
Robert Redford war jahrelang der Prototyp eines alternativen Amerika vor Watergate und Vertrauenskrise. In seinen späten Jahren wurde seine Kritik bequemer. Nun ist er gestorben.
Redfords Werk ist sehr amerikanisch. Amerikanischer als das anderer Schauspieler aus Hollywood. Der blonde Kalifornier wirkte als zerrissene Persönlichkeit, seine Filme schwankten zwischen Wildnis und Zivilisation und zwischen einer Sehnsucht nach politischer Authentizität und Ernüchterung. Redford stand erstmals 1960 vor der Kamera. Knapp 60 Jahre lang machte er Filme. In dieser Zeit durchlief der Schauspieler die Identitätskrise seiner Nation und bildete diese auch in seinen Arbeiten ab. Watergate steht dabei im Zentrum der politischen Krise, gegen die Robert Redford künstlerisch dagegenhielt.
Die Wildnis als wahres Amerika
Ende der 1960er-Jahre wurde der Schauspieler populärer. Redford spielte bevorzugt Außenseiter, meist liebevolle Figuren, die in der amerikanischen Wirklichkeit anecken und mit der Gesellschaftshölle nicht zurechtkommen. Als Sundance Kid in George Roy Hills Zwei Banditen gelang er zu erstem Weltruhm an der Seite von Paul Newman. Die beiden spielten ein Ganovenpaar, das vor den Ordnungshütern des Wilden Westens bis nach Bolivien flieht. Die Musik von Burt Bacharach untermalt diesen humoristischen Spätwestern zeitlos. Redford wie Newman spielen Männer, die außerhalb gesellschaftlicher Zwänge leben und dennoch ein Gewissen haben, ein faires Leben anstreben. Außerhalb des strukturierten Amerika gedeiht das Anständige. Dieser Vorstellung wird man in Redfords Filmen immer wieder begegnen.
Einige Jahre später spielte er Jeremiah Johnson im gleichnamigen Film. Dieser verlässt die Zivilisation, geht in die Rocky Mountains und sucht das ursprüngliche Leben in Einsamkeit. Sich dort durchzusetzen ist nicht einfach, Johnson fällt die Jagd und die Fischerei schwer, aber er boxt sich durch. Der Film sprach ein Publikum an, welches davon überzeugt schien, dass das Land sich auf Abwegen befindet. Amerika sollte sich wieder auf seine Ursprünge besinnen, weniger Politik in weiten Fernen machen. In dem Jahr, in dem Jeremiah Johnson ins Kino kam, versuchten einige Einbrecher die Zentrale der Demokratischen Partei zu verwanzen. Zwei Jahre später stolperte US-Präsident Richard Nixon über diese Watergate-Affäre und dankte ab. Einem breiten amerikanischen Publikum wurde in den 1970er-Jahren bewusster, dass ihr politisches Personal durchtrieben und korrupt war.
Auch im selben Jahr war Robert Redford in einem weiteren Film zu sehen: Bill McKay – Der Kandidat. Redford spielt einen jungen und idealistischen Anwalt, der Senator werden will und zunächst schüchtern, später selbstbewusster in den Wahlkampf einsteigt. Sein Idealismus wird dabei schrittweise geopfert, der von Redford gespielte McKay muss Kompromisse eingehen und beginnt nun Phrasen zu dreschen. Er zeigt, dass in der Politik jede Würde zerbricht. Redford nahm damit die Vertrauenskrise vorweg, die erst ein Jahr später die amerikanische Öffentlichkeit beschäftigen wird.
Der Eskapismus reicht nicht aus. Das politische System ist korrupt und verkrustet, das Establishment lügt und betrügt. Redford wird vom kalifornischen Sunnyboy zu einer sich selbst entfremdeten Figur. Das System stampft ein und bietet keine Entfaltungsräume. Das ursprüngliche Amerika mit seinem Freiheitsversprechen ist verloren.
