Uni Kiel opferte Pressefreiheit

Christian-Albrechts-Universität, Zugang Olshausenstraße
Siegbert Brey, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Patrik Baab hat auf ganzer Linie gewonnen. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes zu seinen Gunsten ist nun rechtskräftig.

Nun ist es also offiziell: Patrik Baab hat mit seiner Reise in die Ostukraine nichts getan, was ein Ende seiner Lehrtätigkeit an der Uni Kiel rechtfertigen würde. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 25. April dieses Jahres ist nun rechtskräftig. Denn die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat die Frist zur Anrufung des Oberverwaltungsgerichts verstreichen lassen.

Die Kieler Hochschule hat sich also nach großem Getrommel im Vorfeld nicht mehr aus der Deckung gewagt. Ihr Entschluss, den Journalisten Baab vor die Tür zu setzen, mag zwar ein Kotau vor den politischen Verhältnissen und speziell vor dem außenpolitischen Kurs der Bundesregierung gewesen sein – juristisch haltbar war diese Maßnahme jedoch nie.

Pressefreiheit vor politischer Anbiederung

In der Urteilsbegründung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht wird ausdrücklich »die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 GG« betont, auf die sich der Kläger – also Baab – berufen könne. »Der Schutzbereich der Pressefreiheit gewährleistet«, so das Gericht ausführlich, »in seiner subjektiv-rechtlichen Dimension den im Bereich der Presse tätigen Personen und Organisationen Freiheitsrechte gegen den Staat; er garantiert darüber hinaus in seiner objektiv-rechtlichen Bedeutung das Institut der Eigenständigkeit der Presse«.

Die Pressefreiheit, so heißt es weiter, »beinhaltet in Bezug auf Druckerzeugnisse alle Verhaltensweisen, die der Gewinnung, Aufbereitung und Verbreitung von Meinungen und Tatsachen für die Öffentlichkeit dienen […] Trägern der Pressefreiheit steht zudem ein subjektives Abwehrrecht auch gegen mittelbare Beeinträchtigungen zu«. Das Gericht betont ausdrücklich, dass auch Baabs Reise in der Ostukraine zur Zeit der Referenden unter diesen Schutz fällt, da er für ein Buch recherchierte und als Journalist auftrat.

Diese Argumentation ist nicht weniger, als eine Stärkung der Pressefreiheit in Deutschland. Sie hat Wirkkraft für andere journalistisch und publizistisch arbeitende Menschen im Lande, die sich des Zugriffs durch Politik und Wissenschaftsbetrieb ausgesetzt sehen. Das Urteil sagt damit auch: Die Pressefreiheit steht höher als der vorauseilende Gehorsam diverser Lehranstalten, die meinen, sich einer ideologisierenden Politik an den Hals werfen zu müssen. Wir haben es hier also auch mit einer Absage an die Anbiederung zu tun.

Die Uni Kiel als Kriegspartei

Patrik Baab war journalistischer Lehrbeauftragter in Kiel. Dort unterrichtete er Recherche, kritisches Hinterfragen, kurz gesagt: Er zeigte auf, was Pressefreiheit leisten kann – und dies an einer Universität, die jetzt mehr oder minder offiziell bestätigt bekommen hat, dass sie eben jene Pressefreiheit nicht nur nicht gewürdigt, sondern auf torpediert hat. Ein fatales Zeugnis für die Lehranstalt. Darf man hoffen, dass dort ausgebildete Journalisten im Laufe ihres Studiums erfasst haben, was pressefreiheitliche Qualitäten eigentlich bedeuten?

Die Verwaltungsakte zu diesem Vorfall, die dem Overton Magazin vorliegt, ist gespickt von eindimensionalen Einordnungen der Baab-Reise. Die darin zitierten Protagonisten machten sich in der Causa zur Kriegspartei; recherchierende Ergebnisoffenheit als Wert an sich kommt darin jedenfalls weder zu Wort – noch wird kurz eingeworfen, dass Journalisten nun mal dorthin gehen (sollten), wo es wehtut.

Genau das hat Baab allerdings gemacht, im Grunde hat er seinen Studenten vorbildlich aufgezeigt, was journalistische Arbeit bedeutet: Sich nicht mit dem zufriedengeben, was andere Berufskollegen bereits geschrieben haben, misstrauisch bleiben, Skepsis an den Tag legen und sich selbst ein Bild von der Szenerie machen. Seine Dienstgeber jedoch, die Uni Kiel, hat nun nachdrücklich bewiesen, dass diese Werte gar nicht unbedingt gefordert sind – Journalisten, die sie anwenden, erscheinen eher als lästig und man setzt sie lieber vor die Tür.

Und jetzt?

