
Die Parlamentswahl im kleinen Land an der Grenze zur Ukraine wird auch eine Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft der Republik Moldau.
Nach immer knapperen Siegen der pro-europäischen Politikerin Maia Sandu und ihrer Partei PAS, wird die Parlamentswahl am 28. September 2025 auch zur Wahl der außenpolitischen Zukunft der Republik Moldau. Dabei hat Brüssel alles auf eine Karte gesetzt.
Rückblick auf vergangene Wahlergebnisse
Um die bevorstehende Parlamentswahl besser zu verstehen, folgt zuerst ein Rückblick auf vergangene Wahlen in ihrer Entwicklung. Die Parlamentswahl vom Juli 2021 brachte einen Sieg für die Partei der Aktion und Solidarität (PAS), die mit 52,8 % der Stimmen und 63 Mandaten die absolute Mehrheit im Parlament errang. Ihre zentrale pro-europäische Ausrichtung überzeugte insbesondere die moldauische Diaspora, die mit großem Abstand für die PAS stimmte und wesentlich zu diesem Wahlerfolg beitrug. Darauf folgte der Wahlblock der Kommunisten und Sozialisten (BECS) bei 27,2 % (32 Sitze) und die Șor-Partei mit 5,7 % (6 Sitze). Kleinere Parteien scheiterten an der 5-Prozent-Hürde und verpassten somit den Parlamentseinzug.
Bei der Präsidentschaftswahl im Oktober (1. Wahlgang) – November (2. Wahlgang) 2024 behauptete sich die amtierende Präsidentin Maia Sandu (PAS), allerdings mit nur 55,3 % der Stimmen in der Stichwahl gegen Alexandr Stoianoglo, der durch die Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM) unterstützt wurde und 44,7 % erhielt. Auch hier spielte die moldauische Diaspora eine entscheidende Rolle, denn die große Mehrheit der über 300.000 im Ausland abgegebenen Stimmen entfiel auf Sandu.
Die Präsidentschaftswahl 2024 wurde zudem bewusst mit einem Referendum verknüpft, in dem die Verankerung einer EU-Mitgliedschaft zur Abstimmung stand. Dieses wurde zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl durchgeführt. Mit äußerst knappen 50,45 % stimmten die Wähler für die EU, wobei erneut die Diaspora mit ihrer eindeutigen Unterstützung ausschlaggebend war.
Wahlmacht der Diaspora und Manipulationsvorwürfe
Interessant ist die große Bedeutung der moldauischen Diaspora für den Wahlausgang in ihrer Heimat. Auffällig ist dabei die deutlich pro-europäische Abstimmung, besonders in Wahllokalen auf dem Territorium westlicher Staaten. Tatsächlich ist die Wahlentscheidung der im Ausland lebenden Staatsbürger für alle Wahlen der letzten Jahre entscheidend gewesen.
Würde die moldauische Diaspora nicht berücksichtigt, hätte sich bei allen bisherigen Wahlen ein fundamental anderes Bild ergeben. Bei der Parlamentswahl 2021 hätte die PAS etwa 45,37 % erreicht. Bei der Präsidentschaftswahl 2024 wäre Alexandr Stoianoglo mit etwa 51 % zum Präsidenten gewählt worden, während Maia Sandu auf rund 49 % zurückgefallen wäre. Auch das EU-Referendum hätte ein entgegengesetztes Ergebnis gehabt: Rund 58 % hätten gegen die EU-Mitgliedschaft gestimmt und nur etwa 42 % dafür.
Dies wird von vielen Bürgern, die ihren Lebensmittelpunkt in der Heimat haben, äußerst kritisch gesehen. Denn sie müssen täglich unter einer Regierung leben, die mit den Stimmen einer weit entfernten Diaspora an die Macht gebracht wird, welche das Ganze dann aus sicherer Distanz betrachtet. Vor allem gibt es aber Vorwürfe der Manipulation bei den Auslandabstimmungen. Denn obwohl Italien und Russland mit über 150.000 Personen, ähnlich große moldauische Minderheiten haben, wurden in Italien 60 Wahllokale eröffnet, in Russland hingegen nur 2. Diese beiden Wahllokale hatten zudem eine Beschränkung auf jeweils 5.000 Stimmzettel. Diese Stimmzettel wurden in kurzer Zeit aufgebraucht, was auf einen deutlich größeren Bedarf hinweist.
