An diesem Tag wurde ein „Luftkampagne“ begonnen. Bei uns in Deutschland spürte man davon nichts. Alles ging seinen gewohnten Gang, was man hier sehr mag und schätzt. Woanders erlebte man etwas Anderes, auch wenn eine „Luftkampagne“ etwas Luftiges und Frisches suggeriert.
Außerdem wurde an diesem Tag die Welt gerettet.
Man hat, so einige Männer der Weltgeschichte, die Welt vor einem „zweiten Auschwitz“ bewahrt. Wer nicht im Windschatten eines Menschheitsverbrechens stehen wollte, wählte die etwas kleinere Nummer und hat sich beauftragt gesehen, eine „ethnische Säuberung“ zu verhindern.
Und völlig einig war man sich, dass man das Menschheitsgewissen verteidigt. Deshalb nannten alle das, was dann passierte, eine „humanitäre Intervention“. Wer kann und will sich solch edlem Ansinnen in den Weg stellten?
An diesem Tag, ab diesem Tag, mit so viel „Nie wieder!“ durften sie alles. Die Retter durften alles, die Zeitungen durften schreiben, was sie wollten. Niemand trübte die Stimmung. Alle waren voller Lob über die Retter, die alles abwarfen, auch und gerade die Last der Geschichte.
Endlich durften die, die im Schatten des „ersten“ Auschwitz aufgewachsen sind, zeigen, was man alles mit der Geschichte machen kann.
Nach über 70 Tagen war klar, dass es kein „zweites Auschwitz“ geben wird, dass man die „ethnische Säuberung“ vereiteln konnte.
Alles sauber zusammengekehrt: die eigene Geschichte, die zweite Okkupation, die Rückkehr auf die Weltbühne.
Ein bisschen später, wie immer, kommen Leute und erzählen die Geschichte ziemlich anders. Gut, diese Leute hatten nicht nur Befürchtungen, sondern auch Fakten in der Hand. Aber das kennen die Herren, die schon immer Weltgeschichte machen und die, die wieder dazustoßen durften: Das ist zwar ein bisschen ärgerlich und mehr eben auch nicht.
Das erste, zweite erste Mal
Und über 20 Jahre später sagen dieselben, die am Rad der Geschichte mitgedreht hatten, dass bis zum 24. Februar 2022 die Welt, also Europa, in Ordnung war. Man hat Konflikte mit viel Gefühl und Einfühlungsvermögen gelöst. Es gab keine Kriege mehr in Europa. Das Recht, also das internationale Recht hatte das Sagen. Die europäische Friedensordnung war das A und O.
Dann brach in Europa doch noch Krieg aus, an besagtem 24. Februar 2022. Sofort wussten die Herren, die am Rad der Geschichte drehen und ihre Ventilatoren, dass das jetzt aber der erste Angriffskrieg ist, der die europäische Friedensordnung kalt, bitter und arg erwischt hat. Sie beharren darauf, dass am 24. Februar 2022 zum ersten Mal auf dem europäischen Kontinent Krieg geführt wurde.
Lassen wir einmal einen Blackout gelten, für die Tatsache, dass man das „den Russen“ nicht zugetraut hatte.
Aber jetzt ist über ein Jahr vergangen und man könnte doch meinen, dass der Laufstalljournalismus den Weg ins Archiv gefunden hat und sich so in Erinnerung rufen konnte, was man als Kosovo-Krieg bezeichnet, an dem sich die deutsche Bundesregierung maßgeblich beteiligt hatte. Dieser fand im Jahr 1999 statt, kurz vor der Jahrhundert- oder Zeitenwende.
- Wurde 1999 unser Deutschland irgendwie angegriffen?
- Betraten jugoslawische Soldaten deutschen Boden?
- Bombardierte die jugoslawische Armee deutsche Städte?
- Erklärte die jugoslawische Regierung gar Teile von Deutschland für unabhängig?
Manche halten diesen Laufstalljournalismus für dumm und ignorant. Ich widerspreche dem ausdrücklich. Sie wissen, was sie nicht wissen. Sie wissen, was sie ignorieren, sie wissen, was man besser verschweigt, als es sich zurechtzubiegen.
Den Staub der Geschichte in ihre Augen streuen
Im Juni 2021 berichtete ein Kommentar der FAZ, dass mit dem Urteil gegen den früheren bosnisch-serbischen Armeechef Ratko Mladić die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in Jugoslawien abgeschlossen sei. Das machte mich fassungslos, denn es war nicht die FAZ alleine, die noch zwanzig Jahre später keinen Angriffskrieg der NATO gegen Jugoslawien wahrgenommen hatte.
In den gefühlt tausend Talkshows in öffentlich-rechtlichen Anstalten seit dem „ersten Angriffskrieg in Europa“ kam nicht einmal, nicht ein einziges Mal jemand zu Wort, der auf den ersten Angriffskrieg in Europa nach 1945 hinwies und die Notwendigkeit, die Beteiligten als Kriegsverbrecher zu behandeln.
Der erste Angriffskrieg in Europa – vor dem ersten
Es lohnt sich zurückzublicken, denn dieser Umgang sagt nicht nur etwas über den „Kosovo-Krieg“ aus, sondern auch über die Art und Weise, wie heute der „Krieg gegen Russland“ verschleiert, gerechtfertigt und munitioniert wird. Wenn man sich die Methoden und Techniken vergegenwärtigt, die damals angewandt wurde, dann haben wir gar keine Scholzsche „Zeitenwende“, sondern ein Kontinuum an imperialer Politik.
Wir müssen also nicht wieder Jahre warten, bis all die Lügen und Inszenierungen in sich zusammenfallen. Man kann sich diese Wiederholung ersparen.
Der Nato-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien 1999: Die Legende vom ehrlichen deutschen (Friedens-)Makler
Auch wenn die 16-jährige Kohl-Ära den Weg dorthin ebnete, war klar, dass die Zustimmung zu einem Angriffskrieg ein schwieriges Unterfangen werden könnte. Der Irak war weit weg, die Parole „Serbien muss sterbien“ noch nicht ganz verklungen. Die Assoziationskette zwischen deutschen Reichswehrsoldaten, die 1941 Jugoslawien überfielen und deutschen Bundeswehrsoldaten, die fast 60 Jahre später möglicherweise als Besatzer zurückkehren, wog schwer.