Die genannte Verwaltungsakte nennt mehrere Namen von Professoren, die im regen Austausch standen, als die Reise von Baab via t-online bekannt wurde. Immer wieder steht der Vorwurf im Raum, dass Baab die falsche Haltung habe – und deshalb als Dozent ungeeignet sein müsse. Dass er sich nicht mit der Sache gemein mache, sprich: Mit einer so strikten Verurteilung Russlands, die dazu führt, dass er auch vor einer sachlichen Analyse Abstand nimmt, wirft man ihm durchweg vor. Dabei hat Baab mehrmals den russischen Einmarsch verurteilt – seine Verurteilung lähmt nur nicht sein journalistisches Ethos.

Nach dem Gerichtsbeschluss, den die CAU noch nicht mal beanstandete, offenbar in Kenntnis dessen, hier reichlich überzogen zu haben, stellt sich nun schon die Frage: Wer übernimmt die Verantwortung für dieses demokratische und rechtsstaatliche Versagen? Wer rechtfertigt sich dafür, dass von der Öffentlichkeit zugewiesene Gelder für so einen Akt politischer Anbiederung verbrannt wurden?

Etwa der stellvertretende Direktor Christian Martin, der stark involviert war bei der Absetzung Baabs und der Vergleichende Regierungslehre unterrichtet? Müsste man von einem Lehrenden in diesem Fach nicht mehr publikative Sensibilität erwarten dürfen, also ein Gespür dafür, wie Journalismus betrieben wird und wo man ihm nicht in die Quere zu kommen hat? Immerhin ist diese Causa keine Lappalie, hier hat eine Hochschule bewiesen, dass sie die Pressefreiheit zu opfern bereit ist, bloß um sich politisch korrekt aufzudonnern. Die Gefahr, dass man dort Haltung lehrt und nicht Sachkenntnis, scheint gar nicht so gering zu sein. Zumal dann, wenn man Leute wie Baab vor die Tür setzt.

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16 Kommentare

  1. Es heißt doch „Uni“, also „gleichförmig, gleichgeschaltet“, also „gehorsam, unterwürfig, kriecherisch“, oder? Und „Kiel“ – das erinnert doch an „Kiel holen“, also eine Methode, Widerständler zu foltern, oder? Das ist die Bedeutung von „Uni Kiel“.

    Da heute der 20. Juli ist, folglich die gesamte Hetzpresse wieder losplärren wird und vermutlich der oberste Heuchler eine neue Hasspredigt wider Kritiker der (angeblichen) Regierung losheulen wird, will ich dem mal mit Folgendem zuvor kommen:
    Die derzeitige RED (Rechtsextreme Einheitspartei Deutschlands, bestehend aus den Blockflöten: CDSU, SPD, Grüne/Bündnis 99, Die Linke, AFD, FDP) steht in der Tradition. Nein, nicht in der Tradition eines Widerstandes, sondern in der anderen Tradition. Folglich wird es heute viele Flötenkonzerte geben, in denen sämtliche Heuchler, Verleumder, Denunzianten, Kriecher u. dgl. sich gegenseitig versichern, wie toll sie sind (sind sie ja auch, nämlich durch und durch toll).
    Und bevor dieses Sabberkonzert startet, ein Ausruf: Pfui Teufel, ihr Widerlinge.

    Passend dazu der Chor der Bevölkerung in Deutschland:
    https://www.youtube.com/watch?v=MYFDY2ZiBLU&list=RDpiwdl6LWGek&index=2

  2. Man sollte nie den Speck der Hoffnung aufgeben 😀 Die Judikative ist noch am leben und schützt die Meinungsfreiheit!

    1. Na, ob die Judikative wirklich noch lebt wag ich zu bezweifeln. Einzelne Extremitäten zucken noch ein wenig rechtsstaatlich. Ob man jedoch aus diesen Zuckungen auf ein gesundes und quietschfideles Leben schließen kann sei dahingestellt.

  3. Vizerektor + Professor Christian Martin ist auch so einer der vielen rechten Politikwissenschaftler, die heute die Fachbereiche inflationär bevölkern, nachdem Schüler:innen der 1968er fast nirgendwo in diesem Fach berufen wurden. Das Fach wurde längst vom “Marsch durch die Institutionen” wieder gesäubert und befindet sich wieder auf dem Stand vor 1945 oder sogar vor 1919: Staatswissenschaften genannt.

    Und welche Koryphäen nehmen heute die Plätze ein, scheißen auf die Pressefreiheit und mobben einen wie Baab, weil dieser unbeaufsichtigt und unabhängig selber vor Ort recherchieren will?

    Des Vizerektors Christian Martins Karriere lief über ein Studium der Verwaltungswissenschaft (früher Staatswissenschaft genannt, im Kern vordemokratisch), damit ist er gar kein wirklicher Politologe, und seine Doktorarbeit verfasste er über “Außenwirtschaftsliberalisierung in Entwicklungsländern”.

    Heute beschreibt er seine Forschungsschwerpunkte – keine Realsatire! in echt: “Politikdiffusion, Globalisierungsprozesse und agentenbasierte Simulationsmodelle” (er auf Wikipedia). Solche diffusen Forschungen machen heutzutage einen Lehrstuhl für Internationale Politik aus (an der Uni Kiel: ‘Vergleichende Politikwissenschaft, Interdependenz und Globalisierung’).

