Essen ist Globalisierung: Warum wir Kolumbus die Kartoffel verdanken

Kartoffeln auf dem Feld
Quelle: Pixabay

Wir alle essen – mal mit Genuss, mal mit schlechtem Gewissen, mal mit Freunden oder der Familie, mal ganz für uns alleine. Wir kochen mit Stolz unser erstes eigenes Steinpilzrisotto, freuen uns auch mit 40 Jahren noch, wenn Oma ihre Pfannkuchen macht und probieren mit Verwunderung die andersartigsten Geschmäcker der Welt.

In zwanzig lebendigen Thesen zeigt Gesellschafts-Journalistin Sira Huwiler-Flamm in ihrem Buch „Hinter dem Tellerrand“, dass Essen und die Art und Weise, wie wir es zubereiten, uns erst zu Menschen gemacht hat. Denn Essen prägt unser Miteinander, bestimmt unser Zugehörigkeitsgefühl, nährt unsere Seele und hält unseren Körper gesund. Kurz: Essen ist etwas ganz Besonderes, das viel mehr Respekt verdient hat, als wir ihm in der Hektik des Alltages manchmal schenken!

Ob Pellkartoffeln mit Quark, Salzkartoffeln mit Fischfilet oder Kartoffelsalat – oft halten wir Kartoffeln für ein urdeutsches Grundnahrungsmittel. Sogar den nicht immer ganz so nett gemeinten Spitznamen »deutsche Kartoffel« hat uns die Knolle eingebracht (aber dazu später mehr, siehe: Essen ist … Rassismus). Zahlreiche Namen haben wir für die Bodenfrucht – von Erdapfel im Süden, über Grumbeere im Pfälzischen, Knolle im Nordosten bis hin zu Duffel im Siegerland. Dem Entdecker Christoph Kolumbus ist es aber zu verdanken, dass es Kartoffeln in Europa überhaupt gibt. 1492 stach er in See, um den kürzesten Weg nach Indien zu finden. Nach 71 Tagen war endlich Land in Sicht. Statt Indien erreichte der italienische Seefahrer unter spanischer Flagge aber die neue Welt – Amerika war entdeckt und damit jede Menge Baum-, Busch- und Bodenfrüchte, die in Europa noch keiner kannte.

Der Kolumbus-Effekt

Bei seiner Rückkehr 1493 brachte er zum Beispiel Mais mit nach Europa, rund 40 Jahre später (um 1539) brachten andere spanische Seefahrer die ersten Kartoffeln mit über den Atlantik. Anfangs fand die erdige Knolle nicht einmal Anklang. Erst Friedrich der Große brachte die Kartoffel unters Volk, und zwar mit offiziellen »Kartoffelbefehlen« – zwischen 1746 und 1768 sind mehr als ein Dutzend öffentliche Anweisungen dokumentiert. Darin hieß es beispielsweise am 24. März 1756:

»Es ist von uns in höchster Person in unseren anderen Provinzen die Anpflanzung der sog. Tartoffeln, als ein sehr nützliches und sowohl für Menschen als Vieh auf sehr viel-fache Weise dienliches Erd-Gewächse, ernstlich anbefohlen. Da Wir nun bemerkt, dass man sich in Schlesien mit Anziehung dieses Gewächses nicht sonderlich abgibt; als [darum] habt ihr denen Herrschaften und Untertanen den Nutzen von Anpflanzungen dieses Erd-Gewächses begreiflich zu machen, und denselben anzuraten, dass sie noch dieses Frühjahr die Pflanzung der Tartoffeln, als einer sehr nahrhaften Speise, unternehmen müssen.«

Damit wollte er Hungersnöten entgegenwirken, die die Bevölkerung zu dieser Zeit nach Kriegen plagten. Und siehe da: Die Befehle fruchteten und Deutschland wurde Kartoffelland.
Was mit Mais und Kartoffeln begann, wird heute als »Columbian Exchange« (deutsch: Kolumbus-Austausch oder Kolumbus-Effekt) bezeichnet. Der US-Historiker Alfred W. Crosby prägte diesen Begriff, der sich in den 1970er-Jahren durchsetzte. Und die Arte-Doku »1492: Der Kolumbus-Effekt« zeigt diese wechselseitige »Geschichte eines Transfers zwischen zwei Welten« eindrucksvoll auf: Während im südamerikanischen Reich der Inka bereits vor rund 8000 Jahren mit bloßen Händen Kartoffeln als Züchtung teils giftiger Pflanzen angebaut, und im heutigen Gebiet des Mississippi vor etwa 1500 Jahren Mais als Grundnahrungsmittel kultiviert wurde, aßen die Europäer bis zum Columbian Exchange hauptsächlich Brei und Brot aus Getreide.

