Ridley Scott setzt den Zuschauern einen tumben Napoleon vor, wie er nie gewesen sein soll, aber wie er vermutlich tatsächlich war. Über Machtmenschen in Zeitenwenden.
Viele haben vor Joaquin Phoenix den Napoleon Bonaparte gespielt. Am prominentesten war wohl die Performance Marlon Brandos 1954 im Film Désirée. Er gab einen Bonaparte, wie man ihn sich vorstellt. Selbstbewusst und charismatisch. Ein Mann seines eigenen Rechts. Weltgewandt. Und stark. Nur so ist der Kaiser der Franzosen denkbar. In der aktuellen Verfilmung von Ridley Scott wirkt der Korse ganz anders. Dafür ernteten Film und Regisseur Kritik.
Tumb und geil
Phoenix spielt den Napoleon von 1793 bis 1821. Schon als junger Napoleon im Alter von 24 Jahren wirkt Phoenix behäbig, ja geradezu zu alt. Wer sich diesen Napoleon einst als agilen, zackigen Kraftmenschen vorgestellt hat, wird hier enttäuscht. Dieser Napoleon lässt nur in seltenen Momenten seine vom Schicksal zugewiesene Berufung erkennen. Sonst wirkt er belanglos und grotesk blass. Wir haben es hier mit einem Naopleon-Film zu tun, der sogar so heißt, aber scheinbar ganz ohne Napoleon auskommt. Ohne Napoleon, wie wir uns einen vorstellen.
In etlichen Szenen wirkt er wie ein tumbes Landei, das wenig Erziehung genossen hat, schrecklich deplatziert wirkt. Zwischendrin zeigt uns Ridley Scott den Franzosenkaiser als geilen Schwachkopf, der wohlig schmatzt, wenn er bei Josephine unter das Rockungetüm will. Wie konnte dieser Mann bei einer so selbstbewussten Frau wie Josephine landen? Das haben sich Historiker immer wieder gefragt. Die Antwort schien klar, er hatte Charisma und war trotz kleiner Statur ein großer Mann.
Bei Ridley Scott zweifelt man an dieser Größe. Napoleon ist dort keine Erscheinung, sondern ein Schatten von einem Granden. Nicht er scheint Geschichte zu machen. Es ist die Geschichte, in der er Statist sein darf. Dass ein solcher Mann Millionen Mitbürger begeistern konnte, kann man sich schwer vorstellen. Hat man Napoleon nicht stets einen Nimbus nachgesagt? Er sei kein schöner Mann gewesen, aber ein kraftstrotzender, ein anpackerischer Selfmade-Militär war er allemal.
Immerhin verschont Scott die Zuschauer mit langen Einstellungen eines Napoleon, wie er sich drei Finger zwischen die Knopfleiste seiner Weste steckt. Diese ikonographische Posititur eines Magenleidenden bekommt man glücklicherweise nicht zu sehen. Dafür aber neben dem so inszenierten Napoleon bildgewaltiges Schlachtengetümmel und geradezu exzessive Szenenbilder. Wie etwa die Enthauptung Marie Antoinettes. Unterlegt wird das alles mit einem opulenten Soundtrack.
Der beste Kaiser aller Zeiten
Historiker monierten gerade diese Szene, als die Österreicherin ihren Kopf verlor. Lange Haare habe sie längst nicht mehr gehabt an jenem Oktobertag im Jahr 1793. Im Film geht sie mit wallender Mähne zum Schafott. Napoleon sei auch nicht als Zuschauer auf dem heutigen Place de la Concorde gewesen. Das und andere Punkte sind alle zutreffend. Aber Ridley Scott ist Regisseur und kein Geschichtslehrer. Er liefert Unterhaltung, keine wissenschaftliche Arbeit. Dass die Wirklichkeit zuweilen langweilt, wissen Filmschaffende seit Anbeginn dieser Kunst. Und es sollten gerade auch die Historiker wissen, die nun Kritik üben. Speziell die französischen.
Denn das Napoleon-Bild, das sie seit vielen Jahrzehnten vermitteln, ist mit Sicherheit kein realistisches. Der Franzosenkaiser wurde nach seiner Verbannung und nach seinem Tod verklärt. Die Bonapartisten wurden gar zur Partei, die sich als autoritär und gleichzeitig sozialverträglich einordnen ließen. Als sei der Kaiser seinerzeit ein großer Armenversteher gewesen. Er schuf zwar weitsichtige Gesetzeswerke, schickte aber gleichzeitig Hunderttausende auf Schlachtfelder. Selbst dann noch, als längst alles verloren war.
Einen schlechten Ruf hat Napoleon in den letzten Jahren seiner Kaiserzeit gehabt. Danach wuchs der Respekt und Nostalgie kam auf. Napoleon wurde zur großen Figur der Geschichte. Zu einem Kraftmeier, einer Jahrtausendgestalt. Man nährte den Mythos. Aus der realen Figur des Napoleon Bonaparte wurde eine vormoderne Form des Superhelden destilliert. Der Autor Johannes Willms hat sich in seinem Buch Der Mythos Napoleon mit der Verklärung beschäftigt. Vielleicht hat Ridley Scott also einerseits Bilder pompös inszeniert und dabei die wirkliche Geschichte ausgeblendet. So wie beim Guillotinieren Marie Antoinettes. Andererseits hat er aber Napoleon einen realistischeren Anstrich verliehen, indem er ihn weniger groß, unnahbar und schon gar nicht perfekt präsentierte.
Entzauberung der Macht
Ein Film hat nicht die Verpflichtung, Wahrheit abzulegen vor seinem Publikum. Wäre dem so, hätte Quentin Tarantino einige seiner Filme nicht drehen können. Doch manchmal gelingt es, etwas potenzielles Wahres in Filme zu bringen. Unter Umständen ist das Ridley Scott mit seinem Napoleon gelungen. Der tumbe Trampel, als den er ihn zeichnet, ist vielleicht weniger abwegig als die Überfigur, die man von ihm ansonsten kennt.
Muss man wirklich so charismatisch sein, um in Zeitenwenden an die Macht zu gelangen? Wir sollten uns das als Zeitgenossen fragen. Ein Blick in die aktuelle Politik genügt fast schon. Sind es Charismatiker, die sich in Stellung bringen? Menschen, die eine Vorsehung zu haben scheinen? Man hat den Eindruck, dass es tumbe Gestalten sind, die dabei auch noch so blass sind, wie Phoenix‘ Napoleon.
Dem Film gelingt dabei etwas, was er vielleicht gar nicht wollte. Er entzaubert die Macht. Nimmt dem Mythos von politischer Größe den Wind aus den Segeln. Warum sollte das nicht so gewesen sein können? Ein nicht sonderlich charismatischer und linkischer Typ stößt in ein Machtvakuum vor und wird Schritt für Schritt zum Kaiser eines Volkes, das längst keine Widerstandskräfte mehr hat nach so vielen Jahren des Bürgerkrieges. Scott hat den Menschen Napoleon verfilmt. So wie man sich ihn vorstellen könnte. Der Mythos blieb uns erspart. Was für eine schöne Abwechslung.
