Alles nur eine Frage der Prioritäten?

DB-Zentrale in Berlin
PoliticalPost DE, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Züge der Deutschen Bahn AG werden immer unpünktlicher. Kein Problem, meint Bahnchef Richard Lutz, die Bahn habe andere Prioritäten, und bedankt sich bei den Kunden fürs Mitleiden.

Prioritäten zu setzen und konsequent danach zu handeln, ist das A und O der Unternehmensführung. Es will wohl überlegt sein, ob man stärker in die Produktqualität, die Werbung oder eine neue Verpackung investiert. Am Ende zählen stets nur Umsatz und Gewinn. Anders verhält sich dies bei Betrieben, deren Waren oder Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge gehören, wie etwa die Feuerwehr, die Müllabfuhr, Schulen, Krankenhäuser oder Verkehrsbetriebe. Es wäre ja auch schön blöd, wenn die Feuerwehr nur dann zur Brandbekämpfung ausrücken würde, wenn sie sich einen Gewinn davon verspräche. Oder wenn Krankenhäuser mit Vorliebe solche Operationen durchführten, für die sie eine lukrative Fallpauschale einstreichen können. Moment … Für die Jüngeren mag es verrückt klingen, aber es gab tatsächlich einmal eine Zeit, in der von Kliniken nicht erwartet wurde, Gewinne zu erwirtschaften.

It’s the money, stupid

Auch bei der Bahn stand die Rentabilität noch bis in die 80er-Jahre im Hintergrund. Wichtiger war, den Bürgern ein möglichst engmaschiges Bahnnetz mit pünktlichen Zügen zur Verfügung zu stellen. Das änderte sich fundamental mit der Bahnreform im Jahr 1994. Die von der Staatsbahn zur Aktiengesellschaft umgewandelte Bahn sollte fit für die Börse gemacht werden. Es wurde massiv Personal abgebaut. Unrentable Strecken wurden stillgelegt, Bahnsteige verkürzt, Ausweichgleise und Weichen entfernt, die Infrastruktur verrotten gelassen. Anders in der Schweiz: Die Eidgenossen wandelten ihre Staatsbahn wenige Jahre später ebenfalls in eine Aktiengesellschaft in Staatsbesitz um. Nur war dort, anders als in Deutschland, niemals geplant, die Bahn an die Börse zu bringen. Daher wurde dort auch nicht auf Biegen und Brechen gespart, nur um kurzfristig die Bilanzen zu schönen. Auch scheut sich die Schweiz bis heute nicht, viel Geld in ihre Bahn zu investieren. Im Jahr 2022 waren es 450 Euro pro Kopf. Deutschland rangiert mit 114 Euro auf den hinteren Plätzen in Europa.

Der Bahnchef erzählt seinen Kunden vom Pferd

Grund genug also für die verantwortlichen Politiker und Bahn-Manager in Deutschland, sich ein Vorbild an der Schweiz zu nehmen und eigene Fehler einzugestehen – sollte man meinen. Doch wer gesteht schon freimütig Fehler ein, noch dazu, wenn man keine Vorstellung davon hat, wie man es künftig besser machen sollte? So geht es den Bahn-Bossen offenbar mit der Pünktlichkeit ihrer Züge. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) teilte Bahnchef Richard Lutz seinen Kunden jetzt mit, dass sie sich keine Hoffnungen auf spürbare Verbesserungen machen sollten. Die Schweizer legten mehr Wert auf Pünktlichkeit als auf eine Ausweitung des Bahnverkehrs, behauptete Lutz. Die Deutsche Bahn AG habe sich „andere Prioritäten gesetzt“. Ihr gehe es vor allem darum, „im Interesse des Klimas und der Mobilität“ mehr Züge fahren zu lassen, auch wenn die Pünktlichkeit darunter leide. Natürlich könne die Bahn auch sagen: „Wir nehmen zehn Prozent des Verkehrs aus dem Netz, dann sind wir wieder pünktlich“. Doch das könne nicht die Lösung sein, „wenn immer mehr Menschen und Unternehmen die klimafreundliche Schiene nutzen wollen“. Neben der Pünktlichkeit stünden für die Bahn „die vielen Fahrgäste ganz oben, die mit uns fahren wollen und auch die Probleme mit uns durchstehen“.

