Das dröhnende Schweigen der Linken in Europa zum politischen Umsturz in Sri Lanka

Flagge von Sri Lanka
Quelle: Pixabay

Chile unter Präsident Allende, Nicaragua, Venezuela – jeder ernsthafte Versuch einer sozialistischen Transformation irgendwo auf der Welt wurde in den vergangenen Jahrzehnten von vielen, die sich als politisch „links“ verorten, mit großer Sympathie begleitet. Die Machtübernahme durch eine erklärtermaßen marxistische Regierung in dem kleinen südasiatischen Land stößt bestenfalls nur auf lauwarmes Interesse. Warum?

Die Älteren unter uns werden sich noch daran erinnern können: Die Wahl des Marxisten Salvador Allende zum Präsidenten von Chile 1970 elektrisierte seinerzeit Legionen von linken Aktivisten auch und gerade im „Westen“ – in Nordamerika, Westeuropa, Japan, Australien. Der gewaltsame Sturz des Staatschefs am 11. September 1973 durch eine von den USA ferngesteuerte Militärjunta löste eine Welle der Chile-Solidarität aus, die fast die gesamten 1970er Jahre hindurch anhielt. Chilenische Folkbands wie Quilapayun und Inti-Illimani tourten erfolgreich durch die Auditorien der Universitäten, exilierte chilenische linke Wissenschaftler (wie etwa der Politologe Mario Duràn Vidal) bekamen Lehraufträge, auch an deutschen Hochschulen. Es ist wohl keine Übertreibung zu konstatieren, dass vor allem zwei Ereignisse das in den ersten 20 Jahren nach 1945 vorherrschende, anfangs noch recht naiv-idealistische Amerika-Bild einer ganzen Generation gründlich zerstört haben: der Krieg in Vietnam und der Militärputsch in Chile.

In den 1980ern schwenkte der Fokus dann auf Nicaragua über, nach dem militärischen Sieg der Sandinistischen Befreiungsfront über das korrupte und blutige Regime des Diktators Somoza in dem kleinen mittelamerikanischen Land. Prominente Intellektuelle und andere Repräsentanten des öffentlichen Lebens (wie etwa der Schauspieler und Showmaster Dietmar Schönherr, der Erfinder des Formats „Talkshow“ im deutschen TV) unterstützten alle möglichen humanitären und sozialen nicaraguanischen Projekte, jeder alternative „Dritte-Welt-Laden“, der etwas auf sich hielt, bot „Nica-Bananen“ feil, und Ernesto Cardenal, der Priester und Kulturminister Nicaraguas, tourte durch Europa und war Star-Gast bei diversen Solidaritätsveranstaltungen.

Der von der damaligen US-Regierung finanziell massiv geförderte Wahlsieg der rechten Opposition über die Sandinistas 1990 machte dem weitgehend ein Ende, aber bereits ein paar Jahre später weckte der politische Umsturz in einem anderen lateinamerikanischen Staat neue Hoffnungen: 1998 siegte der linke Populist Hugo Chavez bei den Präsidentschaftswahlen in Venezuela und startete dort ein sozialistisches Transformationsprojekt. Führende Vertreter von zeitgleich neu formierten Parteien links der Sozialdemokratie in Europa erwählten sich ihn zum neuen Bannerträger des weltweiten Kampfes gegen Imperialismus und Kapitalismus: von Podemos in Spanien, Syriza in Griechenland, des Parti de Gauche in Frankreich und der deutschen Linkspartei. Insbesondere die unablässige Polemik des charismatischen Chavez gegen den damaligen US-Präsidenten George W. Bush – zweifelsfrei ein besonders unsympathischer Vertreter des „Yankee-Imperialismus“ – begeisterte die europäische radikale Linke. Als der venezolanische Präsident 2013 unter etwas merkwürdigen Umständen verstarb (offiziell an Krebs), (1) war dann die Euphorie aber schnell wieder verflogen. Zu deutlich zeichneten sich unter Präsident Nicolás Maduro, Chavez’ Nachfolger, gewisse autoritäre Tendenzen ab, zu offenkundig war die Misswirtschaft des regierenden Partido Socialista Unido de Venezuela (die allerdings durch die Sanktionspolitik der US-Regierung noch massiv verstärkt wurde).

Die „Aragalaya“-Revolte in Sri Lanka und der Wahlsieg der „Volksbefreiungsfront“

In vielerlei Hinsicht folgten die srilankischen Ereignisse in den letzten Jahren einem klassischen revolutionären Muster: Eine tiefgreifende Wirtschaftskrise führt zu einem Volksaufstand und einem Sturz der herrschenden, zutiefst korrupten Clique, ein Übergangsregime kann sich nur noch für eine begrenzte Zeit an der Macht halten und wird schließlich ebenfalls hinweggefegt. In den Jahren 2021/2022 verschlechterte sich die ökonomische Situation des südasiatischen Landes dramatisch: Aufgrund der Corona-Epidemie und der auch in Sri Lanka verhängten Lockdown-Politik kollabierte die eminent wichtige Tourismus-Industrie, hinzukam (aus Gründen, von denen weiter unten noch die Rede sein wird) eine historische Missernte, die den Tee-Export einbrechen ließ und zu einer beispiellosen Lebensmittelknappheit führt. Als die Regierung der rechtsbürgerlichen „Sri Lanka People’s Front“ in großem Stil das Grundnahrungsmittel Reis einführen musste, führte dies zu neuen Zahlungsbilanzdefizit-Rekorden – im Frühjahr 2022 musste das Land gegenüber seinen internationalen Gläubigern seine Zahlungsunfähigkeit erklären. Die Inflation schnellte in die Höhe, explodierende Lebensmittel- und Energiepreise drückten einen Großteil der Bevölkerung unter die Armutsschwelle, sogar Hunger breitete sich aus. (2)