Ein ‚neues‘ Deutschland musste her. Nichts eignete sich dazu mehr, als das Bild von einem Deutschland zu zeichnen, das keinerlei eigene hegemoniale Interessen hege. Ein Deutschland, das einzig und alleine von dem Wunsch getragen sei, zu einer Friedenslösung zwischen zwei Bürgerkriegsparteien beizutragen. Nicht von ungefähr stand das deutsche Bemühen um eine friedliche Beilegung des ‚Kosovokonflikts‘ im Vordergrund der Berichterstattung. Es war die Stunde des Außenministers Joschka Fischer, der quer durch die Welt flog, Russland ins (Nato-)Boot holte und Friedenswillen demonstrierte – bis zum abwinken:
„Ich war bei Milosevic … Ich habe ihn angefleht, darauf zu verzichten, dass die Gewalt in Kosovo eingesetzt wird. […] Ich bin nun weiß Gott kein zartes Pflänzchen beim Nehmen und beim Geben. Aber es hat weh getan, wenn der persönliche Vorwurf erhoben wurde, ich hätte die Bundesrepublik in den Krieg gefingert. […] Ich kann nur versichern, ich habe alles getan, was in meinen Kräften stand, um diese Konfrontation zu verhindern.“ [1]
Ich werde später darauf zurückkommen, dass die Kluft zwischen dem inständigen Flehen und dem tatsächlichen Verlauf der sogenannten Friedensverhandlungen in Rambouillet kein bedenkliches Wahrnehmungsproblem, sondern Teil einer Kriegsstrategie war.
Mit der Inszenierung des ehrlichen Friedensmaklers, der neutral zwischen den verfeindeten Bürgerkriegsparteien vermittelt, wurde eine weitere Legende ins Spiel gebracht: die Behauptung, Europa und die USA hätten jahrelang tatenlos zugeschaut – völlig unbeteiligt und interesselos. Aufgeladen wurde diese Legende mit dem historischen Verweis auf die Appeasementpolitik des Westens, als Nazideutschland 1938 Österreich annektierte – und die späteren Siegermächte dabei zuschauten. So vordergründig und dreist diese historische Parallele ist, so verlogen ist die behauptete Tatenlosigkeit.
Der lautlose Krieg
So lange es den kommunistischen Ostblock und den Warschauer Pakt als Gegenstück zur Nato gab, das „Gleichgewicht des Schreckens“ Kriege in den jeweils anderen Einflusssphären ausschloss, waren auch die Balkan-Staaten für militärische Interventionen des Westens tabu. Die Destabilisierung nicht-kapitalistischer Staaten, die Bekämpfung des ‚kommunistischen Feindes‘ musste mit anderen Mitteln erfolgen, als in der Gestalt offener Kriege.
So forderte z.B. die US-Geheimdirektive von 1982 (NSDD 54) „gesteigerte Anstrengungen zur Förderung einer stillen Revolution, um die kommunistischen Regierungen und Parteien zu Fall zu bringen“ [2] Bis zum Tod Titos 1980 war Jugoslawien ein Scharnier zwischen dem kommunistischen Ostblock und dem kapitalistischen Westen – bekannt geworden als Dritter Weg. Eine Mischung aus Privat- und Kollektivwirtschaft, kapitalistischen Zugeständnissen und sozialistischen Errungenschaften.
„Das durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandsproduktes betrug 6,1 % pro Jahr, und zwar über die Dauer von 20 Jahren (1960-1980), es gab freie medizinische Versorgung … die Alphabetisierungsrate lag bei 91 %, die durchschnittliche Lebenserwartung bei 72 Jahren.“[3]
Nach dem Tod Titos verschärfte sich die Gangart der westlichen Kreditgeber. Im selben Jahr trat Jugoslawien dem Internationalen Währungsfond bei, akzeptierte höhere Schuldentilgungsraten und die damit verbundenen „Strukturanpassungsprogrammen“ des IWF. Die Folgen dieser Politik, die Folgen dieser strukturellen Anpassungsprogramme an den kapitalistischen Weltmarkt waren gravierend: Das Wirtschaftswachstum fiel von durchschnittlich +6,1 % jährlich, Schritt für Schritt, Jahr für Jahr, bis es 1990 bei -10,6 % angelangte. Hunderte Fabriken wurden in den Konkurs geschickt, Zehntausende ArbeiterInnen entlassen, ein Lohnstopp verhängt.
Das jugoslawische Modell der „Arbeiterselbstverwaltung“ wurde ausgeschlachtet. Ganz oben auf der Prioritätenliste stand die Abschaffung der vergesellschafteten Betriebe unter der Leitung von Betriebsräten, gegebenenfalls deren Umwandlung in privatkapitalistische Unternehmen. Parallel dazu wurde der Abbau des Sozialsystems, die Reduzierung des öffentlichen Sektors verordnet. Man kann davon ausgehen, dass diese kapitalistischen Anpassungsprogramme viele trafen – mit Sicherheit nicht die Machteliten in Jugoslawien, die diesen Bedingungen zustimmten und sie gegen die Bevölkerung durchsetzten. Mit der Verschlechterung der Lebensbedingungen wuchs die Unzufriedenheit. Die »stille Revolution« nahm konkrete Gestalt an …
Es bleibt Spekulation, in welche Richtung sich diese sozialen und gesellschaftlichen Umbrüche entwickelt hätten, wenn es in den 1990er Jahren noch den Ostblock und den Warschauer Pakt gegeben hätte. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks brach für Jugoslawien nicht nur ein nicht-kapitalistischer Wirtschaftsraum weg. Mit der Auflösung des Warschauer Paktes wurde vor allem die bis dahin gültige Aufteilung in politische und wirtschaftliche Einflusssphären obsolet. Das galt und gilt zu aller erst für die Balkanstaaten, die sich bis 1989 im Niemandsland der Systemblöcke bewegten.
