Hauptsache, „woke“

US-Soldaten in Afghanistan
Quelle: Pixabay

Die Streamingplattform Netflix achtet gerne auf Diversität und soziale Gerechtigkeit. Dabei verbreitet sie auch US-Kriegspropaganda und wäscht den „War on Terror“ rein, wie anhand einer neue Doku-Reihe deutlich wird.

Es soll ein entspannter Abend nach einer ermüdenden Recherchereise und vielen Schreibtagen werden. „Netflix and chill“ eben. Ich sitze vor meinem TV-Gerät und gehe die Mediathek durch. Die Übersättigung des Serienmarktes wird abermals deutlich. Auffallend sind wieder einmal besonders divers wirkende Produktionen. Schwarze, asiatische oder queere Schauspieler werden hervorgehoben. An sich ist das natürlich nichts Schlechtes. Dass sich Netflix dieser vermeintlichen „Social-Justice-Agenda“ besonders verschrieben hat, ist mittlerweile allerdings auch kein Geheimnis mehr. Dass viele Drehbücher darunter leiden, weil sie schlichtweg vernachlässigt werden, ebenso. Doch das sollen heute nicht meine Sorgen sein. Irgendetwas Gutes wird sich schon finden lassen, so mein Gedanke. Unter der Rubrik „Neuerscheinungen“ macht mich ein Titel neugierig, der mir jüngst auf Twitter, mittlerweile als „X“ bekannt, aufgefallen ist: „Spy Ops“ – eine Dokureihe über die vermeintlich streng geheimen Operationen der CIA. Episode eins behandelt den Krieg in Afghanistan. Mit der Vorahnung, auch heute Abend von meiner Arbeit eingeholt zu werden, drücke ich auf Play.

Bereits nach wenigen Minuten finde ich mich in einem Beitrag wieder, der mit journalistischer Sorgfalt und kritischer Recherche nichts zu tun hat. Stattdessen hat sich Netflix doch tatsächlich entschlossen, zwanzig Jahre nach dem verlorenen „längsten Krieg“ der Amerikaner in Afghanistan ein Propagandastück zu inszenieren. In einer knappen Stunde lässt sich nämlich fast keine einzige Minute (!) finden, die sich nicht widerlegen lässt. Ein Grund hierfür ist gewiss der Umstand, dass ein Großteil der Bühne ehemaligen CIA-Agenten gewährt wird. Hinzu kommen einige ihrer afghanischen Verbündeten, die vom US-Einsatz profitierten, zu Multimillionären wurden und zwei jahrzehntelang Teil von mafiaähnlichen Warlordstrukturen gewesen sind.

Der vermeintlich unbekannte Gary

Besonderen Fokus liegt auf den mittlerweile verstorbenen CIA-Agenten Gary Schroen. Er gilt praktisch als der Hauptinsider der Afghanistanepisode und kennt, so wird vermittelt, Land und Region wie kein anderer. Für Kenner anglosächsischer Politliteratur ist Schroen allerdings kein Unbekannter. Bereits in den 1990er-Jahren hielt sich Schroen für einen „Geheimauftrag“ im Norden Afghanistans auf. Was in „Spy Ops“ unerwähnt bleibt: Schroen besuchte den berühmten Mudschaheddin-Kommandanten Ahmad Shah Massoud, um verschollene Stinger-Raketen wiedereinzusammeln. Jene Stinger-Raketen, die noch wenige Jahre zuvor von ebenjenen Amerikanern an verschiedene Fraktionen der Mudschaheddin-Rebellen verteilt wurden, um die Rote Armee zu bekämpfen. Eins vorweg: Tatsächlich waren die Stinger im Kampf gegen sowjetische Helikopter, die zahlreiche afghanische Dörfer vernichtet hatten, wichtig und wertvoll. Laut vielen Zeitzeugen haben sie weitere Zerstörungen und Massenmorde verhindert. Doch irgendwann nach dem Fall des Eisernen Vorhangs machte sich in Washington die Sorge breit, dass die Waffen in „falsche Hände“ – Stichwort Al Qaida – gelangen könnten, weshalb man die CIA beauftragte, sie wiedereinzusammeln. Dies geschah nur mit mäßigem Erfolg und in Afghanistan gibt es bis heute noch zahlreiche Mythen, was mit den verschollenen Raketen geschehen ist und in wessen Hände sie gelangt sind.

