Selbsterfüllende Prophezeiung – Russlandbilder in den Zeiten des Krieges

Kreml, Bild im Comic-Stil entfremdet.
Karen Abeyasekere, U.S. Air Force, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Aus einem medial konstruierten Kalten Krieg ist ein realer heißer Krieg geworden. An der Sprache konnte man diesen Trend schon ablesen.

Was hat eine selbsterfüllende Prophezeiung mit dem medial konstruierten Russlandbild der letzten 20 Jahre und dem aktuellen Krieg in der Ukraine zu tun? Betrachten wir zunächst den Gegenstand aus etymologischer Perspektive: Die Prophezeiung verweist auf den altgriechischen Begriff prophetia, der für Aussagen bzw. für jemanden sprechen steht. Fragt man Wikipedia, so erhält man als Antwort: »Umgangssprachlich ist mit Prophezeiung meist eine Prognose von Ereignissen in der Zukunft gemeint.«

So unwissenschaftlich Wikipedia als Erkenntnisinstrument ist, so erkenntnisstiftend ist das Online-Lexikon aber gerade für das sogenannte Alltagswissen. Denn die Formulierung »umgangssprachlich« verweist genau auf dieses Wissen. Alltagswissen ist wichtig, es ist so etwas, wie der Kleister unserer Gesellschaft. Spannenderweise ist es aber weniger Wissen, also eine direkte Aneignung von Fakten, im Sinne des Studiums einer Bedienungsanleitung, um beispielsweise eine Waschmaschine in ihrer Funktion nutzen zu können. Alltagswissen ist eher so etwas wie ein Pauschbild, also ein Muster, welches sich durch ständige Wiederholungen mehr und mehr verfestigt. Nur so ist es möglich, dass Menschen Gegenstände erkennen und über diese kommunizieren können.

Urlaub in Russland

Interessanterweise kommunizieren Menschen dann aber nicht über genau diesen einen Gegenstand, sondern meist über eine Art verkürzte Vorstellung jenes Gegenstandes – mit folgendem Resultat: Viele Informationen werden übersehen, man konzentriert sich, natürlich ganz alltäglich, unterbewusst auf das Wesentliche. Testen Sie es selbst: Malen Sie eine Palme! Und jetzt bitten Sie ihre Kinder, Lebenspartner, Freunde bei nächster Gelegenheit ebenfalls um ein Bild einer Palme. Keine weiteren Informationen sind nötig. Das Resultat: Sie werden überrascht sein, oder auch nicht, wie scheinbar identisch die gezeichneten Palmen der verschiedenen Personen sind.

Sie fragen sich jetzt zu Recht, was hat dieser Kontext mit unseren Bild von Russland zu tun? Nun, hier ist eine weitere Frage: Wann waren Sie das letzte Mal in Russland? Russland scheint grundsätzlich nicht das beliebteste Urlaubsland der Deutschen zu sein. Zuletzt rangierte es auf Rang 13, direkt hinter Marokko, aber noch vor Thailand. Nichtsdestotrotz hat jeder eine mehr oder weniger genaue Vorstellung davon, wie Russland als Land so ist und wie seine Bewohner so ticken. Keine Angst, an dieser Stelle müssen Sie jetzt nicht wieder zum Stift greifen, denn Bilder sind immer auch durch Sprache sichtbar. Da der direkte Erfahrungsaustausch also eher reduziert ist, muss es also einen weiteren Wahrnehmungskanal geben.

Und an genau dieser Stelle kommen nun die Medien ins Spiel. Jetzt könnte man ganz elegant den Soziologen Niklas Luhmann zitieren, der sagte: »Alles was wir von der Welt wissen, wissen wir aus den Massenmedien.« Medial vermitteltes Wissen wird ähnlich wie direkt erfahrbares Wissen in das Alltagswissen transferiert und dort verankert. Ein wichtiger Punkt der erfolgreichen Verankerung ist die Wiederholung bestimmter Erzählmuster. Diese langfristigen Verankerungen spielen eine große Rolle, wenn es zur Konstruktion des nicht anwesenden Anderen kommt.

