Die Umstürze in der Sahelzone reißen nicht ab. Nun wurde auch in Gabun die nach westlichen Standards gewählte Regierung vom Militär abgesetzt. Mittlerweile zieht sich ein Band von Staaten vom Roten Meer bis zum Atlantik, die vom Militär regiert werden. Welcher Wandel drückt sich in diesen Umstürzen aus und welche Kräfte treiben die Entwicklung an?
Die meisten Gesellschaften in der Sahelzone wie auch in Gabun und anderen Staaten Afrikas hatten in den letzten Jahren versucht, durch westliche Orientierung den Weg aus der Armut zu finden. Dazu gehörten die gängigen vom Westen geforderten Voraussetzungen für dessen wirtschaftliches Engagement: Parteienvielfalt, demokratische Wahlen, Meinungs- und Pressefreiheit. Es handelte sich dabei um die klassischen bürgerlichen Freiheiten.
Der Druck der Verhältnisse
Dieses Modell schien sich in den entwickelten Industriestaaten des politischen Westens bewährt zu haben. So jedenfalls sahen es jene, die glaubten, auf diesem Weg den gesellschaftlichen Wohlstand auch in Afrika anheben zu können. Dementsprechend folgten die Entscheider den Vorschlägen jener Vordenker aus dem Westen und seiner Institutionen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds und anderen.
Um die wirtschaftliche Entwicklung voran zu treiben vergaben die afrikanischen Staaten Lizenzen zu günstigen Konditionen, damit westliche Unternehmen die Bodenschätze hoben. Den afrikanischen Staaten selbst fehlten dazu die finanziellen Mittel und das technische Wissen. Dazu musste Infrastruktur geschaffen werden: Häfen, Verkehrswege, Energieversorgung. Das Geld kam über Kredite von Finanzmärkten oder internationalen Finanzinstitutionen. Diese Kredite waren mit Bedingungen verbunden, was die Sicherheit der Investitionen und des Personals betraf.
Das geliehene Geld kostete Zinsen, die erwirtschaftet werden mussten. Von den Erträgen der Konzerne blieb nicht viel für die Staaten übrig. Deshalb stieg deren Verschuldung immer mehr an. Wurden weitere Kredite zur Staatsfinanzierung notwendig, forderten die Kreditgeber besonders in den internationalen Institutionen je nach Lage der Staatsfinanzen den Abbau sogenannter Wirtschaftshemmnisse zur Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit.
Darunter verstand man im neoliberalen Denken das Streichen von Subventionen, die nach Ansicht westlicher Wirtschaftstheoretiker den Markt verzerrten und damit Investitionen von gewinnorientierten privaten Unternehmen unrentabel machten. Da aber die meisten afrikanischen Staaten auf die Kredite der westlichen Geldgeber angewiesen waren, blieb ihnen oftmals keine andere Wahl, als den Abbau von Subventionen gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung, aber zugunsten der westlichen Kapitalgeber umzusetzen.
Dieser Abbau von sogenannten Handelsschranken erleichterte den Markteintritt großer westlicher Konzerne besonders aus der Lebensmittelbranche. Mit ihren billigeren, zum Teil subventionierten Produkten – wie im Falle der Europäischen Union – vernichteten sie die lokale Kleinwirtschaft. Die Gesellschaften verarmten immer mehr.
Die Bevölkerung aber wuchs, und es entstanden nicht genug Arbeitsplätze, um diese zu ernähren. Die Vorstellung, auf dem westlichen Entwicklungsweg zu Wohlstand zu gelangen, stellte sich als Trugschluss heraus. Die Gewinne gingen ins Ausland. Armut und Unterentwicklung blieben im Land. Profiteure waren zum einen die ausländischen Konzerne und korrupte Eliten, die sich von westlichen Konzernen schmieren ließen, damit sie die Entscheidungen trafen, die diesen Konzernen nutzten.