*Kicher*
Warum fiel mir bei diesem Satz so ein relativ kleiner, schlumpfig grinsender Mann ein?
Und ich musste spontan an Annalena Baerbock und Olaf Scholz denken. Auch *kicher*.
Interessant in dem Zusammenhang: Vor Jahren las ich mal eine astrologische Horoskopanalyse. (Ernsthafte Astrologie und nicht dieser Schwachsinn, der von irgendwelchen Unterhaltungsredakteuren den Leuten ständig als Astrologie um die Ohren gehauen wird.)
Nach dieser Analyse kann man in Adolfs Horoskop einfach gar nichts Besonderes oder gar Charismatisches finden. Eher so eine Art Vakuum, in dem sich dann der Zeitgeist manifestieren konnte. Wie bei Napoleon?
Gibt es irgendeinen Beleg dafür, dass Napoleon “tatsächlich so war”? “Ein Regisseur ist kein Historiker” ist keine gute Entschuldigung.
Tolstoi hat in “Krieg und Frieden” Napoleon auf glaubwürdigere Weise entzaubert, egal ob man seiner Einschätzung und Darstellung folgen mag oder nicht, jedenfalls war das ein Stück Weltliteratur, das einen anderen Akzent setzte.
Kann das von dem Film gesagt werden? Oder ist der Napoleondarsteller einfach ein schlechter Schauspieler oder der Regisseur überfordert mit dem historischen Thema. Übrigens war Napoleon laut Historikern gar nicht unterdurchschnittlich gross.
Na und? Wer weiß denn schon, *wie es tatsächlich war*? Auch Historiker müssen ihre Thesen ständig revidieren auf Grund von neuen Erkenntnissen. Entstehen dadurch etwa *neue
Vergangenheiten*? 😂
Welche Erkenntnis liegt denn dem Film zu Grunde?
Ich las unlängst Heinrich Heine, der Napoleon in Person gesehen hat. Gut, ich mag seine tiefe Verehrung Napoleons nicht teilen und nur teilweise nachvollziehen, aber das ist das Urteil eines, der “ein tumbes Landei” schon zu erkennen mochte, und im Unterschied zum Regisseur auch Französisch sprach, und sich nicht leichten Herzens Autoritäten unterordnete (sonst wären ihm Exil und anderer Ärger erspart geblieben).
“Bildgewaltiges Schlachtengetümmel”, ich weiss nicht, ich werde mir den Film nicht anschauen, muss daher auch bei Anachronismen und anderen Leistungen des Nichthistorikers keine Magenkrämpfe kriegen.
Die Vorstellung, dass Größe an der Körperlänge zu messen sei oder sonstigen Ersatzattributen, sagen viel über die Eindrucksfähigkeit und damit auch Intelligenz und das Wertesystem eines Menschen aus.
Der Artikel wirft eine wichtige Frage auf, ohne sie zu beantworten: Warum kam Napoleon, dieser Aufsteiger im Militär an die Macht? Hier wären die konkreten historischen Umstände, nämlich das Kippen der Zielrichtung der fränzösischen Revolution zugunsten der Vermögenden und Grundbesitzer durch die Gironde und der dadurch entstandene Dissens zur breiten Bevölkerung, entscheidend gewesen. Es war ein operatives Machtvakuum entstanden, das nur mit Unterstrützung der konservativen Kräfte und der einzig wohlorganisierten Kraft im Land, dem Militär, das die Bevölkerung expansiv nach außen ausrichten konnte, gefüllt werden konnte. Napoleon erkannte wohl dieses Vakuum und die Chance, als Militär mit Rückendeckung durch Adel und Grundbesitzer, Frankreich und zugleich sich selber größer zu machen – getarnt als Export der Revolution. 1932/33 vollzog sich der ganz ähnliche Prozess der Machtergreifung bzw. Machtübertragung, in ähnlicher historischer Situation und mit ähnlichen Nutznießern als Beteiligte, in Deutschland.
Beide hatten sicherlich deftigen Rückhalt beim Großen Geld, denn ohne das geht kein Krieg. Auch die modernen nicht. Wobei sich die USA das bisher raffinierteste, weltweit organisierte Kreditsystem eingerichtet haben.
Die Deutschen sind dagegen elende Stümper, die mit Wumms-Sprüchen zwar das städtische Wahlvolk nasführen können, aber für das zusätzliche Geld, mit dem sie in der Ukraine gerne tote Pferde reitbar machen würden, nun ihre Bauern rebellisch machen.
Wo ist mein Kommentar?
Eins weiter oben ist jedenfalls einer.
“Muss man wirklich so charismatisch sein, um in Zeitenwenden an die Macht zu gelangen? Wir sollten uns das als Zeitgenossen fragen. Ein Blick in die aktuelle Politik genügt fast schon. Sind es Charismatiker, die sich in Stellung bringen? Menschen, die eine Vorsehung zu haben scheinen? Man hat den Eindruck, dass es tumbe Gestalten sind, die dabei auch noch so blass sind, wie Phoenix‘ Napoleon.”
treffende Analyse, nicht nur in Deutschland, auch die EU… wenn ich die Kommissionspräsidentin … ich lass es lieber
Es ist ja nicht nur des Albrechts Tochter. Die anderen Kommissare wirken auch eher wie weggelobte Problemfälle aus den jeweiligen EU-Mitgliedsländern und alles andere als kompetent.
…und korrupt
Wohl der wichtigste Satz:
“Aber Ridley Scott ist Regisseur und kein Geschichtslehrer. Er liefert Unterhaltung, keine wissenschaftliche Arbeit.”
—
Leider erfährt man von Herrn Gondorff nicht, wie Napoleon als Person von seriösen Historikern eingeschätzt wurde bzw. wie er in den zahlreichen Quellen von Zeitzeugen, die ihm persönlich begegnet waren, charakterisiert wurde.
—
Hier weitere Infos zum Film:
https://de.wikipedia.org/wiki/Napoleon_(2023)#Historische_Ungenauigkeit
Ich hasse es wie in der heutigen Zeit jeglicher Kontext ausgeblendet wird sobald er nicht ins eng gestrickte Narrativ passt.
“Die Macht”, oder noch bekannter “der Markt”, existiert nicht als Akteur. Da sind logischerweise Menschen dahinter welche aufgrund ihrer Möglichkeiten das Geschehen bestimmen: Einer Friede Springer oder Liz Mohn kreuzt man nicht einfach so ungestraft den Weg. Das kann man doch nicht mit der ferngesteuerten Mettwurst aus dem Kanzleramt vergleichen.