Der nicht anwesende Andere – ein barbarisches Wesen

In der Russlandberichterstattung taucht häufig der Begriff des Barbaren auf. Im  16. Jahrhundert war dieser Begriff eine Art Synonym für einen nicht christlichen Glauben. Damit wurde den Russen eine gewisse Unzivilisiertheit attestiert. Die damaligen Reiseberichte von Hofgesandeten beim russischen Zaren erzählten u. a. von dessen despotischer Herrschaft und der Unterwürfigkeit des russischen Volkes. Zudem wird den Russen bereits im Jahre 1549 durch Sigismund von Herberstein eine Trunksucht attestiert.

Über die nachfolgenden  Jahrhunderte bildeten sich drei große Kategorisierungsformen heraus: Zum einen der Russe als Naturmensch. In dieser Vorstellung wird er liebenswürdig und kindlich naiv wahrgenommen. Zum anderen gilt er aber auch als Barbar – im Grunde also als die böse Seite des Naturmenschen, der irrational in der Logik des Stärkeren agiert. Das dritte Narrativ ist der sogenannte Seelenmensch. Diese Idee spielt auf eine ausgeprägte Religiosität an, die bis in Okkultische reicht. Die vielzitierte russische Seele als Muster rekurriert auf ein Zusammenspiel genau dieser drei Narrative. Auffällig an diesem nach wie vor vitalen Konstruktionsmuster des deutschen Russlandbildes ist die Abwesenheit des europäischen Aufklärungsgedankens: Sapere aude! – der Ruf Immanuel Kants aus Königsberg scheint nicht bis nach Moskau gedrungen zu sein. Zu unendlich die Weiten des Ostens. Der Mut, von dem Kant spricht, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, scheint im Russlandbild nicht zu verfangen. Die drei Kategorisierungen sind zu dominant.

Es ist diese scheinbare Abwesenheit der Aufklärungsidee, die eine Art Demarkationslinie prägt. Die Essenz dieses Effekts ist ein historischer Prozess, der das Russlandbild als eine Art Negativabzug des eigenen Bildes sieht. Und an dieser Stelle wird es dann ganz wie im Fotolabor schnell schwarz und weiß: Der Barbar im Osten wird zur wahrnehmungspsychologischen Voraussetzung für die Konstruktion des aufgeklärten Menschen im Westen. Hier wird der Grundstein der Ost-West-Polarisierung gelegt. Dieser ist im zeitgenössischen Russlandbild dominierend, wie meine aktuelle Studie zum medialen Russlandbild in Deutschland in den Jahren 1999 bis 2016 zeigt.

Der Begriff »Westen« war während dieses Zeitraums der meistselektierte Begriff im Kontext der Russlandberichterstattung durch deutsche Leitmedien. An dieser Erkenntnis wird sichtbar, was Luhmann meint, wenn  er sagt: »Das Fremdbild ist der nichtsichtbare, aber dennoch markierte Teil des Selbstbildes.« Damit wird auch klar, wie diffus die Abgrenzung zwischen »uns« und den »anderen« ist. In einer ausdifferenzierten Gesellschaft wird dies deutlich, wenn Sanktionen, welche gegen Russland wirken sollen, auf Deutschland selbst zurückfallen.

Wer ungesund lebt, lebt länger

Dies zeigt auf, wie kontext- und perspektivbezogen politische Interessen und damit implizierte Erzählperspektiven sein können. Demensprechend können Feindbilder, aber auch Freundbilder plausibel und passend konstruiert oder auch dekonstruiert werden – Kontext is King. Grundsätzlich gilt aber: Je fester eine bestimmte Erzählperspektive im Alltagswissen eingewoben ist, desto wahrscheinlicher ist die Reproduktion des jeweiligen Musters – was wiederum auf die Festigkeit der Erzählperspektive einzahlt. Der trunksüchtige Russe hat, trotz seiner ungesunden Lebensweise, so bereits Jahrhunderte überlebt.

Ein weiterer Aspekt in der Analyse des medialen Russlandbildes der letzten Jahre bringt den Begriff des Zaren ins Spiel. Alle russischen Staatsoberhäupter werden medial als Zaren beschrieben, egal ob blau im Blut oder rot im Herzen. Selbst der Posterboy der friedlichen Revolution von 1989, Michael Gorbatschow wurde dieser medialen Inthronisierung in seinen frühen Amtsjahren unterzogen, wie es der Osteuropa-Historiker Wolfgang Eichwede feststellte.

