Kleine Erpresserbanden ante portas

Sankt Martinszug, 1949
Bundesarchiv, Bild 194-0273-37 / Lachmann, Hans / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Endlich ist wieder Halloween! Das Fest des amerikanischen Lebensgefühls: Gib mir, was ich will – oder du bereust es.

Heute ist die Nacht der Nächte. Grusel inklusive. Kostüme werden verkauft, die Simpsons strahlen wieder ein Special aus, wie sie es viele Jahre schon tun: Halloween steht an. Kinder klopfen an Ihre Tür, drohen höflichst damit, mit Zucker versorgt werden zu wollen und ahnden die Zuwiderhandlung mit kindischen Übergriffen. Sie werfen Eier, verschmieren das Auto oder stecken Knallfrösche in den Briefkasten. Wer nicht für sie ist, der ist gegen sie.

Vielleicht gedenkt dieser Tage und Nächte ja auch mal jemand jenen Kindern, die gar kein Halloween hatten. Ja, wirklich, Halloween ist nämlich gar kein deutsches Fest, auch wenn man dies mittlerweile annehmen könnte. Die Kinder der Achtziger und Neunziger kannten es aus dem Kino oder Fernsehen. Im echten Leben bastelten sie allerdings Laternen und sahen einem berittenen römischen Hauptmann dabei zu, wie er seinen Mantel teilte: Geben ist seliger denn nehmen.

Süßes oder Saures!

Kindergärten veranstalten heute schon mal Halloween-Kostümpartys – dann politisch korrekt ohne Süßigkeiten, aber mit Äpfeln. Sankt Martin wird nach und nach verdrängt. Diese Festlichkeit entspricht auch zunehmend nicht mehr unserer Wirklichkeit. Teilen, sich derer annehmen, die wenig oder nichts haben: Das gerät immer mehr aus der Mode. Wir leben in einer Weltordnung, die auf vielen Ebenen nach dem Halloween-Prinzip funktioniert. In der Ökonomie und der Gesellschaft ohnehin. Aber auch welt- und geopolitisch.

Denn Halloween ist ein amerikanischer Brauch – sicher ursprünglich aus der alten Welt kommend, wurde er in den Staaten allerdings kommerzialisiert und aufgeblasen. Dort wird dem Verständnis der unipolaren Weltsicht gefrönt: Gebt – oder seht zu, was passiert. Seid mit uns – oder ihr landet im Lager derer, die wir als gegen uns erachten. Partnerschaft oder Regime Change? Wie hätten Sie es denn gerne?

Den Kindern lehrt man damit freilich ganz direkt die Situation in der marktradikalen Gesellschaft: Es geht um dich, zeigt man ihnen auf. Um das, was du willst. Wonach dir der Sinn steht: Sag es laut, sag es deutlich und mit Nachdruck. Sei eklig zu denen, die nicht spuren. Unterm Strich, zählt dein Ich.

Was dabei herauskommt ist die kindliche Förderung des Egoismus. Jedes Kind hat so eine egoistische Phase, sie ist auch für die Entwicklung notwendig. Aber alle Pädagogik, die diesen Namen verdient, ist darauf ausgerichtet, etwaige Egoismen erzieherisch aufzuarbeiten und den Kindern bewusst zu machen, dass Egoismus keine Haltung ist, sondern ein Problem darstellt: Für die Gesellschaft – aber auch für das spätere Leben. Halloween huldigt aber der Rücksichtslosigkeit. Nicht immer exzessiv freilich, aber die Grundbotschaft bleibt natürlich erhalten. Und – was die eigentliche Tragik ist – zuungunsten einer Festivität, die fast zur gleichen Zeit stattfindet und sukzessive verdrängt wird.

Der Heilige Martin: Das Gegenteil von Halloween

Nur 11 Tage nach Halloween feiert die Kirche Sankt Martin – früher unter reger Anteilnahme der Kindergärten. Die Kleinen bekamen schnell die wahre Botschaft jenes Festes vermittelt: Sei kein Egoist – gib etwas ab, teile mit deinem Nächsten, wenn schon keinen Mantel, dann vielleicht das Pausenbrot. Der Nächste: Eine Bezeichnung für den Mitmenschen, die im Alltag immer seltener Gebrauch findet – dabei ist sie so ausdrucksstark wie sonst kaum eine Titulierung von Menschen, denen man im Alltag begegnet. Was mir am nächsten kommt, ist schließlich ganz nahe bei mir.

