
Paul Thomas Andersons neuer Film wollte politisch sein. Ihm ist ein unpolitischer Film gelungen, der nur so tut als sei er politisch.
Mit Spannung wurde Leonardo DiCaprios neuer Film erwartet. Die Rolle, die er in Paul Thomas Andersons One Battle After Another spielt, sollte ihn sogar für einen weiteren Oscar befähigen. Ausgeschlossen ist der Goldjunge nicht. Die Academy würdigte in den letzten Jahren die kuriosesten Dinge. Anti-Trump-Amerika jubelte schon vorab. Dieser Film würde Donald Trump nicht gefallen. Denn er sei politisch. Und er schieße gegen die Rechten. Beides trifft nicht zu. One Battle After Another vermag zeitweise zu unterhalten. Aber politisch ist nur das Setting, der Film transportiert aber keine politischen Inhalte oder Botschaften.
Das Politische als MacGuffin
One Battle After Another erzählt die Geschichte des ehemaligen Revolutionärs Bob Ferguson, gespielt von DiCaprio, der nach dem Scheitern seiner radikalen Gruppe im Verborgenen lebt. Mittlerweile ist er alleinerziehender Vater eines Teenager-Mädchens. Früher kämpfte er mit seiner Partnerin Perfidia im Untergrund gegen den Staat und für Migration. Perfidia ist auch die Mutter des Kindes. Als ein Aufstand zerschlagen wird und viele Mitstreiter getötet werden, zieht sich Bob in ein anonymes Leben zurück. Perfidia flüchtet nach Mexiko. Sie hatte nebenbei auch noch eine sadistisch-sexuelle Affäre mit dem Feind, in Person des von Sean Penn gespielten Colonel Steven Lockjaw.
Sechzehn Jahre später kehrt dieser Lockjaw zurück. Der steht inzwischen an der Spitze eines autoritären Systems, das alte Gegner aufspürt und vernichtet. Er spürt Bob und dessen Tochter auf. Von da ab sieht man die beiden auf der Flucht vor dem Zugriff. Lockjaw will zudem Mitglied in einer skrupellosen WASP-Gruppierungen werden. Dass er eine Affäre mit der schwarzen Perfidia hatte und vielleicht sogar Vater von Bobs Tochter ist, sollte diese Vereinigung besser nicht erfahren.
Die Szenerie scheint in ein politisches Licht getaucht. Aber während des gesamten Filmes erfährt der Zuschauer nicht, worum es den radikalen Kräften eigentlich geht. Die Beziehung zwischen Bob und Perfidia zerbricht. Er nimmt seine Vaterrolle ernst, sie will weiter Revolution machen. Was ihr Antrieb ist, bleibt allerdings verborgen. Wie sich der Colonel eine Gesellschaft vorstellt, bleibt ebenfalls vage. Ist es Kritik an der Migrationspolitik, die hier geübt werden soll? Welches Amerika hier bekämpft wird, erfährt das Publikum auch nicht. Alles bleibt schemenhaft. Wenn dieser Film politisch sein wollte, hat er seinen Anspruch verfehlt.
Die Positionen wirken auf dieser oberflächlichen Basis arg überspitzt. Es sind Karikaturen, die sich jegliche Tiefe verbitten. One Battle After Another erinnert an Filme, die sich eines MacGuffins bedienen. Damit ist ein Objekt gemeint, das die Handlung vorantreiben soll, während dieser Handlung aber ohne sonderlichen Nutzen ausgestattet ist. So treibt ein Kofferinhalt die zwei Killer in zwar Pulp Fiction an. Was in dem Koffer aber ist, erfahren die Zuschauer nicht. Denn dieses Wissen ist für die Geschichte nicht notwendig. Das Politische ist der MacGuffin dieses alles in allem sehr eigentümlichen Filmes.