Hier scheinen die Medien ganz fest im Griff eines Stereotyps zu sein, welches bis zum heutigen Tag anhält, wie die aktuelle Studie aufzeigen konnte. Am 26.09.2001 wurde Wladimir Putin, im zweiten Jahr seiner Amtszeit als gewählter Präsident, von Günther Nonnenmacher in der FAZ zum neuen Zaren von Russland gekrönt. Mit der Überschrift »Putins Russland« markierte der FAZ-Mitherausgeber eine Zeitenwende. Putin auf dem Thron Russlands. Zarengleich reißt er Russland an sich und Russland unterwirft sich ihm, ganz im Sinne der russischen Seele. »Putins Russland« ist mehr als eine Beschreibung, es könnte für ein Russlandbild stehen, welches die letzten 20 Jahre geprägt hat. Auch Jürgen Habermas macht auf diesen Aspekt aufmerksam, wenn er in seinem vielbeachteten Artikel »Krieg und Empörung« vom 29. April 2022 in der SZ davon spricht, dass „die Konzentration auf die Person Putins […] zu wilden Spekulationen [führt], die unsere Leitmedien heute wie zu den besten Zeiten der spekulativen Sowjetologie ausbreiten.«

30 Jahre deutsche Außenpolitik beendet

Im Grunde genommen wird hier ein sich selbst verstärkender Prozess sichtbar – und damit kommen wir zu weiteren Erkenntnissen der Studie: Das heutige Russlandbild wird sehr stark im Kontext des Kalten Krieges wahrgenommen. Es sind Begriffe wie »Sowjetunion«, »Atomwaffen« oder »Stalin«, welche mit starker Vitalität immer wieder quasi ahistorisch eine Vergangenheit wachrütteln, die von Wettrüstung und einer globalen Kriegsangst geprägt war. Wenn man so möchte, ist der mediale Krieg seit 1999 nicht nur als narratives Element nachweisbar, sondern fast schon dominierend. Der Begriff »Krieg« ist einer der meistselektierten Begriffe. Fast hat man den Eindruck, dass Russlandberichterstattung gleich Kriegsberichterstattung ist.

An dieser Stelle wird nun die Prophezeiung sichtbar. Aus einem medial konstruierten Kalten Krieg ist ein realer heißer Krieg geworden. Die mediale Kriegsprognose, wenn man so will, ist also nach mehr als 20 Jahren Wirklichkeit geworden. Waren es 2000 in Tschetschenien, 2008 in Georgien und 2014 in der Ukraine noch regionale Kriege, so unterscheidet sich der Krieg 2022 in der Ukraine signifikant davon. Im Jahr 2022 ist die historische bipolare Ideologie zurück. Die von Olaf Scholz verkündete Zeitenwende steht als Begriff für ein Scheitern der Politik des Wandels durch Handel.

Damit werden mindestens 30 Jahre deutscher Außenpolitik beendet. 100 Milliarden Euro extra für das Militär sprechen die Sprache des Kalten Krieges. Der aktuelle Krieg in der Ukraine startete am 24.2.2022. Die mediale Konstruktion des Krieges in Form des sogenannten Kalten Krieges manifestiert sich als feste Konstante in der medialen Berichterstattung seit den historischen Zeiten der Berliner Mauer, des Wettrüstens und der globalen Blockbildung. Scheinbar haben wir, zumindest medial, die Chance verpasst, aus einem historischen Feindbild ein vitales Freundbild entstehen zu lassen. Die konstante Feinbildkonstruktion der letzten 30 Jahre scheint spätestens seit dem 24.2.2022 in erschreckender Weise Realität geworden zu sein.

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21 Kommentare

  1. Zitat: „steht als Begriff für ein Scheitern der Politik des Wandels durch Handel“

    Ehhmmm, nein, das hat gut funktioniert, allerdings wurde diese Politik durch ein paar infantile, bösartige Narren, die wie auch immer in ihre politischen Positionen gekommen sind, binnen „Sekunden“ zerstört.

  2. Wenn der 24. 02. so allgemein als Kriegsbeginn angenommen wird, ist der historische Zeitraum künstlich eingeengt und die Schlußfolgerungen dem gemäß auch.
    Daran leidet der an und für sich gute Artikel, er kommt nicht zu den Ursachen und Verantwortlichen des Geschehens.