Kurzer Schwenk zur Realität: In der Schweiz gelten Züge als pünktlich, wenn sie weniger als drei Minuten Verspätung haben, in Deutschland werden großzügige sechs Minuten angesetzt und ausgefallene Züge nicht berücksichtigt. Nach den genannten Maßstäben erreichten die Schweizer Bahnen zuletzt eine Pünktlichkeitsquote von 92,5 Prozent, die Deutsche Bahn in den ersten vier Monaten dieses Jahres 65 Prozent. Die Schweizer fahren pro Kopf im Durchschnitt 2464 Kilometer Bahn im Jahr, die Deutschen 1206 Kilometer.

Mit der Deutschen Bahn AG fürs Klima leiden

Der Fairness halber sei angemerkt, dass dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG die Pünktlichkeit seiner Züge nicht komplett egal ist. Für das laufende Jahr hat er sich immerhin eine Pünktlichkeitsquote von 70 Prozent im Fernverkehr vorgenommen. „Unter dieser Schwelle steigt die Unzufriedenheit der Kunden besonders stark“, glaubt Lutz zu wissen. Dennoch hat er sich für 2028 sogar 80 Prozent vorgenommen. Das sei „anspruchsvoll“, aber wichtig. Leider erfahren wir nicht, warum die magische Schwelle ausgerechnet bei 70 Prozent liegen soll. Vielleicht, weil sie nicht weit vom Ist-Zustand entfernt ist und daher relativ leicht erreichbar erscheint? Sollte die Pünktlichkeitsquote stattdessen noch weiter absinken, wäre das aber auch nicht wirklich tragisch für den Bahn-Vorstand. Denn in welchem Maße die Kunden unzufrieden sind, hängt ja nicht nur von ihrer Leidensfähigkeit ab, sondern auch vom Gewöhnungseffekt. Wer wenig erwartet, kann kaum enttäuscht werden. Obendrein wissen wir nun ja, dass die Fernzüge der Deutschen Bahn AG für einen guten Zweck, nämlich „das Klima“, regelmäßig zu spät kommen. Zumindest unter Grünen-Anhängern dürfte der Bahnchef damit auf offene Ohren stoßen. Man stelle sich nur einmal vor, die deutschen Züge wären ähnlich pünktlich wie in der Schweiz oder in Japan und noch dazu preisgünstig. Was sollte man sich auf seinen selbstlosen Einsatz zur Rettung des Planeten mit BahnCard 50 dann noch groß einbilden?

Prioritäten setzen und die Ziele nicht zu hoch zu schrauben, das sind die Patentrezepte, um gut dazustehen, wenn man wenig gebacken bekommt. Wir haben das alle schon in der Schule gelernt. Wer in Mathe auf 5 steht, der setzt sich die 4 zum Ziel, denn unterhalb dieser Schwelle ist die Unzufriedenheit der Eltern besonders groß. Für das überübernächste Schuljahr peilen wir das anspruchsvolle Ziel 3– an. Aber eigentlich ist die Englisch-Note sowieso viel wichtiger. Bildungspolitiker argumentieren heutzutage ähnlich. Azubis sind nicht in der Lage, den Flächeninhalt eines Rechtecks zu berechnen, Abiturienten bringen keinen fehlerfreien Satz zu Papier – alles kein Problem! Viel wichtiger ist doch, dass möglichst viele ein Abi-Zeugnis erhalten, und die Noten werden auch immer besser. Die Anwendungsmöglichkeiten der beiden genannten Grundregeln sind schier unerschöpflich: Die deutsche Industrie wandert ins Ausland ab – umso besser, dann sind die Klimaziele leichter zu erreichen. 400.000 neue Wohnungen sollten jedes Jahr entstehen. 2022 wurden nicht einmal 300.000 fertiggestellt. 2023 würden es wohl auch nicht viel mehr, meinte Bundesbauministerin Klara Geywitz Anfang 2023. Doch 2024 werde es bestimmt gelingen, sich diesem Ziel anzunähern. Nun werden es wohl leider nur um die 220.000 werden. Vielleicht klappt es ja 2025 oder 2026. Bodenversiegelung ist sowieso schlecht fürs Klima.