Aus acht mach 30.000

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung »war das alte Europa arm und bedürftig«. Mit den buntesten Tropenfrüchten wie Mangos, Papayas, Kakao und Kokosnüssen oder bis dahin unbekannten Gemüsesorten wie Tomaten, Kürbissen und Chili muss Südamerika für die Europäer damals wie das wahre Schlaraffenland gewirkt haben. Die Vielfalt auf europäischen Esstischen nahm seither deutlich zu. Im Gegenzug brachten die Seefahrer aus Europa aber auch neue kulinarische Vielfalt auf den neu entdeckten Kontinent. Denn weder Pferde noch Rinder noch Hausschweine oder Schafe gab es dort ursprünglich. Damit fehlte auf dem Speiseplan der Menschen auf der anderen Seite des Atlantiks bis zum ­Exchange nicht nur Fleischvielfalt. Die Möglichkeiten in der Landwirtschaft waren ohne domestizierte Nutztiere auch begrenzt. Professor Joachim Radkau, Historiker an der Universität in Bielefeld, sagt in der Arte-Doku:

»Die alte europäische Landwirtschaft beruht auf einer Kombination von Ackerbau und Viehzucht. Das war bei der Alt-Amerikanischen nicht der Fall. Und durch diese Kombination […] besaß unsere Landwirtschaft ökologisch gesehen entscheidende Vorteile.«

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Durch das Vieh wurden nicht nur die Felder immer wieder gedüngt und dadurch die Fruchtbarkeit erhalten. Die Landwirtschaft habe auch ökologische Reserven gebildet – »durch die Notwendigkeit, für das Vieh immer Weidegründe zu haben«. Der Kolumbus-Effekt brachte also die moderne Form der Landwirtschaft erst nach Amerika.

Acht Schweine soll Kolumbus 1493 mit an Bord gehabt und so in die Karibik gebracht haben – 20 Jahre später waren daraus bereits 30 000 Schweine geworden, die erst Kuba, dann die Anden, den Amazonas und schließlich Nordamerika eroberten. Anfang des 17. Jahrhunderts kamen dann auch erste Siedler aus Europa nach Amerika, brachten Vieh, Getreide, Bäume und sogar bestäubende Honigbienen mit, die ebenfalls aus Europa stammen. So kam die neue Welt schließlich in den Genuss von Äpfeln, Birnen, Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen, Feigen und Oliven. Bald durchstreiften riesige Rinderherden Nord- und Südamerika. Und bereits 1877 transportierte das erste Kühlschiff gefrorenes Rindfleisch von Argentinien nach Frankreich. Heute sind Kartoffeln mengenmäßig an fünfter Stelle der deutschen Exportgüter, in Österreich landet Mais unter den Exportgütern in Tonnen auf Platz drei.

Während viele Lebensmittel heute in vielen Ländern der Welt produziert werden, gibt es auch Produkte, die überwiegend in einer Region angebaut, geerntet und von dort aus in die ganze Welt exportiert werden. Ein Beispiel ist Safran: Mindestens 90 Prozent des teuersten Gewürzes der Welt werden aus dem Iran exportiert. Ein Kilo Safran kostet 2025 zwischen 3000 und 10.000 Euro, ein Gramm kostet im Einzelhandel zwischen 5 und 10 Euro. Kein Wunder, dass mittlerweile auch Landwirte in Österreich, der Schweiz und sogar rund ein Dutzend in Deutschland das »rote Gold« anbauen. So teuer ist dieses Gewürz, das aus Krokusblüten stammt, übrigens, weil etwa 150.000 bis 200.000 Blüten von Hand geerntet werden müssen, um ein Kilo getrocknete Safranfäden zu erhalten. Ein weiteres Beispiel ist die echte Vanille: Mindestens 60 Prozent der weltweiten Produktion der dunkelbraunen Schoten wird heute auf Madagaskar angebaut, während das Gewächs ursprünglich aus Mexiko stammt. Bis vor wenigen Jahren kamen sogar mehr als 80 Prozent der Vanilleschoten aus Madagaskar. Doch ein schwerer Zyklon sorgte im März 2017 für eine echte Vanillekrise: Hütten wurden zerstört, 81 Menschen starben und fast ein Drittel der Ernte wurde vernichtet. Wenige Monate später überstiegen die Vanillepreise sogar den Preis von Silber: Rund 550 bis 600 US-Dollar kostete damals ein Kilogramm Vanilleschoten – fünf Jahre zuvor waren es noch rund 20 Dollar pro Kilo. Dieses Beispiel zeigt, dass die monopolartige Konzen­tration von Anbaugebieten einen enormen Einfluss auf die Handelspreise weltweit haben kann.