Umstürze
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte es in Afrika wie auch sonst überall auf der Welt viele Befreiungskriege gegen die Kolonialmächte gegeben. Große Teile der Bevölkerung hatten sich erhoben, um nationale Unabhängigkeit zu erlangen. Mit dieser hatten sie die Hoffnung auf ein besseres Leben verbunden. Die meisten dieser Bewegungen waren nach verlustreichen Kämpfen siegreich gewesen.
Sie errangen die nationale, nicht aber die wirtschaftliche Unabhängigkeit, denn diese war letztlich schwerer zu erringen als die politische. Man konnte die Kolonialmächte mit ihrem gesamten Verwaltungsapparat und Militär vertreiben, aber man konnte sie nicht zwingen, wirtschaftliche Unterstützung zu leisten und den Aufbau der Länder zu finanzieren.
An deren Stelle waren die Sowjetunion und andere sozialistische Staaten in Afrika eingesprungen. Sie leisteten Wirtschafts- und Entwicklungshilfe in Form von wissenschaftlicher und technischer Ausbildung. Damit sollte das Wissen vermittelt werden, das zum Aufbau einer modernen Wirtschaft notwendig war. Aber die finanziellen Mittel der sozialistischen Staaten waren begrenzt. Was in Afrika investiert wurde, fehlte im eigenen Land, wo aufgrund der Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs und dem vom Westen erzwungenen Wettrüsten immer noch Mangel herrschte.
Nach dem Untergang der UdSSR war den Staaten in Afrika keine andere Wahl geblieben, als sich dem Westen auf Gedeih und Verderb auszuliefern, denn dieser verfügte über die finanziellen Mittel und das technische Wissen, die notwendig waren, um Bodenschätze zu heben oder sonstige größere Wirtschaftsvorhaben anzustoßen. Mit den westlichen wirtschaftlichen Mitteln kamen aber auch politische Bedingungen zur Sicherung der westlichen Investitionen.
Dabei wurden westliches Mehrparteiensystem und Parlamentarismus auch in weiten Teilen der Bevölkerung – besonders im städtischen Milieu – als Hoffnungsträger angesehen und mit Wohlwollen begrüßt. Aber der erhoffte Wohlstand wollte sich nicht einstellen. War der Kampf um die wirtschaftliche Unabhängigkeit weniger blutig als seinerzeit jener um die nationale, so war er doch schwieriger. Denn eine Geschlossenheit wie seinerzeit in den Befreiungskriegen war schwerer zu erreichen.
Das westliche Mehrparteiensystem führte wie in den westlichen Gesellschaften so auch in den afrikanischen zu einer Zersplitterung der politischen Willensbildung entlang den verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Gruppeninteressen. Bis zu den vom Militär eingeleiteten Veränderungen der Herrschaft war keine gesellschaftliche Bewegung entstanden gegen den westlichen Einfluss und für die Durchsetzung der eigenen nationalen wirtschaftlichen Interessen. Angesichts des Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Verarmung einerseits und dem exportierten Reichtum andererseits nahm der innergesellschaftliche Druck stetig zu.
Dieses Problem waren die westlich orientierten und vom Westen abhängigen Regierungen nicht zu lösen im Stande. Andererseits aber hatte auch noch keine neue antikoloniale Bewegung ausreichend Kraft erlangt, um neue Formen der Machtausübung durchzusetzen. In dieser Situation zerschlug das Militär den gordischen Knoten. Das ist kein Einzelfall. Immer wieder ist das Militär als letzte Instanz aufgetreten, wenn die Existenz des Staates oder der gesellschaftlichen Ordnung gefährdet war – nicht nur in der Sahelzone.
Nationale Interessen im Vordergrund
In der Vergangenheit war von Militärregierungen nichts Gutes zu erwarten, wenn man besonders die Putsche in Südamerika betrachtet von Argentinien über Brasilien bis Chile. Die meisten von ihnen waren von den USA betrieben und unterstützt worden und dienten dem Erhalt der kapitalistischen Ordnung. Es galt, diese Ordnung vor nationalen oder kommunistisch beeinflussten Bewegungen zu schützen.
