Oscar über Alles

Jonathan Glazer, The Zone of Interest, Cannes
Canal22, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Regisseur Jonathan Glazer thematisiert auf der Oscar-Bühne Israels Gaza-Krieg und wird von Vertretern jüdischer Organisationen attackiert – vorher hat er den Oscar für einen Auschwitz-Film erhalten.

Eigentlich wollte ich mir die Oscars nicht mehr ansehen. Roben wie aus der Konditorei, Kulissen aus Falschgold, die Toten des Jahres werden immer schneller und in immer kleinerer Schrift durchgewunken, und es gewinnen stets die falschen Filme, oder doch zumindest nicht die, auf die man gewettet hat.

Aber ein Freund schleifte mich aus dem Haus und wir landeten in einer Bar irgendwo zwischen Silver Lake und Echo Park, einst eine nette Gegend von L.A., wo heute die Reichen und Schönen wohnen. Vor allem die Reichen. Die Bar servierte einen Cocktail, der “Atomic Bomb” hieß und mehr als zwei Pizzas bei Domino’s kostete.

Auschwitz und Gaza

Am Hollywood Boulevard und Highland, wo die Oscars im Dolby Theater ausgegeben wurden, wäre absolut kein Durchkommen gewesen. Alle Straßen rings um das Theater waren von Demonstranten blockiert, die gegen Israels Krieg in Gaza protestierten, von Black Lives Matter bis Jewish Voice for Peace.

Die Polizei drängte die Demonstranten zurück, sie tauchten an der nächsten Ecke wieder auf. Das plüschige Innere des Dolby schien aber wie eine beschützende und sehr luxuriöse Blase zu funktionieren, die die böse Welt draußen hielt. Bis zu dem Punkt, an dem der Oscar für den besten internationalen Spielfilm vergeben wurde.

Der ging, nicht unerwartet, an Zone of Interest, ein sehr beklemmender britischer Film mit zwei deutschen Hauptdarstellern. Zone of Interest handelt von Auschwitz, genauer: von dessen Kommandanten Rudolf Höß und seine Familie. Jonathan Glazer, der Regisseur, hielt seinen Oscar in die Kamera und sagte, der Film zeige, wohin die Dehumanisierung von Menschen führen könne. Und dann:

Er wende sich dagegen, dass sein Judentum und der Holocaust von einer israelischen Besatzungspolitik gekapert werde, die zum Tod so vieler Unschuldiger geführt habe. Er nannte die Opfer des 7. Oktober und die der noch immer stattfindenden Attacke auf Gaza. Glazer, fügte die New York Times in ihrem Life-Ticker hinzu, sei jüdisch.

Ich weiß nicht, was ich verstörender finde, dass die Times es für nötig hält, das zu betonen und damit Protestler gegen Israel in jüdisch und nicht-jüdisch sortiert oder die Tatsache, dass ein Film über Auschwitz nun die neueste Plattform bietet, Benjamin Netanyahu und die israelische Politik abzuwatschen.

Produzent des Filmes: Ein in der Ukraine geborener jüdischer Oligarch

Apropos abwatschen; selbstredend bekam Glazer nach dem Auftritt mehr Flak von sortierten Vertretern jüdischer Organisationen als Rudolf Höß, während er in Auschwitz noch operierte. Die Times of Israel nannte das Gesamtkunstwerk ein “seltenes Spektakel: Führer der jüdischen Gemeinschaft attackieren den jüdischen Direktor eines Holocaust-Films, der gerade eine Auszeichnung gewonnen hat.”

Und nicht nur Organisationen. Michael Freund, ein Vertrauter des israelischen Premiers nannte Glazer einen “selbst-hassenden Juden”. Ich kenne Glazer nicht persönlich, aber ich vermute mal, er hasst nicht sich selber, sondern Bibi Netanyahu. Und vermutlich kann er Freund auch nicht besonders gut leiden.

Zone of Interest wurde von Len Blavatnik finanziert, ein in der Ukraine geborener jüdischer Oligarch und Milliardär, der auch Israel unterstützt. Er gehört übrigens zu den Großspendern an Harvard, die es kürzlich geschafft haben, Uni-Präsidentin Claudine Gray zu kippen. Sie war pro-palästinensischen Protesten und Rufen “From the River to the Sea” nicht entgegengetreten. Blavatnik stand neben Glazer auf der Bühne, stumm, und wollte auch hinterher keinen Kommentar abgeben.