Leere Versprechungen und ihre Folgen

Manche meinen allerdings, zu viele leere Versprechungen schürten die Politikverdrossenheit. So sieht es auch der Journalist und promovierte Volkswirt Henrik Müller. In seiner neuesten Spiegel-Online-Kolumne knüpft er an das etwas aus der Mode geratene Narrativ an, Migrationsströme ließen sich nicht steuern und Grenzen nicht schützen – außer gegen das Coronavirus und den Russen. „Weil viele Bürger Zuwanderung für ein Problem halten, schaltet die Politik abermals auf Machbarkeitsillusionismus“, schreibt Müller und meint damit die Bemühungen der Bundesregierung und der EU, die Zuwanderung einzudämmen und zu lenken. „Der Politikstil des Machbarkeitsillusionismus ist gefährlich. Denn große Versprechen, die sich nicht halten lassen, beschädigen die Glaubwürdigkeit der politischen und staatlichen Institutionen. Schlimmstenfalls breitet sich Zynismus aus. Nach dem Motto: Die da oben kriegen sowieso nichts auf die Reihe.“ Die Politik solle nicht so tun, als könne sie die Zuwanderung steuern. Das sei „wirklichkeitsfern“. Stattdessen sollten „andere Prioritäten“ gesetzt werden, beispielsweise Geflüchtete schneller in den Arbeitsmarkt integriert und Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen großzügig ausgebaut werden. Den Wohnungsbau hat Müller in seiner Aufzählung irgendwie vergessen.

Da es also angeblich unmöglich ist, die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen, soll die Politik in gewohnter Manier darauf setzen, die damit verbundenen Probleme in den Griff zu bekommen. Nur hat das bisher schon nicht funktioniert, und es spricht nichts dafür, dass es mit noch mehr Zuwanderung besser funktionieren könnte. Exakt aus diesem Grund fordern inzwischen ja nicht nur „viele Bürger“, sondern auch die betroffenen Kommunen, den Zuzug nach Deutschland einzudämmen, da sie eben nicht wissen, wie und wo sie die benötigten Schulen, Kitas, Krankenhäuser etc. bauen und wie sie das Personal dafür herbeizaubern sollen. Kapituliert die Politik aber vor der Lösung des Grundproblems und bietet ersatzweise leere Versprechungen zur Abmilderung der Folgen dieses Versagens an, ist damit nichts gewonnen. Ganz ähnlich verhält es sich mit anderen Politikfelder wie der Wohnungsbaupolitik oder der Verkehrspolitik. Ohne dass „Populisten“ ihnen dies einflüstern müssten, haben inzwischen viele Bürger den Eindruck, dass die Politik die falschen Prioritäten setzt. Da sie nicht willens oder fähig ist, die Grundprobleme in den Griff zu bekommen, tobt sie sich auf Nebenschauplätzen aus, um Handlungsfähigkeit zu simulieren. Am Ende macht sie damit alles nur noch schlimmer.

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18 Kommentare

    1. Sich hinzusetzen und auf den Weltuntergang zu warten iat auch keine Lösung.

      Ich sehe das herunterwirtschaften der DB AG als Beitrag zum Weltfrieden. Mit der heutigen Deutsche Bahn AG wird man keinen konventionellen Krieg mehr versorgen können, sollte es nicht zu Kernwaffen eskalieren.