Die Bevölkerung reagierte mit massiven Protesten, die keineswegs abflauten, sondern an Intensität noch zunahmen, als die Regierung mit Gewalt versuchte, sie niederzuschlagen. Im Mai 2022 trat Ministerpräsident Mahinda Rajapaksa zurück, und als im Juli desselben Jahres Zehntausende den Palast von Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa (dem Bruder des Premiers) stürmten, flüchtete dieser und verließ das Land. Die Bilder von jubelnden Demonstranten, die staunend den mondänen Palast inspizierten und sogar im präsidialen Privat-Schwimmbad planschten, gingen um die Welt (offenkundiges Motto, frei nach Emma Goldman: „Wenn ich nicht im Pool des Präsidenten baden kann, ist es nicht meine Revolution!“). (3) Das Parlament wählte einen Übergangspräsidenten, den konservativen Polit-Veteranen Ranil Wickremesinghe, der versprach, das Land aus der Wirtschaftskrise heraus zu führen – postwendend nahm er Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, um mittels eines Notkredits das Land wieder zahlungsfähig zu machen.

Doch die Revolution war noch lange nicht zu Ende, der „Aragalaya“ („Kampf“ auf Singhalesisch) des Volkes ging weiter. Anfangs hatten die Protestaktionen stark an die der französischen „Gelbwesten“ 2018/2019 erinnert: Sie entstanden meist spontan, landesweit, ohne irgendeine Koordinierungsinstanz, ohne irgendwelche Führer. Doch bald setzte sich die so genannte „Volksbefreiungsfront“ („Janatha Vimukthi Peramuna“, abgekürzt JVP) an die Spitze der Bewegung, bisher eine marxistisch-leninistische Kleinpartei, die seit 2019 ein Wahlbündnis namens „National People’s Power“ (NPP) anführt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2019 erhielt ihr Kandidat, JVP-Parteichef Anura Kumara Dissanayake, gerade mal 3,2 % der Stimmen, bei den letzten Parlamentswahlen (2020) vor der großen Krise errang die NPP lediglich drei von insgesamt 225 Sitzen. Als für den 21. September 2024 Neuwahlen für das Präsidentenamt angekündigt wurden (laut Verfassung kann nach einer Vakanz des Amtes ein vom Parlament gewählter Nachfolger den Posten nur für den Rest der Amtszeit ausfüllen), schossen jedoch die Umfragewerte für Dissanayake rapide in die Höhe.

Und das nur ein paar Jahre vorher praktisch Undenkbare geschah tatsächlich: Der NPP-Kandidat gewann die Wahl, mit über 55 % der Stimmen. (4) Da er keinerlei Rückhalt im Parlament hatte, machte er von seinem verfassungsmäßigen Recht Gebrauch und löste es sofort auf. Bei den Neuwahlen im November 2024 siegten er und seine Genossen noch triumphaler: Mit insgesamt 159 von 225 Sitzen errang die „National People’s Power“ eine Zweidrittelmehrheit. Zumindest im Hinblick auf das staatliche Institutionensystem gibt es für sie nun keine Hindernisse mehr, ihre politischen Ziele in der kommenden Legislaturperiode durchzusetzen.

Hat die „Volksbefreiungsfronr“ ihre Ideale verraten?

Der spektakuläre Triumph von Dissanayake, der stark an den gleichermaßen überraschenden wie überragenden Wahlsieg von Hugo Chavez 1998 in Venezuela erinnert, wurde erwartungsgemäß von vielen marxistisch-leninistisch ausgerichteten Organisationen Asiens und Afrikas euphorisch aufgenommen, beispielsweise von der „Communist Party of India (Marxists)“, der größten linken Partei des Landes (die jahrzehntelang in dem Gliedstaat Westbengalen die Regionalregierung stellte und derzeit unter anderem in dem südindischen Gliedstaat Kerala an der Macht ist), sowie der Kommunistischen Partei Chinas, der KP Vietnams und der südafrikanischen Kommunistischen Partei (die Teil des Regierungsbündnisses mit dem „African National Congress“ von Staatspräsident Cyril Ramaphosa ist). (5) Aber nicht nur „proletarische“ Bruderparteien in der Dritten Welt feierten den Sieg des srilankischen Marxisten – auch im Epizentrum des globalen Kapitalismus, den USA (sozusagen im „Herzen der Bestie“, salopp gesprochen), gab es positive Resonanz, hauptsächlich unter linksgerichteten Intellektuellen: bei dem progressiven Online-Magazin „Foreign Policy in Focus“ etwa (6) oder dem in New York ansässigen multinationalen Medienprojekt „Peoples Dispatch“, das die Wahl von Dissanayake als Ermutigung für „eine neue Generation“ in Sri Lanka wertete, „wieder durchzuatmen und zu spüren, dass ihr Land (…) versuchen kann, ein srilankisches Projekt aufzubauen, das ein Modell für andere Länder des globalen Südens werden könnte.“ (7)

