Was moderne Freiheit bedeutet

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Der ehemalige Bundespräsident Gauck erhielt neulich den Freiheitspreis der Medien. Freiheit war stets das Leitmotiv Gaucks. Aber was meint moderne Freiheit eigentlich?

Vor dem Hintergrund unserer jüngsten Erfahrungen wird deutlich, dass die traditionelle Rede- und Meinungsfreiheit auf einem brüchigen Fundament ruht. In einer Zeit, in der die Welt in erster Linie eine gehörige Portion aktiver Fantasie sowie eine kreative Führung durch vorausplanende und erfinderische Köpfe benötigt, zeigt sich unser Denken vor Panik verkümmert. Zeit und Energie, die zum Zweck des Fortschritts eingesetzt werden sollten, verwendet man stattdessen darauf, schmerzhaft empfundene Vorurteile abzuwehren und einen Guerillakrieg gegen Missverständnisse und Intoleranz zu führen. Denn Unterdrückung wird wahrgenommen. Und zwar nicht nur aufseiten vereinzelter Individuen, die tatsächlich unterdrückt werden. Sie arbeitet sich in die standhaftesten Köpfe vor und erzeugt überall Anspannung; und die Anspannung der Angst erzeugt ihrerseits Sterilität. Die Leute hören auf, zu sagen, was sie denken; und wenn sie es nicht mehr sagen, dann hören sie auch bald auf, es zu denken.

Ein Buchauszug.

Es gibt keine Absolutisten der Freiheit

Ihr Denkprozess orientiert sich an ihren Kritikern und nicht an den Fakten. Denn wenn das Denken gesellschaftlich riskant wird, dann verbringen die Leute mehr Zeit damit, über die Gefahr nachzudenken, als damit, ihr Denken selbst zu kultivieren. Und doch ist nichts so gewiss wie der Umstand, dass mutiger Widerstand allein das Denken der Menschen nicht dauerhaft befreien wird. Das Problem ist nicht nur gravierender, sondern auch anderer Art, und die Zeit ist reif für eine Neueinschätzung. Wir haben begriffen, dass viele der hart erkämpften Menschenrechte äußerst gefährdet sind. Es mag durchaus sein, dass wir sie nicht einfach sichern können, indem wir die früheren Verfechter der Freiheit imitieren.

Eine wichtige Eigenschaft der Conditio humana wurde von Platon dargelegt, als er seine Staatsutopie – mit dem Drama von Sokrates’ Tod vor Augen – auf einer Zensur gründete, die strenger ist als alle, die es auf diesem reichlich zensierten Planeten gibt. Seine Intoleranz scheint merkwürdig. Aber sie ist in der Tat der logische Ausdruck eines Impulses, den die meisten von uns nicht ohne Weiteres wahrhaben wollen. Es war Platons Verdienst, die Neigungen der Menschen in Form von Idealen zu formulieren; und die wichtigsten Dinge, die wir von ihm lernen können, betreffen nicht das, was wir tun sollten, sondern das, wozu wir geneigt sind. Nun sind wir in besonderem Maße geneigt, all das zu unterdrücken, was die Gewissheit der Dinge in Frage stellt, denen wir treu verbunden sind. Wenn sich unsere Loyalität dem Gegebenen zuneigt, beginnt die Intoleranz an dessen Grenzen; und wenn sie sich, wie bei Platon, der Utopie zuneigt, wird bald auch die Utopie mit Intoleranz verteidigt.

Soweit ich es überblicke, gibt es keine Absolutisten der Freiheit; ich kann mich an keine Doktrin der Freiheit erinnern, bei der ein Härtetest nicht doch erweist, dass sie in letzter Instanz von einem anderen Ideal abhängig ist. Das Ziel ist niemals Freiheit, sondern Freiheit für etwas Anderes. Denn Freiheit ist eine Bedingung, unter der sich Handeln zuallererst entfaltet. Und die Interessen der Menschen hängen in erster Linie von ihren konkreten Handlungen und dem ab, was notwendig ist, um sie zu verwirklichen, nicht von rein abstrakten, hypothetischen Gebilden.