      Die Straßen und Brücken sind auch kaputt, also mit LKW wird das auch nichts. Wo sollten auch die Fahrer herkommen, wenn viele eingezogen werden. Das wird dann ein kurzer Krieg wegen Spritmangel.

      1. “Sich hinzusetzen und auf den Weltuntergang zu warten iat auch keine Lösung.”

        Ne ne, ich gönne ihm seine Gemütlichkeit und es ist wohl das beste wie man seine letzten Tage verbringen sollte. Wenn es soweit ist wird der Krieg schneller zu uns kommen (Sogar Hyperschnell mit MACH- 8) als wir ´Wienerschnitzel´ sagen können.

  1. Pünktlichkeit ist sowieso Rechtsradikal und Schlecht für’s Klima!

    Senk ju vor träwelling mit the deutsche Bonibahn 🤡

  2. “Kurzer Schwenk zur Realität: In der Schweiz gelten Züge als pünktlich, wenn sie weniger als drei Minuten Verspätung haben, in Deutschland werden großzügige sechs Minuten angesetzt und ausgefallene Züge nicht berücksichtigt.”
    Deutschland ist schon toll. Übrigens in Japan gelten Züge als pünktlich wenn sie sekundengenau einfahren, jedes Jahr schickt der Bahnchef jedem Fahrgast eine Liste mit den Verspätungen des Jahres (auf Papier) zusammen mit einer persönlichen Entschuldigung.
    In Deutschland würde dies nicht funktionieren, da es dann keinen Wald mehr geben würde. Außerdem darf man nicht japanische Maßstäbe anlegen, da wir sonst jedes Jahr einen neuen Bahnchef hätten, da der alte zum Seppuku aufgefordert worden wäre.

    In China wurde übrigens vor einiger Zeit ein Zugführer entlassen, weil er eine Minute zu spät in den Bahnhof einfuhr. Immer diese schlitzäugigen Diktaturen….

    1. nee nee: Gewinner sind die Kapitalparasiten und die parasitären Anhänger!
      Gerade die Stadtgesellschaft wird in den Ruin getrieben!!
      Die neuen Klötze die da gerade -von sog.Investoren- aufgeplatzt werden sind ja schlimmer denn je!
      und: nicht “umsonst” hatte sich früh der Stadtteil Banken dick und fett seine Klötzedahin gesetzt!
      Buffet: Krieg reich gg arm! Und reich ist dabei ihn zu gewinnen!

    2. “Die Stadt Stuttgart, der Gewinner des Umbaus, ist dagegen fein raus.”

      den “Gewinn” für die Stadt Stuttgart, das müssen Sie erklären.
      Wenn dieser “Umbau” an seinem Ende gelangt ist, gegen Ende 2026 wird neuerdings
      prognostiziert, wird jede Zugfahrt ein Höllenritt werden, denn der Brandschutz in den kilometerlangen Herrenknecht-Tunneln ist bis heute nicht gesichert,
      ebenso ist die Gleisneigung jenseits aller international geltenden Regelungen.
      Ich werde keinen Fuß in einen Zug tun, der diesen Haltepunkt anfährt.

      https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/stuttgart-21-brandschutz-weiter-in-der-kritik-100.html
      https://wikireal.info/wiki/Stuttgart_21/Gleisneigung

  3. In Wege von S21 Widerstand wurde klar -seitens der Widerständler- herausgearbeitez: VOR ’94 waren unglaublich viele Züge superpünktlich. Ja es konnte sich mit Schweiz durchaus messen… ab der Scheinprivatisierung/ Neofeudalisierung wurde rumgefuhrwerkt: Gewinne privatisiert/Verluste sozialisiert und genauso wichtig -wie nahezu überall so outgesourct/ scheinprivatisiert- wurde: die Managermasse incl deren Gehälter explodieren während die Auskommen der real arbeitenden gedrückt wurde und wird!
    Und! Alle Scheinprivatisierten haben Volkseigentum wie bekloppt veräußert, so daß an vielen Stellen dem Volk nur noch das entfernte Gerippe hingewiesen wird!
    nicht ‘umsonst’ hat Bahn ’94 sofort eine Immobilienabteilung gegründet und fleißig ‘Bestand’ verkauft .. zum Wohle der Bonis!