Wenn die deutsche Bundesregierung etwas davon versteht, Völker zu befreien
Ist es ein Zufall, dass die verschiedenen Separationsbestrebungen in fast allen Republiken Jugoslawiens Anfang der 1990er Jahre politisch stark, bestens bewaffnet waren/wurden und die Unterstützung fast aller europäischer Staaten genossen?
Bei der Filetierung, bei der Erstürmung des „Völkergefängnisses“[4] Jugoslawien stand die Außenpolitik Deutschlands nicht abseits, sondern mittendrin. In ihrer Anerkennungspolitik war Deutschland führend. Als erster westeuropäischer Staat hat Deutschland am 23.12.1991 Kroatien (und Slowenien) anerkannt. Deutschland begnügte sich nicht damit, die Ergebnisse nationalistischer Politik zu begrüßen und (angeblich gesuchte) Kriegsverbrecher im Kreis der europäischen Familie willkommen zu heißen.
Deutschland sorgte auch ganz unmittelbar dafür, dass eine nationalistische und ethnisierende Politik Aussicht auf Erfolg hatte. Was Jahre später mit ernster und verdunkelter Miene als „Kosovo-Konflikt“ wahrgenommen werden sollte – hatte die aktive Rolle Deutschlands zur Voraussetzung. So wurde die UCK in ihrem Kampf um ein unabhängiges Kosovo nicht nur politisch unterstützt. Deutschland war auch maßgeblich an ihrer Bewaffnung und militärischen Instruktion beteiligt.
Man kann es als ein Meisterstück der Travestie begreifen, dass dieselben, die die UCK politisch und militärisch bewaffneten, Jahre später die Stationierung von weiteren Bundeswehreinheiten in Mazedonien damit begründeten, bei der Entwaffnung von UCK-Rebellen und der friedlichen Beilegung des Mazedonien-Konfliktes behilflich zu sein.
Friedensverhandlungen in Rambouillet – ein Kriegsbeschaffungsprogramm
Dem Krieg gingen wochenlange ‚Verhandlungen‘ zwischen der jugoslawischen Regierung, einzelnen Nato-Staaten und kosovo-albanischen Vertretern in Rambouillet voraus.
Was beinhaltete der dort vorgelegte Friedensplan? Woran scheiterten die Verhandlungen in Rambouillet? Waren diese Verhandlungen Teil eines Friedensprozesses oder Bestandteil eines gewollten Krieges?
Die jugoslawische Regierung stimmte dem politischen Teil dieses Abkommens, dem dort verankerten Autonomiestatus für den Kosovo, zu. Ebenfalls akzeptierte sie die Anwesenheit von UN-Soldaten im Rahmen dieser Lösung. Was sie entschieden abgelehnte, war „ein Nato-Besatzungsstatut für ganz Jugoslawien“[5], das im Anhang (Annex B) ausgeführt wurde. Unter Artikel 8 war vorgesehen:
„Das Nato-Personal soll sich mitsamt seiner Fahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge und Ausrüstung innerhalb der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien inklusive ihres Luftraumes und ihrer Territorialgewässer frei und ungehindert sowie ohne Zugangsbeschränkungen bewegen können“[6].
Was dies im Klartext bedeutet hätte, führte der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer aus:
„Das entspricht faktisch einem Nato-Truppenstatut für Jugoslawien insgesamt, was normalerweise nur ein Staat nach einer vollständigen Kapitulation zu unterschreiben bereit ist.“[7]
Wenn es also um die Verhinderung einer „humanitären Katastrophe“ gegangen wäre, wäre eine friedliche Lösung des ‚Kosovo-Konfliktes‘ möglich gewesen. Doch so wenig es um die Menschen im Kosovo ging, so wenig ging es um die friedliche Beilegung des Konfliktes. Die gezielte Desinformationspolitik der Nato und der rotgrünen Kriegskoalition, das bewusste Schweigen darüber, warum die Verhandlungen in Rambouillet scheitern mussten, hatten nicht ein Friedensabkommen, sondern den Kriegseintritt der Nato zum Ziel. Das Scheitern der ‚Friedensbemühungen‘ war vorprogrammiert.
Um diesen gewollten Kriegseintritt nicht zu gefährden, wurden selbst die Abgeordneten des Bundestages getäuscht, als sie über die deutsche Beteiligung an diesem Angriffskrieg befinden sollten. Sie stimmten zu, ohne dass ihnen der vollständige Vertragstext, einschließlich des Annex B, vorlag. Ein eklatanter Bruch verfassungsrechtlicher Normen, denen die meisten Abgeordneten – ohne Widerspruch, ohne parlamentarische Folgen – zustimmten.
Der erste Angriffskrieg Deutschlands nach 1945
Am 24.5.1999 begann die Nato mit der Bombardierung Jugoslawiens. Einen Tag später stand für die VertreterInnen eines „gesunden“ und völlig „normalen“ Nationalismus ein Sieg bereits fest:
»Könnte es sein, dass sich Deutschland seit wenigen Tagen definitiv im Zustand der Normalität befindet? … Bundesluftwaffe … an vorderster Front … seit Frühjahr 1945 stehen wir wieder mittendrin … der längst fällige Durchbruch zur kompletten Normalität … Auf dem Sektor der Ökonomie hat die Bundesrepublik die Normalisierungsprozesse bereits seit Jahrzehnten abgeschlossen. Jetzt ist auch die ganze Palette der Außenpolitik erfasst.«[8]
Der Weg dorthin wurde lange und umfassend vorbereitet. Ideologisch wurde bereits vor 1989 daran gearbeitet, das Nachkriegsdeutschland von der »ewigen Schuld« zu befreien. Man erklärte sich für normal und »grundlegend zivilisiert«. Mit der Wiedervereinigung wurden die letzten, erkennbaren Folgen des verlorenen Weltkrieges beseitigt. Höchste Zeit, in die Zukunft zu schauen:
„Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen, es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten. (…) Dazu gehört, daß sich auch in Deutschland entfalten kann, was in anderen Nationen selbstverständlich ist: gelebter Patriotismus.“[9]
Während mit der Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen, wie z.B. der Gleichsetzung Nazi-Deutschlands mit der SED-Regierung, die bis dato anerkannte „besondere“ Verantwortung Deutschlands auf das europäisch übliche Maß zusammengestaucht wurde, näherte sich die deutsche Bundeswehr ihrem ersten ›direkten‹ Kampfeinsatz von allen Seiten: Mal mit deutschen Kriegsschiffen im Mittelmeer und Minensuchbooten vor der Küste Kuwaits während des US-alliierten Angriffes auf den Irak (1991). Mal mit Bundeswehrsanitätern und Verbandsmaterial in Kambodscha (1992/93), ein anderes Mal als Soldaten eines Nachschublagers in Somalia (1993/94). Die Produktpalette reichte von den „Engeln von Phnom Penh“ (Verteidigungsminister Rühe), bis hin zur friedenssichernden Militärtruppe in Bosnien (1996).