Und genauso ists mit Napoleon. Der wurde nicht einfach so Konsul, sondern hat sich dies, als auch die Alleinherrschaft, im Stil eines römischen Imperators (siegreicher Feldherr) mehr oder weniger an sich gerissen: Er hat erkannt was ihm die Revolution für Möglichkeiten eröffnet, sich zum Akteur hochgeschwungen und die Geschichte Europas massgeblich geprägt.
Seine Rückkehr aus dem ersten Exil in Elba bekam ein regelrechter Triumphzug, vor dessem dann auch die vom “ancienne regime” wiedereingesetzte Monarchie floh.. kriegt jeder uncharismatische linkische Depp hin, besonders wenn er auch noch unbeliebt ist.
Vielleicht etwas weniger seichte Propaganda aus Hollywood konsumieren und einmal Machiavelli lesen?
Die Kritik war trotzdem hilfreich, den Film werde ich mir definitiv nicht anschauen 😉
Na ja, bei aller Zustimmung zum Kommentar wurde doch vergessen, dass historische Persönlichkeiten wie die französischen Könige, und auch Napoleon Bonaparte, Menschen ihrer jeweiligen Zeitepoche waren – mich nervt übrigens schon lange der Blick in die Geschichte zurück, die dann so stattgefunden haben soll als häbe es das Rote Kreuz, oder die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte schon zu Spätzeiten der französischen Könige, oder zu Zeiten der Herrschaft Napoleon Bonapartes gegeben.
Dazu kommt noch, dass Bonaparte, da weist der Artikelschreiber zu recht hin, auch in den jeweiligen Nationalitäten völlig anders gesehen wird, und wurde.
Während man im englischsprachigen Raum wohl eher vom “Monster” (Zitat aus dem Film “Waterloo” von Sergeij Fjodorowitsch Bondartschuk – übrigens, der dortige alternde “Napoleon” wurde hervorragend dargestellt, ebenso wie seine Anhänger) ist der in dem französischen Raum wohl eher “umstritten” – es gab Zeitepochen wo alles bonarpartischische regelrecht verhaßt war, während manche seiner (aufklärerischen) Gesetze bis heute gelten, und was den deutschsprachigen Raum angeht, da gilt er bis heute als Erzfeind unserer ehemaligen adeligen “Eliten”
Dabei hat er für das einfache Volk durchaus die Fakel der Aufklärung zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation getragen…..nur mal so am Rande erwähnt……wie schon gesagt, ein us-amerikanischer Regisseur kann dieser Vielfalt kaum gerecht werden…..und wie auch schon erwähnt, würde jemand einen Film mit den damals realen gesellschaftlichen Ansichten drehen wäre wohl kein Napoleonfilm unter FSK18 zu haben – nicht einer……
Ist einfach nur nervig, neben aller Wokeness und Chancel-Culture-Fantasien, dass eben geschichtliche bzw. historische Filme so gedreht werden, als hätten alle modern-aufgeklärten Werte des Regisseurs, der Filmproduzenten, schon zu Lebzeiten der Menschen, die in den (historischen) Filmen dargestellt werden….gegolten……
Orwells “1984” gilt auch bei diesem Thema, und das schon Jahrzehnte vor 2023/24…..Mensch muss die Lüge nur so lange erzählen bis die zur Geschichte wird, und dann als Wahrheit gilt….oder so….soll Orwell es geschrieben haben…..lange vor 2023/2024….als hätte er die aktuelle Zeitepoche vorausgeahnt…..
Wer sich übrigens für das Schicksal der Gefallenen (aller Nationen) bei “Waterloo” interessiert kann mal nach “Waterloo” und “Knochenmehl” bzw. “Knochenmühlen” (die wurden übrigens zuletzt von der deutschen Wehrmacht/SS beim Rückzug aus dem “Osten” eingesetzt, um die Spuren ihrer Verbrechen zu beseitigen, neben anderen Methoden der Spurenbeseitigung ihrer Menschheitsverbrechen, aber das ist ein anderes Thema….) googeln….da kann er dann interessante Erkenntnisse daraus gewinnen, was ein Mensch damals wert war….sogar Jahrzehnte noch nach der Schlacht…..nur soviel sei verraten,, und wer grausige Erkenntnisse meiden will, der soll das googeln nach dem Thema besser lassen…..
Sarkastische Grüße
Bernie
Es gab aber auch keine Medien, geschweige denn Nachrichtentechnik. Was wusste man von der Welt jenseits der Nachbarschaft? Von Leichenbergen und deren Verwertung war man im Detail doch gar nicht informiert, wenn überhaupt.
Für das einfache Volk war also Menschlichkeit und zivilisiertes Zusammenleben zur gleichen Zeit möglich und wohl im Großen und Ganzen auch Realität.
Was den Blick in die Geschichte besonders erschwert, ist die Frage, von wem Informationen aller Art erstellt, dokumentiert, gesammelt und aufbewahrt werden. Ich nenne das Geschichtsbias. Sowas können doch vor allem solche, die genug Einfluss, Geld und/oder Zeit dafür haben. Und die damit auch selektieren, also die Wahrnehmung der Ereignisse beeinflussen und für die Nachwelt erhalten. Arbeiterkinder wie Scorsese sind die Ausnahme einer kurzen Epoche.
Dass man heute an Orwell oder auch Huxley noch leicht herankommt, hat vielleicht auch damit zu tun, dass sowas nicht nur von unten gelesen wird. Für die Oberschicht sind das keine dystopischen Fiktionen, sondern Gebrauchsanweisungen. Dass dem einfachen Volk die Veränderungen zwar nicht schmecken, aber wie ein Déjà-vu vorkommen, ist dabei nicht mal hinderlich, im Gegenteil. Die Ilias war zur Zeit der Nahkampfwaffen vermutlich auch Rekrutierungs-PR, echte Vorstellungen vom Krieg bekommt man dort jedenfalls nicht vermittelt.
Ein Korse als Kaiser und seit wievielen Jahrzehnten wollen die Korsen eine Autonomie oder besser Unabhängigkeit von Frankreich?
Wie auch immer Bonaparte tatsächlich war, sie haben diese Revolution verloren und später trotzdem als Sieg hingestellt. Heute bezweifle ich, das solche Momente nochmal geschehen, nicht die Aktionen, aber die erlangten FAKTEN und Resultate sind für sehr viele Menschen vorhanden.
Naja der “Zeitgeist” ändert sich eben ständig. Ich wohne in der Nähe der Schlachtfelder der Schlacht bei Jena 1806, mit Napoleon bin ich praktisch “großgeworden”, mein Opa kannte auch alle Gedenksteine zwischen Jena und Hassenhausen “persönlich”. Er war sehr an dieser Geschichte interessiert.