Big Lebowski in schlecht
Regisseur Paul Thomas Anderson gelingt es phasenweise das Publikum bei Laune zu halten. Der Soundtrack ist beschwingt, DiCaprio gibt einen liebenswerten Trottel. Die Story hat allerdings Lücken und wirkt inkonsistent, wird aber durch die Dynamik der Handlung ausgeglichen. DiCaprio und Penn, beides verdiente Recken des Oscar-Kinos in Hollywood, gelingt es nicht, ihre Extraklasse auszuspielen. Beide Rollen sind als Grotesken angelegt. DiCaprio spielt einen Charakter, der einen jämmerlichen Dude Lebowski abgibt. Nur schlechter als Bridges‘ Interpretation eines solchen Verlierers. Penn mimt einen Colonel, der gleichermaßen rassistisch wie fixiert auf schwarze Frauen ist. Zudem mag er es, wenn seine Sexualpartnerin ihn sadistisch missbraucht.
Alles an diesem Film ist überzogen. Manches kaum nachvollziehbar. One Battle After Another scheint im wahrsten Sinne nicht von dieser Welt. Obgleich klar ist, dass der Film in den Vereinigten Staaten spielt. In fast drei Stunden Spielzeit vermag es Anderson nicht, dem Zuschauer zu vermitteln, welche politische Absichten die Protagonisten eigentlich hegen. Einige Kritiker führen an, dass der Regisseur nach allen Seiten tritt und deswegen alle dumm aussehen lasse. In seinem Film bekommt das liberale wie das konservative Amerika sein Fett weg. Man kann das so sehen. Da die Figuren aber nur oberflächlich herausgearbeitet werden und man keine Bezüge zur Wirklichkeit finden kann, ist eine solche Einschätzung eher wohlfeil als zutreffend.
Bob versucht telefonisch seine alten Seilschaften zu reaktivieren. Sie haben ein Sicherheitsnetz aufgebaut, um im Verbogenen lebende Ex-Mitglieder der Gruppe vor Zugriffen zu bewahren. Hierzu benötigt man Passwörter, die am Telefon aufgesagt werden müssen, ehe Hilfe zu erwarten ist. Der Kiffer Bob kennt diese Passwörter nicht mehr. Gezeigt wird, dass auch die Radikalen zur Bürokratie neigen. Ohne Passwort gibt es keine Weiterleitung und keine Unterstützung. DiCaprio schreit beim Versuch der Inanspruchnahme von Hilfe in den Telefonhörer, beschwört mit Engelszungen und wird ausfallend. Dieser Humor muss einem gefallen. Politisch ist an dieser Stelle auch nichts zu deuten. Muss sich Trump vor so einem Machwerk tatsächlich fürchten?
Aber der Soundtrack …
Bob muss vor Lockjaw flüchten. Und eine Weile gelingt es Anderson, eine fesselnde Flucht zu inszenieren. Die Latinos einer Kleinstadt versuchen ihm dabei zu helfen. Auch diese Leute um den Charakter, den Benicio del Toro spielt, bestechen durch Blässe. Bobs Tochter ist währenddessen mit einer Frau unterwegs, die früher Teil der radikalen Gruppe war. Nonnen sollen sich ihr annehmen. Auch sie bleiben konturlos. Bob flüchtet über ein Dach. In einer Szene stürzt er herab, stößt gegen einen Baum und landet unsanft am Boden. An der Stelle stürzt nicht nur die Rolle des Bob herab, sondern der gesamte Film. Das ist der Moment, in dem One Battle After Another seine Belanglosigkeit in Langeweile münden lässt. Bis dorthin konnte Anderson noch unterhalten, der Zuschauer konnte über die Blutleere hinwegsehen. Mit diesem Sturz wird der Film zum Ärgernis. Und das bereits ungefähr zur Mitte des Filmes.
One Battle After Another gründet auf dem Roman Vineland von Thomas Pynchon. Die Handlung des Buches spielt im Kalifornien der 80er und erzählt von einer Gesellschaft voller Fernsehen, Drogen und Überwachung. Nach der Rückkehr der Mutter des Hauptprotagonisten entspinnt sich eine Geschichte aus Verrat, Idealismus und staatlicher Repression. Diese Mutter war radikale Filmmacherin in den 60ern und Pynchon erzählt umständlich eine politische Satire, die von den zerbrochenen Träumen der 60er berichtet. In den 80ern hatten sie sich ausgeträumt.