Freiheit mit Einschränkungen

Und doch wird dies von den Polemikern nur selten berücksichtigt. Der Kampf wird mit Spruchbändern ausgetragen, auf denen absolute und universelle Ideale zu lesen sind. In Wahrheit sind sie allerdings weder absolut noch universell. Kein Mensch hat sich jemals ein absolutes oder universelles Ideal für die Politik ausgedacht. Und zwar aus dem einfachen Grunde, dass niemand dazu genug weiß oder wissen kann. Doch wir alle bedienen uns des Absoluten, weil ein Ideal, das jenseits von Zeit, Raum und den Gegebenheiten existiert, ein Ansehen genießt, das kein aufrichtiges Bekenntnis zu einem konkreten Zweck jemals genießen könnte. Von einem bestimmten Gesichtspunkt aus betrachtet, gehören Universalien zur Kampfausrüstung der Menschen. Was sie sich außerordentlich stark erwünschen, nennen sie leichthin den göttlichen Willen oder das nationale Ziel. Hinsichtlich ihrer Herkunft entspringen diese Idealisierungen vermutlich jenen spirituellen Träumereien, in denen die Menschen die meiste Zeit über leben. Darin gibt es weder Zeit noch Raum noch einen besonderen Bezugsrahmen, und die Hoffnung ist allmächtig. Dieses Konzept einer Allmacht, die in der praktischen Ausübung abhandenkommt, verleiht dem Handeln dennoch einen unwiderstehlichen Wert.

Die klassische Freiheitsdoktrin besteht aus Absolutheiten – außer an den kritischen Stellen, an denen der Autor mit objektiven Schwierigkeiten in Berührung kommt. Dort führt er dann, ein wenig verschlagen, einen Vorbehalt in das Argument ein, der seine universelle Bedeutung aufhebt und das erhabene Plädoyer für die Freiheit im Allgemeinen auf ein besonderes Argument für den Erfolg eines besonderen Zwecks reduziert.

Walter Lippmann

Walter Lippmann lebte von 1889 bis 1974 in den USA. Der Journalist, Schriftsteller und Medienkritiker gründete mit Herbert Croly das politische Magazin The New Republic. Sein Buch »Public Opinion« (1922) zu Stereotypen und Klischeevorstellungen gilt bis heute als Grundlagentext der Medien- und Politikwissenschaft sowie der Sozialpsychologie.
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39 Kommentare

  1. Moderne Freiheit bedeutet back to the roots.
    Seien sie Neoliberal und kommen zu uns. Leisung erbringen ja andere, die ohne Produktionsmittel..
    Ihr Vewaltungsapparat des Elends, Aka Bundesregierung.

    Sie wollten es so, sie haben es so gewählt.
    Darauf ein Merz.Spezialdragee..

  2. gauck war auch für direkte demokratie, jedenfalls bis er die merkelakte aus seiner behörde verschwinden ließ und bundespräsi wurde.
    ps. für den 2. teil hab ich keine beweise, die sind ja weg.

    1. naja, zuerst liess dieser Braunchrist seine eigene Akte verschwinden und verkaufte die Merkelakte an die CIA.
      Das ist ntürlich nur halb belegt. Passt aber zu Gaucks Äusserungen(er wäre ja ein besserer.Hitler. wenn man ihn nur gelassen hätten wirken lasseen können).
      Aber nett und passend in der Reihe der sogenannten Bundespräsis.

      1. Und dann war noch die Liste der Strategischen NSA-Ziele in Bezug auf Deutschland. In den 1980ern von einem NSA-Überläufer für das MfS beschafft und 1990 nicht vernichtet sondern der Gauck-Behörde übergeben. Der Überläufer der seit 1988 DDR-Bürger war bekam 1991 Besuch von einer US-Spezialeinheit und nach seiner US-Haft bürgerte man ihn einfach aus (offiziell DDR-Personalausweis abgelaufen). Die BRD bestand darauf das die DDR-Staatsbürgerschaft „erschlichen“ worden sei und deshalb keine Verpflichtung zur Ausstellung eines BRD-Personalausweises bestünde.