Die Legende erzählt, dass Martin aus Tours im 4. Jahrhundert nach Christus als Hauptmann der römischen Garde mit einem frierenden Bettler seinen Mantel geteilt hat. Mag sein, dass das hagiographische Ausschmückungen sind, die jenem Martin, der später Bischof von Tours wurde, gut zu Gesicht standen. Aber der geschilderte Vorfall, ob er sich nun ereignet hat oder nicht, birgt natürlich Gemeinsinn, stärkt die Nächstenliebe, den Blick auf jene, die darben. Es ist eine Geschichte, die sozialverträglich ist und als Haltung im eigenen Leben dienlich sein kann.

Oft bleibt das Laternengehen das letzte Relikt jenes Festes in diesen Tagen. Einen Martin mit echtem Pferd, sieht man nur noch selten an jenem Abend. Der Mantel bleibt immer öfter ein Requisit, die Geschichte dahinter verblasst. Halloween strahlt hingegen in allen Farben. Es schillert, ist bunt, eine regelrechte Industrie hat sich entwickelt. Dafür taugt Sankt Martin zugegebenermaßen nicht. Es ist kontemplativer angelegt. Und weniger materialistisch als Halloween.

Nehmen ist seliger denn geben

Das ist das eigentliche Problem mit diesem Sankt Martin. Er ist als Warenfete, als Kommerzsause schlicht nicht denkbar. Seine Geschichte ist karg, sie strahlt nichts aus, was in der modernen Warenwelt irgendwie attraktiv wirken könnte. Besitz abtreten? Eingekauftes verschenken? Die Influencer bei YouTube und TikTok predigen aber etwas völlig anderes in ihren Sendungen, die wie zeitgenössische Versionen weltlicher Gottesdienste zelebriert werden. Vor der Kamera der »Geistliche«, der klarmacht, was die Gesellschaft braucht, damit sie funktioniert: Nämlich dich – in deiner reinsten, in deiner egozentrischen Weise. Richtig gekleidet, mit Markenartikeln am Leib und gerichtetem Busen, falls nötig.

Haben oder Sein? Die von Erich Fromm gemachte Entgegenstellung der Begriffe ist natürlich ein Kniff. Beides benötigt der Mensch, er kann ohne Besitz kaum sein; er ist ein nacktes Wesen, dessen Natürlichkeit die Künstlichkeit ist. Aber wer nur haben möchte, sich nur darauf fokussiert, existiert auch nicht wirklich. Der ist nicht, der tut nur so, der simuliert zu sein – als Mensch unter Menschen.

Unser Prosumenten-Kapitalismus gibt diese Fixierung auf das Aneignen von Dingen vor. Ideen vom Sein lassen sich einfach nicht verkaufen, sie können nicht mit einem Preis beziffert werden. Sankt Martin könnte als Netflix-Serie einen Wert erhalten, weil Klicke eine Währung sind. Aber die Ergriffenheit von Menschen, die sich Gedanken über das Wesen des Teilens, der Teilhabe und ja, des Sozialstaates machen: Das verspricht keinen Profit – letzteres hört sich eher so an, als koste es etwas und schmälere damit den Geldbeutel, der für Konsumausgaben bestimmt ist.

Heute wird also dem Nehmen gehuldigt. Dem Nehmen, das seliger sein soll als es das Geben ist. Aus der Logik des zeitgenössischen Kapitalismus ist das die einzig vermittelbare Wahrheit. Daher hat Halloween so einen Aufschwung genommen. Süßes oder Saures also? Für uns alle als Gesellschaft zweiteres. Halloween ist kein Fest des Zusammenhaltes, auch wenn Kindergruppen zusammen in der Nachbarschaft klingeln. Das Zusammenrotten kleiner Erpresserbanden: Es ist das Gegenteil von Gemeinsinn.

