/14/u-s-president-confirms-deployment-of-troops-in-yemen/
    Spielt aber keine Rolle. “Die USA” sind weder willens noch imstande, im MENA noch einmal einen echten Krieg anzuzetteln oder gar selbst zu führen, nach dem Start des russischen Imperiumskrieg schon erst recht nicht. Financiers und Unterstützer des Yemenkrieges hat das KSA in Europa zuhauf – das UK an erster Stelle, gefolgt von Deutschland und Frankreich.

    Bleibt West- und Zentralafrika, das “Homeland” von AFRICOM, und das schlägt sich einesteils mit britischen und französischen Konkurrenten herum, andernteils hat es mit chinesischer Soft Power zu tun, welche die militanten Gegensätze im imperialen Lager ausnutzt.

    Auch die Macht CENTCOMs im Verein mit den britischen Verbündeten am Golf eigenmächtig Krieg zu führen, zumindest mit False-Flag-Operationen, könnte unterdessen zur Nichtexistenz geschrumpft sein. Es hat auf die schmale Besatzungstruppe in Syrien und daher auf die Türkei und EUCOM Rücksicht zu nehmen, niemand im Imperium, denke ich (bin nicht mehr voll up to date), wird noch “Erez Israel” – Kriege gegen Libanon und Syrien unterstützen wollen, und CENTCOMs Rolle ist insgesamt geschwächt gegen überUSPACOM, das seit 2018 USINDOPACOM heißt, das größte Unified Combatant Command ist, und dessen Zuständigkeitsbereich durch die Rezentralisierung auf den “Indopazifischen Raum” und den Abzug aus Afghanistan jetzt mindestens mittelbar auch Teile Zentralasiens umfasst, das nominell CENTCOM zugeteilt ist.

    Und das alles habe ich jetzt aus einem speziellen Grund geschrieben:
    Die Erwägungen, die Sentenzen über “Anwesenheit” oder “Abwesenheit” “amerikanischer Macht” zum Ausgangspunkt haben, oder gar ins Zentrum stellen, sind allesamt priesterliche Anbetungen “Amerikanischer Machtvollkommenheit”, die es nicht gibt, ja, die es so, wie die Kommentatoren meinen, nie gegeben hat!
    Was zwischen Iran und KSA tatsächlich statt gefunden hat, ist die Anerkennung saudischer Regionalmachtambitionen durch die iranische Führung!
    Die hat, kräftig angestupst von China (und gleichartige russische Initiativen endlich honorierend), erkannt, daß Iran seinen schon gewonnenen Regionalmachtstatus nur halten und ausbauen kann, wenn es die saudischen Ambitionen auf denselben Status zu benutzen trachtet.
    “Imperialismus” gemäß dem alten Begriff davon, der für das “Imperium” teilweise obsolet ist.
    Oder dasselbe anders gesagt: Im Maße, wie das Imperium den “Brennpunkt MENA” aus dem Fokus nimmt, verlieren die dort ansässigen Herren das Interesse, die Wasser von US-Hegemonialmachtambitionen auf ihre Mühlen lenken zu wollen.

    1. … priesterliche Anbetungen „Amerikanischer Machtvollkommenheit“

      Die Zuspitzung trifft mE nicht den Autor und seine Ausführungen. Die alte Obama-Linie, dem Globus einen „Korpus internationaler Regeln und Normen zu schaffen, denen alle folgen und aus denen alle Nutzen ziehen können“ gilt als US-Leitlinie für die diplomatische und militärische Zurichtung der Staatenwelt bis heute. Dass die US-Programmatik nicht deckungsgleich mit der Interessenlage anderer Staaten ist liegt trotz Versicherung eines allgemeinen Nutzens auf der Hand. Auch dass alle dem US-Regelwerk einfach so folgen, egal wie die eigenen Nutzenbilanzen ausfallen, ist eher der Ausnahmefall. Veränderungen in der Staatenkonkurrenz bis zu antiamerikanischen Allianzen, dem militärischen Aufeinanderprallen mit nicht ganz unbedeutenden Zweitmächten, fortwährende Spannungen im Nahen Osten, regionale Ambitionen diverser Staaten auch in Zentralasien – alles Baustellen, die auch einer bislang anerkannten Führungsmacht zu schaffen machen. Daraus aber einen zunehmenden Substanzverlust am Muskelaufbau des Champions abzuleiten ist mE zu kurz gegriffen. Was da noch alles geht, im „Imperiumskrieg“ und im indoasiatischen Raum, bei Sanktionen und auf den militärischen Sektoren ist schwer einzuschätzen.