Gerade im heutigen Zeitalter wäre es wichtig, einem übermäßig jungen Publikum, wie es sich bei Netflix finden lässt, die Folgen kurzsichtiger Waffenlieferungen zu erklären. Auch eine etwas allgemeine Geschichtsstunde zur Region wäre in diesem Kontext angebracht gewesen. In „Spy Ops“ beginnt der Krieg in Afghanistan praktisch mit den Anschlägen des 11. Septembers 2001. Dabei befand sich das Land zum damaligen Zeitpunkt bereits mehr als zwanzig Jahre im Krieg. All dies spielt keine Rolle und bleibt unerwähnt, obwohl die CIA auch in den 1980er-Jahren in verheerender Art und Weise klandestin in der Region tätig war, etwa, indem man sich in erster Linie mit den brutalsten und extremistischsten Mudschaheddin-Gruppierungen verbündete, diese im Kampf gegen die Sowjets massiv aufrüstete und Korruption und Drogengeschäfte nicht nur duldete, sondern praktisch auch förderte.

Koffer voller Geld

Ein wichtiger Punkt, der von Netflix‘ CIA-Agenten aufgegriffen aber in jederlei Hinsicht relativiert wird, sind die Koffer voller Bargeld, die kurz vor der US-Invasion an auserkorene afghanische Verbündete, sprich, berühmt-berüchtigte Milizionäre und Kriegsfürsten, verteilt wurden. Laut den Agenten war dies notwendig. Jeder, der Geld brauchte, hat es bekommen. Damit kaufte man sich die Loyalität der Verbündeten. Dass dieser Schritt im Grunde genommen zu den größten Systemfehlern der afghanischen Post-2001-Republik gehörte und letzten Endes für deren Kollaps sorgte, wird von den Produzenten schlichtweg ignoriert. Dabei ist mittlerweile allgemein bekannt, dass Korruption zu den Hauptproblemen des gesamten Einsatzes und des damit verbundenen „Nationbuildings“ gehörte – und dass diese eben von Anfang mittels der Bargeldzahlungen der CIA gefördert wurde. Aufgrund dieser Praktik witterte jeder das große Geld im „War on Terror“ und erfand neue Wege, um daran zu kommen. Das Resultat der Korruption am Hindukusch sind einige wenige Reiche, meist Politiker, sogenannte Contractor, die für die US-Truppen arbeiteten sowie die bekannte Warlord-Mafia, während bis heute in den meisten Regionen des Landes keinerlei Infrastruktur existiert.

Ironischerweise sorgten Geldkoffer auch während des Abzugs der NATO aus Afghanistan für einige Schlagzeilen. Anfangs hieß es etwa, dass der letzte, von Washington-installierte Präsident des Landes, Ashraf Ghani, mit Taschen und Koffern voller Bargeld das Land verlassen habn. Einigen Berichten zufolge handelte es sich hierbei um eine gezielte Desinformationskampagne der russischen Botschaft in Kabul, die zuerst diese Nachricht gestreut haben soll. Später stellte sich allerdings heraus, dass sie gar nicht so falsch gewesen sein soll. Allein dem afghanischen, von der CIA aufgebauten Geheimdienst NDS (National Directorate of Security) stand ein jährliches Budget von 225 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Er soll Zugriff auf mindestens siebzig Millionen US-Dollar in Bargeld gehabt haben. Am 14. August 2021, einen Tag vor der Flucht Ghanis und dem Fall Kabuls an die Taliban, sind diese Gelder verschwunden.

Verdrängte Massaker

Ausgiebig erwähnt wird von „Spy Ops“ auch der Warlord Abdur Rashid Dostum, der gemeinsam mit US-Soldaten und CIA-Agenten den wahrscheinlich letzten Kavallerieritt der Kriegsgeschichte antrat. Das Bündnis zwischen Dostum und seinen Milizen und den Amerikanern war auch Inhalt des Films „12 Strong“ aus dem Jahr 2018. Was sowohl im Film als auch in der Netflix-Doku nicht behandelt wurde: Das Massaker von Dasht-e Laili, bei dem Dostum Tausende von Kriegsgefangenen in Containern in der Wüste in der Hitze schmorren und ermorden ließ. Unter den Opfern befanden sich nicht nur Taliban-Kämpfer, sondern auch zahlreiche junge Männer, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Kenner der Region betrachten das Massaker, bei dem die Amerikaner als Mittäter zusahen, als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der modernen afghanischen Geschichte.