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47 Kommentare

  1. Vielen Dank für diese Erinnerung an unsere eigentlichen westlichen Werte , Herr Lapuente. Für mich gefühlt einer der besten Artikel der letzten Jahre, nicht nur auf Overton. Sie bringen ganz exakt auf den Punkt woran unsere Gesellschaft so sehr krankt. Warum sich so viele Menschen unwohl fühlen ohne dieses Gefühl präzisieren zu können.

    1. Laut englischer Wikipedia kommen die Halloween-Umzüge aus dem katholischen Irland. Dort verkleidete man sich, zog von Haus zu Haus, brachte kleine Szenen zur Aufführung und hoffte auf Belohnung.
      https://en.wikipedia.org/wiki/Trick_or_Treat

      Laut Wiki wurde das Trick or treat 1917 in Ontario aktenkundig und ab 2000 in Europa (Schottland). Das ist bemerkenswert, denn normalerweise, wenn es sich um US-Trends handelt, dauert es rund 10 Jahre, bis sie bei uns Usus werden. In US-Filmen und Serien gibt es die Halloween-Szenen schon recht lang.

      Evtl. mussten die Yuppie-Jahrgänge ab den 80ern, die mit den Filmen und Serien sozialisiert wurden, erst selber Kinder haben, die sie mit der Idee dann infizierten.

  2. Lieber Roberto J. de Lapuente,

    guck mal beim aktuellen bayrischen Rundfunk vorbei – bei “Schleichfernsehen”, die haben dort Halloween auch angeprangert, wenn auch aus völlig anderen Gründen – ist doch “kulturelle Aneignung”? Oder? Nur mal so als Tipp, weil du ja ursprünglich aus Bayern bist, die haben das nett satirisch auf’s Korn genommen 😉

    Was den Kommerz angeht, da ist wohl kein Fest davon verschont geblieben – St. Martin ist mir zwar, in dieser Hinsicht, noch verschont geblieben, aber Weihnachten, da liegen bei uns im Penny schon seit 2 Monaten die Utensilien dafür zum Kauf bereit – sehe ich als Kunde schon länger und frage mich was das soll? Scheint auch zu einem reinen Kommerzfest verkommen zu sein.

    Übrigens, die Laternen waren früher auch nicht ungefährlich – die Kerzen waren ja echt, und da hat dann manch Kind, und seine Eltern, ein “blaues Wunder” erlebt, wenn die Kerze samt Laterne abgebrannt ist…..nur mal so, weil ich davon gehört habe. Übrigens in meinem kleinen Dorf gab es noch lange einen Pferde-Bauern, nicht wie heute die jungen Menschen, die reiten als Hobby entdeckt haben, sondern einen echten Landwirt, der auf Traktor – oder anderes modernes Zeugs – verzichtet hat um seiner täglichen, bäurischen Lebensweise nachzugehen – hast in mir die Erinnerung an ihn, der schon lange tot ist, geweckt, denn der spielte uns Kindergartenkindern immer die Szene des Heiligen St. Martin vor…..war eine schöne Erinnerung. Übrigens, der Mann kam sogar einmal im SWR, da er ein echtes Original war….zu Lebzeiten….wie aus der Zeit gefallen…..tja, jetzt ist er schon etliche Jahre tot, und mir bleibt nur die schöne Kindheitserinnerung an einen schönen alten Brauch, der am Aussterben ist.

    Gruß
    Bernie

    PS: Sorry, mir gerade noch eingefallen: Sollte man nicht ein generelles “Kommerzfest” ausrufen? Gibt doch keinen Brauch mehr, der nicht in dieser Hinsicht ausgeschlachtet wird, und Halloween ist da nur einer von vielen – für mich am Offensichtlichsten ist das eben der Weihnachts-kommerz, der kaum sind die Osterhasen ausverkauft loslegt – wie schon gesagt mir fällt das hier, im Bezug auf Weihnachten, schon seit Monaten auf – macht mich traurig, da ich noch weis wie wir uns, als Kinder, über die “Überraschung” freuten….tja, bis die der Kommerz entdeckt hat und es schon im Spätsommer mit Weihnachtsverkäufen anfängt *daumenrunter*

      1. @ Tanz der Teufel

        Da haben Sie recht, aber trotzdem gibt es da m.E. noch Abstufungen. Von der kleinen täglichen Konsumfestivität (15 Minuten Amazon- / Ebay- / Zalando- / etc.-Rausch) bis hin zum Hochfest “Umnachten”.