Dieses Bild über Militärregierungen prägt noch heute das Denken vieler Linker. Das kommt auch nun wieder in der Diskussion um die Vorgänge in der Sahelzone zum Tragen, wo westliche Intellektuelle über Ähnlichkeiten hinaus nicht den Unterschied im Wesen der Vorgänge erkennen. Weil sich die Umstürze hauptsächlich in ehemaligen französischen Kolonien abspielen, viele der Putschisten in den USA ausgebildet wurden und die USA nicht in das Horn der französischen Interventionsdrohungen stoßen, vermuten sie, um sieben Ecken denkend, eine Verschwörung der USA zur Übernahme der ehemaligen französischen Kolonien.
Zudem vermissen sie die anti-imperialistische Bewegungen, die nach ihren Vorstellungen und den von ihnen verinnerlichten Theorien vorhanden sein müssten, um tiefgreifenden Wandel zu erreichen. Wahrscheinlicher aber ist, dass den USA Westafrika nicht so wichtig ist wie China und der Krieg in der Ukraine, der sich länger hinzieht als erwartet und dessen Erfolgsaussichten von Monat zu Monat schwinden.
Diese Denker übersehen, dass die Putschisten nicht revolutionäre Bewegungen zerschlagen wie seinerzeit in Südamerika, Afrika und auch Südostasien. Vielmehr scheint ihre Entscheidung auf weitverbreitete Unterstützung in der Bevölkerung zu stoßen. Bisher wurde selbst in westlichen Medien keine Berichte veröffentlicht über nennenswerten gesellschaftlichen Widerstand, was man sich sicherlich nicht hätte entgehen lassen.
Es scheint den neuen Herrschern vornehmlich um die Zurückdrängung westlichen Einflusses zu gehen und darum, den eigenen nationalen Interessen mehr Geltung zu verschaffen. Die Putschisten im Niger verstehen sich als anti-republikanische Bewegung und erklärten, das „Regime zu beenden“(1). Gleichzeitig stoppten sie die Ausfuhr von Bodenschätze an Frankreich, was darauf hindeutet, dass diese Geschäftsbeziehung zum Vorteil des Landes neu überdacht werden soll.
Volk oder Verfassung
Auch in Gabun erklärten die Putschisten: „Im Namen des gabunischen Volkes haben wir beschlossen, den Frieden zu verteidigen, indem wir dem derzeitigen Regime ein Ende setzen”. Als Motiv für ihre Entscheidung sprachen von einer „ernst zu nehmenden institutionellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise”(2). Es scheint also um den Schutz von Staat und Gesellschaft zu gehen vor denen, die über beide bisher ihre Herrschaft ausgeübt hatten.
Natürlich kamen nach dem Umsturz in Gabun wieder Forderungen aus dem Westen nach der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung. Aber sie werden verhaltener. Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung zeichnet von Gabun das Bild eines Staates, der gekennzeichnet war von der Korruption einer seit fünfzig Jahren mit Unterstützung des politischen Westens herrschenden Familie. Sie flohen mit Koffern voll Geld.
Im Gegensatz zu den Ansprüchen aus dem Westen scheint die Stimmung und die Einstellung zur verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern des Sahel eine andere zu sein. Nach den Berichterstatterinnen der FAZ „gingen nach dem Staatsstreich Hunderte Menschen jubelnd auf die Straßen, einige umarmten Soldaten. Offenkundig hatten die Putschisten die Meinung vieler ausgedrückt, als sie Ali Bongo eine unberechenbare und unverantwortliche Regierungsführung vorwarfen“(3). Das war nicht nur in Gabun so, sondern auch in Niger und Mali.
Geht es in diesen Auseinandersetzungen überhaupt um das, was westliche Medien und Foren thematisieren? Geht es um die Einhaltung der Verfassung, was immer die oberste Forderung des politischen Westens ist? Geht es um die Einhaltung von irgendwelchen Revolutionsidealen, die von Intellektuellen erhoben werden? Auch diese aus dem Westen! In dieser Hinsicht unterscheiden sich westliche Regierungen und deren Kritiker auffällig wenig. Beide geben vor, besser zu wissen als die Afrikaner selbst, wie die Geschicke in Afrika richtig angepackt werden müssen.