Eine ähnliche Ignoranz und Reinwaschung lassen sich auch im Kontext der zahlreichen US-Bombardements, die in den ersten Tagen des Militäreinsatzes stattfanden, finden. Schätzungen zufolge wurden mindestens 4.000 Afghanen durch klassische Luftbombardierungen sowie Drohnenangriffe getötet. Für diese Operationen waren sowohl das US-Militär als auch die CIA verantwortlich. Die Opfer dieser Angriffe finden in „Spy Ops“ keinerlei Beachtung. Stattdessen wird das Bild des sauberen Antiterror-Krieges, der ausschließlich die „bösen Buben“ eliminierte, propagiert. Ein Bild, das in den letzten Jahren immer wieder dekonstruiert wurde. Abermals war der August 2021 hierfür mehr als symbolträchtig, als viele Taliban-Führer, die in den Jahren zuvor nach vermeintlich präzisen Drohnenoperationen für „tot“ erklärt wurden, in Kabul triumphierend einmarschierten. Währenddessen stellt bis heute niemand, auch nicht das „woke“ Netflix, die wohl offensichtlichste Frage schlechthin: Wer waren all die Afghanen und Afghaninnen, die an deren Stelle im Feuer der Bomben und Raketen sterben mussten?

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18 Kommentare

  1. Obama hat mit den von ihm genehmigten Drohnenmorden 10000+ Zivilisten auf dem Gewissen. Der Friedensnobelpreisträger ist ein Massenmörder und Kriegsverbrecher.

  2. “Gerade im heutigen Zeitalter wäre es wichtig, einem übermäßig jungen Publikum, wie es sich bei Netflix finden lässt, die Folgen kurzsichtiger Waffenlieferungen zu erklären.”

    Die Entscheidungsträger in den USA und Europa sind aus meiner Sicht kein “junges Publikum”, in vielen Fällen sind sie eher Gerontokraten. Und ein aktueller Blick gen Osten in die Ukraine sagt mir – “kurzsichtige Waffenlieferung” können auch die Alten. Nicht umsonst heißt es: Alter schützt vor Torheit nicht!

    1. “die Folgen kurzsichtiger Waffenlieferungen zu erklären.”

      Das hat Baerbock schon ziemlich am Anfang nach Russlands Kriegseintritt getan: “Das [die Aufrüstung+Sanktionen] wird Russland ruinieren.”

      Der Witz ist, dass im Vorfeld schon soviel vorbereitende PsyOp-Arbeit geleistet wurde, dass das heimische Publikum schon ganz wild darauf ist, dem zuzusehen.

      Auch bei der obigen Erzählung von Emran Feroz flogen die Sowjets zuerst mit den Hubschraubern in Dörfer und rotteten die Bevölkerung aus und als die braven Amerikaner das sahen, lieferten sie schnell Stinger-Raketen, damit die bösen Sowjets abgeschossen werden konnten.

      Dass das wohl genau so war, fühlt jeder im Bauch, der Rambo III gesehen hat.

      Dass die Sowjets überhaupt in größerem Maße mit Soldaten nach Afghanistan gekommen sind, weil die dshihadistische Opposition wegen der linken Regierung massiv von der CIA mit Geld und Waffen ausgerüstet wurde (vgl. ebenfalls Ukraine Nuland 5 Mrd Dollar, 2014 Schießereien in Kiew, dann Putsch), kommt ihm bei all dem Schießen und Pulverrauch, dann nicht mehr in den Blick.

      1. @ Müsli…
        Jaja, der Autor hat schon eine eigenwillige Sichtweise. Der gute Freund aus USA hat ja die Blutsaeufer und Massenmoerder Dostan, Massud, Hekmatjar und ähnlichem Gesocks noch den Mohnanbau und den Heroinhandel in wahrhaft globalem Masse ermöglicht. Und erst die rechtsfreie Gewaltherrschaft dieser Feudalherrschaften hat den gezielten Aufstieg und Akzeptanz der Taliban ermöglicht. Aber das ist wohl eine andere Geschichte…

    1. Ich würde die Region schon allein meiden, da CastleGate in der Nähe ist. Aber um so mehr ich mich damit beschäftige, gibt es immer mehr Orte die ein potentielles Anschlagziel sind. Am besten ist wohl aus Deutschland wegzuziehen.

  3. Psst, wussten sie schon, daß die Geheimdienste die gefährlichsten Einheiten sind, wo nicht ein einziger Staat in der Lage ist, diese zu kontrollieren?
    Sehen Sie, die armen Politiker sind getriebene dieser unendlichen Macht, aber morgen gehen sie doch wieder wählen, gelle.
    Denn unsere Partei wird ruinierte Landschaften zum blühen bringen, und tatsächlich blühten diese Landschaften auf mit Bombenteppiche die ihresgleichen suchen.

  4. Wokeness auf der einen Seite, auf der anderen massiver Militarismus inklusive massiver Geschichtsfälschungen. Passt ja gar nicht. Denkt man.

    Wenn aber doch? Wenn die Wokeness zur Abstreitung des Militarismus herangezogen wird? Exakt so habe ich diese Wokeness immer eingeschätzt und bin an dieser, wie auch anderen Stellen immer mit diesem Vorurteil bestätigt worden.