        Grüße

  3. @”Denn Halloween ist ein amerikanischer Brauch – sicher ursprünglich aus der alten Welt kommend, wurde er in den Staaten allerdings kommerzialisiert und aufgeblasen.”

    Bei uns kommen die Kinder am Martinsabend in Gruppen mit oder ohne Laternen, entweder mit Eltern oder mit Kindergärtnern.

    Dafür kaufen wir immer reichlich ein und die Kleinen freuen sich und wir uns über die strahlenden Gesichter. Am Halloween-Tag kommt keiner, scheint wohl doch nicht so weit verbreitet zu sein oder weil wir in einer protestantischen Gegend wohnen.
    Daher findet bei uns das Martinssingen auch am 10 November statt, einen Bezug zum Martin von Tours gibt es im Protestantischen nicht, jedoch im Katholischen am 11. November.

    Der Ursprung von Halloween liegt bei den Kelten

    Das Fest des Grauens hat seinen Ursprung in Irland: In vorchristlicher Zeit begingen die Kelten am 31. Oktober Samhain, eines ihrer wichtigsten Feste. Sie feierten damit ihre Ernte, den Beginn der kalten Jahreszeit und den Start in ein neues Kalenderjahr. Die Kelten glaubten außerdem, dass es an diesem Tag Kontakte in das Reich der Toten geben kann.
    Samhain: Die Toten sind unterwegs

    Der Mythologie nach machten sich an Samhain die Toten auf die Suche nach den Lebenden, die im nächsten Jahr sterben sollten. Zur Abschreckung der bösen Geister verkleideten sich die Menschen mit furchterregenden Kostümen und spukten selbst bei Nacht durch die Straßen. Große Feuer sollten böse Geister fernhalten. Vor den Häusern standen kleine Gaben (“treats”), die die Geister besänftigen und von Untaten abhalten sollten.

    Dieses Brauchtum war ursprünglich vor allem im katholischen Irland verbreitet. Die irischen Einwanderer in den USA pflegten ihre Bräuche in Erinnerung an die Heimat und bauten sie aus.

    Im Zuge der irischen Renaissance nach 1830 wurden in der frühen volkskundlichen Literatur eine Kontinuität der Halloweenbräuche seit der Keltenzeit und Bezüge zu heidnischen und keltischen Traditionen wie dem Samhainfest angenommen. Es werden immer wieder entsprechende Mutmaßungen des Religionsethnologen James Frazer zitiert.

    Seit den 1990er Jahren verbreiten sich Halloween-Bräuche in US-amerikanischer Ausprägung auch in einigen Ländern des kontinentalen Europas.

    1. Der amerikanische Halloween-Brauch breitete sich in der Bundesrepublik Deutschland 1991 ziemlich explosiv aus, weil (die Älteren werden sich noch erinnern) wegen des Zweiten Golfkriegs der Karneval ausfiel, was in Zeiten der “Zeitenwende” auch eine völlig bizarre Vorstellung ist. Die Spielzeugindustrie konnte ihre gigantischen Umsatzeinbußen noch im selben Jahr durch PR-Aktionen zusammen mit Supermärkten und Kaufhäusern zur Einführung von Halloween ausgleichen. Vorher wusste hier kein Aas, was das war. (Wobei ich annehme, dass auch heute noch kein Aas weiß, was da gefeiert wird). Übrigens verdanken wir diesem Umstand auch, dass man seitdem mit Kürbiszubereitungen aller Art behelligt wird. Fast noch schlimmer, finde ich, weil es länger dauert.
      Gruß – – –
      Schmidt

      1. Moin
        Bleibt anzufügen, das zwei mal im Jahr Karneval einfach mehr Spaß macht.
        Beiden, also Kostümhändler wie Träger.
        Warum interessiert nicht. Hauptsache was anderes als Alltag.
        Gruß

        1. namnt

          Versteh ich nicht. Gibt`s nicht inzwischen hierzulande, nicht nur im Rheinland & nicht nur zweimal, meinem subjektivem Eindruck nach ganzjährig Karneval in Carnival Society Germany?