Was aber sagen Afrikaner dazu? Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik, der im Westen als Autokrat angesehen wird, weil er die korrupte Regierung abgesetzt und die Wagner-Truppe ins Land gerufen hat, hat es nach der Bestätigung seines Verfassungsentwurfs durch das Volk so ausgedrückt: „Das Volk steht über der Verfassung.“
Darin kommt ein Denken zum Ausdruck, das dem politischen Westen abhanden gekommen zu sein scheint: Verfassung ist kein Selbstzweck, sondern formuliert die Grundsätze für das Zusammenleben einer Gesellschaft. Das bedeutet aber, dass die Verfassung sich der gesellschaftlichen Entwicklung anpassen muss und nicht das Volk der Verfassung. Anderenfalls sollten die Regierungen sich Berthold Brechts Worte zu Herzen nehmen und sich ein neues Volk wählen.
Fußnoten
(1) Rüdiger Rauls: Gescheitert im Sahel
(2) FAZ vom 31.8.23: Auch in Gabun putscht das Militär
(3) FAZ vom 31.8.23: Ein Putsch nach umstrittenen Wahlen
Rüdiger Rauls ist Buchautor und betreibt den Blog Politische Analyse.
Der Autor übersieht die Rolle der USA, ihre Ambitionen sowie die Frankreichs “im Auftrag” der USA. Sollte sich mal mit der Rumsfeld -Chebowski-Doktrin, Zerstörung bestehender gesellschaftlicher Strukturen, jetzt in Westafrika nach dem Vorbild des des Nahen Ostens, beschäftigen.
Thierry Meissan hat dazu entsprechende Fakten gesammelt, die militärischen Aktivitäten der USA in der Sahelzone.
Ohne die Einbeziehung der geostrategischen Komponenten kann man die Situation nicht beschreiben.
Sie meinen sicherlich diesen Artikel: https://www.voltairenet.org/article219663.html
Ja,“der Westen“ will die Welt ins Chaos stürzen in der Hoffnung,dass die „Braut“ zu hässlich ist,als dass sie von den Interessenten Russland,China,Indien umworben würde…
Der angelsächsisch dominierte „Westen“ wird von der Weltbühne abtreten-aber deren Herrscher wollen ihren Nachfolgern Chaos,Zerstörung und Hass hinterlassen…
Der Autor hat allgemein keine Expertise zum Thema und fasst zusammen, was jeder interessierte Leser ohnehin weiß. Seine einzigen Quellen sind zwei FAZ Artikel. Dafür brilliert er in Allgemeinplätzen wie der Feststellung, dass Zinsen Geld kosten.
Worin besteht denn IHRE Expertise, das beurteilen zu können. Weisen SIE mal nach, dass Sie irgendwelche Veröffentlichungen zu dem Thema gemacht haben, irgendwelche Aussagen, die über das Niveau der FAZ hinausgehen.
Wo finden SIE denn in meinem Text den Allgemeinplatz, ” dass Zinsen Geld kosten”? Ich habe geschrieben: “Das geliehene Geld kostete Zinsen”. Also wenn Sie schon mir Allgemeinplätze vorwerfen, dann zitieren Sie doch wenigstens richtig. Vermutlich ist das Ihr Problem, dass Sie Texte nicht verstehen, weil Sie nicht herauslesen, was drin steht, sondern HINEINlesen, was Sie in ihrem Kopf zusammenreimen, bzw Ihr Denkappart abschaltet, wenn Sie Zitate aus der FAZ finden. Das ist wie bei den gottesgläubigen Katholiken: Die glauben nur, was in Ihrer Bibel steht. So kommen mir einige dieser alternativen Gläubigen auch vor. Die denken nicht selbst nach sondern übernehmen die Glaubensbekenntisse IHRER Bibeln.
