Ein Käfig voller Kardinäle

Konklave, Filmpräsentation
Raph_PH, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Ein Papst ist gestorben und ein neuer Pontifex muss gewählt werden: Der Film Konklave zeigt die Papstwahl zwischen Intrigen und Kotau vor dem Zeitgeist.

Der Papst ist tot. Er hatte keinen Namen. Nicht in diesem Film. Alles bleibt vage. Der Kinofilm Konklave ist eine Fiktion im realistischen Kontext. Nur die Papstwahl, das so genannte Konklave, wird ausführlicher behandelt. Kardinäle spielen die Hauptrolle in dem aktuellen Kinofilm von Edward Berger (Im Westen nichts Neues). Ralph Fienes spielt Kardinal Lawrence, einen Zweifler, der aus dem Dienst ausscheiden wollte. Aber der mittlerweile verstorbene Papst ließ Lawrence nicht gehen. Nun muss er die Papstwahl organisieren. Der Zuschauer taucht ab diesem Moment in eine opulente Welt ein, die sich hinter den Mauern des Vatikans ausbreitet.

Muss Kirche modern sein?

Die Kardinäle treffen in Rom ein, die Gerüchteküche brodelt: wer könnte papabile sein und wer ist nicht vertretbar für das Amt? Kardinal Tremblay möchte unbedingt Papst werden. Er möchte es viel zu sehr. Gerüchte kommen auf, er habe andere Kardinäle bestochen. Kardinal Bellini ist ein Liberaler. Einer von der Art, bei der deutsche Bischöfe mit ihrem Drang auf den synodalen Weg zu kommen, vor Begeisterung Beifall spenden würden. Und dann gibt es noch einen Kardinal Tedesco, einen Italiener. Er steht für die traditionelle Kirche und die Weigerung, die Moderne anzuerkennen.

Nonnen kümmern sich um das leibliche Wohl der vielen Kardinäle, die aus aller Welt in Rom ankommen. Sie bereiten ihnen die Speisen, machen ihnen das Bett, fungieren als die guten Seelen im abgeschlossenen Mikrokosmos des Konklaves. Lawrence organisiert nicht nur die Papstwahl, sondern auch mögliche Koalitionen, die notwendig werden, wenn sich im Konklave keine Mehrheit herauskristallisiert. Er zählt sich selbst zu den Liberalen, sympathisiert mit Bellini. Wenn auch nicht ganz so radikal. Aber dieser Bellini hat bei den ersten Abstimmungen keinen rechten Rückhalt.

Im Verlaufe des Konklaves, das über mehrere Tage geht, stellt sich heraus, dass Bellini unbedingt auf den Heiligen Stuhl will und zum Eiferer seiner liberalen Ansichten wird. Dabei legt er einen strikten Dogmatismus an den Tag. Tedesco sei für ihn kein Kontrahent, sondern das größte denkbare Übel. Vielleicht sogar der Teufel selbst. Für Tedesco gilt das in verdrehter Konstellation auch. Seiner Ansicht nach führt Bellini die Katholische Kirche in die Beliebigkeit und Konturlosigkeit. Als Zuschauer steht man vor der Frage, ob Kirche denn mit dem Zeitgeist gehen muss oder ob sie sich auf die Tradition berufen darf, die sie über zwei Jahrtausende kultiviert hat. Muss sie sich Diversitätsgütesiegel aufpressen lassen, wie jedes beliebige US-amerikanische Unternehmen?

Der gesamte Film hat eine Spiellänge von 121 Minuten. Wenn er 116 Minuten lang gewesen wäre, würde man zwar nicht von einem großen Film sprechen. Aber auch nicht von einem ausgemachten Unsinn und Kotau vor dem Zeitgeist. Den die letzten fünf Minuten haben es in sich. Bis zu diesem Ende war zwar mancher Lacher im Kino Beleg für die fröhliche Kirchenfeindlichkeit in der Gesellschaft. Aber das war zu erwarten. Fiennes spielt grandios und sollte als Anwärter auf einen Oscar im kommenden Frühjahr gehandelt werden. Dennoch: am Ende grüßte die Wokeness.

Eierstöcke auf dem Heiligen Stuhl

Mit all den Kardinälen fand sich noch jemand ein, der vorgab Kardinal zu sein: Kardinal Benitez. Niemand aus dem Kollegium kennt ihn, aber der verschiedene Papst soll ihm in aller Heimlichkeit die Kardinalswürde verliehen haben. Eine Urkunde kann Benitez auch vorlegen. Und so nimmt der unbekannte Geistliche am Konklave teil. Regisseur Berger gelingt es nicht, die Zuschauer zu überraschen, denn es zeichnet sich von Anfang an ab: diese Figur des Benitez wird der Mann sein wird, der als Underdog zur Papstwürde kommt. Und so vorhersehbar geschieht es dann auch. Bellini und Tedesco zerstreiten sich vor allen Kardinälen und es fallen drastische Sätze, die die anderen abschrecken. Tremblay hat wirklich Kollegen bestochen und durchlebt das Konklave nur noch als Häufchen Elend. Und ein nigerianischer Kardinal, der kurz vor einer Mehrheit stand, wird mit seiner Geschichte und seinem heimlichen Sohn konfrontiert. Auch für ihn sind die Papstträume verflogen.

