Kamehameha!

Dragon Ball, Graffiti
Guilhem Vellut, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass der japanische Mangaka („Mangakünstler“) Akira Toriyama am 1. März im Alter von 68 Jahren an den Folgen eines Hämatoms gestorben ist.

Toriyama wurde vor allem durch sein Werk „Dragon Ball“ weltbekannt, doch er schuf auch andere nennenswerte Manga wie „Dr. Slum“, „Sandland“ und „Neko Majin“ oder Charaktere für Videogames. Als mich die Nachricht von seinem Tod erreichte, stand für einen Moment die Welt still. Ich hatte das Gefühl, jemanden verloren zu haben, dem ich jahrelang verbunden war – und ich war nicht der Einzige, der so fühlte.

Die Werke Toriyama durchbrachen jegliche Grenzen. Sie sorgten nicht nur dafür, dass Manga und Anime in vielen Ländern der Welt zum Teil des Alltags wurden, sondern schufen Freundschaften und überwanden Konflikte. Letzteres lässt sich etwa in Mexiko beobachten, wo „Dragon Ball“, ähnlich wie in ganz Südamerika, derart beliebt ist, dass sie sogar die hiesige Politik sowie die Vorherrschaft von Drogenkartellen beeinflusst. So musste einmal die japanische Botschaft bei einem lokalen Gouverneur intervenieren, weil dieser eine womöglich illegale Streamingvorführung der aktuellen „Dragon Ball Super“-Episoden organisieren wollte. Bei den Kartellen sollen die Animes sogar derart beliebt sein, dass deren Release die Mordrate im Land herunterschraubt.

All dies ist nicht überraschend, denn egal ob in Südamerika oder in Nahost und Südostasien: Praktisch jeder kennt die Abenteuer Son Goku und seiner Truppe, die Bösewichte bekämpft, sich später mit ihnen anfreundet und gegen neue Feinde in den Kampf zieht, um im Anschluss die getöteten Freunde mit der Hilfe des heiligen Drachen Shenlong, den man mit den Dragonballs herbeirufen kann, wiederzubeleben. Und auch im Reich der Toten ging das Abenteuer weiter, etwa über den ewiglangen Schlangenpfad oder auf dem Miniplaneten von Meister Kaio. Dabei machte Toriyama immer wieder deutlich, dass Leben und Tod Teil einer großer Reise seien, auch im echten Leben.

Japanischer Gewaltcomic

Meine ersten Ausgaben von „Dragon Ball“ ersteigerte ich als Achtjähriger gemeinsam mit meinem Freund Leonhard über einen Bekannten vom Schulhof. Sein älterer Bruder verkaufte sie zum halben Preis, nachdem er sie selbst gelesen hatte. Wöchentlich investierte ich mein überschaubares Taschengeld in die Geschichten Toriyamas und tauchte in seine Welt ein. Parallel dazu lief der Anime auf dem damals bei Kindern und Jugendlichen beliebten Privatsender RTL2, den selbst unsere Mutter mit uns ansah. Ich begann zu zeichnen (die Protagonisten kann ich bis heute auf Papier bringen), imitierte den Kampfstil Son Gokus und seinen „signature move“, das Kamehameha, einen Energiestrahl, der erscheint, wenn man die Hände in gekonnter Position aneinanderhält.

Auch unsere Klassenlehrerin hatte von „Dragon Ball“ erfahren, doch über den „japanischen Gewaltcomic“ rümpfte sie ihre Nase. „Das ist doch alles sehr brutal für Kinder“, waren ihre Worte. Sie hatte keine Ahnung, was die Serie für uns, ja vor allem für mich, bedeutete. Besonders in den Sommerferien hatte ich nur Son Goku und Co., denn für mich und meine Geschwister gab es weder einen teuren Strandurlaub noch eine „Heimatreise“, wie sie etwa bei vielen Türkeistämmigen der Fall war. In unserer Heimat, Afghanistan, herrschte nämlich weiterhin Krieg. Tatsächlich begann sogar ein Neuer. Wie ernst die Lage war, wurde mir am 11. September 2001 bewusst, als auf RTL2 selbst „Dragon Ball“ ausfiel, um über Osama bin Laden, die Taliban und Afghanistan zu berichten.