Gänzlich anderer Meinung waren – nicht allzu überraschend – die Trotzkisten aller verschiedenen Fraktionen und Länder. (8) Für sie war klar, dass die srilankische JVP keine genuin linke Partei ist, sondern eine, die der Klassenkollaboration mit dem bourgeoisen Feind verpflichtet ist – kennzeichnend dafür sei die Versicherung Dissanayakes nach seinem Wahlsieg, die NPP-Regierung werde nicht auf Konfrontationskurs mit dem Internationalen Währungsfonds gehen, sondern dessen Bedingungen erfüllen und gleichzeitig versuchen, soziale Härten abzumildern. Durchaus vergleichbar lasen sich viele Kommentare in deutschen – und anderen europäischen – linksalternativen Medien: Das neue Regime habe keine Zukunft, der Spagat zwischen dem IWF-„Diktat“ und dem vor der Wahl versprochenen sozialen Reformprogramm sei nicht zu schaffen, ganz ähnlich wie die unglückselige Syriza-Regierung in Griechenland (2015-2019) müsse das neue Regime unter Dissanayake zwangsläufig scheitern. (9)

Allgemein war die Reaktion der publizistischen Linken in Deutschland und im restlichen Europa bestenfalls lauwarm – und von den politischen Repräsentanten von Syriza, Podemos, La France Insoumise und der deutschen Linkspartei war überhaupt nichts zu hören: eine erstaunliche Ignoranz unter Berücksichtigung des Stellenwertes, den einst das chilenische, nicaraguanische und venezolanische „Modell“ für den globalen „anti-imperialistischen Kampf“ hatten.

Richtig ist, dass für Dissanayake und seine Genossen von der „Volksbefreiungsfront“ (zumindest vorerst) keine sozialistische Transformation der srilankischen Gesellschaft auf der Tagesordnung steht – auf den ersten Blick überraschend im Hinblick auf die Geschichte der Partei. Ende der 1960er Jahre entstand sie als Abspaltung von der moskautreuen Kommunistischen Partei und Nucleus der studentischen Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg. Che Guevara und Mao Tse-tung avancierten zu Ikonen. Als im März 1971 die Führung der „Volksbefreiungsfront“ für eine in Gewalt abgeglittene Demonstration vor der US-Botschaft in Colombo verantwortlich gemacht und verhaftet wurde, beschloss die zweite Führungsriege der Partei, in den Untergrund zu gehen und den bewaffneten Kampf gegen die damalige, sozialdemokratisch dominierte Koalitionsregierung unter Ministerpräsidentin Sirimavo Bandaranaike aufzunehmen. Der Aufstand endete mit einer Niederlage, und auch eine zweite, noch viel blutigere Rebellion gegen das rechtskonservativ-autoritäre Regime der neo-liberal orientierten United National Party unter Präsident J.R. Jayawardene in den späten 1980er Jahren blieb erfolglos. (10)

Von dieser militanten Vergangenheit haben sich die Führer der „Volksbefreiungsfront“ schon vor vielen Jahren distanziert, heute beteuern sie ihre Treue zum demokratischen Parlamentarismus – und eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler nimmt ihnen das offenbar auch ab. Das Wahlprogramm, mit dem Dissanayake im letzten September antrat, ist aus europäischer Sicht als betont „sozialdemokratisch“ zu werten, es propagiert soziale Wohltaten für die Armen und Ärmsten der Gesellschaft, eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft und den Kampf gegen die Korruption. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln soll nicht abgeschafft werden, aber staatliche Unternehmen sollen in wichtigen Industriesektoren mit privaten konkurrieren – Modell ist also eine „mixed economy“, aber eine mit einem starken öffentlichen Sektor. (11) Das so etwas für beinharte Trotzkisten und andere dogmatische Linke nichts Geringeres als den Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse darstellt, ist natürlich nachvollziehbar.

Ein „revolutionärer Pragmatismus“?

Die Bereitschaft der neuen Linksregierung, die Kreditbedingungen des IWF in ihren Grundzügen zu akzeptieren, resultiert im Wesentlichen aus der Erkenntnis heraus, dass eine Ablehnung dieser das Land schlagartig wieder in eine massive ökonomische Krise stürzen würde – bis hin zu einer erneuten Zahlungsunfähigkeit. Präsident Dissanayake setzt alles darauf, dass nach einer wirtschaftlichen Erholung sich die Spielräume für Sozialprogramme wieder massiv erweitern werden – auch für eine langfristig durchaus vorgesehene Reichtums-Umverteilung von oben nach unten. Und obwohl die Handlungsmöglichkeiten des neuen NPP-Regimes unter den gegebenen Umständen derzeit extrem stark begrenzt sind, gab es in den ersten paar Monaten der neuen Legislaturperiode doch ein paar staatliche Maßnahmen, die darauf abzielten, den unteren Schichten der Bevölkerung etwas mehr Luft zu verschaffen: eine Erhöhung des Mindestlohns etwa (12), eine Erhöhung der Gehälter im Öffentlichen Dienst, eine Anhebung der Ausbildungsförderung für Studenten. Das Etat-Defizit übersprang deshalb die vom IWF vorgegebene Marke leicht – bisher aber ohne negative Folgen für die weitere Kreditauszahlung. Ganz im Gegenteil: Am 13. Juni 2025 vermeldete der Sri Lanka Daily Mirror, dass Vertreter des IWF die bisherige Reformpolitik der neuen Regierung gelobt und die Zahlung einer weiteren Kredittranche in Höhe von rund 340 Millionen US-Dollar zugesichert hätten. (13)