    2. Noch im Neuirischen trägt der Monat November den Namen Samhain, und laut Le Roux und Guyonvarc’h steht trotz der Namensverwandtschaft zwischen Samain und sam (“Sommer”) das Datum des ersten November außer Zweifel. Also, morgen. Ohne Anspruch auf Richtigkeit. Ergänzendes Zitat:
      Cetsoman “erster Mai”, cetsamain oder “erste Bewegung der Sommerzeit”
      Samrad “Sommer”, sam auf hebräisch und sol auf lateinisch, weswegen von samson sol eorum die Rede ist; samrad ist also der Lauf (rad) der Sonne wenn ihre Höhe und Wärme am spürbarsten sind.

  4. Nachdem ich meine Spinnenphobie überwunden hatte, befiel mich eine Samhainophobie. Jemand gab mir den Tipp, mich am Halloween-Abend als Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu maskieren und die Nachbarskinder so höflich wie möglich zu fragen, ob sie mit in den Keller kommen, um Süssigkeiten zu holen. Die Therapie war für beide Seiten sehr erfolgreich. Beim ersten Mal rannten sie alle weg, und danach klingelte nie mehr ein Kind an meiner Tür.
    Funktioniert vielleicht auch mit anderen Masken. In einigen Fällen auch ohne.

  5. Danke @ Roberto De Lapuente für diesen sehr wichtigen und klugen Beitrag über die Warenfete „Halloween“.

    Bald steht ja auch wieder der „Black Friday“ an (auf seine Weise ein sehr bezeichnender Name). Im Grunde sind beide Festivitäten doch bloß Leitplanken des „kapitalistischen Advents“, der auf das so geliebte Hochfest des Konsums, des Fressens und der Familienstreits – „Umnachten“ – vorbereitet. Ich schreibe „Umnachten“, weil „Weihnachten“ und die zugehörige Jahreszeit seit langem eine völlig entkernte, entseelte und mit garstigem Inhalt gefüllte Zeit darstellen, die wenig mit den ursprünglichen Gedankengut aus längst vergangenen Epochen zu tun haben.

    Zwischen Tür und Angel erlaube ich mir nun noch folgende Gedanken: Bei verschiedenen alten Völkern in unterschiedlichen Teilen der Welt wurde um den 01. November ein großes Fest gefeiert, welches das Ende des Sommers und somit eines wichtigen Jahresabschnitts markierte (bspw. das bereits von Otto0815 erwähnte Samhain der Kelten). Mitunter dauerten diese fröhlichen (!) Festivitäten eine ganze Woche lang. Mit rituellen Freudenfeuern beging man die Verbrennung aller Sorgen und Probleme, die sich im Jahreszyklus so angesammelt hatten und entledigte sich zugleich aller sonstigen Dinge, die ihren Zweck erfüllt hatten und nicht länger für die Gemeinschaft oder einen selbst von Bedeutung oder Nutzen waren. Man warf und legte ab, reflektierte und tat den ersten Schritt in Richtung Erneuerung. Nicht von ungefähr der Natur ähnelnd, welche nun auch endgültig alles abgelegt hatte (Früchte sind geerntet, Blätter gefallen), in den folgenden Wochen zur Ruhe kam („reflektierte“) und dabei den ersten Schritt Richtung Erneuerung (Frühling) tat. In diesen Tagen wurden auch die Tiere geschlachtet, die über den Winter nicht gehalten oder nicht versorgt werden konnten.