„Die Reise in die außenpolitische Normalität“[10] hatte nicht die territoriale Verteidigung im Auge. Als es noch einen militärisch-relevanten und system-ideologischen Feind gab, den kommunistischen Ostblock, war man bereits in der »Vorneverteidigung«. Nach dessen Zusammenbruch entdeckte auch Deutschland seine vitalen Interessen überall in der Welt, die es nicht nur wirtschaftlich und politisch durchzusetzen gilt.
Damit war und ist die BRD auf NATO-Höhe.
„(Auch) die Allianz wurde ausschließlich als Bündnis zur Verteidigung des Territoriums der Mitgliedsstaaten gegründet (Art. 5). Hat sich diese Verteidigungsaufgabe überholt, weil der Feind abhandengekommen ist, so ist es legitim, sich nach neuen Aufgaben und einer neuen Legitimation umzuschauen – was man spätestens seit 1989 intensiv tut.“[11]
Eine kindgerechte Umschreibung für einen Imperialismus, der andere Staaten in Grund und Boden bombt – dabei mit ernster Miene auf das Völkerrecht verweist und selbst milde-lächelnd dran vorbeizieht. Was jahrelang noch den eigenen Statuten widersprach, wurde auf der 50. Jahrestagung der Nato 1999 mit einer Neudefinition aus dem Weg geräumt: Weg von der territorialen Verteidigung, hin zur militärischen Durchsetzung globaler Interessen. Kurzum die Etablierung einer „Weltinnenpolitik“, die sich selbst das Mandat erteilt, wo die Interessen der imperialistischen Staatengemeinschaft verletzt sind und militärisch verteidigt werden müssen. Damit verschieben sich im wahrsten Sinne des Worten Grenzen. Mit der Neufassung der Nato-Statuten wurden de facto die völkerrechtlichen Dogmen von der nationaleren Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten für null und nichtig erklärt. Der Low intensity war der 70er und 80er Jahre geht mit viel Applaus in eine offene Kriegsführung über.
Was sich in Europa im Bombenhagel gegen Jugoslawien etabliert, hat und wird Methode: Am Anfang steht die politische und wirtschaftliche Destabilisierung eines missliebigen Staates, der sich der Welt’innen‘politik und/oder dem kapitalistischen Weltmarkt nicht unterwirft. Als nächster Schritt folgt die Ethnifizierung sozialer Konflikte, die mit der Stärkung nationalistischer/religiöser Gegenspieler einhergehen. Mit finanziellen und militärischen Mitteln baut man diese auf, bis sich ›bürgerkriegsähnliche‹ Zustände einstellen. Dann folgt das einstudierte Erschrecken ob der Ereignisse, denen man nicht mehr tatenlos zusehen kann. Genau der richtige Zeitpunkt, das Ringen um eine politische, friedliche Lösung, die selbstlose Vermittlerrolle zwischen zwei Kriegsparteien in Szene zu setzen. Am Ende steht – gegebenenfalls – die direkte militärische Intervention, ausgestattet mit einer moralischen Legitimation, die zu verhindern vorgibt, wofür sie jahrelang die Bedingungen geschaffen hat. Wenn die US-Außenministerin Albright erklärt, dass die „Eindämmung von ethnischen Konflikten“ als neues NATO-Kriegsterrain erschlossen werden muss – mit der Fähigkeit und Bereitschaft, zwei oder drei solcher Kriege gleichzeitig zu führen – dann folgt sie genau diesem Drehbuch.
Jugoslawien nach der Kapitulation – Noch nie war der nächste Krieg so greifbar
Soviel Herzlichkeit und Überschwang unter all den (Staats-)Männern, die sich mit diesem Krieg so schwertaten, war schon lange nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen.
Die Nachricht, dass das serbische Parlament am 6.4.1999 die Nato-Bedingungen, Wort für Wort, annahm, schlug wie eine (Cocktail-)Bombe in den Reihen der EU-Minister in Köln ein. Bundeskanzler Schröder ließ es sich nicht nehmen, ganz unprotokollarisch ein Kölsch zu trinken. Er lachte, winkte, war einfach locker drauf. Das steckte an. Und so lagen sich einige Kriegs(verbrecher)kollegen, vor laufenden Kameras, ganz ungeniert und distanzlos, in den Armen. Es gab allen Grund, so ausgelassen zu sein. Das Bomben hatte sich gelohnt. Und der ‚Frieden‘ noch mehr.
Jugoslawien liegt in Schutt und Asche, die gesamte zivile Infrastruktur wurde zerstört. Die unter Nato-Aufsicht zurückkehrenden Flüchtlinge werden in ein zerbombtes Land zurückkehren. Ihre eh kargen Lebensbedingungen werden sie noch zerstörter vorfinden.
Die Bundesrepublik Jugoslawien als souveräner Staatenbund existiert nicht mehr. Was als Annahme des Fischer-Friedensplanes gehandelt wird, ist nichts anders als der vorläufige Schlusspunkt unter die Filetierung Jugoslawiens.
Man muss den Wortlaut des Fischer-Friedensplans nicht kennen. Wer in 79 Tagen ein Land in Schutt und Asche legt, verhandelt nicht über das danach. Er legt es einfach fest.
Eine „Luftkampagne“ für den Frieden?
Viele Informationen, die vor und in dem Krieg nicht zugänglich waren, stehen nun zur Verfügung. Viele Spekulationen darüber, warum die Nato Krieg führte, können mit und nach Beendigung des Krieges ad acta gelegt werden. Viele Zweifel an der behaupteten „humanitären Intervention“ können jetzt anhand der Kriegsergebnisse überprüft werden.