Und einen wichtigen Umstand übersehen die linken Kritiker der Kooperationspolitik der NPP/JVP-Regierung mit dem IWF: Dieser ist keineswegs der einzige – und nicht einmal der wichtigste – Kreditgeber für den notorisch klammen srilankischen Staat. Auch die indische und die chinesische Regierung gehören zu den Gläubigern des kleinen südasiatischen Landes – und die Kredite der letzteren sind deutlich umfangreicher als die des IWF. (14) Die ersten beiden Auslandsreisen nach Amtsantritt führten Dissanayake deshalb nach Neu-Delhi und nach Peking – und zumindest mit der chinesischen Führung dürfte der neue srilankische Präsident in einer eher freundschaftlichen Atmosphäre verhandelt haben, die chinesischen Genossen verstehen sich schon seit vielen Jahren als Bruderpartei der „Volksbefreiungsfront“.

Rhetorisch eher bei Allende als bei Chavez

Und obwohl die „Volksbefreiungsfront“ absolut keinen Hehl aus ihrer sozialrevolutionären Entstehungsgeschichte macht (am 1. Mai dieses Jahres sprach Dissanayake auf einer von über einer Million Menschen besuchten Kundgebung in Colombo, hinter sich ein Banner mit einem riesigen Hammer und Sichel-Symbol), vermeidet die neue Regierung peinlich eine allzu offensive Rhetorik, von „Anti-Imperialismus“, „Kampf gegen den Klassenfeind“ ist nirgendwo die Rede. Eher Salvador Allende als Hugo Chavez scheint sich Präsident Dissanayake da zum Vorbild zu nehmen, ohne allerdings die (im Nachhinein gesehene) geradezu selbstmörderische Naivität des Ersteren zu kopieren: Kurz nach seinem Amtsantritt feuerte er den Oberbefehlshaber des srilankischen Heeres (Allende hingegen hatte seinerzeit den späteren Putschgeneral Augusto Pinochet zum Heereschef ernannt, ein folgenschwerer und für ihn letztendlich tödlicher Fehler). (15) Ganz offensichtlich ist die NPP-Regierung bemüht, die extreme Polarisierung in der srilankischen Gesellschaft abzumildern – nicht zuletzt auch die zwischen der singhalesisch-buddhistischen Mehrheitsbevölkerung und der tamilisch-hinduistischen Minderheit; ein langer und blutiger Bürgerkrieg in den 1980er und 1990er Jahren ist auf der Insel bis heute unvergessen.

Anura Dissanayake taugt also nicht so recht für die Rolle eines Che Guevara des 21. Jahrhunderts, eines revolutionären Posterboys. Und seine Regierung hat eine wahre Herkulesaufgabe vor sich – es ist keineswegs ausgeschlossen, dass sie tatsächlich scheitert. Aber zumindest bis jetzt ist es ihr gelungen, eine Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sie auf dem richtigen Weg ist und dass nach einer wirtschaftlichen Erholung der Spielraum für soziale Reformen ein unvergleichlich größerer sein wird als heute: Bei den (vom alten Regime mehrfach verschobenen) Kommunalwahlen Anfang Mai 2025 konnte die NPP ihren Stimmenanteil im Vergleich zu der Präsidentschaftswahl im letzten September sogar noch leicht ausbauen, (16) eine ernsthafte politische Konkurrenz hat sie derzeit absolut nicht zu fürchten.

Und ihr Zukunftsprojekt – eine Marktwirtschaft mit einem starken, dominierenden Staatssektor – hat, selbstverständlich unter ganz anderen Rahmenbedingungen, in anderen Ländern Asiens durchaus funktioniert: in der Volksrepublik China etwa und in Vietnam. Ein regulierter und gezähmter Kapitalismus, unter einer politischen Führung, die es der kapitalistischen Klasse zwar erlaubt, Geschäfte (und natürlich auch Gewinne) zu machen, sie aber von staatlicher Machtausübung fernhält – ist das nicht das Erfolgsrezept der chinesischen Kommunisten in den letzten Jahrzehnten? (17) Und so etwas im Rahmen einer demokratischen Verfassungsordnung – wäre das nicht ein wahrhaft revolutionäres Novum? Offenbar keines, für das sich europäische Linke begeistern können.