    Ach im übrigen wurden auch zig tausend Eisenbahnerwohnungen an Miethaien gezeichnet: CDU-Schuster/ SPD Nils Schmidt) vergeben!! Warum wohl?

    1. Das Verbrechen muss nur groß genug sein, dann kommt man damit davon. Volkseigentum zu Schleuderpreisen zu veräußern hat man ja bei der Liquidation der DDR gelernt. Lief für die Plünderer in weißen Kragen großartig.

  4. In einer ‘Zeitenwende’ muss man halt eben durch sein opportunes Verhalten, die Zeitenwende favorisieren.
    Wer möchte sich noch beim Schaffner beschweren oder beim Pilot, Kapitän oder deren Depütanten?
    Wir werden in der gesamten Logistik neue Wege gehen und das ganz autonom.
    Wozu sind Kriege da? Um Geld zu verdienen und um auch neue Systeme zu installieren.
    Im Gegensatz zu all den Kritiker, soll tatsächlich ein menschenfreundliches Dasein kreiert werden. Deshalb zensieren die Staaten, nicht um des Bürger willen, sondern, um ihre filigranen Netzwerke aussen vor zu lassen… Ob das effektiv umsetzbar ist, bleibt abzuwarten. Wir beobachter des Zeitgeschehens sind aufgefordert genau zu prüfen, wo diese Staaten uns hin zu manövrieren gedenken.

  5. Noch so ein Märchenonkel, der das Klima als Ausrede für seine Geschäftspolitik nutzt.
    Genauso wie viele den Personalmangel als Aurede nutzen, um den Service zu verschlechtern.

    Das die Journos so einen Mist durchgehen lassen ist ein Zeichen für ihr eigenes Versagen.

  6. Es ist lustig, dass Herr Rieveler einen “kritischen” Text zur Bahn schreibt, dem man entnehmen kann, dass er Arno Luiks “Schaden in der Oberleitung” nicht gelesen hat, für das wiederum zwischen den Zeilen des Artikels geworben wird.
    (Nebenbei ist Luik ja auch ein Autor bei Overton.)

    Zum Beispiel schreibt er:
    “Auch bei der Bahn stand _die Rentabilität noch bis in die 80er-Jahre im Hintergrund_. Wichtiger war, den Bürgern ein möglichst engmaschiges Bahnnetz mit pünktlichen Zügen zur Verfügung zu stellen. _Das änderte sich fundamental mit der Bahnreform im Jahr 1994_. Die von der Staatsbahn zur Aktiengesellschaft umgewandelte Bahn sollte fit für die Börse gemacht werden. Es wurde massiv Personal abgebaut. Unrentable Strecken wurden stillgelegt, Bahnsteige verkürzt, Ausweichgleise und Weichen entfernt, die Infrastruktur verrotten gelassen.”

    Luik weiß beispielsweise, dass sich die vielbeschworene “Rentabilität” mit der Umwandlung zur Aktiengesellschaft jedenfalls nicht verbessert hat, wie Rieveler zu suggerieren scheint, denn Luik weiß, dass die Bahn AG zwischen 1994 und 2006 115 Mrd. Euro an Zuschüssen erhielt (also etwa 10 Mrd. € pro Jahr).
    https://webarchiv.bundestag.de/archive/2016/0617/blob/427010/a4aa654c96014dc50eaad20c08033f58/wd-5-227-07-pdf-data.pdf

    Luik weiß im Unterschied zu Rieveler auch, dass die Bahn im aktuellen Zustand nicht mehr pünktlich und ohne Ausfälle fahren kann, denn seine Gesprächspartner vom Fach haben ihm verraten, dass die Stilllegung von Strecken und Ausweichgleisen, die der “Rentabilität” dienen sollte, das Netz so sehr geschrumpft hat, dass es zu klein für einen ordnungsgemäßen Verkehr geworden ist.
    Genau deshalb erklärte Lutz, dass die Bahn evtl. wieder pünktlich sein könne, “wenn man 10% des Verkehrs aus dem Netz nimmt”, also 10% der verbliebenen Züge streicht.