Auffällig sind herbei auch die Resultate. Wer als Staatsbürger der Republik Moldau in Russland überhaupt abstimmen konnte, wählte bei der Präsidentschaftswahl 2024 mit deutlicher Mehrheit den Kandidaten Alexandr Stoianoglo und stimmte gegen den EU-Beitritt. In den zahlreichen Wahllokalen in EU-Staaten wie Italien oder Deutschland war es genau umgekehrt. Dieses Stimmverhalten der Diaspora blieb bislang konstant.
Korruption und ausgebliebene Reformen
Der stetige Rückgang der Stimmen für die pro-europäische Politikern Maia Sandu und ihre Partei PAS ist hausgemacht. Vor 5 Jahren trat Sandu mit klaren Versprechen an, darunter der entschiedene Kampf gegen Korruption, eine Stärkung der Pressefreiheit und umfangreiche Justizreformen. Diese Versprechen wurden jedoch kaum eingelöst. Kritiker werfen Sandu sogar vor, dass der Kampf gegen Korruption selektiv und gezielt gegen politische Gegner eingesetzt werde. Zusätzlich sind Vorwürfe aufgekommen, nach denen Sandu und ihr Umfeld selbst in Korruptionsfälle verwickelt seien. Dies führt dazu, dass frühere Wähler das Vertrauen in Maia Sandu und ihre Partei PAS verlieren.
Auch bei der Pressefreiheit gab es kaum Fortschritte. Obwohl gegen offen pro-russische Medien und Oligarchen vorgegangen wurde, gibt es noch immer eine starke Konzentration von Medienmacht und undurchsichtige Eigentumsverhältnisse. Die Justizreform ist ebenfalls weitestgehend im Sande verlaufen und soll teilweise dafür genutzt worden sein, um loyale Personen in einflussreiche Ämter zu bringen.
Für die Stammwähler in den großen Städten bleibt deshalb eigentlich nur noch das Versprechen der EU-Mitgliedschaft, mit einhergehender Reisefreiheit. Aber selbst hier kommen zunehmend Zweifel auf. Sogar einige pro-europäischen Politiker äußern, dass Sandu und ihr Umfeld einen EU-Beitritt so weit wie möglich verzögern wird. Denn andernfalls müsste allen voran die Korruption wirklich angegangen werden aber von dieser profitieren mächtige Leute im Umfeld von Sandu. Nach Aussage des pro-europäischen Bürgermeister von Chișinău soll Maia Sandu selbst vor kurzem mehrere Millionen US-Dollar von USAID veruntreut haben. Eine gründliche Untersuchung dieser Vorwürfe steht noch aus, würde aber auch eine unabhängige Justiz erfordern.
Für pro-europäischen Kritiker im Land ist Sandu, und ihre PAS, damit selbst zum großen Hindernis für einen EU-Beitritt der Republik Moldau geworden. Das hindere sie nicht daran, sich weiterhin als die einzige Wahloption für die europäische Integration zu präsentieren und die, direkte oder indirekte, Wahlhilfe von Organisationen, Politikern und Medien der EU zu nutzen.
Auch aus dem Ausland gibt es zunehmend Kritik: Der bekannte Aktivist Brian Brown aus den USA berichtete am 27. Juli in einer Videobotschaft vom Flughafen Chișinău, dass ihm die Einreise verwehrt wird und fragte rhetorisch, wie ein Land, das in die EU will, die Redefreiheit so einschränken kann. Er war auf dem Weg zu einer konservativen Konferenz und bewertete dieses Vorgehen mit den Worten: „Ich schätze das ist was passiert, wenn du ein Konservativer bist und dich einige Leute weit oben in Moldau nicht mögen.“ Unter dieser Veröffentlichung auf der Plattform „X“ kommentierte der tschechische EU-Abgeordnete Dr. Ondřej Dostál, dass ihm sogar der Diplomatenpass weggenommen wurde: „They took my DIPLOMATIC passport for an hour, gave me the same paper to sign (I refused) and kicked me out of Moldova too.“
Vor der Parlamentswahl
Dies führt zu folgendem Bild, wenige Monate vor der Wahl: aktuelle Umfragen zeigen ein wenig optimistisches Bild für die PAS. Die Partei erreicht derzeit Umfragewerte zwischen 32,5 % und maximal 44 %, was einen spürbaren Rückgang bedeutet. Der pro-russische Wahlblock BECS aus Sozialisten und Kommunisten, liegt aktuell bei etwas über 20 %. Der pro-europäische Mitte-links Block „Alternativa“ des Bürgermeisters von Chișinău wird aktuell mit 9 % bis 15 % gehandelt. Die linkspopulistische „Partidul Nostru“ rangiert zwischen 5 % und 8,7 %.