Zentrale Behauptung der KriegsbefürworterInnen war: Es gab keine „realistische“ Alternative zum Nato-Krieg gegen Bundesrepublik Jugoslawien, um eine „humanitäre Katastrophe“ zu verhindern. Das offizielle politische Ziel der Nato-Angriffe war, die jugoslawische Regierung an den Verhandlungstisch ‚zurückzubomben‘. Sie sollte das Abkommen von Rambouillet unterschreiben. Bereits fünf Tage nach den Angriffen der Nato erklärten führende Vertreter der Nato-Staaten das Rambouillet-Abkommen für überholt. Ein unabhängiger Staat Kosovo sei jetzt die einzig realistische Lösung. Nach 14 Tagen Bomben-Krieg wurden Nato-Vertreter noch deutlicher. Das Wort vom „Nato-Protektorat“ machte die Runde. Damit näherte sich die seit über zehn Jahren betriebene Zerschlagung und Aufteilung Jugoslawiens der letzten Phase.
Dies „Verhandlungen“ waren eine Farce bzw. Teil einer Inszenierung, den Krieg nicht zu verhindern, sondern zu ermöglichen.
Gegen wen führte die Nato tatsächlich Krieg?
Mit der Behauptung einer „humanitären Intervention“ war das Versprechen verknüpft, keinen Krieg gegen die Zivilbevölkerung zu führen. Das sollte man zumindest meinen und annehmen. Denn die NATO und die deutsche Bundesregierung wollten doch zusammen die Bevölkerung in der Bundesrepublik Jugoslawien ‚befreien‘. Tatsächlich wurde in den ersten beiden Wochen vor allem militärische Ziele zerstört. Das führte jedoch weder zu einer Kapitulation der jugoslawischen Armee, noch zu einer Demoralisierung der Zivilbevölkerung. Anstatt sich gegen den „Diktator“ zu erheben, gingen Hundertausende gegen die Nato-Angriffe auf die Straße. Zweifel wurde in den kriegsführenden Staaten laut, dass dieser Krieg so zu gewinnen sei. Der Einsatz von Bodentruppen wurden erwogen und wieder verworfen. Stattdessen wurde die „Ausweitung militärischer Ziele“ beschlossen: Von nun an sollte auch die Zivilbevölkerung um ihr Leben fürchten:
»Ich denke, kein Strom für deinen Eisschrank, kein Gas für deinen Herd, du kommst nicht zur Arbeit, weil die Brücke weg ist – die Brücke, auf der du deine Rockkonzerte veranstaltet hast – und ihr alle standet da, mit Zielscheiben auf euren Köpfen. Das muss um drei Uhr morgens verschwinden.«[12]
Es ging fortan um einen Krieg, der sich gegen die zivile und wirtschaftliche Infrastruktur des Landes richtete. Die Liste war lang. Sie reichte von Tabakfabriken, Düngerfabriken, Ölraffinerien, Treibstofflagern, Umspannwerken, Sendeanlagen, Automobil- und Chemiewerken, bis hin zu (Eisenbahn-) Brücken, Kliniken, Trinkwasseranlagen und Telefonzentralen:
„Insgesamt 31 größere Fabrikanlagen im ganzen Land sind im ersten Kriegsmonat zerstört worden. Der Kriegsschaden wird auf umgerechnet etwa 180 Milliarden Mark geschätzt. Auch zwanzig Straßen- und Eisenbahnbrücken wurden inzwischen zerstört oder schwer beschädigt, wie die Regierung in Belgrad und die Nato übereinstimmend berichten. Nach zehn Jahren unter UN-Sanktionen war das Land bereits vor Beginn der Nato-Angriffe auf das Niveau von 1968 zurückgeworfen. Inzwischen habe die Nato Jugoslawien allerdings auf den Stand ›zurückgebombt‹, den es am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte, sagen Belgrader Wirtschaftsexperten.“[13]
Spätestens mit dieser Eskalation ist das eingetreten, was die NATO zu verhindern vorgab. Der Flüchtlingsstrom schwoll um ein Vielfaches an. Vor dem Nato-Angriffskrieg zählten internationale Flüchtlingsorganisationen ca. 200.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo. Nach 14 Tagen Krieg zur Verhinderung einer „humanitären Katastrophe“ wurden es ca. 900.000 Flüchtlinge[14]. Die systematische Zerstörung ziviler Infrastruktureinrichtungen zielte nicht auf einen militärisch bereits geschlagenen Gegner. Es ging vor allem darum, einen Geißelstatus zu schaffen, für die Zeit nach dem Krieg. Wer nach einem solchen Krieg an der Macht bleibt oder an die Macht kommt, ist eine Frage der Kosmetik. Das Sagen werden die haben, die die Bedingungen für die Kredite zum Wiederaufbau diktieren. Und die sind nicht wählbar.
„Nicht alles, was passiert, wird auf dem Bildschirm zu sehen sein“, erklärten Nato-Sprecher süffisant. Dazu zählt mit Sicherheit die völlige ökonomische und politische Abhängigkeit Jugoslawiens von den siegreichen Nato-Staaten.
Hat der Nato-Krieg gegen Jugoslawien einen „drohenden Völkermord“ im Kosovo verhindert?
Die jugoslawische Armee führte einen Krieg gegen die UCK, die für ein unabhängigen Staat Kosovo kämpfte. Jahrelang wurde die UCK von einzelnen Nato-Staaten politisch aufgewertet und militärisch ausgerüstet, allen voran von der BRD und den USA.