    Aber damit, “Fehler einzugestehen”, ist es hier nicht getan, denn die besagten Strecken sind eben weg, abgerissen, vermutlich um auf diese Weise Geld einzusparen, das anschließend weltweit in “unternehmerische Abenteuer” der Bahn AG gesteckt wurde.

  7. In meiner Heimatstadt gibt es einen Bahnhof, der jetzt 150 Jahre alt ist und seit einem alliierten Bombenangriff am 16. November 1944 eins der sehr wenigen Gebäude in unserer Innenstadt ist, die älter sind als das genannte Datum. Wir legen hier einen gewissen Wert auf dieses Gebäude. Sachlich gesehen liegt unser Bahnhof an einer der meistbefahrenen Strecken der DB überhaupt und spielt schon seit Bestehen der Deutschen Bahn überhaupt eine wichtige Rolle als Regionalzentrum.

    Nur dass es in der Verantwortung der DB seit sehr vielen Jahren vor sich hingammelt und eher ein Schandfleck als eine Zierde unserer Stadt ist. Um diesen misslichen Zustand zu ändern versucht die Stadt schon ganz lange, zweckdienliche Vereinbarungen mit der DB zu treffen. Wir wollten das Gebäude sogar kaufen, da spielt die DB aber nicht mit. Immerhin gibt es jetzt allerlei Absprachen, die allerdings bis zum heutigen Tag keinerlei sicht- oder spürbare Verbesserung gebracht haben.

    Der Bundestagsabgeordnete unserer Stadt hat sich auch schon längst in die Sache eingebracht und geht dem Bahnvorstand in dieser Angelegenheit öfter mal auf die Nerven. Gerade hat es wieder so einen Schriftwechsel gegeben, und in Bezug auf das Thema hier, also die (Un-)Pünktlichkeit der Züge, möchte ich einen wirklich schönen Teilsatz aus dem Antwortschreiben an unseren Abgeordneten zitieren:

    „… das bundesweite Ziel unserer Fernverkehrstochter DB Fernverkehr AG, temporär besonders verspätungsanfällige Verbindungen aus dem Fahrplan zu nehmen, um die schwierige Lage im Gesamtnetz zu stabilisieren.“

    So geht „träwelling wis Deutsche Bahn“: Ein Zug, der gar nicht erst angeboten wird, kann niemals unpünktlich sein. Geniale Lösung!

    (Wer das ganze Drama nachlesen mag: Hier Klicken.)

  8. Dieser Schwätzer, ich mein natürlich Bahnchef, hat offenbar noch nie was von der Bahn 2000 oder der NEAT gehört. Oder dass die Bahn in DE in den letzten 30 Jahren um 5000km geschrumpft ist.

    Die NEAT ist dabei besonders lustig, denn es geht um die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Hier warten alle Beteiligten auf die ach so umweltbewusste DB, die plant den 1996 zugesagten Anschluss irgendwann 2041 (vielleicht) fertigzustellen. 45+ Jahre für flache 180km.. gleichzeitig wollen die (H)Ampel manninnen laut Koalitionsvertrag den Schienengüterverkehr bis 2030 auf 25% ausbauen. Immerhin, der Deutschlandtakt wird laut FDP-Staatsekretär dafür bereits 2070 (!) fertig.

    Im ehemals notorisch unpünktlichen Italien dagegen ist der NEAT-Anschluss (leicht verspätet) fertig, 2026 soll eine neue Verbindung die ligurischen Häfen (Genua, den neuen von Costco gebauten in Savona) besser für den Güterverkehr auf Schiene erschliessen. Eine Zugreise selbst nach Mailand ist längst viel entspannter (und pünktlicher) als nach DE (in meinem Fall München). Der Unterschied zwischen heisser Luft und realen Projekten.