    Wie die Deutschen mit ihrem riesigen Holocaust-Denkmal. Jetzt will man aber nichts mehr hören von wegen Naziverdacht. Bloß weil hier ein NSU herumläuft. Und bloß, weil man sich mit der Ustascha von Franjo Tudjman so gut verstanden hat. Wie später auch mit den Banderisten in der Ukraine.

    All das hat nichts zu sagen, Wir haben dieses Denkmal. Und wir verbitten uns Verdächtigungen aller Art.

    1. Dazu gibt es seit rund 2 Jahren das Meme: if netflix made a WW2 documentary

      https://www.google.com/search?q=%22if+netflix+made+a+WW2+documentary%22

      Zur Sicherheit habe ich das nur über Google verlinkt. Das Meme ploppte aus aktuellem Anlass – dem mit Standing-Ovations begleiteten Auftritts des Veteranen der SS-Division Galizien im kanadischen Parlament, wieder hoch.

      In ähnliche Richtung hat das gestern in 3sat Kulturzeit die jüdische Autorin Deborah Feldman anlässlich ihres Buchs “Judenfetisch” erklärt.

    1. Bist Du dabei ein Zungenbrecher zu kreieren, irgendwie funktioniert es jedoch noch nicht so ganz 😉

      “Empörte empören sich über Empörte,
      die sich wiederum über empörende Empörte empören empörten.
      Anderseits empörten Empörende empörtend sich über Empörte
      empörende über Empörende empörte empörlich.”

      Wäre mein Vorschlag :-))

  5. Hier mal ein paar Groschen…

    Kapitel I: Der Systemtempel
    Kapitel II: Netflix und Co.

    I:
    Das herrschende System und seine die Gesellschaft dominierende Weltanschauung kennt eine Reihe von Prinzipien, die man als unumstößliche Säulen bezeichnen könnte. Wer sie in Frage stellt oder es doch wagt ihren Umsturz zumindest zu versuchen, gerät in den Fokus gezielter Repressionsmaßnahmen, die ich andernorts skizziert habe und welche ein paar Mitforisten bereits ergänzten.

    Vereinfacht dargestellt ist die volkswirtschaftliche Säule des Systemtempels der „Kapitalismus“ (seit den 1970ern vom global-ausgerichteten Washington Consensus geprägt, hierzulande wären u.a. Aspekte wie Privatisierung, Exportfixiertheit, Austerität und Sozialabbau zu nennen). Die militärisch-sicherheitspolitischen Pfeiler wiederum sind außenpolitisch insbesondere NATO / EU („Westbindung“) und innenpolitisch Militarisierung und Massenüberwachung. Hinzu kommen verschiedene andere Stützen wie das Prinzip der Massenmigration, spezifische (wechselnde) Feindbilder, die auch nochmals unter dem Giebeldach aushängen (der „Ivan und seine asiatischen Horden aus dem Osten“, die „gelbe Gefahr“) sowie als weitere wichtige Träger die Identitätspolitiken. Es ist wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass es nicht nur eine gibt, sondern mehrere, mit denen vom herrschenden System unterschiedliche gesellschaftliche (Alters-)Gruppen adressiert werden. Man könnte sagen, die identitätspolitischen Säulen des Systems haben denselben Sockeltyp, aber ein unterschiedliches Frieß (Architekten und Althistoriker mögen Präzisierungen und Verbesserungsvorschläge zu meiner Metapher einreichen). In das Auge des Betrachters rückt seit ein paar Jahren insbesondere die stark beworbene und eigentümlich faszinierende des Wokeismus („Gender“, „Klimagerechtigkeit“, „Pulse of Europe“ etc.). Prinzipiell gibt es aber noch weitere identitätspolitische Säulen wie etwa „Religion“ oder „Nationalradikalismus“. Manche davon werden aber nicht mehr so gepflegt und liegen (derzeit) eher im Schatten. Wenn sich der Wokeismus irgendwann totgelaufen oder der Betrachter an seinem Frieß sattgesehen haben sollte, wird er zu einer anderen Säule weitergeführt.