Nicht nur Blavatniks Familie, auch die von Glazer stammt von ukrainischen und bessarabischen Juden ab. Sie sind vor russischen Pogromen nach England geflüchtet. Nicht nur die Glazers. Nach dem Pogrom von Kischinjow in Bessarabien kurz nach 1900, als fast 50 Juden ermordet wurden, verließen Tausende fluchtartig das Land.

Manche, die glücklichen, emigrierten nach Amerika, so wie meine Familie. Andere gingen nach Palästina, das damals noch Teil des Osmanischen Imperiums war, das Einwanderung lockerer sahen als später die Briten. Sie bildeten den ersten Kern der zionistischen Bewegung. Warum sie kamen, sollte man nie vergessen.

Biden sitzt mit Bibi fest

Und so haben wir hier, heute, auf der Glitzerbühne von Hollywood, unsere ganze Geschichte beieinander. Bester Film wurde dann “Oppenheimer”. Mit Cillian Murphy als J. Robert Oppenheimer, der Vater der Atombombe, die den Zweiten Weltkrieg beendet hat. Die Oppenheimers stammten aus einer jüdischen Familie in Hanau.

Nicht zuletzt bekam Indiana Jones and the Dial of Destiny, wo es ja letztlich auch um Nazis geht, den Oscar für die beste Filmmusik. Nur die Native Americans hatten, wie immer, das Nachsehen; Killers of the Flower Moon ging leer aus.

Da draußen, in der wirklichen Welt, warten wir immer noch darauf, was Joe Biden wegen dem Krieg in Gaza tut (unsere Zeitungen sind noch immer voll mit Berichten über Bomben und Hungersnot und Toten). Angekündigt hat Biden bisher, dass er sich mit Bibi in einem “Come to Jesus”-Moment zusammensetzen will. Also, ich werde da bestimmt nicht dabei sein, aber zu Jesus kommt Bibi garantiert nicht.

Nicht nur Glazer, auch Biden kann Bibi nicht leiden, seit der hat durchblicken lassen, dass ihm ein weißer Republikaner als US-Präsident lieber wäre als ein schwarzer Demokrat. Nun aber sitzt er mit Bibi fest. Die Zeiten, wo die CIA ungeliebte Staatschefs im Mittleren Osten toppeln konnte, sind leider vorbei.

Parteilinke machen nun Druck auf Biden, die Militärhilfe für Israel einzustellen. Nach einer Studie des Council of Foreign Relations, ein Think Tank, der als die Stimme des außenpolitischen Establishments gilt, hat Amerika bislang 300 Milliarden Dollar an Israel gezahlt (und weitere 250 Milliarden an der Irak und Ägypten, letztlich Gelder, die der Sicherheit von Israel dienen). Der Louisiana Purchase, der Kauf des gesamten Areals am Mississippi entlang, von den Rocky Mountains bis zum Golf von Mexico, hat uns 15 Millionen Dollar gekostet, wenngleich nicht inflationsbereinigt.

Oscars 2074

Die USA haben sich darüber hinaus rechtlich selbstverpflichtet, Israel stets mit stärkeren Waffen zu versorgen, als seine Nachbarländer haben. Rechtlich darf die USA allerdings auch keine Waffen an Länder liefern, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Ein gewisser Widerspruch also.

Vielen Kritiker von Bidens Israel-Politik in Amerika geht es aber nicht hauptsächlich ums Geld, obwohl auch das nicht unwichtig ist. Sie wollen selber keine blutigen Hände haben, insbesondere nach der langen, blutigen Geschichte der US-Kriege im Mittleren Osten, die offenbar nie aufhören. Dass in Israel Frieden einkehrt, wenn die USA die Geldspritze absetzt, ist allerdings Wunschdenken.

Vielleicht werden wir – nicht ich, aber meine Kinder, wenn ich welche hätte – in 50 Jahren den Oscars zusehen. Nicht im Fernsehen, natürlich, dann gibt es bestimmt Leuchtwände in allen Wohnzimmern, die uns die Illusion geben, wir säßen mitten im Dolby-Theater, das es dann auch nicht mehr gibt, weil die Schauspieler alle AI sind

Dann wird der Oscar für den besten Film an ein Drama über den Endkampf in Israel gehen. Mit Timothée Chalamet als Benjamin Netanyahu und Cillian Murphy als Joe Biden. Der echte Biden ist dann 130 Jahre alt und hat Erinnerungslücken.