  3. In der 3., 2002 erschienen Auflage seines geschichtseinführenden Werkes ‚Geschichte griffbereit‘ schreibt Imanuel Geiss in der Einleitung zum ersten Band: „Ähnlich wirken der Aufstieg des Islams, der Türken und Mongolen, des Grossfürstentums Moskaus usw. als historische Antimaterie zum sonst dominierenden lateinischen Europa.“ Diese Metapher ist in ihrer Radikalität – ich weiss nicht, ob Geiss sich das hinlänglich klar gemacht hat – mehr als bemerkenswert. Wenn Materie und Antimaterie zusammentreffen kommt es zur gegenseitigen Vernichtung. Dieser Satz, geäussert von einem westlich geprägten Intellektuellen, ist ein starkes Indiz für die antagonistische Weltsicht der abendländischen, hier genauer der deutsch-bürgerlichen Denkweise, Weltvorstellung. Unter anderen, der ‚Islam‘, die ‚Mongolen‘, erscheinen die Moskowiter als die Negation des Eignen, als Fremde im vollsten Sinn. Da ist Verständigung nicht möglich. Im Zeitalter der Atombombe eine mehr als prekäre Konzeption.

    1. @Pnyx,
      Aber der Antagonismus besteht doch – und eben nicht nur von westlicher oder früher latainischer Seite.
      Wenn man Putin hört oder andere Russen ist das ganz offenbar. Und es drückt sich auch in der von Putin beschworenen „multipolaren Welt“ aus.
      Und im Grunde genommen waren die Russen über die ganze Geschichte mal mehr, mal weniger antagonistisch gegen den Westen eingestellt. Ich denke auch, dass solche Antagonismen ganz natürlich auf der Welt entstehen.
      Anderes Land, anderes Klima (ozeanisch zu extrem kontinental) alleine führen schon dazu, dass andere Instinkte in den Menschen dominant werden. Und solche Antagonismen führen eben manchmal auch zu Auseinandersetzungen.

      Ich sehe das Problem aber nicht darin, dass es diese Antagonismen gibt, sondern dass manche im Antagonisten den teuflischen Feind sehen, der vernichtet werden muss; anstatt zu verstehen, dass der Gegenpol nötig und sinnvoll auch für das eigene Bestehen und die eigene Entwicklung ist. Dass die Auseinandersetzung mit ihm durchaus positive Folgen haben kann, wenn man den Anderen als Anderen bestehen lassen kann, nicht danach trachtet ihn zu vernichten, weil er die eigene Weltsicht nicht teilen möchte.

      1. Das stimmt so einfach nicht. Russland war eben nicht antiwestlich. Ein Teil, der traditionelle, wie ihn auch Tolstoi in Krieg und Frieden beschreibt, sah die Teilnahme an der europäischen Politik als übertrieben und verhängnisvoll an und wäre lieber für sich geblieben. Der andere war „dem Westen“ zugewandt und sah ihn auch als vorbildhaft und in vieler Hinsicht überlegen an, beginnend mit Peter dem Grossen und sich fortsetzend vor allem im Liberalismus, wie ihn Paul Robinson in The Strange Death of Liberal Russia beschreibt, aber auch in sozialistischen Strömungen. Eine aggressive Haltung gegenüber „dem Westen“ kommt nicht einmal in Putins nun reichlich bitteren Reden zum Ausdruck. Und als Antwort auf eine bestimmte Frage, nein, ich denke immer noch nicht, dass die Russsen Krieg wollen, aber dass Rassisten und Faschisten wie Böhmermann und Nazienkel Baerbock ganz geil auf Krieg sind, aber am besten, wenn andere sterben.

          1. Genau Realitycheck,

            daß kommt davon wenn der Ottono zulange in die Idioten-Laterne blickt. Jetzt muß der Ottono, auch noch seine Super Fernsehheld*Innen verteidigen! ☺️ ☺️

            1. Bin echt gespannt ob du Nasenbär irgendwann in der Realität ankommst. Momentan geht’s dir in der Abteilung „Wünsch dir was“ ja bestens. Vielleicht gibt’s ja was von Ratiopharm für dich.