Nach Watergate
Zwei Jahre nachdem Richard Nixon das Weiße Haus verlassen hat, befasste Redford sich in Alan J. Pakulas Film Die Unbestechlichen mit Watergate. Zusammen mit Dustin Hoffman spielt er das Autorenduo Woodward und Bernstein, das dem Weißen Haus auf die Schliche kam. Wieder steigt er ab in die Niederungen eines Systems, das sich selbst erhält und so der demokratischen Idee eine Absage erteilt. In den USA gilt die Watergate-Affäre als der Moment, in dem das Land die Unschuld verlor. Das ist natürlich pathetisch. Ihr Vertrauen in das Amt des US-Präsidenten verloren die Bürger damals aber wirklich.
Weitere vier Jahre danach erhielt Redford seinen ersten Oscar. Nicht als Schauspieler, sondern als Regisseur. Eine ganz normale Familie hieß der Film. Redford verlässt die Rolle des Chronisten der amerikanischen Identitätskrise und zeichnet die inneren Brüche innerhalb der US-Gesellschaft nach. 1994 zeigte er in Quiz Show, wie das Fernsehen seine Unschuld verlor, als es in den 1950er-Jahren dazu überging, Quizshows zu manipulieren. Sein Land wurde also schon verführt und manipuliert, als er in den 1960er-Jahren noch mit der Sinnkrise der Nation zwischen Tradition und Moderne befasst war.
1981 gründete Robert Redford das Sundance Institute, das das Independent-Kino unterstützen sollte. Sundance war eine indirekte Reaktion auf das Amerika nach Watergate. Das Kinosystem in Hollywood war Redford verdächtig, es würde von großen Geldgebern dominiert und führe zu immer mehr Entfremdung. Kino sollte offener und demokratischer werden, sollte ehrliche Kunst präsentieren. Dennoch produzierte Redford immer wieder innerhalb der Filmindustrie in seiner kalifornischen Heimat.
Land der Ganoven
Redford war damit Prototyp eines anderen Amerika. Seine Rollen waren meist sympathische Macher und mit der Natur verbundene Figuren. Figuren, die innerhalb des amerikanischen Systems fremdeln und die glauben, mit Watergate habe das Land den Rubikon überschritten. Redford blieb ein Kritiker der großen Politik. Als er vor einigen Jahren Donald Trump als diktatorische Bedrohung einschätzte, war das sicher ein Stück weit bequeme Kritik. Aber anders als andere Hollywood-Größen war Redford nicht dem Irrtum verfallen, dass es vor Trump ein eher gutes Amerika gab, das der New Yorker jetzt zerstöre.
Trotz politischer Skepsis stand er den Demokraten nahe und ließ sich ab dem Jahr 2000 immer wieder in politische Agenden involvieren. Redford war zu diesem Zeitpunkt längst zur Ikone des anständigen Amerikas geworden. In All is Lost zeigt er nochmal einen Mann in der Wildnis, diesmal auf dem Wasser als Havarierter.
Robert Redford ist gestern im Alter von 89 Jahren gestorben. In seiner letzten Rolle, eigentlich seine vorletzte, wenn man Redfords Ausflug zu Marvel ignoriert, ist die eines alten Gauners, der mit Stil und Freundlichkeit seine Raubüberfälle begeht. Wie das Amerika, das er stets begreifen wollte, wirkt darin seine Figur des Forrest Tucker. Selbst die Aufrechten und Freundlichen, die den Bodenkontakt behalten haben, sind in seinem Land letztlich Ganoven. Redfords Sicht auf sein Land ist bis zum Ende seiner Karriere immer ernüchternd geblieben.
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Mit Robert Redford geht nach Gene Hackman einer der großen Protagonisten des „New Hollywood“ und ein kritischer und unabhängiger Geist.
Neulich habe ich mal wieder „Die drei Tage des Condor“ (1975) von Sydney Pollack gesehen. Dieser Film ist einfach hochinteressant, spannend, zeitlos und top besetzt (Faye Dunaway, Max von Sydow).
„Die Unbestechlichen“ (1976) über den Watergate-Skandal ist hervorragend und ein Dokument der Zeit.
Aber auch ein Film wie „Brubaker“ (1980), in dem er sich als neuer Gefängnisdirektor incognito dort einschleusen lässt, um die wahren Zustände zu erfahren, ist ausgezeichnet und entlarvend.