Ihre Empörung ist verständlich. Nur die Nichtbeachtung der aktuellen US-Aktivitäten, einschließlich der Nutzung des Nachschubs für die ukrainische Armee zum Aufbau militärischer Potenz in der Sahelzone, ist irreführend. Die Informationen von Meissan haben sich schon immer als zutreffend erwiesen. Meissan schreibt zwar etwas eigenartig, doch gut abgesichert. Er hat wohl einen schlechten Übersetzer.
Hi,
ich habe genau wie sie keine spezielle Expertise zur Sahelzone und verzichte deshalb darauf, Artikel darüber zu verfassen. Die FAZ kann ich selber lesen und brauche dafür niemanden, der das noch mal wortreicher wiedergibt. https://www.german-foreign-policy.com/ hielte ich im Zweifel dann auch für die bessere Quelle, wenn sie denn weiterhin gerne abschreiben wollen.
Mea culpa, ich habe den Allgemeinplatz verwechselt. Dann war’s eben das geliehene Geld, das Zinsen kostet. Halten sie das in der Qualität der Erkenntnis für einen Unterschied? Anscheinend ja, denn mal wieder fährt Herr Rauls komplett aus der Haut. Es riecht nach narzisstischer Kränkung.
Die haben es vielleicht satt im neokolonialen Stil geplündert zu werden.
Herr Oberst, der Autor übersieht die Rolle der USA keineswegs, aber er überschätzt sie auch nicht wie es Leute wie Meyssan und ähnliche tun, die hinter allen Vorgängen einer weitreichenden und ausgefeilten Plan der USA VERMUTEN, ohne es in der aktuellen Lage nachweisen zu können. Meyssan scheint an dieser Doktrin einen Narren gefressen zu haben, denn er scheint sie bei jedem Ereignis in der Region ins Spiel bringen zu müssen. Ehrlich gesagt, kenne ich diese Doktrin nur dadurch dass Meyssan immer darauf herumreitet. Aber andereseits: wieviele Doktrinen sind im Laufe der Geschichte entwickelt worden in den schlechtgelüfteten Studierstuben irgendwelcher Theoretiker und Intellektuellen. Was ist geworden aus der Monroe-Doktrin? Interessiert sich China heute noch dafür, dass die Amis dachten, nur sie hätten das Sagen in Südamerika. Die Chinese pfeifen darauf. Viele von diesen Doktrinen sind kurz nachdem sie das Licht der Öffentlichkeit erblickten, genauso sanglos wieder von der Bildfläche verschwunden, ohne dass sie größeren SChaden in den Hirne von irgendwelchen Denkern und Kommentatoren angerichtet hätten. Noch erfreulicher ist, dass sie dadurch keinen SChaden in der Welt anrichteten. Die meisten dieser Doktrinen sind doch nie in Erfüllung gegangen, es sei denn, dass die Meyssans dieser Welt diese als jornalistisches Alleinstellungsmerkmal nutzen. Die Welt richtet sich nicht nach Doktrinen, Herr Oberst. Die Welt richtet sich nach Interessen und den Möglichkeiten ihrer Umsetzbarkeit. Nach welchen Doktrinen weitet denn China ständig seinen Einfluss in der Welt aus? Nach welchen Doktrinen zerbricht denn Russland die militärische vormacht der USA. Doktrinen sind was für Leute, die die Wirklichkeit nicht verstehen und sich ihr nicht aussetzen wollen. Sie sind Gedankengerüsten, an denen sich jene festkrallen, die den Wandel nicht wahrhaben wollen und deshalb auch nicht genau hinschauen, ob diese Meyssan-Doktrin tatsächlich in der Sahelzone irgendetwas mit den Entwicklungen zu tun hat, die dort vor sich gehen.
Was ist denn das für ein simples Weltbild, wenn man glaubt, Frankreich würde “im Auftrag der USA” handeln. Frankreich hat seine eigenen Interessen in der Sahelzone. Weil diese mitunter identisch sind mit jenen der USA, heißt das doch noch lange nicht, dass die Franzosen im Auftrag der USA handeln. Nicht alles, was gleich aussieht, ist auch gleich. Oder sind Zucker und Salz dasselbe? Im richtigen Leben untersucht man das erst einmal, ehe man sich etwas davon in den Kaffee schüttet. D.h. man prüft es mit der Zunge. Zugegeben bei politischen Fragen ist das schwieriger, aber auch nicht unmöglich.