1906 hat man in einigen Dörfern zum 100.Jahrestag der Schlacht Denkmäler errichtet – da wurden die 15.000 toten Franzosen schlicht und einfach “vergessen” man hat nur der 33.000 toten Preußen und Sachsen gedacht. Es war eben die Zeiten wo man nicht so gut auf die Franzosen zu sprechen war.
Seit einigen Jahren finden nun Schlachtnachstellungen statt, begonnen hat damit zu DDR-Zeiten hauptsächlich weil da Franzosen ins Land kamen, inzwischen heißt das “Europäisches Treffen” weil es da von der EU irgendwas gibt ein Ami darf den Napoleon geben und deutsche und französische Traditionsvereine zeigen wie man sich Krieg vor 200 Jahren vorzustellen hat (oder besser nicht)
Zum 200.Jahrestag hat Jan Hofer für den MDR die angebliche Weltneuheit eine Liveübertragung längstvergangener Geschichte mit Tribünenplätzen für die 1.Reihe und ganz viel Fog of War präsentiert.
https://www.youtube.com/watch?v=Wso4RonZDck
Inzwischen gibt es Napoleonwanderwege, Napoleonsteine (wo der Kaiser die Schlacht beobachtet haben soll) und vieles andere mehr. Alljährlich zum 14.Oktober sind alle Dörfer überlaufen, da Busseweise die Touristen kommen.
Napoleon ist eben win bekannter Name. Hitlerwanderwege wird es auch mal geben, weil ich davon ausgehe daß Hitler sogar noch bekannter, zumindest die bekannteste Person des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Noch ist der Abstand nicht groß genug, aber da Tag wird kommen, da wird man den Namen auch für Vermarktung benutzen wie jetzt schon Napoleon.
So äußerte sich Goethe zu seiner 1808 erfolgten Begegnung mit Napoleon. Wohlgemerkt notierte er diese Zeilen im Jahre 1824, also drei Jahre nach Napoleons Tod und als dieser bereits wieder der allgemeinen herrschaftlichen Verachtung anheimgefallen war.
Der “tumbe Machtmensch” hatte bei seiner Begegnung mit dem Dichter über dessen “Werther” gesprochen und nach den Worten Goethes diesbezüglich einige geistreiche Beobachtungen mitgeteilt.
Hegel wiederum beschrieb Napoleon in seiner “Phänomenologie des Geistes” (1806) bekanntlich als den “Weltgeist zu Pferde”. Kurz, die gesamte deutsch-bürgerliche Intelligenzija war in heller Aufregung nicht nur wegen der französischen Revolution, sondern auch wegen ihres Erben – trotz Thermidor – Napoleon.
Aber was wussten schon diese in Stuben hockenden Tintenkleckser. Nun, zumindest wussten sie, was eine Vulgarisierung ist. Erstaunlich, dass Ridley Scott Napoleon nicht auf dem Klo sitzend abgebildet hat.
Und sie wussten natürlich auch, dass mit der franz. Revolution und Napoleon ein Aufstand gegen das Ancien Regime erfolgt war und eine neue Epoche begonnen hatte.
Verwundert es, dass ein us-amerikanischer Actionfilm-Regisseur, der in “Black Hawk Down” us-amerikanische Kolonialstreitkräfte heroisiert hatte, diesen Napoleon “entmythologisiert” und vulgarisiert? Kein bischen, schließlich ist Ridley Scott ein Filmschaffender des heutigen “Ancien Regime”, das seine Legitimation aus der Bibel, von den Römern und sonst woher abgeleitet hat, aber nie von der franz. Revolution.
Henry Gondorff hat seinem Profil das Motto beigestellt, dass Filme einen Spiegel der realen Verhältnisse darstellen (er spricht sogar von “Diagnose”). Das muss er wohl in dieser Erörterung vergessen haben.
P.S.
Auch hier bin ich nicht einverstanden. Die ikonische Verkörperung Napoleons stammt m.E. von Rod Steiger, in Sergej Bondarchuks “Waterloo”.
Ist online:
https://www.youtube.com/watch?v=3DcWJrzK0wU
Ein Kommentar unter dem Video, einen Monat alt: “10,000 times better then whatever the hell I just watched in the theater today.”
“Wer wissen will woran eine Gesellschaft krankt, geht in deren Kinos. Dort erhält man die Diagnose.” (Autoren-Kästchen)
So? – Die Kinos gelten gemeinhin als die Vermittler von Illusionen, die in “Traumfabriken” hergestellt werden, und als Orte der Erziehung, an denen die ausgesuchtesten Regisseure ihre persönlichen Moralgeschichten über gesellschaftliche Kernfragen problematisieren – in Form von persönlichen Bebilderungen.
Der Regisseur und wie er die Welt sah. Seine – oder eine – “Diagnose” wird dem Zuschauer vielleicht mit möglichst emotionalisierenden theatralischen Mitteln nahegelegt, mehr als eine persönliche Erzählung, ein “Gemälde” ist es aber nicht. Im Gegenteil, eine “Diagnose” im erklärenden Sinne ist von solchen cineastischen Reiterbildern gerade nicht zu erwarten; verwunderlich daher eher, dass ein ansonsten “Fake!”-sensibilisiertes Publikum ausgerechnet in solchen künstlerischen Kreationen tiefere Einsichten in den Lauf der Welt erkennen möchte.
Die guten Beziehungen zwischen Hollywood und Militär sind lange bekannt und schon in seinen teilweise spacigen Kriegsfilmen oder den beliebten “Bond”-Filmen hat das Kino auf den Punkt gebracht, was es unters Volk bringen will.
Und warum sollte man sich eigentlich mit solchen Fragen beschäftigen, ob ein historischer Kriegsherr nun eher als “charismatische”, agile Führungspersönlichkeit unterwegs war oder als “tumber” Trumpel?
Es reicht doch vollkommen der Blick in die reale Welt um an Herrschaftsexemplaren wie Doppel-Wumms-Scholz, Asylanten-Opfer Merz, Höcke, Trump u.v.a. vorgeführt zu sehen, dass das sagenumwobene “Charisma” in nichts anderem als mal mehr, mal weniger hemdsärmeligem Nationalismus besteht und der Begeisterung dafür auf der anderen Seite.
– Die demokratische Berechtigung und Machtausstattung bei den “göttlich” Bestrahlten oder populär “Ausstrahlenden” (wikipedia – “Charisma”) natürlich unterstellt, denn derselbe Typus von “der Straße” wird eher als extremer Spinner abgetan.
Die Medien selbst stehen total auf einfache, versinnbildlichte Botschaften wie “Zeitenwende”, “Ertüchtigung”, “Energietransformation” und “Wachstumschancen”, die sie passgenau in ihre Überschriften einbauen können, stolpern dann mit ihren eigenen Verständnisdefiziten aber regelmäßig über deren Schwurbelcharakter, wenn sie ihren Volksempfängern genauer verklickern wollen, was diese Botschaften eigentlich bedeuten. Ihre Freude über “klare Kante” und knackige Sprüche bei den politischen Führungsvorgaben wird also ständig auch getrübt, wenn der deutsche Kanzler ihnen dann nicht genauestens vorbuchstabieren kann, was sie denn nun klar ins Volk weiterkommunizieren sollen, damit dieses sich auf Änderungen seines Dienstplans auch wunschgemäß einstellen kann.