    Apropos reale Projekte, selbst das ist bei der DB ein Dilemma: Bald werden wichtige Streckenabschnitte modernisiert. Und da es im Jahr 2024 absolut unmöglich ist, sowas parallel zum laufenden Betrieb zu machen, werden diese für Monate gesperrt. Hamburg-Berlin, ab 2025 bloss läppische 45min länger.. Ich mein, WTF?!

    In Anbetracht dieses clusterfucks der Inkompetenz der “Manager”/Politiker-Klasse ist das Marketing Bullshit-Bingo des Schwätzer Lutz noch nervtötender, als den “Service” der DB in Anspruch nehmen zu müssen. Tut uns anderen Europäern bitte einen Gefallen und kehrt diesen Saftladen endlich mit der Mistgabel aus.

  9. Ohne dass „Populisten“ ihnen dies einflüstern müssten, haben inzwischen viele Bürger den Eindruck, dass die Politik die falschen Prioritäten setzt. Da sie nicht willens oder fähig ist, die Grundprobleme in den Griff zu bekommen, tobt sie sich auf Nebenschauplätzen aus, um Handlungsfähigkeit zu simulieren. Am Ende macht sie damit alles nur noch schlimmer.

    Wie wahr. Und die MSM sekundieren.

    Zwar anderes Thema, aber gleicher Dreh: Heute auf der SZ-Homepage ein Meinungsbeitrag, dass schnellstens Gesetze und am besten Standrecht wegen Attacken auf Politiker her müssen. Unten im Bayern-Teil: “Immenstadt im Allgäu: Obdachloser stirbt nach mutmaßlicher Attacke durch Jugendlichen”

  10. Grundsätzlich hat eine Staatsbahn nicht die Aufgabe, Gewinn zu erzielen. Sie hat eine soziale Komponente, mit der Absicht, auch denen Mobilität zu gewähren, die sich kein Auto leisten können. Allerdings sollte sie auch kein Minus einfahren. Das aber tat sie in den 80-er Jahren, das Defizit bezifferte sich auf etwa 10 Milliarden D-Mark damals. Da hätte man etwas machen können. Die schweizer de-facto Staatsbahn erzielt neben ihrem hervorragenden Service auch noch Gewinn. Warum soll das in Deutschland nicht möglich sein?
    Daraus lässt sich das Resultat der Privatisierung ableiten. Immer noch zehn Milliarden Defizit, jetzt Euro, den wir wertmäßig mit der D-Mark in den 80-ern gleich setzen können. Dafür massive Ausdünnung des Netzes und Verlust der Pünktlichkeit. Eins ist besser geworden, nämlich die Bezüge der Bahnmanager, die sich in etwa verzehnfacht haben, weil sie entsprechend einem Konzernvorstand bezahlt werden. Was bekommt man für dieses Geld? Neoliberale Einfalt, würde ich sagen.
    Sehen wir es realistisch, wir werden nicht mehr Schweiz. Zu viel wurde unwiederbringlich zerstört. Ziel muss es erstmal sein, wenigstens das jetzt noch Vorhandene zu erhalten. Die Ampel investiert hier einen Rekordbetrag von 13,6 Milliarden in diesem Jahr. Um das einigermaßen hin zu bekommen, braucht es 45 Milliarden bis 2027. Die Ampel ist da auf einem guten Weg, insbesondere, weil jetzt auch noch der Infrastrukturfonds hinzu kommt, der ebenfalls teilweise in die Bahn fließt.
    Man muss nicht immer nur motzen, man kann auch mal sagen, dass die das richtig machen. Hinzu kommt das wirklich begrüßenswerte 49-Euro-Ticket. Ich halte das für einen echten Durchbruch.

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