Der Kampf gegen Separatismus war und ist kein spezielles Phänomen Jugoslawiens. In allen Nato-Staaten wird gegen jede bewaffnete Gruppe oder Organisation vorgegangen, die die Verfasstheit des jeweiligen Staates mit Waffengewalt in Frage stellen will – ob in Irland gegen die dort operierende IRA, ob in Spanien gegen die ETA oder in der Türkei gegen die PKK. Im Kampf gegen separatistische Strömungen sind sich alle europäischen Staaten einig. In der Sprachregelung auch: Er wird als ›Kampf gegen den Terrorismus‹ geführt, grenzüberschreitend, mit legalen und mit illegalen Mitteln. Warum die UCK nicht – wie alle anderen auch – als „Terroristen“ bekämpft, sondern als „Freiheitskämpfer“ unterstützt wurden, liegt vor allem am gemeinsamen Feind: Jugoslawien. Im Kampf gegen die politische und ökonomische Verfasstheit der Bundesrepublik Jugoslawien passten die unterschiedlichen Rollen sehr gut zueinander: Der UN-Sicherheitsrat stellte mithilfe des verhängten Wirtschaftsembargos die ökonomische Strangulierung sicher, die UCK operierte mit bewaffneten Aktionen am Boden und die Nato demonstrierte mit ihrem Bombenkrieg Lufthoheit.
Ging die jugoslawische Armee mit ihrem Kampf gegen die UCK im Kosovo mit Mitteln vor, die sich der „ethnischen Kriegsführung“ bedienten? Ronald Keith war bis März 1999 Direktor der OSZE-Kosovo-Überwachungskommission (KVM). In einer kanadischen Zeitung beschreibt er seine Eindrücke bis zum 20.3.1999, dem Zeitpunkt, als die OSZE-Beobachter abgezogen wurden. Er berichtet von UCK-Hinterhalten, von Gegenreaktionen, von einem Kleinkrieg,
„doch, wie ich bereits an anderer Stelle feststellte, wurde ich weder Zeuge noch erhielt ich Informationen über sogenannte ‚ethnische Säuberungen‘, und mit Sicherheit gab es keine Vorkommnisse von ‚Völkermord-Politik‘, solange ich mit der KVM im Kosovo war.“[15]
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein im März 1999 erstellter geheimer Lagebericht des deutschen Verteidigungsministeriums:
„In den vergangenen Tagen kam es zu keinen größeren Auseinandersetzungen zwischen serbisch-jugoslawischen Kräften und der UCK … Die serbischen Sicherheitskräfte beschränkten ihre Aktionen in jüngster Zeit auf Routineeinsätze wie Kontrollen, Streifentätigkeit, Suche nach Waffenlagern und Überwachung wichtiger Verbindungsstraßen.“[16]
Genau das Gegenteil wurde in die Öffentlichkeit lanciert. Es drohe ein „Völkermord“, wenn die Nato ihn nicht sofort verhindere.
Der Bombenkrieg wurde fortgesetzt und neben den vielen Zerstörungen wurde tagtäglich das Schicksal der Flüchtlinge ins Bild gerückt. Wie sie dorthin kamen, erzählte der Nato-Sprecher Jaimie Shea ganz offenherzig:
„Nach dem Angriff auf den Flüchtlingskonvoi bei Djakovica, dem ersten ‚Unfall‘ des Krieges, fiel die öffentliche Zustimmung in vielen Ländern, auch in Deutschland, um 20 bis 25 Punkte. Wir mussten sechs Wochen hart arbeiten, um die öffentliche Meinung zurückzugewinnen. Milosevic machte den Fehler, die Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Albanien und Mazedonien zu treiben. An der Grenze waren Fernsehteams, die das Leiden filmten. Und so stellte sich die öffentliche Meinung wieder hinter die Nato.“[17]
Ob die Flüchtlinge vor ‚Milosevic‘ oder vor der Nato und der UCK fliehen, wollte der ‚Verteidigungs‘minister Rudolf Scharping nicht der Suggestivkraft der Bilder überlassen – und ging auf Nummer Sicher. Am 7.4.1999 trat er mit einem angeblich geheimen jugoslawischen Operationsplan „Hufeisen“ vor die Öffentlichkeit:
„Er zeigt sehr deutlich, dass in klar erkennbaren Abschnitten die jugoslawische Armee, die jugoslawische Staatspolizei begonnen hat, in der Zeit von Oktober bis zum Beginn der Verhandlungen in Rambouillet, die Vorbereitung für die Vertreibung der Bevölkerung nicht nur zu treffen, sondern diese Vertreibung auch schon begonnen hat. Es zeigt im Übrigen sehr deutlich das systematische und ebenso brutale wie mörderische Vorgehen, das seit Oktober 1998 geplant und seit Januar 1999 ins Werk gesetzt worden ist.“[18]
Was weder die OSZE-Beobachter feststellen konnten, noch die geheimen Lageberichte der Nato und des deutschen Verteidigungsministeriums, sollte nun der „Hufeisenplan“ suggerieren.
Das einzige, was in diesem Zusammenhang wirklich systematisch ist, sind die Aneinanderreihungen von Kriegslügen und Täuschungen: Ein Operationsplan „Hufeneisen“ gab es nicht.
Endlich wieder Krieg
Kehren wir zu den EU-Ministern zurück, die auf den ersten gemeinsam gewonnenen Angriffskrieg anstießen. In Siegerlaune schrieben sie sich die nächsten Angriffsziele in ihre Terminkalender: Schneller als geplant soll die EU ihre militärische Führung bekommen. Noch schneller als vorgesehen sollen die militärischen Einheiten für zukünftige Kriege bereitstehen. Der Krieg gegen Jugoslawien diente als Vorlage für eine „westeuropäische Verteidigungsidentität“, der ein militärisches Exempel – im vertraglichen Niemandsland – nicht schadete, sondern entscheidend und beschleunigend zum Durchbruch verhalf.
Deutschland spielte dabei keine Neben- sondern eine Hauptrolle. Mit der allerorts gefeierten „außenpolitischen Normalität“ ist der Blick nach vorne gerichtet, auf ein Europa als zweite Weltmacht, die militärisch dort nachziehen wird, wo sie politisch und wirtschaftlich längst steht.
Damit kündigt sich militärisch das an, was politisch und wirtschaftlich längst Realität ist: die Nicht-Existenz „nationaler Souveränität“ vieler (nicht-europäischer) Staaten. Seit Jahren stehen die nationalen Souveränitätsrechte vieler Staaten, das „Nichteinmischungsgebot in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates“ nur noch auf dem Papier. Die meisten Staaten werden nur noch – höflicherweise – auf der Landkarte vermerkt. De facto wird deren Innenpolitik mehr von ausländischen Gläubigern, Terms of Trade, vom IWF, der Weltbank diktiert, als vom – wie auch immer gearteten – WählerInnenwillen. Das gilt für Serbien genauso wie für das Kosovo.