    Zugleich waren diese Tage und die sie begleitenden Festivitäten auch eine Zeit der Erinnerung. Man erinnerte sich an die (unlängst wie länger zurückliegend) Verstorbenen sowie das Vergangene. Man glaubte, dass sich in den nun rasch dunkler werdenden Tagen die sichtbare (Diesseits) wie die unsichtbare Welt (Jenseits) überschnitten und Schatten der Verschiedenen und des Gestrigen über die Erde streiften. Man schien allgemein die Ahnen deutlicher und tiefer zu spüren als in anderen Phasen des Jahreszyklus. Später entwickelten sich aus diesen Momenten (und wohl auch unabhängig von diesen Praktiken und ohnehin an anderen Orten) die christlichen Feiern „Allerheiligen“ und „Allerseelen“. Und in letzterem, wenn ich richtig informiert bin (die mit der Kirche vertrauteren Mitforisten mögen mich korrigieren), wurzelt die moderne Perversion „Halloween“, die mit Samhain, Halloween, Allerseelen etc. eben so wenig gemein hat wie das zeitgenössische „Umnachten“ mit „Weihnachten“.

    Damit möchte ich diese alten Festivitäten gar nicht idealisieren oder als große Alternative verstanden wissen – mir ging es lediglich darum den Kontrast zu den Feten der heutigen Gesellschaft in Form von „Halloween“ und „Umnachten“ herauszustreichen und Anregungen zu liefern. Denn: fröhliches Ende eines Abschnitts, Erneuerung (Reflektion), Erinnerung – damit hat das heutige „Halloween“, wie Herr De Lapuente so schön herausgearbeitet hat, ja nun wirklich nichts gemein. Außer man liest es als Entrümpeln der Kleiderschränke, allgemeine Erneuerung der Konsumbedürfnisse und Erinnerung daran, dass man bald Weihnachtsgeschenke kaufen muss. Reflektiert wird dabei gar nichts, höchstens die Zahlen auf dem Kassenbon. Hier im Forum jedoch mag der ein oder andere vielleicht die nächsten Tage zum Erinnern und Erneuern nutzen…

    1. früher auch die Zeit der Abrechnung fürs Gesinde, und Mägde zu anderen Herrschaften gehen konnten. Nun ja, die Blätter sind alle noch dran. Wie ich hätte, sollen aufgrund des langen schönen Septemberwetters die Bäume ihren Stoffwechsel noch nicht auf Winter programmiert haben. Aber: kommt bestimmt noch, das mit dem Blätterfall.

    2. “Im Grunde sind beide Festivitäten doch bloß Leitplanken des „kapitalistischen Advents“, der auf das so geliebte Hochfest des Konsums, des Fressens und der Familienstreits – „Umnachten“ – vorbereitet.”
      Speziell die internen und alljährlich wiederkehrenden Streitigkeiten sind aber doch eine vertraute Konstante!😉

      Bezüglich des gesamten”Konsumverhaltens ” (und anderer Themenbereiche) habe ich allerdings eine andere Meinung.
      Es muss stets einen geben, der sagt “spring”, und jenen, der nachfragt “wie hoch”.
      Die tatsächlichen (viele, Tendenz steigend) Springer können ihr “intellektuelles” Versagen jedoch NICHT verkehren und Eigen/Verantwortung abgeben.
      Diesbezüglich bestimmt die unreflektierte/ungezügelte Nachfrage das Angebot.
      Habe noch nie davon gehört, dass jemand ganzjährig z.B. seine Kinder mit “Müll” versorgt, nur weil er sich der käuflichen Dinge erbarmte, die sonst kein Zuhause gefunden hätten und der “Markt dieses ressourcenfreundliche”
      Alltagsverhalten schamlos ausnutzt.

      Außerdem: heutzutage Kind zu sein, ist schon gruselig. Das gesamte Jahr erhalten diese “Geschenke”, wann immer der Markt sein Füllhorn öffnet. Kein Wunder also, dass Advent und Weihnachten so öde sind, denn worauf kann man sich noch freuen?😁

  6. “heute wird dem nehmen gehuldigt”, ja wie ein Amen und ohne Rücksicht auf die unfreiwillig gebenden!

    Diese Exzesse hatten der Weltbevölkerung zig Trilliarden entzogen und diejenigen die diese nahmen, werden geehrt wie ‘Götter’ auf Erden.
    In der UN treten Leute auf mit einem Davidstern verfluchen ‘ihre Hamas’ und töteten selbst zig UN Mitarbeiter, welch ein Hell o ween…

    1. @Pro 1

      Bin ich arg zynisch wenn ich anmerke, dass unser “Wertewesten” und die USA, einer alten amerikanisch-mexikanisch-aztekischen Religion huldigen?