Und so wird Benitez, ein milder und besinnlicher Mann von graziler Gestalt, der nächste Papst. Sein gewählter Papstname: Innocentius. Es wäre der 14. Innozenz, geht man von der realen Papstfolge aus. Aber Lawrence ist ein misstrauischer Mann. Ihm fehlt mittlerweile nicht nur der Glaube an die Kirche, er traut auch den Kollegen nicht über den Weg. Während des Konklaves lässt er seinem Nuntius Nachforschungen anstellen. Entgegen der Verpflichtung, in dieser Zeit keinen Kontakt zur Außenwelt halten zu dürfen. Er erfährt, dass die Geschichte, wonach Benitez heimlich Kardinal wurde, zutreffend ist. Heimlich geschah dies, während Benitez auf dem Weg nach Genf war. Dort sollte er sich einer Operation unterziehen. In einer speziellen Klinik.

Lawrence konfrontiert den Mann, der gleich als Innozenz vor die Gläubigen treten soll. Er fragt ihn, welche Operation in Genf stattfand. Benitez antwortet, es habe keine stattgefunden. Er habe sie abgeblasen. Geplant war aber eine Hysterektomie, eine Entfernung der Gebärmutter. Benitez ist ein Transmensch. Und er wollte es bleiben. Vielleicht diene er der Kirche so am besten. Lawrence bleibt ratlos zurück, man hört die Katholiken auf dem Petersplatz jubeln. Was er denkt, erfährt man nicht. Regisseur Berger blendet ab, das Konklave ist beendet, die Katholiken werden von einer Transperson als Stellvertreter Gottes auf Erden präsentiert. Und wieder sorgt eine Produktion aus Hollywood für einen schalen Beigeschmack. Gibt es keine anderen Themen mehr?

Lachen über den Katholizismus, murren bei Aussagen zum Islam

Eine Päpstin gab es literarisch schon 1996: Allerdings war die Geschichte im Mittelalter angelegt. Im 9. Jahrhundert soll es eine Frau zum Pontifex geschafft haben. Als Gegenpäpstin allerdings. In den Annalen findet man davon nichts. Autorin Donna Woolfolk Cross ließ sich von alten Legenden inspirieren. Damals war die Diskussion noch nicht so aufgeladen. Die Geschichte wurde mehr oder weniger unschuldig erzählt. Konklave stammt aus der Feder von Robert Harris. Er schrieb den Roman im Jahr 2016. Schon acht Jahre später wurde der Roman verfilmt. Die Debatten waren schon 2016 vergiftet. Aber 2024 schlägt sie natürlich mitten im Kulturkampf ein.

Dass der stattfindet, konnte der Kinokritiker vor Ort betrachten. Das Publikum weidete sich an den gekonnt dümmlich inszenierten Kardinalfiguren, die voller Klischees durch den Film geistern. Als der konservative Kandidat Tedesco mit dem Islam hadert, geht ein Raunen durch die Reihen. Als würde das beweisen, wie rückständig die Katholische Kirche wirklich ist. Dasselbe Publikum lacht und freut sich, wenn der Katholizismus Seitenhiebe einstecken muss. Berger inszenierte zwar keine Abrechnung mit der Katholischen Kirche, positioniert sich aber klar im Lager der Liberalen, die die Kirche in die Neuzeit ziehen wollen.

Dagegen spricht grundsätzlich nichts. Auch Kirche wirkt nicht im luftleeren Raum. Aber muss sie sich gleichmachen mit den Moden der Zeit? Muss sie ihre Wahrheiten einer Zeitenwende unterziehen? Amerikanische Unternehmen haben eine DEI-Agenda etabliert. DEI steht für Diversity, Equity und Inclusion. So eine Agenda war einige Jahre eine Offenbarung für US-Unternehmen. Und sie führten immer striktere Standards ein. Viele Unternehmen nehmen dieses Agenda aber im Augenblick wieder von ihrer Charta. Oder lockern sie. Walmart zum Beispiel. Soll die Kirche werden wie diese Unternehmen, die nach Stimmung in der Bevölkerung und Opportunität mal dafür, mal dagegen sind? Der Film Konklave spricht keine eindeutige Antwort aus, hat aber eine klare Tendenz und verneigt sich auf den letzten Sekunden des Films vor dem Wahn der Wokeness.