              1. Hi Propaganda Victim,
                pflegst doch tatsächlich dein Feindbild unter der Idioten-Laterne. Sogar die Werbepausen wirken bei dir braver Ottono!

                Ich wünsche dir gute Besserung beim Blackout.

                ? Reality Coati/ Check!
                Ein „Nasenbär“ ist jemand, der keinen Schimmer hat aber überall seine Nase reinhängen muss

                JtP

          2. Deine NATO führt Krieg gegen Syrien, mit der Bundeswehr feste dabei. Sie hat auch Jugoslawien überfallen und liefert logistische Unterstützung für den Völkermord im Jemen. Von der Unterstützung der Militärfaschisten in Kiew seit 2014 noch gar nicht geredet. Also tu nicht so scheinheilig.

            1. Es gibt nicht „meine“ NATO, aber das kapierst du in diesem Leben nicht mehr. Du suchst in der Vergangenheit die Legitimation für die Verbrechen von heute.
              Kein Mensch hat gesagt, dass es im Leben gerecht zu geht.
              Die RF hat sich durch Putin in die Sackgasse manövriert. Da hilft auch kein Blick in die Vergangenheit.
              Schönen Abend

        1. Falls man die Aussagen des Herrn Putin ernst nimmt und für wahr erachtet, sollte zu erkennen sein, daß Herr Putin enttäuscht ist. Enttäuscht, daß die für ihn rationale Überlegung des gedeihlichen und konstruktiven Zusammenlebens in Europa von seltsamen wertebasierten Sektenanhängern hintertrieben, bzw selbstschädigend sabotiert wird.
          Was anfangs als mißglückte, westliche Verhandlungstaktik erklärt werden konnte, hat sich als ernsthafte Idiotie herauskristallisiert.
          Somit, nicht verhandlungswürdig. Wäre Zeitverschwendung.

        2. @ aquadraht,
          ich sehe die periodische Hinwendung Russlands zum Westen als eine Art Wellenbewegung, mindestens seit Peter dem Großen. Immer wieder war man interessiert, zum Austausch bereit – und dann wenns genug der Dosis war, verstärkte sich wieder der Drang sich zurückzuziehen. Eine Art Widerstreben sich von der westlichen Kultur zu sehr beeinflussen zu lassen.
          Diesem Antagonismus wohnt aber nicht notwendigerweise der Wunsch nach Krieg inne.

          Eine aggressive Haltung der Russen gegen den Westen habe ich so auch nicht gesehen. Eher eine defensiv abgrenzende Haltung, die jedoch bereit ist zu kämpfen, wenn diese Abgrenzung nicht respektiert wird.
          Zu dieser Abgrenzung gehört aber natürlich auch der Einfluss auf traditionelle Einflussgebiete.
          Ich denke auch nicht, dass Putin und die Russen diesen Krieg wirklich wollten. Offenbar dachten sie aber ihm nicht mehr ausweichen zu können.
          Hätten sie aber trotzdem besser versuchen sollen. Ich glaube nicht, dass dieser Krieg für irgendjemanden gut ausgehen kann.

        3. wenn hier von „Russland“ in der Geschichte die Rede ist, wieviel Promille der Bevölkerung genau ist damit gemeint?

          DAS Russland war fürderhin doch nur ein politischer Raum einer winzigen Elite.
          Für 99% der Bevölkerung war es völlig egal unter wessen Fuchtel sie litten und lebten.

          Ebenso die Definition von westlich.
          Wenn die Durchsetzung von Arbeiterrechten, von Frauenrechten, von Selbstbestimmung, das Ende der Leibeigenschaft etc.pp. „westlich“ ist, dann war 1917 eine lupenreine westliche Angelegenheit.

          Ebenso wenig verstehe ich, warum zur Zeit dauernd von slawisch vs. westlich die Rede ist, wenn im Westen schlechtin, den USA, einige typisch „westliche Rechte“, stärker unter Beschuss sind als in Russland.

          Wann wurde das Recht auf Abtreibung und das Recht auf Arbeit der Frau und das Recht auf ein eigenes Konto in der UdSSR eingeführt und wann in den USA / Europa???)

          Das gilt auch für die Abschaffung der Todesstrafe (in RU vollbracht, nicht so in USA oder JAPAN) und die Zahl der Gefängnisinsassen, die ist in den USA die höchste der Welt.