Der „anti-grüne“ Charakter der Aragayala-Rebellion

Der mangelnde Enthusiasmus vieler linker Aktivisten in Deutschland und dem restlichen Europa für den Wahlsieg Dissanayakes und seiner Genossen dürfte wohl aber auch damit zusammenhängen, dass die Aragayala-Rebellion im Jahre 2022, die letztendlich die NPP an die Macht brachte, bei Lichte betrachtet die zweite große „anti-grüne“ Revolution der Weltgeschichte nach dem „Gelbwesten“-Aufstand 2018/2019 in Frankreich war. Auslöser der letzteren Revolte war die von Präsident Macron angeordnete massive Steuererhöhung auf Benzin und Heizöl (wegen Klima und so), die am 1. Januar 2019 in Kraft hätte treten sollen. Anfangs demonstrierten nur die Lastwagenfahrer und die Tankstellenpächter und -angestellten, aber bereits nach wenigen Stunden(!) breitete sich der Protest über das ganze Land aus: Hunderttausende besetzten die rondpoints, die Kreisverkehre, die überall in Frankreich als Straßenkreuzungen fungieren, und die Mautstationen, an denen bei gebührenpflichtigen Autobahnen der obligatorische Tribut abkassiert wird. Am zweiten Tag der Proteste versuchten Hunderte von aufgebrachten Bürgern den Élysée-Palast in Paris, den Sitz des französischen Staatspräsidenten, zu stürmen, und konnten erst durch den kurzfristig angeordneten Einsatz der CRS, der berühmt-berüchtigten Prügeltruppe, die direkt dem Innenminister unterstellt ist (und schon im mythenumwobenen Mai 1968 auf alles einknüppelte, was nach „Subversion“ aussah), gestoppt werden. Wochenlang brannten im wahrsten Sinne des Wortes Paris und andere große französische Städte, und der Protest flaute erst ab, als Präsident Emmanuel Macron nicht nur die Rücknahme der Steuererhöhung verkündete, sondern zusätzlich noch eine ganze Reihe von sozialen Wohltaten, darunter etwa eine Erhöhung des Mindestlohns um beachtliche 100 Euro pro Monat. (18)

Die Wirtschaftskrise in Sri Lanka, ausgelöst vor allem durch den massiven Einbruch im Tourismussektor im Zuge der Anti-Corona-Lockdown-Maßnahmen, nahm erst so richtig Fahrt auf, als die Regierung im Mai 2021 ein landesweites Verbot des Einsatzes von Kunstdünger und Pestiziden in der Landwirtschaft verhängte. Erklärtes Ziel war dabei, das Land zu einem ökologischen Musterstaat mit 100% Bio-Anbau zu machen, zu einem „Green Sri Lanka“. Diverse Agrarökonomen, sowohl einheimische als auch aus den USA, hatten vor diesem Schritt gewarnt, das, was dann tatsächlich passierte, war eine Art Worst Case-Szenario, es übertraf selbst die schlimmsten Befürchtungen. Die Ernte brach dramatisch ein, die des Grundnahrungsmittels Reis beispielsweise um sage und schreibe 43%, die Lebensmittelpreise stiegen um 80%, die Preise für Benzin und Diesel (beides Güter, die für teure Devisen importiert werden müssen) um bis zu 40%. Die Exporteinnahmen sanken in den Keller, aufgrund des dramatischen Rückgangs der Tee-Ernte. Hunger breitete sich aus, eine Studie der UNO schätzt, dass circa 90% der Bevölkerung verzweifelt versuchten, mit weniger Nahrungsmitteln pro Tag auszukommen. (19) „Das Verbot von Kunstdünger und Pestiziden“, bilanziert der irische Journalist Brendan O’Neill in der linkslibertären Online-Zeitschrift Spiked, „war eine regelrechte Politik des Wahnsinns – 90 Prozent der srilankischen Bauern nutzten Kunstdünger, und sie prognostizierten, völlig korrekt, dass ihre Ernte ohne den Einsatz dieser Mittel einbrechen würde. (…) Das Kunstdünger-Verbot wurde im November (2021) wieder zurückgenommen, als die desaströsen Ergebnisse unübersehbar waren, aber es war zu spät.“ (20)

Die neue NPP/JVP-Regierung hat bisher nicht die geringsten Anstalten gemacht, das radikale Öko-Experiment von 2021 zu wiederholen, ganz im Gegenteil: Eine der ersten politischen Maßnahmen des neuen Präsidenten war eine deutliche Erhöhung der nach der Krise wieder eingeführten staatlichen Düngemittel-Subvention für Reisbauern. (21) Um noch einmal Brendan O’Neill zu Wort kommen zu lassen: „Sri Lanka zeigt uns, was passiert, wenn sich die Politik am Wunschdenken und an den Vorurteilen der neuen Eliten orientiert anstatt an den Bedürfnissen der einfachen Leute. (…) Die grüne Ideologie mag die neuen Eliten in ihrem narzisstischen Bewusstsein bestärken, dass sie tatkräftig dabei sind, den Planeten vor dem menschengemachten Hitzetod zu bewahren, aber sie lässt im Westen vor allem die arbeitende Bevölkerung verarmen (…) und bringt den Hunger zurück in diejenigen Teile der Welt, die nicht so entwickelt sind wie der Westen.“ (22)

Ein unterstützenswertes Experiment?