      “Jeden Tag ein kriegerisches Menschenopfer dem, bei lebendigen Leib, das Herz herausgeschnitten wird damit die Sonne für den neuen Tag wieder scheint”?🤔 – 365 Tage im Jahr. ….

      Sarkastische Grüße
      Bernie

      1. Hallo Bernie, nachweislich scheint die Sonne immer, von daher kann mir niemand mein Herz heraus reißen im bildlichen Sinn, in der physischen Realität jedoch möglich.
        Ich selbst als ursprünglich hessisch sozialisierter Bursch, hatte den politischen Hell o Ween erleben dürfen in den 70zigern und dadurch sind mir ‘deutsche’ Gepflogenheiten durchaus sehr bekannt, was das NEHMEN’ angeht.
        Mein Herz ist zum Glück immer noch am linken Fleck und pulsiert für das meinige Alter gesund und munter.
        Jedoch lieber Bernie, sollten unsere Gedanken auf dem Artikel liegen, denn dieser hat, m.M.n, etliches an Gedanken die jeder für sich analysieren sollte.
        Beste Grüße aus der Ferne lieber Bernie

        1. Moin

          “nachweislich scheint die Sonne immer” – das scheint so, weil mit dem ‘Herz rausreißen’ so weit vorgearbeitet wurde. Geht das so weiter, werden sich künftige Astronomen verwundert die Augen reiben, weil sich die Sonne immer noch nicht aufbläht und zum Riesen wird.

          Gruß

      2. „Jeden Tag ein kriegerisches Menschenopfer dem, bei lebendigen Leib, das Herz herausgeschnitten wird damit die Sonne für den neuen Tag wieder scheint“… damit die erbeutete Schätze und der Mammon bei Lichte gezählt werden können …

  7. Hier in dem oberbayrischen Dorf, in dem ich lebe, gibt es seit einigen Jahren einen Nachbarn, der hat eine Halloween-Kulisse geschaffen, die er von Jahr zu Jahr erweitert.
    Nun kommen jährlich Eltern mit ihren Kindern aus dem Umland angekutscht und bewundern das Theater. Mittlerweilen gibts wohl auch Getränke usw.
    Wenn es an der Türe klingelt reagiere ich einfach nicht mehr, auch wenn es wirklich nervt…

    Danke für Deine Ausführungen, denen ich nicht widersprechen kann.

  8. naja, letztlich egal, ob ‘Matten, matten, de Luie sin beschatten’ gerufen wird, oder wenns nichts gibt, Baldrian auf die Fußmatte der knausrigen Nachbarin getropft wird, damit der alle Katzen der näheren Umgebung des Nachst mit ihrem Miauen den Schlaf versüßen!
    Die Inhalte liefern ja nicht irgendwelche Rituale, sondern was den Kids dazu von ihren Altvorderen erzählt wird, da sollte man vielleicht mal kritisch abklopfen! Auf die fragwürdige Philosophie eines Martin Luther gehe ich mal gar nicht näher ein!
    Und trotzdem finde ich das gehörschädigende Gequäke der süßen Bande um ‘eine milde Gabe’ echt drollig und gebe gern!

  9. ‘kleine Erpresserbanden’
    Wie der Westen seinen Jubelhelden fallen lässt, der Komiker aus der Ukraine im Besitz eines Präsidentenstatus.
    Hallo ottono und oder pzh2000, was denkt und fühlt IHR mit solch einer Verschiebung von Interessen? Der böse ‘Zar’ hat hunderttausende zu Tode gebracht, obwohl damals der Westen suggerierte, bis zum letzten Ukrainer. Eine Aussage aus dem Westen!
    Erpresserbanden dienen dazu, eine Fiktion aufzubauen, und wenn es nicht mehr tragbar ist, geht man zum nächsten ‘Subjekt’!
    Auf dieser Strasse der nehmenden, liegen tausende Tote und nu wie soll der Komödiant das seiner verbleibenden Herde an Schafen vermitteln?
    Das Elend ist die Politik, aber sehr viel schlimmer sind die Untertanen die sich durch SCHEISSE irritieren lassen. Egal ob hier oder dort!
    ottono und pzh2000, ihr und eure Meinung, habt euch menschlich aussondiert und bleibt ohne Erinnerung.
    Das traurigste ist, das IHR nicht mal in der Lage seit, euren SCHEISD ZU RELATIVIEREN!