          Und ich kenne keinen Menschen, der nicht selbstbestimmt sein will wenn ihm das ein vernünftiges Leben gestattet.

          Wir sollten Acht geben, dass wir mit diesen „Wesenszügen“ uns nicht in einem rassisch informierten Relativismus a la Huntington verheddern.

          Und die Zerstörung anderer Länder und Zivilisationen mit Mitteln eines Imperiums wiederum ist nie etwa spezifisch westliches gewesen.

          Westlich, slawisch, sonstwas, sind Erfindungen nationaler Propagandasysteme.

          Sonst nichts. Ihre Berechtigung haben sie in der Folklore und der Linguistik. Höchstens.

          1. @xyz,
            aus deinem Text lese ich die Sorge heraus, dass meine Aussagen, dass bestimmte Unterschiede zwischen Russen und dem Westen bestehen, die antagonistisch wirken können, eine Wertung beininhalten, die letztlich rassistisch wirken könnte.
            Doch an sowas habe ich dabei nicht gedacht, auch nicht an Slawen, auch nicht an bestimmte Eigenschaften oder Wesenszüge. Solche zu formulieren ist nicht in meinem Interesse.

            Doch ich denke es gibt Unterschiede, es gibt so etwas wie „Volksmentalität“, auch wenn bei weitem nicht alle Menschen in einem Gebiet davon betroffen sein müssen. Aber das so etwas entsteht ist doch ganz logisch. Andere Bedingungen in einem Land, anderes Klima, andere Geschichte, erzeugen andere Gefühle für den Großteil der Bevölkerung. Das zu negieren nur aus Furcht es könne von nationalistischem Gedankengut genutzt werden, halte ich nicht für sinnvoll.

            Ich kann solche Unterschiede ja aber auch Richtung Westen ausmachen, z.B. zwischen Deutschen und US-Amerikanern, und das obwohl die zu einem großen Teil ja ethnisch gesehen sehr verwandt mit uns sind.

  4. Ma sollt den Russen nicht in seiner Seele verorten.
    Bereits Marx hat über die asiatische Produktionsweise spekuliert.
    Davon erzählt die bürgerliche Ideologie freilich nicht.

    1. Marx (und Engels) hat da eher nicht spekuliert, und wo Deine Ma was verortet, ist letztlich ohne Belang. Die asiatische Produktionsweise kann als vorkapitalistische Gesellschaftsformation als gut bestätigt angesehen werden. Die antikommunistische und orientalistisch-rassistische Deutung im Spätwerk Wittfogels ist eine andere Sache, sie hat ihren Wiedergänger in der „Autoritarismus“-Propaganda des Wertewestens, und findet sich auch etwa bei Nolte („asiatische Tat“) und sowieso bei Hitler.

      1. Hint: Dutschke, Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen.

        Mir gings um die bürgerliche Ideologie,
        Unterschiede zwischen Menschengruppen in ihrem Seelenleben, dh Natur zu verorten.
        Der Liberalismus hat sich in die Dummheit gesiegt weil er Gesellschaft vom Individuum her denkt,
        ja, Gesellschaft nur als Ansammlung zusammenhangsloser Idividuen überhaupt denken kann.
        Da war zB Bruno Latour von besserem Kaliber.
        https://web.archive.org/web/20210217205356/https://www.jungewelt.de/artikel/396681.politische-theorie-in-die-dummheit-gesiegt.html
        https://web.archive.org/web/20210614054503/https://www.jungewelt.de/artikel/403424.k%C3%A4mpfe-um-anerkennung-mangelhafter-gesellschaftsbegriff.html

        1. Ich mein: Die Perspektive, der Standpunkt dieser Weltsicht ist schon mal falsch.
          Ein System besteht nicht aus den sichtbaren Komponenten sondern den unsichtbaren Kräften.
          Oder noch kompilizierter. In der Physik hamwas doch auch geschafft.
          Wieso muß ich mir Animismus(¹) bei Gesellschaft immer wieder anhören?
          Weil Leut blöd sind und in der Schule nicht schlau gemacht werden. Das hat Gründe.

          ¹ Die Bewegung kömmt aus der Seele bzw dem Jenseits
          Ich kann den Gott nicht sehen den der Gegner als Erklärung für was er nicht versteht heranzieht.

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