    Dieser heilige Ort hat einen schönen, weitläufigen Garten mit verschiedenen Anlagen und in ihm wird der Mehrheit seiner Bewohner („der goldenen Milliarde“) die Werte des Tempels sowie die Bedeutung seiner Säulen vermittelt – und insbesondere, dass man nicht an ihnen rütteln sollte, denn sonst kommen die Tempelwächter. Diese Vermittlung ist im Grunde ein lebenslanger Prozess, genau wie diese Anlagen auch immer wieder um- oder neugestaltet werden. Eine Anlage ist die „Schule“, für manche Erlesenen später die „Hochschule“, andere Anlagen finden sich in Gestalt von „Kultureinrichtungen“, „sozialen Medien“ und der klassischen „Medienlandschaft“ selbst. Wer sich bei diesem Vermittlungsprozess besonders in den Vordergrund spielt, die Inhalte am tiefsten verinnerlicht oder anderweitig positiv der Priesterschaft auffällt, hat die Möglichkeit im Tempelsystem Karriere zu machen und vielleicht am Ende einer der Hohepriester selbst zu werden. Wer dagegen – aus welchem Grund auch immer – zu oft abgelenkt ist, wer kränkelt, nicht die richtige Nase hat, oder wer gar die vermittelten Inhalte hinterfragt – nun, der landet eher in der Wäscherei oder der Putzkolonne des Baus und ganz unziemliche gar in dessen Kerker. Kinder der Hohepriester haben natürlich einen Startvorteil gegenüber Kindern der Wäscherinnen und werden in der Regel später selbst Hohepriester. Manche durchlaufen vorher vielleicht eine rebellische Phase, in der sie kurz bei der Putzkolonne mitziehen.

    Die Pflanzen im Garten sind übrigens alle höchst unterschiedlich, gehören aber zu ein und derselben Gattung und Geschmacksrichtung. Die Systemjournalisten stellen dabei eine Art Tempeldiener dar, die permanent dafür sorgen, dass wir Bewohner von der Außenwelt („Dschungel“) wie auch den hässlicheren Abschnitten jenes heiligen Gemäuers und seines Gartens (Flaschensammelnde Omas, Folgen der Pandemiemaßnahmen, Kerkerinsassen etc.) abgeschirmt werden. Sie bekämpfen auch Pflanzenarten, die vom Dschungel hineinmigrieren könnten (bspw. RT Deutsch), denn die Hohepriester sehen diese als Gefahr für ihren Tempel und seinen Garten an. Sollte sich also doch einmal ein Blatt, eine Biene oder ein stechender Geruch nach drinnen verirren oder die Bewohner eine pfandsammelnde Oma entdecken oder einen seltsamen Fleck auf ihrer eigenen Kleidung, stehen deshalb sofort hilfreiche Adlaten („Experten“) parat, die das Gesehene und Geschehene einzuordnen und zu erklären wissen.

    Wie gesagt gibt es auch eine gewisse Menge Leute, denen die vorgeblichen Segnungen des Tempels nicht zusagen und denen die Früchte und Pflanzen des Gartens einfach nicht schmecken – die sind dann schnell „raus“ aus der (Tempel)gesellschaft, dürfen bestenfalls seinen Marmorboden schrubben oder lungern unter seinen Vordächern herum (einige beispielsweise hier bei Overton). Ob man nun beim Tempelkult mitmacht oder nicht, ob es einem gut geht oder schlechter, über allen schwebt das Schwert der Tempelwächter, das jederzeit herniedersausen kann, wenn die Hohepriester dies anordnen. Dann verliert man seine Arbeit („Impfpflicht“), sein Haus („Heizungsumbaupflicht“), oder gleich sein ganzes Leben – mehr oder weniger sprichwörtlich (Assange, Gustl Mollath, Spacey, Barschel, Edathy…).

    Das nochmals als Vorspann. Es folgt –

    Kapitel II:

    Die Streamingplattform Netflix achtet gerne auf Diversität und soziale Gerechtigkeit. Dabei verbreitet sie auch US-Kriegspropaganda und wäscht den „War on Terror“ rein, wie anhand einer neue Doku-Reihe deutlich wird.

    Ne, Netflix verbreitet nicht „auch US-Kriegspropaganda“, Netflix verbreitet allgemein westliche Systempropaganda, ob aus den USA, GB oder Deutschland stammend (da es ein US-Medium ist überwiegen natürlich dortige Inhalte). Es preist die Früchte des Gartens an, propagiert die Mantras seiner Hohepriester und erklärt „uns“ die Säulen „unseres“ heiligen Tempels – der sicherheitspolitische Pfeiler ist nur einer davon, genauso wie der „War on Terror“ nur eines von vielen Mantras darstellt. Andere sind beispielsweise die von Feroz‘ unkritisch präsentierten Slogans „Diversität“ und „soziale Gerechtigkeit“, die Fresken der identitätspolitischen Säulen entstammen. Mit den Werten der Aufklärung haben sie nichts (mehr) zu tun, mit den Werten des herrschenden Systems ziemlich viel. Das sollte man sich immer vergegenwärtigen.