Natürlich gibt es auch weniger gute und kommerzielle Filme mit oder von ihm.
Robert Redford war ein markanter Schauspieler und eine echte Persönlichkeit. Und damit eine aussterbende Art.
Der Film ist mir auch gleich wieder eingefallen.
Politisch und gesellschaftskritisch war es der beste Redford-Film. Weit vor den „Unbestechlichen“, der ja auch nur das weichgespülte „wir sind die Guten“-Thema bediente. Die Hintergründe um „Deep Throat“ sind ja inzwischen bekannt, und die WaPo diente damals wie heute nur der Politik des „Deep State“, der damals eben Nixon loswerden wollte.
Absolute Spitze natürlich „der Clou“. Das war richtig gutes Kino. Gute Unterhaltung bot noch „der Unbeugsame“ und herrlich spitz war schließlich noch „Sneakers – Die Lautlosen“ mit einer wahren Starbesetzung, neben Redford Dan Akroyd, River Phoenix, Ben Kingsley, Sidney Poitier, David Strathairn, Mary McDonnell…
Unvergessen für mich in der Schlußszene der Wunsch des blinden „Whistler“ an den NSA-Agenten (gespielt von James Earl Jones):
„Ich wünsche mir Frieden auf Erden und eine gute Gesinnung für jedermann“
und dessen Antwort:
„Wir gehören zur Regierung der Vereinigten Staaten! Wir machen sowas nicht!“
ich wüsste zu gern, wo Herr Gondorff noch ein Kino findet.
Um in Deutschland noch einen Film schauen zu können, der nicht einem schlechten „Game“ entsprungen zu sein scheint, muss man eine Tagesreise in die große Stadt machen, um dann in einem meist stillosen Raum einem Videobeamer bei seiner seelenlosen Arbeit zuzuschauen.
Das letzte mal, das ich den erfolglosen Versuch gemacht habe, um den Film Pacifiction im Kino zu erleben, wurde ich nochmals ein Opfer der Kleinnstadtdiskriminierung. Selbst in meiner Heimatstadt mit heute 330000 Einwohnern hatte ich keine Chance diesen wunderbaren Film auf großer Leinwand zu geniessen.
Ich glaube es war Detlef Kuhlbrodt der mir vor langer Zeit in einem Artikel meine Sehnsucht nach der „großen“ Leinwand erklärte. Er sagte das ein Kinofilm nur funktionieren könne, wenn die Filmfiguren größer als man selbst sei.
Es wäre eine Frage der Perspektive.
Filmtip für Herrn Gondorff: Cecil B. Demented von John Waters. Es sollte eine Vorschrift geben das dieser Film immer der letze im Programm sein sollte, wenn ein Lichtspieltheater für immer geschlossen wird.
Redford hatte für mich in die 3 Tage des Condor mit der unglaublich intensiven Faye Dunaway seinen größten Auftritt.
Intensiver mit einer Filmpartnerin habe ich ihn nie wieder spielen sehen.
Gute Reise Robert
Ich frage mich, ob Henryk Gondorff ein Pseudonym ist. So hieß doch Paul Newman in der Clou. Nur ohne K.
Na, Herr Autor?
Kann mir jemand sagen warum mein Kommentar gelöscht wurde?
„Kann mir jemand sagen warum mein Kommentar gelöscht wurde?“
*Schmunzel* Da kommen ja fast Erinnerungen an Telepolis in mir hoch, als ich ebenfalls wie ein bedröppelter Pudel von den Admins wissen wollte was den so Verkehrt an meinem Beitrag sei.
Darf ich Ihnen einen Ratschlag geben? Versuchen Sie viel eher einen „Pasierschein A38“ zu organisieren….
https://www.youtube.com/watch?v=7dO9Lm_CXz0
….viel Glück jedenfalls bei Ihrem unterfangen. 🙂
RIP Robert
War das wieder dein üblicher „Gaza Newsticker“?
„Die Polizisten, die ihn schließlich verhafteten, berichteten…
.. er habe gelächelt“ war der Schlusssatz in seinem (vor)letzten Film.
Ich schau mir seine Filme immer wieder gern an.