Was es mit der Souveränität von Staaten, mit Friedensabsichten und -verhandlungen auf sich hat, wer in diesen Kriegen auf jeden Fall auf der Stecke bleibt, kann man ganz leicht herausfinden. Dazu muss man nicht in die Ukraine fahren.
Quellen und Hinweise:
Die gerichtliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in der Ex-Bundesrepublik Jugoslawien sind abgeschlossen. Basta? https://wolfwetzel.de/index.php/2021/06/09/wer-arbeitet-die-kriegsverbrechen-des-westens-in-der-ex-bundesrepublik-jugoslawien-auf/
Der Nato-Krieg gegen die ehemalige Bundesrepublik Jugoslawien 1999: https://wolfwetzel.de/index.php/2018/07/04/der-nato-krieg-gegen-jugoslawien-1999/
Fußnoten:
[1] Rede des Außenministers Joschka Fischers auf dem Sonderparteitag der Grünen am 13.5.1999
[2] Kosovo-Chronologie, GIB
[3] Die Weltbank, Bericht über die Entwicklung der Weltwirtschaft 1991, zitiert nach M.Chossudovski
[4] ehe. deutscher Außenminister Kinkel
[5] FR vom 10.4.99
[6] FR vom 13.4.1999
[7] FR vom 13.4.1999
[8] FR vom 25.3.1999
[9]Ex-Bundeskanzler Kohl, Regierungserklärung vom 30.1.1991
[10] FAZ vom 3.4.2000
[11]Norman Paech, Völker- und Verfassungsrechtler, FR vom 26.3.1999
[12] Nato-Luftwaffenbefehlshaber, Generalleutnant Michael C. Short, The New York Times vom 13.5.1999
[13] FR vom 30.4.1999
[14] Tagesschau vom 6.4.1999
[15] Kosovo-Chronologie, GIB, S.25
[16] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001
[17] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001
[18] Es begann mit einer Lüge, FR vom 12.2.2001
Danke für den ausführlichen Artikel, aber an einem Punkt muss ich einhaken.
Hier:
“Nach dem Tod Titos verschärfte sich die Gangart der westlichen Kreditgeber. Im selben Jahr trat Jugoslawien dem Internationalen Währungsfond bei, akzeptierte höhere Schuldentilgungsraten und die damit verbundenen „Strukturanpassungsprogrammen“ des IWF.” usw.
M.E. streift der Autor an dieser Stelle lediglich die Oberfläche, auch wenn ich zugebe, dass dieser Artikel sich ja nicht in erster Linie der ökonomischen Entwicklung Jugoslawiens widmet.
Worauf ich hinaus will: Mit seinen finanziellen Problemen stand Jugoslawien Ende der 1970-er/ zu Beginn der 1980-er Jahre bei weitem nicht allein. Mit denselben Problemen hatten zum selben Zeitpunkt andere sozialistische (nennen wir sie mal so) Staaten wie Polen (–> Folge: Solidarnosc), Ungarn oder die DDR (Strauss-Kredit) zu kämpfen, ein Großteil Lateinamerikas und viele Entwicklungsländer. Beispielsweise erklärte sich Mexiko im Jahre 1982 für zahlungsunfähig.
Der Grund dafür bestand aber nicht allein im Mitte der 1970-er Jahre erheblich gestiegenen Ölpreis und der weltweit einsetzenden Rezession (in vielen Staaten Stagflation), sondern in der rapiden Leitzinserhöhung in den USA in der zweiten Hälfte der 1970-er (bis auf 20%). Dadurch stiegen die Zinssätze für sämtliche Kredite auf nahezu unbezahlbare Höhen (eben über den Zinssatz für us-amerikanische Staatsanleihen), was die Refinanzierung bereits laufender, von den Staaten aufgenommener Kredite erheblich verteuerte.
Je stärker also die soz. Staaten sich in die kap. Weltwirtschaft integriert hatten, Kredite aufgenommen hatten, um die Wirtschaft zu modernisieren und die Rückzahlung dieser Kredite über den anschließenden Export finanzieren wollten, desto stärker saßen sie nun, um ca. 1980 herum, in der Schuldenfalle.
In Polen wurde letztlich aus diesem Grund 1981 das Kriegsrecht eingeführt (Polen war 1981 zahlungsunfähig), Rumänien ging fast ein Jahrzehnt lang durch ein selbstauferlegtes drastisches Austeritätsprogramm, in dessen Folge tatsächlich bis Ende 1989 sämtliche (8 Mrd $?) Auslandsschulden zurückgezahlt wurden und Nicolae Ceaușescu anschließend gestürzt wurde und Jugoslawien ließ sich das Austeritärsporgramm zur selben Zeit eben vom IWF diktieren.
Mir erschien es wichtig, auf diesen Punkt hinzuweisen, weil er nach meiner Beobachtung von sämtlichen Linken, die sich mit den staatssozialistischen Staaten Osteuropas beschäftigen, (nahezu) komplett ignoriert wird.
P.S.
Zu guter Letzt könnte man einwenden: Dann hätten sich die staatssozialistischen Staaten eben nicht in die kap. Weltweirtschaft integrieren dürfen. So ist die albanische Führung vorgegangen und hat dafür mit Unterentwicklung bezahlt.
Ganz herzlichen Dank für diese wichtige Ergänzung. Ich teile die Präzsierungen voll und ganz, zumal sichtbar wird, dass das kein Nach/Tito-Problem war und ist, sondern das staatimmanente Problem, “Sozialismus” mit kapitalistischen Anleihen (im doppelten Sinne) zu machen.
Vielen Dank für die ausführliche Darstellung! Ich halte es für richtig, daß diese Zusammenhänge immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Auch um die Gegenwart besser zu verstehen.
Etwas Erbsenzählerei zu “Die Assoziationskette zwischen deutschen Reichswehrsoldaten, die 1941 Jugoslawien überfielen…” – es war die Wehrmacht und nicht die Reichswehr, welche Jugoslawien 1941 überfiel. Reichswehr und “Serbien muß sterbien” passen vom Zeitrahmen eher zusammen.