    1. @Schantall:
      Nimm deine stinkenden Pöbeleien und verschwinde aus diesem Forum! Du bist hier NICHT WILLKOMMEN. Nicht mal als Halloween-Untoter. Ab in die Gruft mit dir!

  10. Horrorzombiesplatterfilme sind nur dann erträglich, wenn das ganz klar erkennbar Horrorzombiesplatterfilme sind und nicht die Wirklichkeit. War da nicht auch mal was mit Lambrechtschem Silvestergruss vor Feuerwerkskulisse, der gar zu sehr nichtfeierliche Assoziationen wachrief? Analog dazu jetzt die permanenten Messages über Kriegsgreuel aller Seiten in Nahost. Die Geköpften etc. sind leider real- der Horrorzombiesplatter findet ‘in Echt’ statt.

  11. Sehr schöner Artikel.
    Ja, es ist traurig, daß es im sogenannten “Wertewesten” kaum noch etwas gibt, daß nicht zu irgendwelchen
    Zwecken mißbraucht bzw. bis ins Perverse komerzialisiert wird. Eltern haben es sehr schwer, sich diesem
    Wahnsinn zu entziehen, da es bereits, wie so vieles mehr in alle Bereiche vorgedrungen ist.

    Somit haben diese momentanen Krisen auch ihren tieferen Sinn. Wenn es wieder mehr um’s
    Überleben geht, findet dieser Spuk auch bald von alleine ein Ende und man kann sich wieder auf die
    wirkliche wichtigen Dinge im Leben konzentrieren.

    Das Wort Halloween, in älterer Schreibweise Hallowe’en, ist eine Kontraktion von All Hallows’ Eve („Aller Heiligen Abend“), benennt den Tag bzw. den Abend vor Allerheiligen (wie auch bei Heiligabend, englisch Christmas Eve). Dieses Brauchtum war ursprünglich vor allem im seinerzeit katholisch geprägten Irland verbreitet. Die irischen Einwanderer in den USA pflegten ihre Bräuche in Erinnerung an die Heimat und bauten sie aus.

    Bei den Kelten hieß dieses Fest Samhain. Samhain bedeutet „Ende des Sommers“, Ende der lichthaften Zeit, Ende des Jahres. Das Fest, das einst im November-Vollmond gefeiert wurde, ist eine Übergangszeit, eine magische Zwischenzeit, in der sich die Grenze zwischen der Menschenwelt und die Anderswelt verwischt.

  12. Gottlieb Grambauer, eine Figur aus den Romanen von Ehm Welk, stellte aber zu Martins Mantelteilung sinngemäß zurecht fest: der Dösbaddel, so hat jeder nur einen halben Mantel. Ganz dem Bettler hätte der ihn geben sollen!

    1. Martin lebte so etwa 350 im späten römischen Imperium. So eine Toga ist doch ein ziemlich großes Stück Tuch. Die kannkann man auch mal teilen ohne frieren zu müssen. Gut, als Offizier hat er vielleicht auch ein Chlamys oder ein Paludamentum getragen als er seinen Mantel teilte. Die sind kleiner da wurde es vielleicht etwas frisch. Das ist aber tausendsiebenhundert Jahre her. Nix genaues weiss man nicht. ¯\_(ツ)_/¯

  13. Ich sehe es anderster: es gibt in unserer überregulierten Welt überhaupt keine Zeit mehr wo Kids im Ort/in der Stadt herumstrolchen können … es ist doch witzig wenn sich Freunde verbinden und in der Nachbarschaft klingeln. …
    Gibt es überhaupt noch Lustig-Feste?

    Sorry, wir Deutschen sind seit Jahrzehnten eine verkopfte Spaß-befreite Gesellschaft geworden! Wir gehen zum Lachen in den Keller!! Oder “kichern” am Fernsehen bei Böhmermann oder Bossetti!

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