    Netflix steht da aber beileibe nicht alleine im Feld – YouTube, Amazon Prime, Insta und der Rest der GAFA Co. KG haben alle dieselbe Funktion. Die erwähnten Inhalte zu vermitteln ist ihre Kernfunktion; würden sie anfangen massig Filme über den „Dschungel“ zu drehen, dessen Bewohner zu sehr zur Sprache kommen lassen oder gar plötzlich die Gestaltung einzelner Friese unserer heiligen Säulenhalle hinterfragen, würden sie schneller eingedampft als man „Tucker Carlson“ rufen kann. Thomas Röpers YouTube-Kanal wurde nicht von ungefähr vor kurzem gleich wieder gelöscht – beide stehen auch nur als partes pro toto, egal was man ihnen halten mag. Dafür braucht es nicht einmal einen konkreten Befehl(sgeber) – oft ist es inzwischen Selbstzensur und Druck vom Bodenpersonal und „Usern“ („cancel-culture“-Aktivisten). Die systemischen Mechanismen wirken und entfalten sich durchaus auch ganz ohne Zutun der Hohepriester, wie ich an anderer Stelle schrieb.

    Die Filmindustrie wie auch die (sozialen, privaten und öffentlich-rechtlichen) Medien sind natürlich nicht nur monolithisch zu verstehen. Sie spielen diverse Rollen und haben unterschiedliche Funktionen. Aber weil im Artikel die Aufstandsbekämpfung so im Vordergrund steht, möchte ich darauf hinweisen, dass auch Netflix und Co. letztlich nichts anderes als Aufstandsbekämpfer sind. Nur bekämpfen sie vornehmlich (potentielle) Aufständische an der Heimatfront. Auch bei ihnen geht es – wie bei der klassischen COINT – darum die Herzen und Hirne der (westlichen!) Bevölkerungen zu gewinnen, zumindest deren Mehrheit. Dieser Prozess ist vielschichtig und auch hier wirken systemische und intentionale Faktoren zusammen. Es gibt nicht den einen Entscheider oder Dompteur, der das ganze anleitet und überwacht. Oder bloß eine Gruppe. Natürlich lassen die herrschende Kaste und ihre Träger wie der militärisch-industriell-finanziell-mediale Komplex auch Filme bewusst anfertigen. Andere entstehen aus systemischen Geboten heraus oder den Zwängen und Einflüssen der Blasen, in dem sich die Filmemacher und Produzenten bewegen (beispielsweise der Woken oder der Militärs oder beiden zusammen). Die Entscheider wirken somit auf das System, aber das System wirkt auch auf die Entscheider. Der Prozess ist vielschichtig, aber an seinem Ende steht folgendes (ebenso komplexes) Resultat: Filme und Serien wie die geschilderten sollen die Durchschnittsmenschen ablenken, ruhigstellen, (unterbewusst) schulen, von der Verführung der Revolte abbringen und in die gewünschte Richtung lenken, ihre Aufmerksamkeit fesseln und gleichzeitig ihre Daten abgreifen und in ihre persönliche digitale Cloud einspeisen (falls sie doch mal revoluzzen, weiß man immerhin gleich, wen man vor sich hat – zwei Fliegen mit einer Klappe). So ist sichergestellt, dass besagte Durchschnittsmenschen „brave, normale, saubere, konsumierende, daddelnde Bürger“ bleiben (zumindest näherungsweise) oder gleich zu Aktivisten und Chorknaben des Systems mutieren. Wer nicht mitmacht, der ist dann eben raus aus der Gesellschaft („Wie Du hast kein Netflix?!?!“) – ist auch wieder eine hübsche Sanktion und dies gewiss nicht unintendiert.

    Schwarze, asiatische oder queere Schauspieler werden hervorgehoben. An sich ist das natürlich nichts Schlechtes.

    Wenn man einen Film über eine bestimmte Bevölkerungsgruppe dreht, ist es sicherlich nicht schlecht diese in den Vordergrund zu rücken. Aber inzwischen bei immer mehr Filmen sogenannte „diverse“ Akteure zwanghaft in den Lichtkegel zu schubsen, ist durchaus zu hinterfragen und dieses Hinterfragen keineswegs etwas „Schlechtes“. Denn bei diesem Prozess geht es vornehmlich um das Einschleifen eines herrschenden Mantras verbunden mit exzessivem „virtue signalling“ – hier am Beispiel „Diversität“. Und die Drehbücher leiden auch, wie der Autor selbst feststellt.