        Die Akten wurden ohne weitere Prüfung z.B. durch das parlamentarische Gremium des Bundestages eines Tages von BGS-Beamten mit Maschinengewehren abgeholt und der USA übergeben, Kohl hatte das organisiert.
        Seitdem hat Gauck nicht nur bei den Amis einen Stein im Brett und seine Karriere geht durch die Decke.

        1. und vielleich noch mehr.
          DSBPAZIOE.
          Der schlimmste Bundespräsidendent aller Zeiten im Osten Eingekauft.
          Aber meine Achtung ist da eh nur Verachtung.

          1. Gauck ist ein sehr flexibler Wendehals. Wie auch Gysi oder Merkel und so viele andere aus der DDR, die im goldenen Westen Karriere gemacht haben. Dabei waren sie noch amerikahöriger als geborene Wessis. In der DDR wären diese aber auch „etwas geworden“ mit einer „Karriere“. Immer schön geschmeidig.

  3. „Der ehemalige Bundespräsident Gauck erhielt neulich den Freiheitspreis der Medien. Freiheit war stets das Leitmotiv Gaucks. Aber was meint moderne Freiheit eigentlich?“

    Na klar, der Gauckler, für diesen Schwafel-Pfaffen war Freiheit allein durch die Abwesenheit jeglicher Form des Kommunismus bzw. Sozialismus und der Anwesenheit des wertewestlichen Kapitalismus definiert, das war und ist der ganze Kern des Begriffs „Freiheit“ bei dieser intellektuellen Hohlraum-Versiegelung .
    Für dieses Ekelpaket sind daher auch kapitalistisch bedingte Verarmung, Obdachlosigkeit, das Sterben in wertewestlich geführten Kriegen etc. Teil seines pervertierten Freiheitsbegriffs, Hauptsache die Kommis treiben nicht ihr Unwesen.
    Und wegen dieses Preises für ihn genügt Billy Wilders legendäres Zitat: „Preise sind wie Hämorrhoiden, irgendwann bekommt sie jedes Arschloch.“

  4. Im Zusammenhang mit Thomas Müntzer haben wir gerade jede Menge an klaren Worten bzgl. Pfaffen gehört.
    Gegenüber den historischen fallen die aktuellen etwas mau aus: „Frieren für die Freiheit!“
    Und der hohlklingende Pfaffe will uns das wohl vormachen, na los!

  5. Für Leute wie Gauck ist mit Freiheit der Absolutismus der Politik gemeint und sonst nichts. Der olle Pfaffe hat das Prinzip Demokratie ja nie verstanden.

  6. uch weiss was der Autor meinte, und positive Gedanken fördern wollte.
    Doch ich sehe es anders in der Realitität, Es muss heissen: modernde Freiheiheit. Vergraben und verschimmelnd wie die sonstigen Leichen der Herrschenden.
    ist aber nett der Aufruf das sich die Freiheit selbst aus dem Sumpf holen muss.😉

  7. Soweit ich es überblicke, gibt es keine Absolutisten der Freiheit; ich kann mich an keine Doktrin der Freiheit erinnern, bei der ein Härtetest nicht doch erweist, dass sie in letzter Instanz von einem anderen Ideal abhängig ist.

    Lippmann war ein Cleverle, das hat er ganz richtig erkannt.

    „Freiheit“ ist eigentlich ein Wieselwort, welches man beliebig füllen kann, es hat keinen eigenen Inhalt. Wenn X Freiheit sagt, meint der was anderes damit, als Y.

    Freiheit ist, wenn man man keinen Zwängen unterworfen ist, die man nicht akzeptiert. Eine absolute Freiheit (also eine „für alle“) gibt es nicht, nur relative (eine für Person X oder Y) und die auch nur, wenn man gerade mit dem Mainstream schwimmt.

    Im Prinzip ist damit der „Liberalismus“ hinfällig, er wendete sich ja gegen die Zwänge der Monarchie, mit deren Abschaffung wurde er auch selbst überflüssig, versuchte sich aber neu zu definieren, was m.E. mehr schlecht als recht gelang und er hat wohl nur deshalb überlebt, weil wir noch immer keine echte Demokratie haben, sondern eine Parteiendiktatur auf Zeit. Dort kann sich eine liberale Partei gegen Übergriffigkeiten der anderen Parteien positionieren, was aber ein schwieriger Spagat ist, weil man halt entweder keine Macht hat… oder wenn man welche hat, mit der autokratisch regierenden Partei koalieren muss und damit zwangsläufig seine Ideale mindestens teilweise opfert und unlgaubwürdig wird (sieht man exemplarisch bei der FDP).