Der Wahlblock „Victorie“, bestehend aus vier Parteien, lag bei bis zu 11,3 %, wurde am 19. Juli aber durch die Wahlkommission von der Parlamentswahl ausgeschlossen. Als Begründung wurden unter anderem Kontakte nach Russland genannt. Auch dieser Vorgang hat Kritik über den Zustand des Rechtsstaats und die Unabhängigkeit seiner Organe hervorgerufen. Sollte es bei diesem Verbot bleiben, so wird erwartet, dass die Wähler von „Victorie“ zum Großteil den Block der Sozialisten und Kommunisten stärken werden. Kleinere Parteien haben wegen der 5%-Hürde kaum eine Chance.
Ohne Diaspora-Stimmen wäre die Niederlage der PAS deutlich: Sie käme nur noch auf etwas über 30 % (30 bis 35 Sitze), Damit wäre eine pro-russische Koalition, angeführt von BECS sehr wahrscheinlich. Doch auch so prognostizieren Experten die Niederlage von PAS und Maia Sandu. Denn alle anderen relevanten Parteien und Wahlblöcke, ob pro-russisch, pro-europäisch oder neutral, befinden sich in Opposition zur PAS. Bei deutlichen Zugeständnissen wäre eine Koalition mit der pro-europäischen „Alternativa“ denkbar aber die Führungsfigur dieses Blocks, der Bürgermeister von Chișinău, gehörte zuletzt zu den härtesten Kritikern der Präsidentin Sandu und hat ihr direkt Veruntreuung von Millionen US-Dollar vorgeworfen.
Die EU hat alles auf eine Karte gesetzt
Die absehbare Niederlage der PAS wird gravierende Folgen für die EU-Integration der Republik Moldau haben. In Brüssel werden sich die Verantwortlichen den Vorwurf anhören müssen, dass die Strategie, alles auf die Karte Maia Sandu zu setzen, kurzsichtig war. Es muss auch geprüft werden, ob das Wegschauen bei Korruptionsfällen und Demokratiedefiziten im Umfeld ihrer Wunschkandidatin, dem Vertrauen in die Werte der EU geschadet hat.
Experten, die sich wirklich mit der politischen und gesellschaftlichen Situation in der Republik Moldau auskennen, würden Brüssel sicherlich dazu raten schon jetzt die einseitige Parteinahme zu beenden und sich für andere politische Akteure zu öffnen. Auch wenn diese nicht so demonstrativ und radikal pro-europäisch auftreten wie ihre Wunschkandidatin und stattdessen einen ausgewogenen Kurs zwischen Ost und West vertreten. Ansonsten wird die Abwahl von PAS und Maia Sandu auch zur harten Abwendung von der EU.
Im Falle eines für die EU schlimmsten Wahlergebnisses, wird die Wahl einfach anulliert – Rumänien lässt grüßen.
Genau. Und Sandu erklärt den Anschluss Moldawiens an Rumänien. Problem gelöst.
Naja, vor dem WK2 gehörte das Gebiet ohnehin zu Rumänien. Erst nach dem Molotow-Ribbentrop-Pakt hat sich das geändert.
Aber Selbstnatürlich. Die Natostützpunkte sind längst geplant.
Wie damals in der Ukraine… Muss ja weitergehen.
ze dieser Maßnahme wird gegriffen weil es primär um den (zwangs) Beitritt zur NATO geht…und da kennt die NATO keinen Wiederspruch
Diaspora: Erdbeerpflücker Spargelstecher Nutten Pornodarsteller
Nun sind die Unruhen in Serbien und Georgien ja massiv zurückgegangen. Der Wegfall von USAID macht sich offenbar bemerkbar. Das war also keine Verschwörungstheorie.