      1. “Substanzverlust am Muskelaufbau des Champions”
        Just solcher Ikonographie / Choreographie wollte ich mit dem Verweis darauf entgegen treten, daß die “Macht Washingtons” seit 1990 in stetig wachsendem Umfang ins Reich konstruktiver Phantasien berechnender Regionalmachteliten fällt. Entfallen sie dort, entfällt solche Macht.

        Ich hätte mir kaum eine bessere zusätzliche Illustration wünschen können, als den Artikel von Juan Cole über den Irakkrieg. Hinzuzurechnen ist noch Libyen, Sudan Somalia und auch Ägypten, alles Felder saudischer Regionalmachtinteressen, von der eher pittoresken Entzweiung mit den anderen Golfstaaten, namentlich Katar, einmal abgesehen. Das KSA hatte sich auf die Seite der US-Kriegsfraktion gestellt und nichts als Schaden an seinen regionalen Eigeninteressen kassiert, bzw. selbst angerichtet. Jetzt sind deren Imperiumskrieger fast buchstäblich unterwegs “nach Hause”, sie überlassen, wie weiland die Germanen, “Rom den Römern”.

  10. Hallo Tom,
    eine Tendenz zum Kräfteschwund ist noch nicht der Kraftverlust selbst. Nicht alles was die Amerikaner anfassen geht störungsfrei über die Bühne. Es ist alles Machtkalkül, darunter auch Rückschläge, die dann wieder versucht werden auszubügeln oder nicht. Den summarischen Verlust in der US-Bilanz kann ich nicht erkennen. Versuche die US-Dominanz zu relativieren gab es schon häufiger. Der Ukraine-Konflikt, sprich der russische Einstieg in die militärische Gegenwehr des andauernden Bürgerkriegs in der Ukraine, lässt sich ja vor dem Hintergrund westlicher Vorwärtsentwicklung verstehen. Also auch erst mal geplanter, machtvoller Auftritt mit praktiziertem Rückschnitt russischer Interessen auf das vom Westen gewünschte Niveau. Alle Staaten taktieren auch Saudis, Iran, China. Wessen Rechnung aufgeht, wer draufzahlt und zu welchem Preis wird sich zeigen. Üblicherweise siegt der Stärkere.

  11. Hallo Uwe,
    das Narrativ, das ich hier konkret angreife, ist die Formel, der “Ukrainekrieg” sei ein Proxykrieg zwischen USA und RF.
    Jetzt könntest Du ja mal für unsere Leser Dein Hohelied auf Amerikanische Machtvollkommenheit (“alles Machtkalkül, darunter auch Rückschläge”) konkret und aktual ausbuchstabieren: Wie sieht denn, Deiner Auffassung nach, ein amerikanischer !Sieg! in der !Ukraine! gegen Russland aus?
    Ich weiß ja nicht, ob oder inwieweit Du meine hier vorgestellte:
    https://overton-magazin.de/top-story/broeselt-die-unterstuetzung-der-ukraine-seitens-der-biden-regierung/#comment-28437
    Skizze einer wahrscheinlichen strategischen Niederlage der RF teilst. Wie sähe denn, Deiner Meinung nach, der ihr korrespondierende Sieg der USA aus?
    Oder, wenn Dir mein Szenario nicht schmeckt, denk Dir einen anderen Sieg der USA aus und beschreibe ihn bitte mir und den Lesern.
    Butter bei die Fisch’!