Wie wäre es damit, die erwähnte Doktrin in Entwicklung zu sehen? Auch die Monreo-Doktrin ist nicht vom Tisch, sie ist ständig im Hintergrund wirksam, bis heute. Wir wissen doch, dass Pläne jeglicher Art nur eine Zeit medial im Vordergrund stehen, aber in der Politik weiter erhalten bleiben, angepasst, nicht verworfen.
Vielleicht streiten wir auch um des Kaisers Bart und meinen dasselbe.
WErter Herr Oberst
Auch die Bibel ist immer noch auf dem Tisch. Auch sie ist weiterhin in Entwicklung bei jenen, die an sie glauben. Aber sie ist noch da und für einige immer noch bedeutend. Man sieht sie heute anders als vor Jahrhunderten. ABER: Sie hat nur noch wenig gesellschaftliche Bedeutung.
Sicherlich ist die Monroe-Doktrin noch weiterhin der Lebensinhalt von einigen wenigen Hinterwäldlern, die den Wandel nicht verstehen und noch weniger annehmen können. Aber im Weltmaßstab, in der Entwicklung der politischen Verhältnisse ist sie nichts weiter als ein Ausstellungsstück fürs Museum. Sicherlich werden die USA überall dort, wo ihnen die Möglichkeit geboten wird, versuchen, ihren Willen durchzusetzen. Aber das wird immer schwieriger, weil es anders als zu Zeiten der Monroe-Doktrin oder als zu Zeiten von Meyssans Steckenpferd immer mehr politische Akteure gibt mit eigenen “Doktrinen”, die denen der USA erheblich zusetzen. Es ist nicht mehr so wie in früheren Zeiten, dass irgendwelche blassen Denker in den US-Katakomben sich tolle Ideen einfallen lassen, wie sie die Welt unterjochen können. Es gab nie einen Plan der USA, es gab immer nur wenig Gegenwehr, wie hier Bella schon sehr richtig ausdrückte. Die meisten Pläne der USA waren auf Sand gebaut und lebten alleine davon, dass die anderen sich nicht wehren konnten. man betrachte doch nur allein diese technischen Pläne, die ja noch am leichtesten umzusetzen sind in Vergleich zu politischen. Das gesamte Weltraumprogramm der hochentwickelten und finanzstarken USA wurde doch von dem piependen Sputnik ins Lächerliche gezogen. Bis auf die Mondlandung waren die Sowjets mit ihren einfachen Mitteln den Amis immer einen Schritt voraus. Und dasselbe gilt doch auch heute. Es gibt keinen direkten Vergleich zwischen russischen und amerikansichen Waffen in ihrer Wirksamkeit. Aber erstens sind die russischen bei vergleichb arer Wirkung wesentlich billiger und zweitens sind die Russen in ihren strategischen Waffen den USA weit voraus. Die Russen und Chinesen haben Überschallwaffen, die Amis hinken Jahre hinterher. Wer nicht einmal in der Lage ist, Pläne zu machen für solche einfachen Aufgaben, wie will der einen Plan für die weltherrschaft haben, der dann auch möglichst noch funktioniert?
Diese ganze Vorstellung von irgendwelchen Linken hier und im Westen, dass die Amerikaner einen geheimen Plan haben, ist nichts anderes als die Unfähigkeit zur Analyse der Wirklichkeit. Das erinnert mich an die Katholiken, die hinter allem, was sie nicht verstanden, den Willen Gottes sahen oder sein Strafgericht. Dieser Glauben an den Plan einer Weltverschwörung von welcher seite auch immer ist Ausdruck der Hilflosigkeit von jenen im Westen, die sich für aufgeklärt und ungeheuer kritisch halten. Reden die Russen von einem geheimen Plan der Amerikaner, die Chinesen? Nein die haben keine Angst davor, die versetzen sich auch nicht in Angst damit. Nein, die bekämpfen das, was die Amis oder der poltiische Westen im Schilde führt. Die haben die Mittel und vor allem haben sie die mentale Stärke, sich nciht von solchen Hirngespinsten einschüchtern zu lassen. Es sind die im westen, die haben die Hosen voll und laufen kopflos durch die Gegend.