Die NPP/JVP-Regierung hat nun vier Jahre Zeit, ihr Gesellschaftsprojekt zumindest ansatzweise in die Tat umzusetzen, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen werden erst wieder 2029 fällig. Im Parlament hat sie eine Zweidrittelmehrheit, kann also die Verfassung ändern – oder sogar, was wohl das wahrscheinlichere Szenario ist – durch eine neue ersetzen. Präsident Salvador Allende in Chile beispielsweise startete seinerzeit unter wesentlich schlechteren Bedingungen (das ihn unterstützende Unidad Popular-Parteienbündnis hatte nie eine Mehrheit im chilenischen Kongress). Und gegen die in Sri Lanka wie auch in vielen anderen Ländern allgegenwärtige Geißel der Korruption sind die marxistisch-leninistisch geschulten Kader der „Volksbefreiungsfront“ möglicherweise in einem höheren Maße immun als die Funktionäre der alteingesessenen, bürgerlichen Parteien. Die neue Regierung bemüht sich auch ernsthaft, die ethnischen Spannungen zwischen der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit und der tamilischen Minderheit zu entschärfen, ermutigend ist in diesem Zusammenhang, dass auch in den tamilisch dominierten Regionen die NPP bei den Wahlen im letzten Jahr überraschend gut abschnitt. Das Experiment könnte also gelingen – und für all diejenigen europäischen Beobachter, die sich für den Aufbau einer sozial gerechten Gesellschaft auch im globalen Süden einsetzen, lohnt es sich, es aufmerksam zu verfolgen. Und zu unterstützen, auf welche Art und Weise auch immer.

 

Fußnoten

1) Trotz amerikanischen Dementis hielt sich lange das Gerücht, der venezolanische Staatschef sei in Wirklichkeit von der CIA gekillt worden: „US dismisses claims that CIA gave Chavez cancer as ‚absurd‘“, in Guardian vom 7. März 2013

2) Eine gute Darstellung findet sich bei Rebecca Root: „Sri Lanka’s ‚worst ever crisis‘“, in: International Bar Association (23. September 2022)

3) Die amerikanische Anarchistin Emma Goldman (1869-1940) ist bekannt durch ihren Spruch: „Wenn ich nicht dazu tanzen kann, ist es nicht meine Revolution!“

4) Der srilankische Präsident wird nach einer Variante des Präferenzwahlrechts gewählt: Die Wählerinnen und Wähler können bis zu drei Kandidaten durchnummerieren, mit „1“, „2“, 3“ nach ihrer Präferenz. Zuerst werden die Erststimmen gezählt. Gibt es keine absolute Mehrheit, werden alle Kandidaten außer den beiden Bestplatzierten gestrichen, und ihre Stimmen werden auf die Zweit- oder gegebenenfalls auf die Drittpräferenz übertragen. Anura Dissayanake erhielt 42,3% der Erststimmen, nach Verteilung der Zweit- und Drittpräfenzen lag er bei 55,9%

5) Stellvertretend hier für alle: „The First Left President of Sri Lanka“ in People’s Democracy, dem Zentralorgan der CPI(M) vom 29. September 2024

6) „Did Sri Lanka swap Austerity Capitalism for ‚Marxism’?“, in: Foreign Policy in Focus (4. Oktober 2024)

7) „The Left wins presidential election in Sri Lanka“, in Peoples Dispatch (22. September 2024)

8) Besonders pointiert etwa Keith Jones: „Wahlen in Sri Lanka: Die JVP übernimmt die Verantwortung für die Verteidigung des Kapitalismus inmitten einer revolutionären Krise“, in www.wsws.org (24. September 2024)

9) Siehe hierzu die Artikelserien von Natalie Mayroth in der taz und von Thomas Berger in der Jungle World. Ganz ähnlich argumentiert ein Text der RosaLuxemburgStiftung: „Sri Lankas wechselvoller Aufstieg der Linken“ (16. Dezember 2024)

10) Einen guten Überblick über die Geschichte der „Volksbefreiungsfront“ gibt es bei Faarez Farook: „Revolutionary Roots, Democratic Dreams: The JVP Legacy“ in Colombo Telegraph (10. Oktober 2024)

11) „JVP’s private ownership policy“ in Newswire (18. Februar 2023)

12) Sri Lanka Ministry of Labour: „Here’s how the Private Sector Minimum Wage is set to rise“ (10. April 2025)

13) „IMF praises Sri Lanka’s reform progress, nearing next tranche of funding“ in: Sri Lanka Daily Mirror (13. Juni 2025)

14) David Pfeifer: „Anura Kumara Dissanayake: Der Mann, der Sri Lanka aus der Armut führen will“ in: Süddeutsche Zeitung vom 24. September 2024

15) „Sri Lanka President appoints new army, navy chief“ in economynext (30. Dezember 2024)

16) „Local Authorities Election 2025“ auf https://election.adaderana.lk

17) Rüdiger Rauls: „Chinas Kapital“ in: Overton (10. Juni 2025)

18) „Les Gilets Jaunes, un mouvement social inédit“, hrsg. von Attac France (April 2019)

19) Eine sehr gute Analyse der 2021er Krise findet sich bei Michael Shellenberger: „Green Dogma behind the Fall of Sri Lanka“ in Public (10. Juli 2022)