    Andererseits: Wenn bei „Bridgerton“ die Queen schwarz zu sein hat, bin ich durchaus gespannt wann endlich Hitler von einer dicken, lesbischen Südstaatenmoma*in gespielt wird…

    Gerade im heutigen Zeitalter wäre es wichtig, einem übermäßig jungen Publikum, wie es sich bei Netflix finden lässt, die Folgen kurzsichtiger Waffenlieferungen zu erklären. Auch eine etwas allgemeine Geschichtsstunde zur Region wäre in diesem Kontext angebracht gewesen.

    Aber sie geben doch eine „allgemeine Geschichtsstunde zur Region“ – eben aus Perspektive der Hohepriester! Deswegen ist es zwingend logisch, ja sogar notwendig, den Afghanistan-Krieg mit 9/11 beginnen zu lassen. So wie im deutschen TV Schinken à la „Die Gustloff“ oder „Die Flucht“ zwingend 1944/45 einsetzen mussten, als der „Russe“ vor der Tür stand. Ja, warum stand er denn da, der ach so pöse, mordende, vergewaltigende Ivan, vor dem Maria Furtwängler so Angst hat, dass sie nach Niedersachsen fliehen und Kriminalkommissarin werden musste? Warum lag denn die „Gustloff“ wie dem Nichts entwachsen im Hafen von Gdingen – pardon, für meine vollzeitdeutsche Verwandtschaft natürlich: Gotenhafen – am Kai? Ah ja, aufgrund des damaligen „sowjetischen Anmarsches auf die Ukraine und auf Deutschland“, wie der ukrainische Geschichtsprofessor Arseni Jazenjuk uns vor Jahren bereits zu vermitteln wusste. Aufgrund jenes Anmarschs hat ja auch Baerbocks Opa an der Oder kämpfen müssen. Denn bekanntlich ist „the conflict between Russia and Ukraine (…) nothing new, and (…) Ukrainians have unfortunately been subject to foreign aggression for far too long now“ wie der kanadische Parlementspräsident Rota gestern nochmals betonte. Und die Taleban sind eben so etwas wie die Russen vom Hindukusch. Wenn demnächst Filme über den Ukraine-Krieg gedreht werden, haben die auch am Donnerstag, den 24. Februar 2022 einzusetzen. Der Krieg begann eben vor 581 Tagen und wer irgendetwas mit „April 2014“ raunt, der verbreitet „russische Narrative“ und „Propaganda“. Simple as that, Klappe zu, Affe abgedreht.

    Damit möchte ich übrigens nicht sagen, dass jeder Film eine historische Einordnung braucht. Der von mir dramaturgisch geschätzte Streifen Dunkirk kam gut ohne Erklärung des Aufstieg Hitlers, des Dyle-Breda-Plans oder Guderians Durchbruch bei Sedan aus und man kann wie gesagt auch einfach mal nur ins Kino gehen – wenn man das Geld übrighat (Pro-Tipp: auf die DVD warten und an der Tanke Knabbereien kaufen, ist inzwischen örtlich durchaus günstiger). Aber die Mechanismen des hiesigen Film- und Mediensystems sollten eben immer im Hinterkopf bleiben.

    Kenner der Region betrachten das Massaker, bei dem die Amerikaner als Mittäter zusahen, als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der modernen afghanischen Geschichte. Eine ähnliche Ignoranz und Reinwaschung lassen sich auch im Kontext der zahlreichen US-Bombardements, die in den ersten Tagen des Militäreinsatzes stattfanden, finden.

    Ja, Kenner der Region Donbass betrachten auch das Niederkartätschen des dortigen Aufstands, bei dem die Amerikaner als Mittäter durch Entsendung von Beratern und Söldnern bereits vor neun Jahren mitwirken, als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen der modernen ukrainischen Geschichte an. So what? Their (pretended) ignorance is not a bug – it’s a feature! Würde man die Geschichte kritisch einordnen und die Mantras hinterfrage, geriete ja der Tempel in Schieflage!

    Deshalb ist auch die folgende Frage des Autors obsolet:

    Währenddessen stellt bis heute niemand, auch nicht das „woke“ Netflix, die wohl offensichtlichste Frage schlechthin: Wer waren all die Afghanen und Afghaninnen, die an deren Stelle im Feuer der Bomben und Raketen sterben mussten?