Aber vllt haben auch SIE recht, dass es nur um des Kaisers bart geht.
Ich gebe Ihnen Recht, dass solche Pläne mehr Produkt der Analyse sind als reale Handlungsanweisungen. Und doch ist es nicht falsch, von Doktrinen und Plänen zu sprechen, so wird der Sinn mancher Aktivitäten sichtbar. Und wenn in diesen die ursprünglichen Pläne, mehr Absichtserklärung einer Protagonistenseite von vielen, erkennbar werden, erweist sich deren oft langfristige Wirkung. Natürlich zerren viele Seiten am Tuch der Entscheidung. Immer, wenn auch nur zeitweise und in sich veränderndem Maße, sind dann die Pläne und Doktrinen in den Aktivitäten eingebaut. Zumeist nur teilweise und in anderem Zusammenhang, aber unübersehbar.
Ich würde nicht die Erzählungen von Doktrinen und Plänen so einfach als Fake abtun, das machen schon die involvierten Regierungen und Dienste zu Genüge. Als Orientierung sind sie mir jedenfalls sehr nützlich.
Der französische Autor Thierry Meyssan – ich kannte ihn bisher nicht – ist mir nach ersten Überblick über seine Website Voltaire suspekt!
Er besitzt sicher exzellente Detailkenntnisse der Lage in Afrika, sicher sieht er einige Dinge richtig, aber er macht auf mich einen verschwörungstheoretischen Eindruck. Ich glaube nicht an einen großen Plan der USA zur Weltherrschaft, der durch die CIA, die Sprengung der Zwillingstürmen durch die US selbst usw., umgesetzt wird. Vielmehr herrscht im US-System mehr und mehr Chaos, da weiß oft die linke Hand nicht was die rechte tut. Durch dieses keineswegs geplante Chaos schießt sich die US oft selbst ins Knie, was ich als Zeichen des Verfalls, des Niedergangs des Machtapparates der US sehe. Es ist Dummheit und Dekadenz, die in den US zunimmt. Nichts passiert dort nach einen „großen Plan der Weisen von Zion“, überspitzt gesagt.
Meyssan selbst erscheint mir als ein typischer französischer Republikaner, der sich jetzt im linken Lager niedergelassen hat. Der französische Republikanismus glaubt an die französische Überlegenheit, weil dieses Land durch seine Revolution Menschenrechte und Republik erfunden hätten. Für diese Leute ist ihre Kolonialbevölkerung nicht unterdrückt, sondern das sind lediglich Auslandsfranzosen. Deshalb war für viele dieser Republikaner die algerische Unabhängigkeit eine Abspaltung vom Mutterland. Diese Abspaltung vom guten, republikanischen Mutterland erlaubten sich auch die Vietnamesen, als sie bei Dien Bien Phu die französische Kolonialarmee besiegten, dann aber unter amerikanische Kontrolle gerieten. Erst am 30. April 1975 läuteten in Vietnam die antikolonialen Freiheitsglocken, als die Besatzer demütigt fliehen mußten und mit der Befreiung von Saigon der unabhängige vietnamesische Staat entstand. Das dürfte doch einigermaßen gebildeten Linken klar sein, oder sind einige dieser linken Gehirne vom kolonialistischen Eurozentrismus vernebelt, gespickt mit ein wenig Verschwörungstheorien?
Meissan hat eine bewegte Vergangenheit, war Generalsekretär der französischen SP, wie schon sein Vater, Berater von Gaddafi und andere in Nahost, Mitgründer z B von Charly Hebdo (hoffe, richtig geschrieben). Er verfügt über exzellente Beziehungen zu Diplomaten, Politikern, Professoren, Militärs auf der ganzen Welt und erfährt mehr als Otto. Ungewöhnlich für uns ist die Denkweise, aber die ist eine in diesen Kreisen übliche. Er schildert die Vorgänge so, wie sie den Politikern vorliegen, uns aber nicht.