Danke! Auch auf die Erbsen sollten wir gemeinsam achten.
Entgegen meiner Absicht, mangels journalistischer Standarts bei OT nicht mehr zu kommentieren, mache ich für diesen hervorragenden Artikel sehr gerne eine Ausnahme.
Die systemische Kriegsführung mittels neoliberaler ökonomischer Waffen wurde mE sehr ausgearbeitet.
Die Märkte als gleichzeitige Mittel und Zweck der Kap. Veranstaltungen
Immerhin haste dich, wahrscheinlich aus der Emotion heraus, selbst gerechtfertigt. Ja der Wolf hat wieder ein guten Artikel geschrieben.
Respekt Herr/Frau Chefkoch01 für die getätigte Aussage!
MfG
Ich danke Ihnen und möchte für das Projekt “Overton” in die Waagschale werfen, dass wir aus der Mischung von viel Herzblut und sehr knappen Ressourcen das beste herauszuholen versuchen.
Und noch etwas mit Blick auf die “ökonomischen” Waffen: Selbst bei einem Sieg sind nicht die Menschen die Gewinner (weder in der Ukraine noch in Russland), sondern die ganz Wenigen, die mit den irrsinnigen Kriegs-Schulden Politik machen werden, über Jahrzehnte und alle “freien Wahlen” hinweg.
Danke für deine Gedanken! wohl aufgenommen.
Dieser Herr Wetzel schrieb vor einigen Wochen über Differenzierung zwischen den Ideologischen Fenstern linkd/mitte/rechts. Aber mit diesem Artikel wird offenkundig klar das vermittelte Ideologien keinen Anspruch besitzen gegenüber dem vom praktizierten Faschismus. Denn dieser Faschismus ist bis heute allgegenwärtig, egal welches Kleid die Parteiliche Organisation trägt.
Ich las die Geschehnisse aus dem Israel, vielen Dank nebenbei an Herr Zuckemann, aber initiert oder real hat da etwas stattgefunden das sich aus den Klauen vom Zionismus ‘befreite’. Deutsche Bürger und amtlich Angestellte bis hin zum Diplomaten, Abgeordneten, Politiker hattet eine Lehrstunde für Demokratie erhalten.
Betr.: Es gab keine Kriege mehr in Europa
Was ist mit dem Zypernkrieg 1974?
Was ist mit den Falklandkrieg 1982?
Ausgezeichnet Arbeit von Herrn Wolf.
Ich will mich da weiter nicht einlassen, weil ich belastet bin (mein Vater ist Serbe).
Mich überrascht immer wieder, wie offen verlogen die Politik sein kann, ohne dass nachgefragt wird. Wie schnell von Politik weg hin zur Moral gewechselt wird, war es noch das Titos Frau verschwunden ist und ihm sonst was unterstellt wurde.
Was gut in dem Artikel beschrieben wird, es geht nicht um Nationalität, es geht um eine Weiterentwicklung der Wirtschaft. Schon damals war die Gefährdung groß, dass es klappen könnte, denn China war mit dabei. Hua Guo Feng tanzt auf den Flughafen.
Ich kann dir versichern, der Angriff auf die chinesische Botschaft, bei der 3 Chinesen ums Leben kamen und 21 verletzt wurden, ist in China nicht vergessen. Es kommt die Zeit, wo auch diese Rechnung beglichen werden muß!
Mit kleinen didaktikökonomischen Veränderungen könnte und müsste man diesen Text in den allgemeinen Geschichtsunterricht einführen. Der historischen Einordnungsfähigkeit u. a. des eignen, deutschen, Staates würde es ein wenig aufhelfen und auch das Bewusstsein für die Kontinuitäten über die Ideologien der jeweils Herrschenden hinweg – z. B. muss Serbien immer noch sterbien – deutlich schärfen.
In Zeiten, in denen Gräuelpropaganda Urständ feiert dringend nötig.
Der 24.3.99 als Tag des ersten Luftangriffs der NATO ist wirklich ein denkwürdiger Tag. Am 24.3.33 trat nämlich das Ermächtigungsgesetz in Kraft. Verschwörungstheoretiker könnten einen zynischen Scherz des tiefen Staates – oder wessen auch immer – darin erkennen, dass am 24.3.3×33 der NATO-Krieg gegen Serbien unter deutscher Beteiligung begann, und damit das Grundgesetz endgültig ad absurdum geführt wurde. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch erwähnen, dass das katholische Zentrum und die Liberalen einschließlich Theodor Heuss die Errichtung der nationalsozialistischen Einparteiendiktatur durch ihre Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz, das nur mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden konnte, sogar erst ermöglichten. Diese Parteien lösten sich dann auch noch selbst auf, und die Sozialdemokraten wurden verboten.
Gerade in Bezug zum derzeitigen Geschehen finde ich diesen Artikel sehr wichtig und hoffe, dass viele ihn lesen!
Wer schafft es, diese immer wieder funktionierenden Strategien so perfide auszuhecken – vor allem “reinen Gewissens”?
Zum Laufstall bin ich mir unsicher. Kann es tatsächlich nur kalkuliertes Nichtwissen sein? Vielleicht ist es nach einem neuen Geschichtsverständnis erlernt? Viele sind überzeugt von dem, was sie erzählen. In anderen Fällen vielleicht doch einfach dumm oder der Aufmerksamkeit wegen?
Ich weiß nicht was schlimmer ist, nur bei einem bin ich mir sicher, nach nur ein paar Minuten im echten Schützengraben würden sie alle die Beine in die Hand nehmen. Da ist es tatsächlich praktisch, wenn man lauthals andere ins Verderben schicken kann. Im Sinne des Friedens natürlich.
Glaubt Fischer eigentlich mittlerweile selbst was er sagt (Zitat), seinem eigenen persönlichen Frieden zuliebe?
Nebenbei, hat er nicht eine Professur in den USA? Schröder hat (immerhin) viel zu spät(!) eingeräumt, dass der Einsatz ein Fehler war – was ihn nicht entschuldigt.