  12. Keine Ahnung wie wahrscheinlich eine strategische Niederlage der RF ist. Ich bin militärisch nicht bewandet und kann nur sagen, dass es diesseits und jenseits der Frontlinien übel aussieht. Ob das für “Sieg” oder “Niederlage” schon reicht obliegt mE dem Willen (und den Interessen) der Kombattanten. Ich verstehe nicht, warum man sich da in so eine Feldherrnposition begeben muss nach dem Motto: Sieht schlecht aus für die einen und vice versa. Spannender finde ich die Frage, was bringt die Staaten denn überhaupt so gegeneinander auf, dass sie derartige Gemetzel auf die Agenda heben. Die Ukraine will als Brückenkopf gegen Russland einen Beitrag leisten und erhofft sich eine Wiedergeburt als funktionsfähiges Staatswesen mit Westanbindung, USA/Nato/EU strebt die Rückstufung des alten Feindes im Osten zur unbedeutenden Regionalmacht an. Beides ist nur gewaltsam zu haben, denn es widerspricht russischen Sicherheitsinteressen (und dem russischen Selbstverständnis als Nation).
    Ich brech jetzt mal ab, ich weiss das ist nicht erschöpfend ausgeführt. Nächstes Mal mehr.

  13. Laß gut sein, Uwe, Du hast das Thema gewechselt, die “Feldherrenposition” ist eine mehr als dämliche Polemik zur Ablenkung davon.

    Und zu dem gewechselten Thema verwendest Du eine Formel, die eindeutig “fake history” ist:

    “Die Ukraine will als Brückenkopf gegen Russland einen Beitrag leisten”

    Hat gewollt, Imperfekt! Nach dem russischen Einmarsch, wissen wir von Bennett, agierte Selensky zunächst als ukrainischer Staatsmann und erklärte sich schriftlich bereit, auf NATO-Mitgliedschaft zu verzichten und die Krim als russisches Territorium anzuerkennen, denn:

    “Er ERHOFFTE (korr. Zeitform) eine Wiedergeburt (der Ukraine) als funktionsfähiges Staatswesen mit Westanbindung,”

    Doch NATO, DoS und UK unterbanden das!
    Wie konnten sie das unterbinden?
    Indem sie nach einer Unterschrift unter ein Waffenruheabkommen in der Absicht, zu Friedensverhandlungen mit abschließenden Regelungen zu kommen, die Ukraine an einen Hospiztropf hätten hängen können, statt ihren korrupten Apparat weiter zu alimentieren.

    Es ist also ein Proxykrieg, ja, aber zu diesem Zeitpunkt konnte niemand im Westen mit hinreichender Sicherheit darauf rechnen, Russland in der Ukraine militärisch nennenswert zu schwächen – abgesehen davon, daß diese Schwächung im großen geopolitischen Rahmen – also abseits von Nebenschauplätzen, wie beispielsweise Armenien – sowieso Pipifax ist, solange Russland seine strategischen Waffen behält und weiter ausbaut. Schon deshalb ist die Tour, für die westliche Seite das Subjekt “USA” einzusetzen mindestens eine zweifelhafte Trope (rhetorische Figur), denn einzig auf dem Feld strategischer Nuklearbewaffnung ist die RF für die USA ein ernst zu nehmender Gegenspieler.

    Die “Gegenstandpunktsformeln” – so klingen sie für mich – taugen nix, und für den unspannenden, eher mühseligen agitatorischen Zweck, Kriegsgegnerschaft zu mobilisieren, sind sie allenfalls überflüssig.

  14. Seh ich anders, aber nix für ungut. Die Brückenkopf rsp. Frontstaatrolle wird ihnen zwar vorgegeben, gewissermaßen der Preis für Hilfe, aber sie selber stehen ja offensichtlich unerschütterlich an der Seite ihrer Sponsoren.

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