Thomas Röper widmet Moldawien stets ein Augenmerk, denn hier will die EU unbedingt mit Sandu zum Ziel kommen. Im Großen und Ganzen stellt er die Lage so wie im Artikel dar. Allerdings mit der Ergänzung, dass die Diaspora in Russland kaum Gelegenheit hatte, zur Wahl zu gehen. Mit dieser hätte es nochmal anders ausgesehen.
Warum diese Konzentration auf Moldawien? Ein böser Verdacht. Wenn sie einen Krieg mit Russland anfangen wollen, dann hier. In einem Grenzkonflikt mit Transnistrien, der abtrünnigen, russlandfreundlichen Provinz.
Falls das losgeht, werden wir nur Sandus Darstellung erfahren. Oppositionelle Medien hat sie erfolgrech ausgeschaltet.
Hä?
Aus dem obige Text:
„Denn obwohl Italien und Russland mit über 150.000 Personen, ähnlich große moldauische Minderheiten haben, wurden in Italien 60 Wahllokale eröffnet, in Russland hingegen nur 2. Diese beiden Wahllokale hatten zudem eine Beschränkung auf jeweils 5.000 Stimmzettel. Diese Stimmzettel wurden in kurzer Zeit aufgebraucht, was auf einen deutlich größeren Bedarf hinweist.“
Das stellt doch den schon von Röper kritisierten Ausschluß der in Russland lebenden Diaspora dar.
@ Nötgler: Wer eröffnet denn die Wahllokale ? 2 in Russland, 60 in
Italien ? Wohl die moldauischen Behörden ?
@Artur_C
„Wenn sie (ed. EU/Nato) einen Krieg mit Russland anfangen wollen, dann hier. In einem Grenzkonflikt mit Transnistrien, der abtrünnigen, russlandfreundlichen Provinz.
Falls das losgeht, werden wir nur Sandus Darstellung erfahren. Oppositionelle Medien hat sie erfolgrech ausgeschaltet.“
Genau darum geht es:
Weitere Konfliktherde/Kriegsschauplätze gegen Russland aufzumachen.
Ein weiterer ist Georgien.
Für mich ist dieses „Moldau“ eine Bonzokratie so wie viele andere osteuropäische Staaten z.B. die Ukraine. Anders ausgedrückt, es ist einen Bananenrepublik ohne Bananen. Und in einer Bananendemokratie hat die Bevölkerung natürlich nichts zu sagen, sondern das machen wie in Rumänien ausländische Mächte.
Ich denke, auch in Moldau wird es ein Verfassungsgericht geben, das die Wahl bei Bedarf kippen kann. Womöglich braucht es aber auch nur sanften Druck, um den Sandu-kritischen Bürgermeister zum kleinen Koalitionär dieser Dame zu machen. Der westlichen Diaspora ist natürlich auch klar, das Aufenthaltserlaubnisse an das Wahlergebnis gekoppelt ist.
Hier gibt es ein paar interessante Details: https://www.nachdenkseiten.de/?p=136724
„Für mich ist dieses „Moldau“ eine Bonzokratie so wie viele andere osteuropäische Staaten z.B. die Ukraine. Anders ausgedrückt, es ist einen Bananenrepublik ohne Bananen. Und in einer Bananendemokratie hat die Bevölkerung natürlich nichts zu sagen, sondern das machen wie in Rumänien ausländische Mächte.“
Der gesamte Westen ist einen Bananerepublik. Hier in D und die Menschen in den USA haben ebenfalls nichts zu melden, also wieso nur auf die Rumänen und Ukrainer rumhacken?
wenn man den Rand Artikel gelesen hat, weiss man was geplant ist…..
>>Dem russischen Einfluss entgegenwirken: Unterstützung für Armenien, Georgien und Moldawien im „Wartezimmer des Westens'<<
https://www.rand.org/pubs/commentary/2025/07/countering-russian-influence-support-for-armenia-georgia.html
Müssten die Auslandsmoldawier, die in Russland nicht abstimmen konnten nicht die Wahl anfechten können, weil sie von der Wahl abgehalten wurden? Nicht daß ich jetzt so viel Vertrauen in die Gerichte Moldawiens hätte…
wie war das bei der letzten BTW mit dem Verfassungsgericht zum Thema BSW? Warum sollte das in Moldau anders sein?