Beispielsweise hat er mehrfach im Syrien-Krieg über geheime Waffenlieferungen eines Netzwerks von Waffehändlern (CIA, Bulgarien, Aserbaidschan) mit konkreten Zahlen, Urzeit, Orte berichtet, die nur Insider kennen. Das wurde jeweils als Fake abgetan, aber nach längerer Zeit durch andere Quellen bestätigt. Er deckte dank seiner Beziehungen auch die Geheimdienstoperation hinter dem Anschlag auf Charly Hebdo auf und die Mitwirkung einiger Geheimdienste (MI6) in Belgien (Flughafenattentat).
Ich würde vorsichtig sein, ihn so abzuwinken. Der Mann weiß viel.
In einem Vielvölkerstaat bzw. einer Stammesgesellschaft führt “repräsentative” Stellvertreterdemokratie zu Korruption, Tribalisierung und religiösen Konflikten. Die Zerstörung der Familie durch das westliche Entwurzelungsmodell können sich arme Länder schon gar nicht leisten, weil sie kein Sozialsystem besitzen. Außerdem hat man wohl auch in Afrika mitbekommen, dass im Westen repräsentative Demokratien immer korrupter werden und wie in Afrika von Konzernen dominiert werden, und sich gegen die Völker wenden. Schließlich studieren viele Afrikaner im Westen und bekommen den Widerspruch zwischen der Ideologie von democrazy und freedom und der Realität mit. Die Hoffnungen der Afrikaner richten sich aber wohl eher auf China als auf Russland.
Ein komplexer Artikel, Kolonien, Kapital, Verfassung, Demokratie oder Militär…
Jetzt schweife ich ein wenig ab, wie war das mit Swiss Credit und die Übernahme von UBS?
Eine komplette illegale Machenschaft und trotzdem hat keiner sein demokratisches Schwert eingesetzt. Es wurde sogar begrüsst von einigen Akteure, warum hielten aber die ‘Shareholder’ still?
Afrika und die ‘Putsche’, sind dem Geopolitischen Konsens geschuldet, damit das Kapital weiter regieren kann. Natürlich werden Opfer generiert und zwar dort wo es den geringsten Widerstand erfährt.
Ein guter, erhellender Artikel der das Dilemma der unterentwickelten Länder in einer nachvollziehbaren Logik aufzeigt. Es gilt, die im “Volk” vorhandenen Marktkräfte staatlich unterstützt zur Wirkung kommen zu lassen.
Eigentlich sollte man schreiben: Dammbrüche im Westen!
Denn nicht die Peripherie ist am leiden, sondern der Westen im Verbund seines statuses.
Afrika und andere Nationen erkennen ihre Chance aus dem System sich zu befreien, ob die jeweiligen Menschen einen Vorteil daraus zu erleben, bleibt abzuwarten.
Wenn man über Gabun schreibt, muss man auch mehr über den Bongo-Clan schreiben und dass die Putschisten wieder ein Zweig des Bongo-Clans sein könnten:
https://www.podbean.com/site/EpisodeDownload/DIR1A927627IVBVB
https://www.aljazeera.com/features/2023/9/1/has-gabons-all-powerful-bongo-dynasty-really-lost-its-55-year-grip
https://www.icij.org/investigations/pandora-papers/gabons-bongo-family-enriched-itself-over-56-years-of-kleptocratic-rule-spreading-its-wealth-across-the-world/
Mir ist gerade der Name der Dame entfallen, die angeblich eine Menge offshore-Konten des Clans verwaltet. Man findet auch einige alte Interviews von ihr im Netz.
Ein anderes Indiz für einen “soften Coup” im Sinne der USA wäre, dass der neue Präsident von Gabun sagt, dass er alle Schulden bei der Weltbank etc. zurückzahlen will. Das ist beim Niger nicht der Fall. Die zahlen bis auf Weiteres nichts mehr und wurden schon hart sanktioniert. Die verhandeln noch mit den USA und Frankreich.