Pynchon gelang in seinem Roman etwas, was Anderson versagt blieb: er entfaltete ein politisches Sujet in einem politischen Setting. Anderson hingegen hat einen unpolitischen Film geliefert. Es scheint der Wunschtraum des Anti-Trump-Amerika zu sein, dass dieser Film ihrem Hassobjekt etwas entgegensetzt. Der Film passt in diese Zeit voller unpolitischer Politik. One Battle After Another ist ein leerer Film. Substanzlos und belanglos. In den Soundtrack sollte man aber mal reinhören.
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„Der Film passt in diese Zeit voller unpolitischer Politik. One Battle After Another ist ein leerer Film. Substanzlos und belanglos.“ – Genau!
Der Triumph der Rechten ist in erster Linie das Versagen der Anderen. Linke mag man sie eigentlich nicht mehr nennen.
Das Verschwinden letzterer ist schon die Folge einer erfolgreichen Entpolitisierung und Infantilisierung der Massen.
Bedeutungsleer und infantil sind eher solche hohlen Kommentare, die nur blind den hohlen Vorgaben von Autoren folgen, die nichts verstanden haben. Die hast den Film vermutlich nicht mal gesehen, aber wenn man irgendwo auf vemeintliche „Linke“ draufhaun kann, bist du sofort dabei.
Jeder Idiot kann kaputtmachen.
Etwas Bedeutungsvolles, wie das, was Anderson erschaffen hat, erzeugt bei Hohlbirnen Neid und das Bedürfnis zu noch mehr sinnloser Zerstörungswut.
Dass sie sich damit nur selbst zerstören und blind den neoliberalen Führern folgen, können sie nicht verstehen.
Der Autor, der sich „Henryk Gondorff“ nennt, hat offensichtlich wenig verstanden. Als Kunstfigur, die anscheinend nicht den Mut hat seinen richtigen Namen zu nennen, versteht er wohl nicht worum es eigentlich geht:
Um den Mut sich nicht zum Roboter machen zu lassen, um Lebensfreude und Widerstand gegen ein unmenschliches System.
Wer ein winziges, enges Unverständnis von Realität hat, das nur auf irgendwelchen aktuellen Modethemen und News basiert, versteht nicht, dass ein Lebensgefühl transportiert wird.
Das Geniale an Andersons sehenswertem, bis zur letzen Minute spannenden Film ist die Differenziertheit und Ironie, mit der er Lebensarten darstellt. Wo neidische, kleingeistige News-Schreiberlinge immer nur eine Seite sehen können, sieht Anderson viel mehr.
Die herrliche Selbstironie hebt auf eine neue Ebene, die nicht nur Fastfood ist, wie so viele Kinofilme momentan.
Sich in diese revolutionäre Traumwelt hineinzubegeben macht Spaß und wer alles nur ernst nehmen kann, ist selbst schuld. Thomas Pynchon ist in Manchem rückschrittlicher Spießer, dass zB. ausgerechnet Nonnen Widerstand leisten würden, entspringt der Traumwelt eines von seiner Mutter katholisch Erzogenen.
Aber genau das ist ja der Spaß: Man muss nicht Alles, was man liest und sieht 1:1 als Realität oder Handlungsanweisung verstehen.
Klare Filmempfehlung in einer Zeit, in der wir massenhaft mit dem immer gleichen, bedeutungslosem Schwachsinn überflutet werden.
Wayne
Danke für diese Besprechung.
Sah kürzlich eine „Besprechung“ (Staatsglotze) mit Filmschnipseln und schon da schrillten alle Alarmglocken gleichzeitig.
Und was die inflationäre und geschäftsträchtige Wiederverwendung alter Songs („Soundtracks“ lol), meist 70er Jahre, betrifft, mit der diese Produktionen aufgemotzt werden, sie sind mittlerweile wirklich oft das einzig positive, was zu vermerken wäre, und ein wenig Spaß machen könnte.