Historisierende Führer- und Schlachten-Schinken wie der von Scott dienen vielleicht Kulturdenkern als Stoff, ihre höheren Apfel und Birnen-Vergleiche auf Fragen des Herrschaftsstils zu erweitern, oder woran “die Gesellschaft krankt”. Für solche “Diagnosen” reicht dem breiten Publikum allerdings schon das Marvel-Universum, das immer wieder neue erzieherische Aufgüsse des Themenbereichs Recht & Ordnung, Verbrechen & Gerechtigkeit sowie gute & böse Herrscher in die Kinos bringt.
Dem Napoleon wird ein weiteres anerkennendes Denkmal, sicherlich nicht ohne die übliche “Schattenseite”, gesetzt.
Trotz seiner “Kleinwüchsigkeit” hat er es “weit gebracht in Europa”, saß mal im Knast, in manchen Dokus soll er auch noch alles aus “krankhafter Liebe” gemacht haben. Muss man dank Ridley Scott noch mehr über ihn wissen?
Ich werde mir den Film sicherlich auch nicht ansehen, jedoch erscheinen mir viele Kommentare insgesamt doch recht einseitig und fast ähnlich oberflächlich, wie ich mir den Film vorstelle.
Natürlich ist vieles über Hollywood, Regime etc. Gesagte zweifellos richtig, trotzdem bin ich der Ansicht, daß bspw. Scorsese, Coppola, Chaplin Filme gemacht haben, die einen analytischen Blick auf gesellschaftliche Bereiche bieten.
Wenn man das Motto des Autors etwas subtiler interpretiert (wobei “erhält” eher dagegen spricht), wird für mich allemal ein Schuh draus. Wenn es im Kino nur Gedöns gibt, sagt das schließlich auch was über die Gesellschaft aus.
M.e. kann man sogar aus Werbefilmen eine Menge über die gesellschaftliche Lage erkennen, die sich genauso am “Zeitgeist” orientieren, wie Film und Fernsehen.
In Zeiten von Sleepy Joe und Pirat Olaf mit seiner Truppe erscheint ein tumber Napoleon irgendwie realistisch.
Daß der Reale sicherlich aus anderem Holz geschnitzt war, Heroisierung hin oder her, ist offenkundig.
Oder kann sich jemand vorstellen, daß einer der Genannten jahrelang kriegführend im Zeltlager durch Europa zieht?
Infantilisierung des Denkens – Große Männer machen die Geschichte… = Kindergarten der Volksverdummung!
Fragen eines lesenden Arbeiters
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kocht den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte,
So viele Fragen.
(Bertold Brecht)
Völlige Zustimmung – übrigens, dass gilt nicht nur für’s Kino sondern generell für “die archäologische bzw. historische Wissenschaft”, und die Medienwelt.
Beispiel für die Archäologie gefällig?
Früher interessierte Mensch sich bei den Ausgrabungen historischer Stätten nur für “Königspaläste” – oder andere “Größen der Geschichte” – erst seit einigen Jahren kommt man, z.B. in Pompeij darauf auch mal die “einfachen Leute”, und deren Lebensumstände im Alten Rom, zu erfoschen – ein positiver Sinneswandel *daumenhoch*
Gruß
Bernie
Nun war zehn Jahre zuvor der König gestürzt worden und die Revolutionäre waren in verfeindete Parteien aufgespalten. Da nun beschloss er, Kaiser zu werden. Wozu ja eine gewisse Kühnheit gehörte, über die ich zum Beispiel nicht verfüge. Was man weiß, ist dass er nur ganz wenig Zeit mit Essen und Schlaf verbrachte. So etwas deutet auf ein Energiebündel hin.
Militärisch hatte er durchweg Erfolg, bis zum Russlandfeldzug. Der kommt auch nicht von selbst.
In Napoleons Regierungszeit fiel eine Serie von Fortschritten in Physik, Mathematik und Chemie. Die ganz großen Namen, die man heute noch im Unterricht nennt: Gay-Lussac, Fizeau, de Dion, Bequerel, Cauchy, Fresnel, Coulomb, Ampere, Poisson, Daguerre, Fourier, Carnot. Eine regelrechte Explosion der Wissenschaft, die sich nie mehr wiederholte, auch nicht in einem anderen Land. Napoleons Anhänger behaupten, er habe dies gezielt gefördert. Was in einigen Fällen zumindest stimmte. Er sah sich in diesem Punkt als Vollender der Revolution, zu welcher die Wissenschaft untrennbar gehörte.
Ihm selbst wird sogar ein mathematischer Satz nachgesagt, was aber zweifelhaft ist:
https://de.wikipedia.org/wiki/Napoleon-Dreieck
Interessant ist übrigens, dass ein Film aus us-amerikanischer Produktion gerade jetzt erscheint – und wie werden die Russen darin dargestellt?
Würde mich mal interessieren – als “Dummköpfe” und “Barbaren” denen nur der berühmt, berüchtigte “russische Winter” zum Sieg über Napeoleon verholfen hat?
Übrigens, die Russen behandelten die französisch-napeoleonischen Gefallenen, und Verwundeten, auch ihrer Zeit entsprechend – zum Beispiel als Zugschutz vor (russischen) Fenstern – im kalten russischen Winter…..nein, dass ist keine spezielle Nachricht über angeblich “russisch-asiatische Barbarei sondern ein Verhalten das Menschen dieser Zeit an den Tag legten – gegenüber Kriegsgegnern…..wie weiter oben erwähnt, die Menschenrechtskonvention von 1948 war den damaligen Menschen, auch in Russland, ebenso wie die berühmte Genfer Konvention, noch völlig unbekannt – Mensch war auf Gnade, oder Ungnade, seinen Feinden ausgeliefert. Auch in meiner Gegend fand, noch in vorrevolutionären bzw. -napoleonischen Zeiten, eine berühmte Schlacht der Koalitionskriege statt, und beim Hausarzt las ich in einer Broschüre wie die Ortsansässigen damals mit den Verwundeten der Feindesseite – aus dem revolutionären Frankreich – umgingen. Ein solcher Unglücklicher bat einen Bauern um Wasser, der erwiderte “Du willst Wasser!!!” und schlug ihn tot – seine Tochter soll die Uniform des Erschlagenen dann eben noch am örtlichen Karneval jahrelang als Kostüm getragen haben – andere Zeiten eben, und wie schon erwähnt, würde Mensch die Zeitepoche von damals realistisch im Film darstellen dann gäbe es keinen einzigen Film unter FSK18 – d.h. nur für Erwachsene zum Ansehen. Ach übrigens, ich örtliche Schlacht ging unentschieden aus, aber der Kriegsführung der Zeit entsprechend gab es dennoch hunderte von Gefallenen, die in Massengräbern verscharrt wurden, wo die örtlichen Bauern später noch Erde (Dünger) für ihre Weinberge aushoben …..kein Scherz, war selbst entsetzt, als ich das beim Hausarzt so las. Die Schlacht ging über 4 – oder sogar 5 Orte und in Paris ebenso wie in Wien steht ein Denkmal für die Generäle dieser Schlacht – eben weil beide Seiten sich als “Sieger” wähnten obwohl das Spiel 0:0 oder 1:1 ausging, um es mal in der Fußballsprache zu erwähnen…..