Sira Huwiler-Flamm

Die Journalistin Sira Huwiler-Flamm schreibt unter anderem für Bild der Frau, die Schweizer Handelszeitung und das Südkurier Medienhaus. Ihre Themenschwerpunkte sind Psychologie, Medizin uns soziale Themen. Sie studierte Soziologie und Medienwissenschaften an der Universität Basel.
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19 Kommentare

  1. Was,sagt Karl Napp der Erfinder der nahtlosen Pellkartoffel dazu?
    Diese Frage bleibt wie immer wenn es um die Kartoffel geht leider unbeantwortet

  2. Nun ja… Safran ist ja nun kein gutes Beispiel für die Auswirkungen monopolisierten Anbaues auf die Handelspreise. Da ist es schlicht der riesige Arbeitsaufwand, der in EU-Staaten gar nicht konkurrenzfähig dargestellt werden könnte.

    1. Haben Sie eine gute Erbschaft gemacht, dass Sie sich eine Tasse heiße Schokolade
      leisten können? Ich hatte vor ein paar Wochen den ähnlichen Jacher mal wieder auf
      ein Schoko Getränk Für ein Nesquikverschnitt 500 Gramm wollte Liddl 6,99€ haben.
      Da müßte ich mir erst eine lange Zunge zulegen um auch den letzten Tropfen aus dem
      Becher zu bekommen.

      1. @Träumer
        „Für ein Nesquikverschnitt 500 Gramm wollte Liddl 6,99€ haben.“

        Das ist jaein Haufen Geld für viel Zucker und wenig Kakao.

        Warum kaufen Sie so einen Mist?

        Mit einem hochwertigen Kakao und guter Milch können Sie sich das trotzdem leisten.
        Ist zwar nicht viel preiswerter aber dafür gesünder da kein Zucker enthalten ist
        „Für heiße Schokolade mischen Sie in einem Topf 1-2 Teelöffel Kakaopulver mit etwas kaltem Wasser. 150 ml Milch dazugeben oder auch nur mit Milch, nach Belieben süßen und unter Rühren aufkochen.“
        https://www.gepa-shop.de/kakao/bio-kakao-cacao-pur-afrika.html

  3. Lassen wir mal die unschönen Details des kolonialen Austauschs weg, ist Austausch an sich doch eine gute Sache – vorausgesetzt es findet fair statt. Gibst du mir, geb ich dir, oder?😉

      1. Unter einen regelmäßigen und nachhaltigen Interlektuellen und Körperlichen
        Austausch auf Augenhöhe kann ich mir nur guten Sex mit dem Aufsagen von
        Schillergedichten nebenbei vorstellen. Ist das jetzt zuviel alter weißer Mann??

    1. Jau. Gib mir dein Gold, gib mir dein Land, ich geb dir christlichen Aberglauben und Arbeit. Wenn du nicht willst oder kannst, hole ich meine Sklaven aus Afrika, die Neger sind robuster.

      1. Das sind eben die „unschönen Details“ des Kolonialismus. Die meinte ich aber nicht. Grundsätzlich ist FAIRER Austausch doch gut. Wer sich so austauscht, der schießt nicht aufeinander, führt keine Kriege gegeneinander, ist darum bemüht, dass es dem anderen gut geht, damit der Austausch auch morgen noch klappt. Und das alles unblutig und schmerzfrei.
        Man wird doch wohl noch träumen dürfen…😉

  4. Mensch Gilbert, Sie haben das N… Wort benutzt. Wäre jetzt noch Faeser an der Macht
    könnte morgen früh um 5 Uhr das Mobile Einsatzkommando bei Ihnen durch die Haustür
    brechen. Zum Glück hat Doofbrind es immer noch nicht gepeilt, dass er nicht wieder
    Verkehrminister geworden ist.

    1. Ach was, bin da in guter bundespräsentialer Gesellschaft: „Guten Tag, meine Damen und Herren, liebe Neger…“. 🎩
      DAS ist lebendige Geschichte der BRD.

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