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9 Kommentare

  1. Dass die katholische Kirche gerade aktuell mit viel Spott und Kritik bedacht wird, hängt sicher mit Pabst Franziskus zusammen. Der hatte ja erst letztens bei der westlichen Edel-Elite für Kritik und Empörung gesorgt, weil er für eine Überprüfung der Völkermord-Vorwürfe gegen Israel eingetreten war. Auch beim Ukraine-Krieg fordert er entschieden einen Waffenstillstand und eine Kompromisslösung am Verhandlungstisch.. Die katholische Kirche, deren Hauptling transnational ausgerichtet ist und in einem eigenen Staat sitzt, lässt sich eben nicht so leicht steuern und instrumentalisieren, wie die evangelischen Landes- oder Staatskirchen. Schon Bismarck bekam dies zu spuren. Und in den letzten Jahren hat der Einfluss von “Global South” in der katholischen Kirche beständig zugenommen, während die Protestanten sich wieder enger an die westlichen Staatsführungen schmiegen, man denke nur an die Einladung Obamas als Ehrengast zum Evangelischen Kirchentag in Berlin 2017.

    Der Unterschied zwischen den “Volkskirchen” offenbart sich aktuell auch in den Auftritten bekannter, in der Friedensbeweigung tätiger Theologen. Bei Frau Kaesmann (EKD), die ich persönlich am Antikriegstag 1. 9. in Kassel erlebt habe und die aktuell wohl durch Dorfkirchen tingelt, predigt zwar von “statt kriegstüchtig müssen wird friedenstüchtig werden” und uns immer wieder um Dialog auch mit dem Gegner bemühen, als Hardcover-Botschaft verkündet sie dann aber “Putin ist ein Kriegsverbrecher” und “wenn er wollte, könnte er den Krieg sofort beenden”. Wie wohltuend ist da eine von scharfsinniger Analyse und klaren politischen Forderungen geprägte Rede von Eugen Drewermann, z. B. die bei youtube abrufbare in Paderborn am 14.9.2024.

    1. Bismarck hatte sich sein schönes neues durchsche Reich irgendwie als größeres Preußen vorgestellt. Seine antikatholische Politik war im mehrheitlich protestantischen Preußen leichter durchzusetzen. Immerhin war er klug genug, den Richtungswechsel zu vollziehen, als er akzeptieren musste, dass er nicht alles durchsetzen konnte und natürlich, weil er das Zentrum als Partner gegen die Sozialdemokratie brauchte.
      Nicht, dass ich viel für den brillianten Reaktionär übrig habe. Aber was wünschte ich mir Politiker, die wie er, nicht moralisieren, sondern analysieren und Fehler notfalls korrigieren.

  2. Das interessante ist, dass viele Muslime die orthodoxe Kirche und ihre Gläubigen sehr respektieren, während die katholische Kirche und die evangelische sowieso, eigentlich nur eine Gayparade ist. Im Prinzip sind sowohl die evangelische Kirche als auch die katholische inzwischen eine Wünsch-dir-was Veranstaltung anstatt ein Stein in der Brandung. In einer Zeit, die so schnelllebig ist, wie die unsere, wäre dies zu sehr zu wünschen, auch wenn dies der LGBT Truppe und den ganzen Atheisten sicher gegen den Strich geht.
    Und ja, die Religionen, die fest an ihrem Weltbild festhalten, wird es noch in vielen Jahren geben, während die Kirchen in Deutschland inzwischen zu Wohnhäusern und Hotels umgebaut oder gleich abgerissen werden.

    1. Google

      Kirchenabrisse. Deutschlandweit wurden nach Angaben der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zwischen 1990 und 2014 insgesamt 102 Gotteshäuser abgerissen. 262 weitere wurden in dieser Zeit verkauft. Im gleichen Zeitraum gab es laut EKD 387 Kirchen-Neubauten und 160 -Zukäufe.

    2. Die katholische Kirche ist vermutlich der größte Grundbesitzer in Deutschland und wird daran noch verdienen, wenn ihr die letzten Gläubigen ausgegangen sind.

  3. Speziell in Deutschland biedern sich EKD und KKD den Mächtigen an. Angefangen von der Flüchtlingspolitik (Jesus war ein Flüchtling), LGBTQ-Irgendwas (Jesus war Trans), Energiewende (Jesus war Grün), Corona (Jesus hätte sich Impfen lassen), Ukrainekrieg (Jesus hätte Waffen geliefert) bis hin zum Hass auf die AfD (Jesus hasst die AfD). Es ist noch gar nicht so lange her, gerade mal 90 Jahre, da haben die sogenannten Geistlichen hier im Land artig das Patschhändchen erhoben und sich in ganz ähnlichen Sprüchen ergangen. Kein Wunder also, dass sich immer Christen sagen: Das ist nicht mehr meine Kirche! und austreten.

  4. Wie bedauerlich, das es nur ein Film ist. Die tatsächliche Wahl einer I solchen Person würde dem Katholentum einen Schlag versetzen, wie es ihn seit der Reformation nicht mehr hinnehmen musste. Das würde ihm mehr schaden, als die Offenlegung der Serien von Kindesmissbrauch oder des Palastbaues von Limburg.
    Schade, nur ein Film.
    Vielen Dank an den Autoren, der mir ersparte, mich zwei Stunden durch den Film zu hangeln, um dann zum Schluss mit Wokeschismus belästigt zu werden. Das hier Beschriebene hört sich wirklich so übel und doof an, dass man erwarten darf, dass der Film ein großer Erfolg wird. Oder eben wenigstens Preise bekommt.

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