Ein Teilnehmer der hiesigen Schlacht gewann übrigens später, als einziger General eine Schlacht gegen Napoleon Bonaparte – ja, das soll es auch gegeben haben. Man suche einmal nach Erzherzog Karl von Österreich……und der französische General namens Moreau war später ein Gegner Napoleons und fiel bei Dresden als ihn eine Kanonenkugel – im Beisein des Allierten russischen Zaren – traf…..ihm wurde dort sogar ein Denkmal gesetzt…..längst vergessen sein Name, aber Napoleon Bonaparte bekommt eben Filme gesponsert – sogar aus Hollywood…..
Sarkastischer Gruß
Bernie
Ergänzung:
Wer die längst vergessene Schlacht, die ein österreichischer Oberbefehlshaber gegen Napoleon Bonaparte gewonnen hat mal nachlesen will – hier der Hinweis auf den entsprechenden Wikipedia-Artikel dazu:
“[….]Schlacht bei Aspern
Die Schlacht bei Aspern (auf Französisch Bataille d’Essling, also Schlacht bei Essling genannt) fand im Fünften Koalitionskrieg am 21./22. Mai 1809 zwischen französischen und österreichischen Truppen bei den Orten Aspern und Essling (damalige Schreibweise Eßling) östlich von Wien statt. Sie gilt als erste bedeutende Niederlage Napoleons auf dem Schlachtfeld[…]”
Link und kompletter Text:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Aspern
Zum Sieger auf dem Schlachtfeld über Napoleons Truppen damals – Karl von Österreich-Teschen hier mehr:
“[….]Carl Ludwig Johann Joseph Laurentius von Österreich, Herzog von Teschen, bekannt als Erzherzog Karl (* 5. September 1771 in Florenz; † 30. April 1847 in Wien) aus dem Haus Habsburg-Lothringen war ein österreichischer Feldherr, Feldmarschall und 54. Hochmeister des Deutschen Ordens. Die von ihm kommandierten Truppen fügten in der Schlacht bei Aspern Napoleon dessen erste Niederlage auf dem Schlachtfeld zu[….]”
Link und kompletter Text:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_von_%C3%96sterreich-Teschen
….leider wurde dieser fähige General – nachdem er eigenmächtig mit Napoleon einen Waffenstillstand, nach eine rvon ihm knapp verlorenen Schlacht gegen Napoleons Truppen, abgeschlossen hatte – vom Dienst suspendiert…..tja, Geschichte macht eben auch Fehler…..und entläßt fähige Generäle, die sogar einem Napoleon Bonaparte Respekt abverlangten, aus dem Dienst *kopfschüttel*
Hier noch ein Hinweis auf den französischen General, und späteren Gegner Napoleons, der bei Dresden seine Beine verlor, das Denkmal dort ist (angeblich) auf seinen Beinen errichtet worden, die dort begraben sein sollen – der Rest des Generals liegt in St. Petersburg, da er damals im der Nähe des damaligen russischen Zaren schwer verwundet wurde – als eine Kanonenkugel ihm beide Beine abriß:
“[…]Jean-Victor Moreau
Jean-Victor-Marie Moreau (* 14. Februar 1763 in Morlaix, Département Finistère; † 2. September 1813 in Laun, Böhmen) war ein französischer General zur Zeit der Revolution und des Konsulats sowie ein Gegner Napoleon Bonapartes[…]”
Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Victor_Moreau
….wie schon gesagt, über diese Personen wurde nie ein Hollywood-Film gedreht, die aber für ihre Zeit dennoch sehr wichtig waren. Tja, die waren ja auch keine “Sieger” wie Napoleon Bonaparte, und sind deswegen längst vergessen….Hollywood interessiert sich ja nur für die (vermeintlichen) “Sieger” der Geschichte…..
Gruß
Bernie
In Napoleons Regierungszeit fiel außerdem auch die Erfindung der ersten primitiven Gaskammern durch einen seiner Generäle:
“Während seiner Zeit in Haiti führte Rochambeau einen Vernichtungskrieg, in dem er Tausende von Schwarzen jeden Alters und Geschlechts massakrierte. Im Jahr 1803 entwickelte er die ersten Gaskammern der Welt. Er verwendete eine rudimentäre Methode, bei der er die Laderäume von Schiffen mit Schwefeldioxid füllte, um schwarze Kriegsgefangene zu ersticken.”
(englische Wikipedia, Übersetzung mit Deepl)
Der “charismatische” Hitler und die Nazis hatten ihre Vorläufer. Der “charismatische” Hitler war ein Verehrer des “charismatischen” Napoleon. Beide haben (nicht nur) Europa mit Krieg überzogen, beide sind an und in Russland und England gescheitert, beide sind Massenmörder.
Man fragt sich, auf welche Sorte Mensch dieses “Charisma” eigentlich wirkt.
Vorstellen “könnte” man sich viel. Wenn der Napoleonfilm eine mögliche Vorstellung von Napoleon zeigt, dann heißt das doch, dass den Regisseur der wirkliche Napoleon nicht interessiert hat. Mich dagegen interessiert Ridley Scotts mögliche Vorstellung überhaupt nicht. Dass an dem Film gut sein soll, was er n i c h t zeigt, nämlich den Mythos. Ist ein schwaches, um nicht zu sagen gar kein Lob.
Wie aquadrat schon sagte, ist das eine schwache Ausrede. Zuweilen kann die Wirklichkeit langweilen, z.B. beim Angeln – zuweilen kann sie aber auch spannend und unterhaltsam sein. Und was spricht eigentlich dagegen die Wirklichkeit filmisch unterhaltend darzubieten, auch wenn sie das nicht ist, was sie im Fall von Napoleon eben doch ist. Also wer aus Napoleon keinen unterhaltenden Film der Wirklichkeit machen kann, der muss ja absichtlich das Unterhaltende aus der Wirklichkeit entfernen. Das muss man erstmal hinkriegen.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Gondorff die Absicht Scotts verstanden hat. Denn warum sollte man Napoleon als linkisches Landei inszenieren, der in Slapstickmanier durch die Geschichte stolpert.