20) Brendan O’Neill: „Sri Lanka and the global revolt against the laptop elites“ in Spiked (12. Juli 2022

21) „Fertilizer subsidy for paddy farmers increased from Oct 1“ in Sri Lanka Daily Mirror vom 26. September 2024

22) Brendan O’Neill (siehe Fußnote 20)

Norbert Faulhaber

Norbert Faulhaber fing nach einem Studium der Politikwissenschaften, Rechtswissenschaften und Soziologie 1991 bei der Konstanzer Tageszeitung „Südkurier“ an: als freier Mitarbeiter für TV- und Filmkritik, Konzertberichte und CD-Besprechungen. Ab 1998 arbeitete er auch als Vertretung des TV-Redakteurs, von 2004 bis 2006 als Verantwortlicher für die tägliche TV-Programmseite. Von 2006 bis März 2023 arbeitete er als Redakteur am NewsDesk See-West in Konstanz.
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15 Kommentare

  1. Niemand darf irgendwo andershin gucken als nach Gaza. Daran halten sich vor allem diejenigen, die glauben machen wollen sie seien irgendwie „links“. Der Befehl kommt von „oben“ (US Kriegsindustrie, Mullahs), dann gehorchen Pseudolinke blind. Augen geradeaus! Nur auf Gaza! So lautet der aktuelle Befehl.
    Dass in Afrika viel mehr Menschen gemetzelt werden und dank Gaza-Scheuklappen in Deutschland die in Jahrhunderten von echten Linken erkämpften Grundrechte und die freiheitliche Demokratie abgeschafft werden – egal. Hauptsache alle immer nur auf Gaza gucken.
    Das sind keine Linken, das sind reiche Erben und realitätsfremde Kadavergehorsame. Nur weil jemand behauptet er sei links ist er nicht links, Hitler hat auch behauptet links zu sein.
    Echte Linke erkennt man an kritischem Denken, am Einsatz für Menschenrechte, an Religionskritik, an Regierungs- und Konzernkritik, am Hinterfragen von Autoritäten, am Einsatz für Frieden, Diplomatie und sozialen Ausgleich.
    Pseudo- und Salonlinke setzen sich für all das, gratismutig nur im fernen Ausland ein.

    Aber genau so soll es sein: Linke sind an allem schuld. Nötigenfalls gelten auch rechteste CDU Politiker als „links“, dann können auch die „gegen rechts“ (gegen Meinungsfreiheit) demonstrieren.

  2. Ich reposte hier einfach mein Kommentar von vorhin:

    „Mit Hilfe des Overton-Magazins könnte man exemplarisch die Über-Fixierung der Linken nach ’68 auf das Ausland, bzw. exotische Länder belegen. Das wirkt auch zunehmend angestaubt, insbesondere wenn die Probleme und Konflikte im Inland jeden Tag größer werden.“

    Im Ernst, um Sri Lanka soll ich mich gedanklich jetzt auch noch kümmern? Ich habe eine Bahnfahrt quer durch Deutschland vor mir in ein paar Stunden, so schaut’s aus.

  3. Nach seiner späteren Erzählung als Prof. der HfÖ Berlin hatte einst Helmut Faulwetter nicht geringen Anteil am Wahlsieg Bandaraneikes, als Botschafter der DDR, wohl die erste Botschaft außerhalb des „sozialistischen Lagers“. Danach fungierte er längere Zeit auf Wunsch der Dame als quasi ständiger Regierungsberater.
    Danach stieg sein Ruf und er schlug eine Doppelbotschaft im gerade entstandenen Staat der Malediven vor und bestieg als erster in der Welt diesen Doppeltron. Das brachte ihm nebst Gattin monatelangen Aufenthalt, eher Urlaub, auf einer einsamen Insel ein. Den später aufkommenden Urlaubshype ahnte er mit Bedauern voraus.

  4. Nun ja, die Wahl ist schon im Herbst 2024 gelaufen, es wurde auch darueber berichtet aber……….
    die Wahl von Donald Trump war fuer Europa und die Linken wohl wichtiger.
    Vielleicht eine Chance fuer Sri Lanka, nicht so im Mittelpunkt zu stehen, denn die Augen der CIA plus der restlichen „four eyes“ sind bekanntlich ueberall und solange die nicht in der Tuer stehen und Hello sagen, ist alles gut.

  5. Klar das die Europäische Salonlinke so etwas nicht gut findet. Viel zu Realitätsbewußt, das ist bei der finanziell gestopften, idiologisch gefirmten, zumeist Großbürgerlichen Haushalten Entstammenden Salonlinken und ihren propagierten 72 Geschlechtern, ein absolutes No-Go.
    Weshalb diese dann auch im realen Leben lieber die Steigbügelhalter für ein zutiefst reaktionäres Regime wie jenes von Mr. Blackrock Merz, spielen. Blut ist eben dicker als sowieso nur eingebildete Solidarität.

  6. Die Ideologie war und ist nichts weiteres als Manipulation.
    Solange die Menschheit nicht begreift was vermittelte Ideologien betreiben, solange bleibt der Mensch gefangen in der Ideologie.