Ähnlich wie mir erging es Millionen von Kindern. Toriyama sorgte nicht nur dafür, dass wir unsere Sorgen für einige Stunden vergaßen. Er inspirierte uns auch und gab uns Hoffnung. Selbst die Zerstörung der Welt konnte mit den Dragonballs rückgängig gemacht werden. Für Menschen, die aus zerstörten Welten kamen, hatte das eine große Bedeutung.

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16 Kommentare

  1. Am Tag X wird ein Modell zu Grabe getragen und welche Ikone bleibt dann einer zerrüttetenen Gesellschaft vorhanden?
    Wahrscheinlich wie Caithlin vorhersagt :
    Eine Welt die sich am Glauben und konservative Inhalte besinnen wird.
    Eine Dynastie wie Japan, wird in der nahen Zukunft so nicht mehr bestehen.

  2. Um diesem Unsinn mal ein wenig Dampf abzulassen….. Der ganze Niedergang zB über Merkel zu BNaerbock begann an dem Tag als der erste Jungeanfing Manga zu lesen oder Videogammes zu spielen anstatt rauszugehen und mit anderen Fussball zu spielen.
    Und jetzt hocken die Deppen zu sechst am Tiusch und reden nicht miteinander, sondern starren auf ihre Handys und schicken dem Nebenmann einen tweet…

    Wenns in nicht allzu ferner Zukunft mal so richtig mies wird, dann sollten euresgleichen mal ein wenig drüber nachdenken was was man selber dazu beigetragen hat. Aber soweit wirds bei euch dann gar nicht mehr reichen…

    1. Ich verstehe Sie durchaus – gerade auch in dieser Aufgebrachtheit (!), doch gleichzeitig frage ich mich, wie hätte ich mich seinerzeit verhalten, wenn es die Diggedags und die Abrafaxe schon in Animation gegeben hätte…
      Die heißbegehrten Mosaikhefte habe ich quasi verschlungen. … und wenn ich das Heft durch hatte, ging’s wirklich raus auf den Wäscheplatz zum Bolzen, oder “Indianerspielen” inklusive Baumklettern, “Höhlen”-bauen oder Laubhütten im Wald… wir bastelten “Erbsengewehre” aus Zaunlatten und Weckgummis und natürlich “Flitzebögen” aus irgend einem Ast und Paketschnur (je krummer der Ast, desto “besser”) … womit ich heutzutage rüstungstechnisch zumindest guten Willen gezeigt hätte. Mein erstes Telefon funktionierte über 15m … das reichte per Draht bis zum Unterstand meines Freundes … und das war abhörsicher.
      Wolkows “Zauberer der Smaragdenstadt” liegt noch auf dem Dachboden (alle Bände) – hm … ist ja seit kurzer Zeit Feindliteratur, doch das geht vorüber, da bin ich sicher.
      Klavierspielen habe ich leider verlernt… na ja, Schostakowitsch und Tschaikowski sind ohnehin aus der Mode ….
      Gute Nacht.

      1. Sie haben vollkommen Recht und ich entschuldige mich ausdrücklich bei allen die betroffen sind.
        Es ist ein wenig so wie es vor 50 Jahren mit McDonalds war. Das Angebot war zu verlockend, und was wusste man damals schon…

        Aber leider gibt es halt unzählige Studien zum Verdummungseffekt und dem immer mangelhafter werdenden Sprachgebrauch, der die Denkfähigkeit ganz offensichtlich einschränkt, sonst wären einige der Entwicklungen in diesem Jahrhundert ja gar nicht möglich gewesen. Hätte der Staat versucht in den 70ern einen Lockdown veranstalten zu wollen, weil ein zu starker Grippe Virus Alte und Kranke überdurchschnittlich gefährdet.. dann hätte es aber an allen Ecken geknallt!

        Natürlich sind Mangas ganz sicher nicht die einzige, oder gar schlimmste Ursache für die Verdummung, und es ist ja jene Verdummung, die selber die das grösste Problem ist. da kann allemn ernstes ein Minister zu “mehr Kriegsbereitschaft” aufrufen.. und statt verprügelt wird er zum populkärsten Politiker des Landes?

    2. “mit anderen Fussball zu spielen”

      Der Checkpoint Realität gerät aus der Mode, weil die Kinder von Anfang an lernen, dass mit der Universalmaschine Smartphone nur noch die passende App installiert werden muss. Das Ausweichen ins Virtuelle wird anerkannter Savespace und zwar für alle und nicht nur für die aus zerstörten Welten, wie der Autor heute reflektiert.