Das ist ja noch nicht mal lustig.
Lieber Krim, dem gilt es nur hinzufügen, dass Filme eben nur moderne Theatherstücke sind.
Hab mir schon seit Jahren angewöhnt, wenn ich es mir finanziell leisten konnte, neben dem Film das Original anzusehen – zum Beispiel durch Buchlektüre, und mußte mehr als einmal feststellen, dass die filmische Version vom Leben des dargestellten Menschen meilenweit abwich – sogar bei ganz anderen großen Menschen als Napoleon Bonaparte……oder eben von Romanvorlagen für den jeweiligen Film.
“Künstlerische Freiheit” eben die eine Person, oder ein Buch, derart verhunzen kann, dass Mensch das Geld oft bereut, dass er für einen Schundfilm in Kino, oder auf einer anderen Plattform, ausgegeben hat…..
Gruß
Bernie
@ Krim
“Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Gondorff die Absicht Scotts verstanden hat.
Denn warum sollte man Napoleon als linkisches Landei inszenieren, der in Slapstickmanier durch die Geschichte stolpert.
Das ist ja noch nicht mal lustig.”
Das ist ein interessanter Gedanke. Im Grunde der eigentlich wichtige Gedanke.
Was ist Ihre Antwort?
—
Für mich bleiben drei mögliche Antworten:
1. Scott glaubte ganz prosaisch, dass so ein Napoleon beim Publikum mehr interessiert und besser ankommt, sodass der Film viel Geld einspielt,
2. Scott und die britisch-amerikanischen Filmproduzenten wollten die in ihren Ländern vorherrschende sehr negative, ja verachtende Sicht Napoleons bedienen bzw. spiegeln damit ihre eigene Sicht des Korsen – ohne sich um wissenschaftliche Erkenntnisse zu scheren,
3. Scott und die britisch-amerikanischen Filmproduzenten haben ein Interesse daran, große Einzelne der Geschichte zu demontieren, weil sie – vielleicht auch nur halbbewusst – ahnen, dass die heute herrschende Machtordnung im Westen im Zweifelsfall weniger durch revolutionären Umsturz als vielmehr durch derart Große Einzelne gefährdet werden könnte …
1. und 2. widersprechen sich ja nicht. Gegen 2 spricht, dass Künstler selten eine Weltsicht nur bedienen wollen. Die wollen als Künstler immer eine eigenständige Interpretation vorstellen. Die kann dann natürlich “zufällig” den Geschmack des Publikums treffen.
3. klingt ein bisschen von hinten durchs Knie. Tote Einzelne können keine Machtordnung stürzen und einen Film zu drehen um lebende Einzelne Umstürzler abzuhalten, scheint mir doch etwas umständlich. Dafür gibt es Geheimdienste.
@ Krim
Zustimmung, 1 und 2 liegen sehr nah zusammen.
Ja, Nr. 3 ist eher spekulativ, zumal Hollywood andere Große Einzelne, z.B. Alexander d. Gr., durchaus präsentiert.
Trotzdem halte ich den Grundgedanken für erwägenswert: Nicht Massen sind heute eeignet, dass gegenwärtige Machtsystem zu verändern (zu zerstören sowieso nicht), sondern große Einzelne. Deshalb auch der Hass auf Trump.
Apropo Napoleon Bonaparte – unsere Medien, nicht nur der Spielfilm aus Hollywood, sind “angelsächsische Siegermedien”, und da kann es schon einmal vorkommen, dass auch eigene Allierte dem Vergessen anheim gegeben werden – Wer weis heute schon, dass der Invasion Napoleon Bonapartes ein heute weitgehend vergessener russischer General – in der damaligen Schweiz – gegen französische Truppen, und zwar durchaus erfolgreich, gekämpft hat? Er ist in Vergessenheit geraten, als “geistiger Kollateralschaden” eben des angelsächsischen Siegens bei Waterloo – an dem übrigens auch deutsch-preußische Truppen eines Generals Blücher einen großen Anteil hatten, der heute ja auch nicht hollywoodkonform ist, da eben eine preußisch-deutsche Generalslegende….und auf den Erzherzog Karl von Teschen….wies ich hier ja auch bereits hin, einen Bruder des Erzfeindes der Franzosen, der Österreicher, die den Franzosen nie die Köpfung ihrer Landsmännin Marie Antoinette verziehen haben, der einige bedeutende Siege über die französischen Koalitionstruppen – im vorderösterreichischen Raum der heute zu Südwestdeutschland gehört – neben den Siegen Napoleons in Italien gegen österreichische Truppen – erringen konnte – der erste General übrigens, der den Mythos der Unbesiegbarkeit Napoleons zerstört hat – in der Schlacht von Aspern…..und der später, eigenmächtig, nach einer knapp verlorenen Schlacht bei Wagram, einen Waffenstillstand, keinen Frieden, mit Napoleon Bonaparte schloss – sein Bruder, der österreichische Kaiser, lies ihn darauf hin vom Dienst suspendieren…..ein fataler Fehler, den Österreich blutig bezahlen sollte, ebenso wie Preußen – Napoleon Bonaparte hätte nämlich viel früher geschlagen werden können….von eben diesem General und Erzherzog Karl von Teschen…..
Tja, da Hollywood ja überwiegend von der us-Seite – eben den Angelsachsen – finanziert wird bleibt einem als Kenner der Geschichte, und der “Helden Europas gegen Napoleon” eben nur die Geschichtssicht der Angelsachsen auf diese Epoche – wie schon gesagt, alle vergessen, nur diverse Denkmaler, z.B. auf dem Wiener Heldenplatz, erinnern an große Gestalten, und gefürchtete Gegner, Napoleon Bonapartes…..
Übrigens, die Schweiz ist im Angedenken an Napoleon Bonaparte durchaus gespalten – in Befürworter, und Gegner Napoleons…..je nach Kanton, aber die Geschichte des russischen Fürsten ist durchaus interessant, und dort wo er, und seine zaristischen Soldaten, in der Schweiz gegen napoleonische Soldaten gekämpft hat ist die Russophobie nicht so groß wie im Rest Europas – leider ist der Mensch längst vergessen, und nur ein Denkmal in Russland, und ich glaube sogar in der Schweiz (https://de.wikipedia.org/wiki/Suworow-Denkmal), erinnert an diesen fähigen General, der lange vor dem Einmarsch Napoleon Bonapartes im zaristischen Russland, mit Unterstützung Österreichs, gegen napoleonische Soldaten in der Schweiz gekämpft hat – Allierte eben, aber leider keine angelsächsischen Allierten, daher längst (bis auf steinerne Denkmale) in den Mainstream-Medien, und Hollywood, vergessen…..dabei wäre deren Leben durchaus ebenso abenteuerlich verfilmbar wie das Leben des Korsen, der Napoleon Bonaparte hieß….