    Wer krähte denn einstweilen nach den Jemeniten, den Donbassern, den unter „unseren“ Sanktionen leidenden Syrern und Kubanern? Über sie alle breitet man in „unserem“ Tempel sehr gerne den Mantel des Schweigens. Die Stimmen und Erfahrungen dieser Betroffenen – unserer Opfer – zählen nichts, denn sie sind keine Menschen mehr, sondern bestenfalls Dinge, die leb(t)en. „Dschungel“-Bewohner eben. Ihr Nicht-Erscheinen auf der Leinwand ist im Grunde nur das Wiederholen ihres Verschwindenlassens und Sterbens – diesmal eben im Virtuellen. Und das aus gutem Grund. Einerseits geriete ihr allzu deutliches Mitwirken ja zu einer beständigen Anklage gegen „uns“. Das drohte den Tempel zu unterminieren und das können wir nicht zulassen. Zudem ist es natürlich ein Zeichen nach innen – wir sind die Guten und unsere Einsätze dienen einer guten Sache. Damit soll die Mehrheit bei der Stange gehalten werden. Und drittens ist es einfach die mediale Wiederholung der Aufstandsbekämpfung – wir haben uns bei unseren Einsätzen einen Dreck um euch geschert und wenn wir Filme drehen, die dann vielleicht in euren Kinos laufen, zeigen wir euch glatt nochmals, dass ihr für uns nichts zählt. Die Filme sind somit auch ein Signal nach draußen in den Dschungel.

    Stattdessen wird das Bild des sauberen Antiterror-Krieges, der ausschließlich die „bösen Buben“ eliminierte, propagiert.

    Und genau da liegt der Hase im Kraut. Es geht ums Propagieren. Nochmals: Filme und Serien sollen die Zuschauer nicht nur unterhalten und ablenken. Sie sollen auch beeindrucken und dem Zuschauer die Werte des Tempels vermitteln. Die Römer mussten für Brot und Spiele noch in den Zirkus gehen, wo man ihnen mehr oder weniger subtil die Werte und Vorzüge des Imperiums aufzeigte. Bei uns sitzt der Zirkus seit Jahrzehnten im Wohn- und Schlafzimmer und schleudert uns alltäglich die Werte „unseres“ Imperiums entgegen…

    Abschließendes Beispiel: Der Film Zero Dark Thirty behandelte die Suche nach und Tötung von Osama Bin Laden. Er spielte insgesamt rund 130 Millionen Dollar ein und hat bei „Rotten Tomatoes“ über 90 % Zustimmung. Dagegen kam der durchaus mit einigen „Stars“ gespickte Streifen The Mauretanian, der sich der Geschichte von Mohamedou Ould Slahi annahm – eines Opfers unseres „War on Terrors“ – lediglich auf knappe 3,3 Millionen bei weniger Zustimmung. Auch in der Öffentlichkeit war er deutlich weniger präsent. Nun kann man sagen The Mauretanian war vielleicht nur „liberaler Arthousekram“. Ich sehe es anders: Letzterer konfrontiert uns mit unseren Opfern, er schmerzt – uns, wie die Hohepriester. Man mag ihn hier und da auszeichnen, aber auf das Schild hebt man ihn nicht. Ersterer dagegen ist ansprechend gemacht, wirkt subtil und präsentiert die Vorzüge von Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen. Er unterhält, zeigt Action. Er weckt das Gefühl, dass Folterpraktiken, die extralegale Tötung eines „Terroristen“ oder die entmenschlichenden Haftbedingungen in Guantanamo Bay schon in Ordnung gehen. Dass man manchmal auch Recht brechen muss und – natürlich – dass unser System gut ist und seine Träger doch irgendwie das richtige tun. Und gerade deshalb eignen sich er – oder die hier rezensierte Serie – wunderbar als Propaganda-Werkzeuge für die Sache des Tempels. Deswegen laufen sie zur besten Sendezeit im Zirkus – pardon – im Fernsehen und die Geschichte über die Opfer kommt bestenfalls nach 22:00 Uhr…

    So, das waren meine heutigen Groschen aus dem Plattenbau. Konstruktive Anmerkungen und Ergänzungen sind wie immer gern gesehen. Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass Julian Assange auf der Stelle frei gelassen werden sollte.

    1. @ Altlandrebell
      Danke einmal mehr für Ihren beachtenswerten Beitrag.
      Eine Zusatzbemerkung: Jede Information, ob mündlich, visuell als Film/Reportage/Dokumentation, schriftlich, kann der Empfänger/Konsument als eine vorselektierte Wahrnehmungssteuerung betrachten. Dies zu erkennen oder im Gleichschritt der gewünschten vermeintlichen öffentlichen bzw medialen Meinung zu marschieren ist eine geistige Freiheit die man sich höchst subjektiv leisten kann (Gedanken sind frei, sie fliegen vorbei…) und will oder auch nicht.🥳🥳🥳

  6. Leider hat der Artikel insgesamt praktisch nichts mit der Titelzeile zu tun. Was hat der Autor erwartet von einer “Doku” einer US-Unterhaltungsfirma zu Afghanistan??? Genausogut könnte man Rambo I-X (wieviele Teile gabs eigentlich?) als Dokumentation ansehen….Zeitverschwendung!

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