  8. „Aber was meint moderne Freiheit eigentlich?“

    Den Beruf des Sklavenhalters zu legalisieren.

    DAS wollen die euch die ganze Zeit penetrant aufs Ohr schwatzen.

    And that`s fucking it.

        1. Freiheit ist nicht modern. Modern ist es Freiheit neu zu definieren um sie weiter zu beschneiden.
          Schätze aber, der Autor meinte es so nicht wirklich.

    1. Frieden ist Krieg, oben ist unten, schwarz ist weiß, Freiheit ist Sklaverei, Männer sind Frauen. Es wird alles verdreht im Propagandathermomix bis nur noch ein unförmiger beliebig formbarer zerkochter Brei übrig bleibt damit kein Widerstand kommt. Jetzt neu mit Internetanschluss.

  9. Ich wünsche dem Pfarrer Gauck von allem Herzen, dass es ihm in seinem recht betagten Leben nochmal gelingt, sein DDR-Trauma zu überwinden.

    Übrigens: Freiheit ist der Abstand von einem Verfolgten zu seinem Verfolger, Und den ewigen Frieden gibt es sowieso nur auf dem Friedhof!

    1. Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden.(luxemburg in Rosa)
      Und nicht: Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit.(ja, auch. Nur halt nicht von Morons bestimmt)

        1. Das zum einen und solche alten abgeschmackten Sprüche genauso wie der von toten Fischen im Strom, waren schon immer eher dumm.

  10. Gauck und Freiheit? Feuer und Wasser!
    In den letzten Monaten der DDR beknieten seine Pfarrerkollegen ihn, doch endlich dem Neuen Forum beizutreten, laufend erhielten sie Absagen und Ausreden. Bis ihnen der Kragen platzte, sie legten Gauck einen Aufnahmeantrag vor mit der Drohung, ihn ohne Unterschrift nicht aus dem Raum entfleuchen zu lassen. Er unterschrieb und damit war seine Tätigkeit im Neuen Forum beendet. Ob er je einen Geldbeitrag geleistet hat, steht in den Sternen.
    Sein weiteres Wirken veranlasste seinen Pfarrersnachbarn zur Einschätzung, Gauck sei ein Prediger der Unfreiheit.

  11. „moderne Freiheit“

    In Zeitalter des Hyper-Neoliberalismus: Kauf alles, was Du willst, fürs Geld. Kannst Du’s nicht, nimm’s Dir mit Gewalt.

    1. uhhhh, der putler! du bist ein dressierter dorfdepp, nimm du dir erst mal irgendetwas mit gewalt, falls du kannst (spoiler: geht nicht gut aus für dich). sklaven, die ihren herren anfeuern gegen einen anderen herren, so einer bist du.

  12. Ehre wem Ehre gebührt.
    Dem preussischen Militärpfarrer und obersten Freiheitskämpfer im „DDR-Unrechtsregime“ steht der Freiheitspreis zu.
    Hat er nicht die DDR ganz allein in die kapitalistische Freiheit geführt und für Bananen gesorgt?
    Sarkasmus aus

    Laßt sie sich doch ihre Orden und Preise zur Selbstbeweihräuerung in Massen umhängen und um die Ohren hauen, wen juckt es?

  13. Wie oft wurde der Begriff Freiheit ganz besonders von den neoliberalen missbraucht um absolute UNFREIHEIT für die allermeisten zu rechtfertigen, nur um sich selbst zu bereichern?

    Man muss ein wenig die Freiheit für ganz oben einschränken, damit es maximal mögliche Freiheit für Jedermann gibt.

  14. „Freedom’s just another word for nothing left to loose.“
    Bei Freiheitspredigern sollte man immer genau hinhören, was für Freiheit sie meinen, sonst hat man am Ende nichts mehr zu verlieren.

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