Sarkastische Grüße
Bernie
@ Bernie
[++]
Napoleon war ein Unglück für die Völker und man hat schon fast vergessen, dass er zu seiner Zeit von den meisten Völkern so gehasst wie Hitler im 20. Jahrhundert.
Da sind wir nur ein klein bißchen unterschiedlicher Meinung – wenn ich auch ein bißchen in Ihrer Richtung tendiere, wie ich gerne zugebe 😉
Wie bereits erwähnt, die Völker sahen es wohl auch zu Napoleons Lebzeiten anders, je nachdem ob sie von den “Errungenschaften der Französischen Revolution” profitieren, die im Zuge von Napoleons Eroberungszügen über die eroberten Gebiete nachfolgte – oder eben auch nicht. 😉
Allerdings muss Mensch anerkennen, dass es eben auch eine andere Zeit, und ein anderer Menschenschlag war als heute – alle aufklärerischen und revolutionären Errungenschaften, von denen wir heute noch profitieren waren entweder noch gar nicht vorhanden, oder relativ neu, oder wurden von Napoleon selbst, oder dessen Feinden, wieder untergraben bzw. abgeschafft 😉
Mein Fazit ist eben nur, auch damals schon schrieben die vermeintlichen “Sieger” die Geschichte, und das waren eben hauptsächlich Wellingtons Angelsachsen – und dank 2er verlorener Weltriege, und des hitlerschen Mißbrauchs des deutschsprachigen Gedenkens an die Gegner Napoleons – darunter eben so zeitgenössische Größen wie der erwähnte preußische General Blücher….oder andere militärische Größen im österreichisch-deutschsprachigen Raum werden die eben nie einen Hollywoodfilm erhalten, der ihre Biographie schildert…..schade eigentlich, denn wie schon gesagt, dass waren ebenwürdige Gegner für Napoleon Bonaparte……
Traurige Grüße
Bernie
PS: Auf Suworow wies ich nur hin weil eben auch der Einmarsch von Napoleon Bonaparte – ins zaristische Russland – eine Vorgeschichte hatte – die eben bis heute unter den Tisch fällt……Woran erinnert mich das nur in einer Zeit wo sämtliche Vorgeschichten geschichtlicher Ereignisse einfach weggelogen werden 😉 *daumenrunter*
Ich möchte ein wenig Klarheit schaffen, denn die Diskussion über den historischen Napoleon geht an einem filmischen Napoleon ziemlich vorbei.
Erstens: Der Künstler ist kein Historiker. Das ist nicht wie manche der Poster schrieben eine gute oder schlechte “Entschuldigung” oder “Ausrede”, sondern eine Feststellung! Der Historiker informiert, der Künstler reflektiert. Der Historiker rekonstruiert eine historische Epoche, der Künstler benutzt sie als Ausgangs- und Gedankenspielmaterial für Reflexionen zu ihm wichtigen Themen. Dazu braucht er keine historische Genauigkeit, so ärgerlich das sein mag.
Shakespeares Königsdramen haben mit den historischen Ereignissen gerade noch die Namen gemein. Wer die Fakten zu den Rosenkriegen, Richard II, III usw. wissen will, muss historiographische Werke nachschlagen. Dafür liefern die Dramen Einsichten in das Wesen der Macht, ihren Mechanismus, von denen die akadem. Historikerzunft nichts ahnt. Und sie laden zu eignen Ansichten ein, in jeder Epoche zu anderen.
Zweitens: Jedes Werk, das historische oder legendenhafte Ereignisse vornimmt, hat dabei immer die eigene Gegenwart im Auge. Was denn sonst? Und gerade Hollywoodfilme verhandeln immer nur die Probleme, Fragen, Ängste der US-Gegenwart, egal ob sie im alten Rom, im Wilden Westen, in der Nazizeit oder in der Zukunft spielen.
Und deshalb dürfte “Napoleon” interessant sein. Die Scottbrüder hatten nie Skrupel, symbiotisch mit der Macht zu arbeiten. Ihre wirklich teuren US-Produktionen spiegeln immer die Stimmung des Establishments wider. Z.B. “Black Hawk Dawn” ist ein vom Pentagon produzierter Propagandafilm für US-Interventionen, wenige Jahre vor den Angriffen auf Irak und Afghanistan. Wenn Scott nun Napoleon als etwas tumben, präpotenten Jedermann zeigt, der Geschichte nicht macht, sondern von ihr getrieben wird, dann sagt das weniger etwas über Napoleon aus als über die Stimmung in den USA – wo soviel ich weiß ein noch nie dagewesener Pessimismus herrscht. Und eine demente Marionette scheinbar Geschichte macht.
Danke für die Klarstellung, dass ist mir durchaus bewußt – übrigens, auch der Walt Disney Konzern hat einen alten Roman, nach einer historischen Vorlage “Shogun” von Jamens Clavell, neu verfilmt, und die Besprechung des Filmliebhabers und Artikelschreibers über diesen Film erwarte ich auch sehnsüchtig.
Der Film selber soll meilenweit von der Buchvorlage abweichen, was ja nichts Neues ist 😉
Auch das Original “Shogun” mit dem Star Richard Chamberlain, und Toshiro Mifune, soll besser sein als der Neuaufguß dieses Films unter demselben Titel.
Übrigens von einer Reise-Autorin, die mit einem Japaner verheiratet ist, weis ich, dass der wahre Shogun, und vor allem die Samurai eines waren “Kopfjäger”…..
Das wird in keinem Samurai-Film erwähnt, denn die Wahrheit über diese Mörderbande wäre zu schmerzhaft für unsere westlichen hollywood- und disneyverwöhnten Filmkonsumenten……
Da muss Mensch schon einmal was von jemandem lesen, die, mitsamt japanischem Ehemann, als “Biodeutsche”, in Japan lebt und arbeitet bzw. Bücher schreibt, wo, jenseits der Popkultur, und des Kino-Genres jeder Einheimische weis, dass die wahren Samurai eben (ganz fanatisch) Köpfe sammelten wie andere Menschen Muscheln am Meeresstrand……”Kopfjägerkult” eben….*daumenrunter*
Sorry, für die kurze Abweichung, aber wollte den Artikelschreiber hier nur mal auf eine andere Filmbesprechung stoßen, die aber sich mit der Erkenntnis der heutigen USA decken dürfte, die Sie völlig richtig auch so sehen wie ich hier 😉
Gruß
Bernie
PS: Auch die anderen “Helden” der japanisch mittelalterlichen Historie sind nicht besser angesehen in Japan, aber das ist ein anderes Thema, denn bei “Shogun” geht es ja hauptsächlich um eine Verherrlichung des japanischen Kriegerkultes der Samurai, die, wie oben erwähnt Japaner/-innen völlig anders sehen als wir im “Wertewesten”…..durchaus sehr kritisch 😉