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11 Kommentare

  1. so wie in norden Amerikas ging es, so auch in Gaza und Westjordanland geht es um Boden … Netanjahu hätte am liebsten alle Palästinenser weggebombt, aber im Notfall war ein “Reservat” denkbar wenn die Palästinenser nicht so wiederspenstig wären…
    Moshe Dayan, einer der Gründerväter Israels, der 1956 sagte:
    „Welchen Grund haben wir, uns über ihren heftigen Hass uns gegenüber zu beschweren? Seit acht Jahren sitzen sie in ihren Flüchtlingslagern in Gaza, und vor ihren Augen verwandeln wir das Land und die Dörfer, in denen sie und ihre Vorfahren gelebt haben, in unser Zuhause.“ … Wir sind eine Generation von Siedlern, und ohne Stahlhelm und Gewehrlauf werden wir nicht in der Lage sein, einen Baum zu pflanzen oder ein Haus zu bauen…
    die Neokolonialisierung schreitet voran und ist Staatsräson…

    1. Seit Rabin damals ermordet wurde lief es ziemlich unausweichlich auf eine Verdrängung der Plästinenser hinaus. Keine israelische Regierung hat danach wirklich an irgendeiner Art Frieden mit denen gearbeitet. Es wurden mehr Siedlungen gebaut, Mauern kreuz und quer durch das Westjordanland, die Militärverwaltung hat die Selbstverwaltung behindert usw. Die verschiedenen Palästinenswrorfanisationen haben von der Lage aber auch gut gelebt und die Anführer sich Vilken am persischen Golf gekauft. Interesse an Frieden hatten die auch eigentkich nicht. Hätte ihre Geschäfte behindert. Das konnte doch nur auf Völkermord letztlich hinauslaufen, weil es gibt mittlerweile mehr Palästinenser als Israelis. Die müssen weg bevor sie Israel durch ihre Anzahl überwältigen können. Tja. In Ruanda konnte die Welt nichts verhindern und Israel wird sigar aktiv von außen unterstützt.

  2. Ich finde es gut, dass man über Aussschwitz redet. Trotzdem waren dort nicht nur Juden. Daneben sollte man auch über das Genocid von 25 Millionen Indianern, 50 Millionen Indern und 10 Millionen afrikanischer Sklaven durch die USA, England und die zionistischen Banker sprechen.

    1. Die USA waren nur eine kkeine Nummer in der Sklaverei. Portugal, Niederlande, Groß Britannien waren da viel mehr beteiligt. Lies mal was über Brasilien und die Guineas.

      1. Am Sklavenhandel haben sie alle teilgenommen und profitiert. Die USA waren das letzte Land, das die Sklaverei aufgab, Zum Vergleich: das keineswegs fortschrittliche russische Reich schaffte die Leibeigenschaft 1861 ab, und die war keine Sklaverei wie die in den Amerikas, wenn auch nicht viel besser.

  3. Naja, typisch US-zentrisches Geschichtsbild. Den Zweiten Weltkrieg haben eher nicht die Atombomben beendet, sie waren eher der Grund, das Kriegsende weiter herauszuzögern, damit man sie einsetzen konnte.

  4. – Ich weiß nicht, was ich verstörender finde, dass die Times es für nötig hält, das zu betonen und damit Protestler gegen Israel in jüdisch und nicht-jüdisch sortiert –
    Ich finde es gut zu wissen, dass es jüdische Kritiker des israelischen Vorgehens in Gaza gibt.
    Ebenso wie ich gern meine Vorstellungen von europäischen Staatschefs durch Landsleute dieser Staatschefs bestätigt sehe. Es hilft mir dabei zu glauben, dass ich nicht allzu sehr in einer Blase lebe.

    1. Schätze, in Amerika stimmt das so und dann hat das auf der ganzen Welt richtig zu sein. Die haben ja auch diesen Irrsinn zu glauben durchsetzen können, dass Ata und Freunde das Verbrechen begingen, dass sie selbst orchestrierten. Und vor Jahren, wir erinnern uns, stand im Spiegel, dass die Amis Auschwitz befreiten, während man in diesem Jahr weniger am Rad drehte und “die Alliierten” mit dieser Tat auszeichnete.
      Doch, klar, der planmäßige Mord an Zivilisten des schon geschlagenen Japans beendete WKII.
      So sind sie, dieZeiten. Wer nicht bedingungslos für die “Entnahme” von Babyantisemiten in Gaza ist, ist ein großer Antisemit und Faschisten.
      Es ist eben doch die beste aller Welten.

  5. Ich denke dass der Oskar, der politische Erfolg oder der Nobelpreis von dem abhängt wie breit man in der Lage ist die Beine zu machen. Wir leben in einem Huren Haus, in der Welt der Huren.

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