    Ehrlicherweise sollte die Uni Kiel den Lehrstuhl ihre Vizerektors Christian Martin umbenennen: Staatswissenschaft des Kaiserreichs zur Förderung des Untertanengeistes und des vorbeugenden Mobbings unabhängiger = staatsfeindlicher Umtriebe

    .

    Nicht nur die Pressefreiheit, sondern auch der Artikel 5, Absatz 3, Satz 1 GG – Wissenschaftsfreiheit – ist an der Uni Kiel außer Kraft, weil in den Staatswissenschaften nicht bekannt.

  4. Nicht nur im Fall Baab, auch bei Prof. Bhakdi und Prof. Reiss hat sich die Uni Kiel ähnlich verhalten und sich offiziell von deren Aussagen distanziert, um weiter bequem sein zu können.

  5. Die Uni, wie jede andere Lehranstalt auch, erhalten auf direktem Weg über der jeweiligen Landesregierungen
    ihre Order.
    Auch die Freitags-Demos dieser unreifen Kinder wurde von den Landesregierungen gesteuert – mit klarer
    Anweisung an Lehrer – keine Einmischung/Aufklärung WOFÜR sie demonstrieren gehen.
    Für die Kids – Hauptsache Freitags keine Schule !!
    MISSBRAUCH von Kindern !!!!!

  6. Die deutschen Uni’s sind allesamt längst drittklassig und auf einem sehr tiefen Niveau gelandet, und solche Vorfälle werden deren Reputation – und damit deren Attraktivität auf hochrangige Forscher – weiter reduzieren.
    Zu recht, muss gesagt werden. Zu recht.

  7. Sollte es wirklich wahr sein, dass ausgerechnet hochkarätiges Uni-Personal in der universitären und Wissenschaftsgeschichte so wenig bewandert ist?
    Zumindest wir Normalsterbliche und Proleten wissen schon noch aus der 5. Klasse, dass Zeiten, in denen von Wissenschaftlern, Forschern, Dozenten und sonstigen universitär Tätigen Zwangs-Gesinnungsbekenntnisse und Haltungsnoten erzwungen werden, mit “Freiheit” nix zu tun haben.

    1. Wieso? Soviel Antifaschismus wie heute, war dich noch nie! Wir leben im moralisch besten Deutschland aller Zeiten! Das kann gar nicht anders sein. Wird uns ja schon in der Schule beigebracht, nie wieder so etwas böses zu tun. Wir Deutschen haben schließlich aus der Geschichte gelernt.

      Etwas weniger sarkastisch: meine Erfahrungen mit Professoren verschiedener Fächer verschiedener Unis waren doch eher ernüchternd. Oft ziemlich dumm, kleingeistig, intrigant, gierig, karrieregeil. Dswegen auch sehr flexibler Rücken um besser der Politik die Füße küssen zu können oder gleich als Rektor ins Rektum zu flutschen. Wissenschaft war da mehr Mittel zum Zweck und nicht das Ziel.

  8. Umso wichtiger ist es, dass engagierte Personen/Gruppen auch Politiker auf den juristischen Prüfstand stellen, statt sich von vornherein mit vermuteter Erfolglosigkeit herauszureden. An die Anzeige gegen Steinmeier zum Thema Streumunition sei erinnert. Auch Baerbock müsste sich für ihre “Sprüche” verantworten. Und wer von dieser Regierung hat versucht, “Schaden vom Volke zu wenden”? Ihre Vertreter haben mit allen Kräften das Gegenteil getan.
    Solange es noch vereinzelte Richter gibt, die ein Gespür für Demokratie haben, sollte das genutzt werden.

  9. Ein wirklich erschreckender Vorgang. Universitäten sollten Orte des kritischen Denkens und der freien Meinungsäußerung sein – stattdessen erleben wir immer häufiger, dass sie sich vor politischem Druck oder öffentlichem Gegenwind ducken. Gerade in Deutschland, wo die Pressefreiheit als hohes Gut gilt, ist es alarmierend, wenn eine Uni wie die in Kiel bereit ist, journalistische Arbeit zu opfern, um Konflikten aus dem Weg zu gehen.

    Das passt leider zu einem größeren Trend: Die Jahresbilanz der Pressefreiheit 2024 zeigt, dass Medienschaffende nicht nur von staatlicher Seite, sondern zunehmend auch durch Institutionen, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen unter Druck gesetzt werden. Selbst dort, wo man freie Berichterstattung erwarten würde, wird immer häufiger interveniert oder gar zensiert. Eine detaillierte Analyse dazu gibt es hier: https://presseausweis-beantragen.com/jahresbilanz-der-pressefreiheit-2024/

    Wenn selbst Universitäten Pressearbeit nicht mehr verteidigen, was bedeutet das für den öffentlichen Diskurs? Eine demokratische Gesellschaft braucht kritische Berichterstattung – und Institutionen, die diese verteidigen, anstatt sie zu opfern.

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