„One battle after another“ ist vor allem eines: ein sehr unterhaltsamer Film mit einigen Stellen zum herzhaften Lachen. Und Menschen zum Lachen zu bringen, vor allem in diesen immer merkwürdigeren Zeiten, ist vielleicht ein größerer Verdienst als alle dies todernsten (und meist auch todlangweiligen) Filme mit klarem „politischen Setting“ oder politischer Botschaft versuchen. Die Charaktere sind oberflächlich, das ist aber völlig egal – denn die Story ist so aberwitzig und der Aufbau des Films so unkonventionell, dass man einfach immer wieder überrascht wird. „Groteske“ trifft es ganz gut. Ich möchte mehr „Grotesken“, wo nicht schon nach 10 Minuten klar ist, was wann wie passiert und dann kurz vorm Ende noch schnell die „überraschende Wendung“ kommt. Gähn.
Andersson teilt auf einer Meta-Ebene auch gegen alle möglichen Milieus und überhaupt das Thema „Revolution“ aus. Die „Hippies“, die mit „Love & Peace“ die Welt verbessern wollten, haben es verkackt – vielleicht, weil sie zu verpeilt dafür aber die sympathischeren Menschen waren, v.a. aber weil sie nicht richtig verstanden haben, wie das „System“ funktioniert. (aka „jeder gute Idee wird pervertiert, wenn sie erstmal vom „Markt“ übernommen wird“). Die danach kommenden Radikalen (alias Malcom X, Black Power usw. mit schon klarerer „Weltanschauung“, versinnbildlicht durch Perfida und die Bande von „Berufs-Revolutionären“) haben es ebenso verkackt: Gewalt, die nichts änderte aber dem „System“ den perfekten Vorwand für Aufrüstung und Repression lieferte. Die neo-konservative, rassistische „Revolution“ scheitert schon daran, dass deren Bossen die „rassische Reinheit“ des Colonels wichtiger ist als ihn als Trojaner im Militär zu nutzen. Und die Jugend, am Ende des Films, wird alles besser machen, indem sie brav demonstriert. Haha.
Man könnte sagen, Andersson sagt: vergesst es alle mit euren Weltverbesserungsplänen (die bestenfalls unausgegoren, viele eher aber auch nur zur Verbesserung der eigenen Position führen sollen). Bleibt Mensch und genießt das Leben, so gut es geht. Kämpft für eure Lieben und gegen Ungerechtigkeit, die euch direkt betrifft und dann seid radikal und nehmt die Waffe in die Hand aber lasst das permanente Kämpfen für diese oder jene abstrakte Idee, zur Rettung oder Verbesserung von was auch immer, das ist Zeitverschwendung. Das ist unpolitisch. Der bekiffte buddhistische Hippie würde aber vielleicht sagen: Leben ist Leiden und Kämpfen führt zu mehr Leiden. Lachen hingegen hilft, das Leiden zu ertragen. Danke an Andersson für diesen tollen Film!
Das Drehbuch sieht diesmal hoffentlich nicht vor, dass DiCaprio wieder eine Serie von Schüssen aus einer Vorderlader-Pistole abgibt, ohne nachzuladen? 😉
Auch bei diesem Thema ist SPON eine erstklassige Quelle zur Einschätzung. Mal kurz nach dem Titel gesucht, natürlich ein Plus Artikel, ins Webpage Archive gewechselt, Artikel ohne zu lesen bis zum Fazit gescrollt: Spiegel findet ihn gut, also ist er wahrscheinlich Murks. Die Welt kann so furchtbar einfach sein!
Paul Thomas Anderson hat einige wirklich herausragende Filme gedreht:
– Boogie Nights, 1997 (einer meiner absoluten Lieblingsfilme, mit Burt Reynolds und Mark Wahlberg)
– Magnolia, 1999 (ebenfalls einer meiner absoluten Lieblingsfilme, mit Tom Cruise in absoluter Hochform)
– There Will Be Blood, 2007 (düsteres und hartes Werk, Daniel Day Lewis ist überragend)
– The Master, 2012 (toller Film mit dem leider bereits verstorbenen Philip Seymour Hoffman)
Danach ging es m.M.n. nur noch bergab. Keiner der folgenden Filme war wirklich sehenswert.
Bei diesem neuen Film habe ich sehr wenig Hoffnung auf Besserung, besonders di Caprio kann ich überhaupt nicht mehr ertragen. Mal sehn.
Ja, der Klimaprotagonist hat sich sehr weit aus dem Fenster gehangen… 🙁