      Wundererzählungen sind seit Jahrtausenden beleibt, wie ein Blick in die Bibel lehrt. Den Kindern geht heute schlicht viel Training für Koordination, Kraft und Ausdauer verloren.

      1. Ich muss mich ja nur selber beobachten, dann sehe ich wie es möglich ist, sich hinter Fake Namen und einem VPN zu verstecken, wenn man gegen einen geistigen”Gegner” loslegen will. Früher, bei persönlichen Treffen, waren Auseinandersetzungen ganz anders. Man war gezwungen sich die Gegenargumente anzuhören und sich dem Anderen zu stellen. Man war gezwungen zu DENKEN. Heute lässt man was auf Facebook oder Instagramm los, und zählt nur noich die, denen es gefallen hat, und fühlt sich clever.

        Dem Staat und den Digital Konzernen gefällt das natürlich sehr gut… und ich befürchte so schnell wird sich das nicht ändern. wer über 50 ist, wird den Ausgang dieser Entwickjlung nicht miterleben.

  3. Kann das weiter oben mit dem Gewaltcomic durchaus verstehen
    Mein Sohn war in der Zeit (ich denke ab Ende der 90iger) im passenden Alter und auch ich war teilweise über die Gewaltphantasien erstaunt. Aber wir haben das zusammen geschaut während der Vorbereitung des Abendessens bzw dabei.
    Die Serie ist jedenfalls voll mit nicht nur Gewaltphantasien, sondern auch mit Allmachtsphantasien
    Dennoch durchaus nicht langweilig und es war auch für mich interessant !!
    Und derartige Phantasien gibt es des öfteren. Jeder James Bond ist voll davon, aber wir nehmen das in der Regel als etwas Comichaftes völlig überzogenes wahr, was uns zu keiner wirklichen Aggression verleitet.
    Ähnlich sehe ich das bei den diversen Computerspielen.

    mE wichtig ist dabei das nicht zu verteufeln, sondern gemeinsam wahrzunehmen … ganz entspannt um dann im Fall der Fälle qualifiziert und verständnisvoll seine Meinung dazu äußern zu können.
    Bedeutet natürlich nicht, wenn mir da etwas gegen den Strich geht, den Mund zu halten!

  4. Mein Geschmack ist das auch nicht. Die Vorgänger waren ja die Marvel-Comics, an denen die Woken, “Skeptiker” und Wikipedia-Zensoren so hängen, die fand ich noch mehr Scheisse. Manga hat eben diesen exotischen Touch, das macht es sympathischer als es vielleicht verdient. Es ist durchaus im Bannkreis der japanischen Mainstreamideologie, viel Kritisches oder Subversives mag ich da nicht sehen.

    Aber zugegeben, ich hab mich damit nicht wirklich beschäftigt, vielleicht tu ich dem allem Unrecht. Dass die Kids weniger vor dem Rechner hocken oder in die Smartphones starren sollen, na gut. Erinnert aber an das ewige Mantra “die Jugend von heute”, das gab es schon vor 3000 Jahren, und sagt eigentlich mehr darüber aus, dass die Meckerer alt sind.

    1. Ja, in dem Zwiespalt stecke ich selber auch. Was, wenn ich masslos übertreibe, und es eigentlich nichts weiter als der ganz normale Generationen Konflikt ist?

      Aber die Möglichkeiten für Zensur, Kriege oder Lockdowns und Zwangsimpfunegn sind heute wegen der Digitalisierung ganz andere. Und man sieht ja die Folgen wie die Primitivlinge die Meinungsmache übernehmen., und muss dem machtlos zusehen.

      PS, was sie zu Japan sagen muss ich leider bekräftigen. Ich habe viele Jahre dort gelebt und in dieser Beziehung ist es ist sehr viel schlimmer, als man sich vorstellen mag. Es ist, und war immer, ein totaler Obrigkeitsstaat, selber Denken ist sozusagen gesetzlich verboten. Ein Volk dem man zwei Atombomben auf dem Kopf werfen und selbst dann folgen sie genau derselben Obrigkeit blind weiter. Von wegen Bushido… die Samureis waren nicht viel anderes als Massenmörder um Auftrag der Obrigkeit.

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