  7. „ Und ihr Zukunftsprojekt – eine Marktwirtschaft mit einem starken, dominierenden Staatssektor – hat, selbstverständlich unter ganz anderen Rahmenbedingungen, in anderen Ländern Asiens durchaus funktioniert: in der Volksrepublik China etwa und in Vietnam. Ein regulierter und gezähmter Kapitalismus, unter einer politischen Führung, die es der kapitalistischen Klasse zwar erlaubt, Geschäfte (und natürlich auch Gewinne) zu machen, sie aber von staatlicher Machtausübung fernhält – ist das nicht das Erfolgsrezept der chinesischen Kommunisten in den letzten Jahrzehnten? (17) Und so etwas im Rahmen einer demokratischen Verfassungsordnung – wäre das nicht ein wahrhaft revolutionäres Novum? Offenbar keines, für das sich europäische Linke begeistern können.…..“

    So sehe ich das auch!

    Ich gestehe, von all dem hatte ich keine Ahnung. Danke für den überaus informativen Artikel.

    Von westlichen Besserwissern, Moralisten etc., die hierzulande doch noch nie etwas positives zustande gebracht haben, halte ich nichts.

    Es wäre schön, wenn das Beispiel Sri Lanka hier Schule machen würde, aber beim Zustand der europäischen Linken ist das Illusion. Bleibt mir nur ab jetzt Ceylon-Tee zu trinken und vom letzten Geld Asien zu bereisen

    Denn von Asien lernen heißt siegen lernen!

  8. Da dröhnt nun nichts ausser dem Ego des Autors. Ansonsten schauen wir mal, wie das so läuft mit dem IWF, dessen Bedingungen in der Regel ja nicht so sozialverträglich sind. Ich wünsche viel Glück.

  9. Die deutschen Linken stehen derzeit mit der Regenbogenfahne neben der des Mullah-Regimes. Die Hoffnung, dass diese Bekloppten noch etwas mitbekommen, habe ich aufgegeben.
    Natürlich ist es erfreulich, wenn da so eine Regierung die Wahlen gewinnt. Die Globalisierung ging einher mit der weltweiten Erpressung der Werktätigen und natürlich war gerade Sri Lanka mit seinen Billiglöhnen ein willkommenes Instrument. Aber wenn sich da die Bedingungen ändern, bessern sie sich auch bei uns. Was natürlich in diesem AfD-verseuchten Land nicht mehr verstanden wird. Hoch die internationale Solidarität! Unzeitgemäß, aber wichtiger denn je.
    Eine Umstellung auf Pestizid- und Düngerfreiheit geht natürlich nicht von heute auf morgen. In diesem Zusammenhang muss ich Cem Özdemir loben, der maßvolle und verträgliche Schritte vorsah. Auch schon wieder gekippt, durch Bauernproteste und Rechte im EU-Parlament. Und überhaupt müssen Felder neuerdings panzertragfähig sein. Dann wird daraus nichts.

    1. Sehen Sie, ich unterstütze den Iran in seinen Kampf um nationale Unabhängigkeit.
      Natürlich unterstütze ich, wie die Mehrheit der Weltbevölkerung, das Palästinensische Volk in seinen Kampf um nationale Unabhängigkeit.
      Israel ist für mich schon lange keine Demokratie mehr, sondern ein Apartheidsregime wie einst Südafrika.

      Vom Modell in Sri Lanka, wenn es denn ein Modell ist oder werden sollte, wußte ich bisher nichts. Aber es klingt gut und das einzige was ich jetzt tun kann ist Ceylon-Tee zu trinken. Sollte es bald ein verfügbares Produkt für Coca-Cola aus Palästina geben, werde ich es kaufen. Das ist alles was man in dieser kaputten westlichen Welt tun kann

  10. Ich halte die Einordnung westlicher „Linker“ im Zusammenhang mit Entwicklungen wie in Sri Lanka zunehmend für obsolet. Was sich heute im Westen oft noch als „links“ versteht, hat sich längst von klassischer linker Politik – also einer am materiellen Wohlergehen der Bevölkerung orientierten, pragmatischen und sozialen Haltung – entfernt. Der Fokus liegt dort heute häufig auf identitäts- und moralpolitischen Themen, die mit den realen Herausforderungen in Ländern des globalen Südens kaum etwas zu tun haben.

    Gerade deshalb erscheint mir der Vergleich mit Kerala in Indien so bedeutsam: Hier gibt es ein langfristig gewachsenes, demokratisch legitimiertes Beispiel dafür, wie linke Politik im Sinne der Menschen wirken kann – mit Fortschritten bei Bildung, Gesundheit und gesellschaftlicher Teilhabe, ohne ideologischen Ballast. In diesem Licht sollte man auch Sri Lanka betrachten: nicht als neues ideologisches Projekt oder als Symbol in einem globalen Lagerdenken, sondern als – möglicherweise ausnahmsweise – positives Zeichen einer politischen und sozialen Veränderung.

    Man muss Sri Lanka nicht mit westlichen Maßstäben bewerten, die historisch, kulturell und strukturell nicht übertragbar sind. Vielmehr sollte man beobachten, ob es gelingt, unter schwierigen Bedingungen einen neuen Weg zu gehen – mit klarem Fokus auf soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Stabilität. Allein das verdient Aufmerksamkeit, nicht Schweigen.

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