
Solange es Amerika gibt, wird es immer Männer wie Roscoe Conkling geben. Das soll Kurzzeitpräsident Garfield mal gesagt haben.
Wer war Charles Guiteau? Die Serie Death by Lighting beantwortet diese Frage. Guiteau brachte 1881 den 20. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika um. Nach dem Todesschuss lebte James A. Garfield, ein Republikaner, der als Kompromisskandidat seiner Partei ins Weiße Haus einzog, noch fast zwei Monate. Er starb jämmerlich an einer Infektion. Garfield war nur sechs Monate Präsident. Guiteau wurde ein Jahr später hingerichtet. Garfields Amtszeit erwies sich als traurige Verschwendung. Er wollte die Korruption von Partei und Politik bekämpfen, fand aber keine Mehrheiten und mit Roscoe Conkling hatte er einen intriganten Gegner in den eigenen Reihen.
Die gute alte Demokratie
Regisseur Matt Ross ist ein Geniestreich geglückt. Seine vierteilige Miniserie, die er für Netflix produziert hat, unterhält von der ersten Sekunde an. Im Jahr 1880 halten die Republikaner einen Nominierungsparteitag ab. Der Flügel um Conkling würde gerne nochmals Ulysses S. Grant nominieren, der bereits bis 1877 Präsident war. Dessen korruptes System war aber für die Mehrzahl der Delegierten nicht mehr akzeptabel. Ross inszeniert dieses historische Ereignis mit großer Ausstattungsfreude. Er zeigt den Nominierungsparteitag als wüstes Aufeinandertreffen keifender Gentlemen. Am Ende gewinnt James A. Garfield aus Ohio. Er selbst wollte gar nicht für die Präsidentschaft kandidieren. Mit der Nominierung Garfields verbanden die Republikaner einen neuen Aufbruch und die Beendigung der korrupten Patronage.
Die Zuschauer tauchen mitten hinein in eine Phase der US-Geschichte, die schon damals als vergoldetes Zeitalter galt. Der Begriff des Gilded Age geht auf Mark Twain zurück. Bereits 1873 schrieb er einen satirischen Roman dieses Titels. Twain wollte die Ära, in der er lebte, nicht als goldenes Zeitalter bezeichnen. Er sah sie als vergoldete an. Ihm war nicht nur die Korruption zuwider, sondern auch das System der Räuberbarone, das die US-Wirtschaft untereinander aufteilte. Die Politik verhalf dieser neuen reichen Klasse zu ihrem Erfolg. Twain sah, dass die neue moderne Zeit, die nun elektrischen Strom und Mobilität mit sich brachte, nur einen Goldschimmer hatte. Die Vergoldung wurde dünn aufgetragen.
Sein Amerika entwickelte sich in dieser Zeit zu einem Land, in dem die Freiheit der Neuen Welt immer stärker im Verwaltungsapparat erstickt wurde. Die Vereinigten Staaten nach dem Bürgerkrieg wurde zum Kaufobjekt unsäglich reicher Familien. Der Verfall der Sitten war für die Zeitgenossen fassbar. Die Zustände förderten eine Sehnsucht nach einem Mann, der die alten amerikanischen Werte vertrat. Garfield galt kurzzeitig als Hoffnungsträger dieser Nostalgiker.
Matt Ross fängt diese Stimmung gut ein, ohne sich in Details zu verlieren. Er zeigt die gute alte Demokratie, die heute bemüht wird, wenn Amerikaner über die Abwicklung ihres Landes seit dem Korea- und Vietnamkrieg sprechen. Doch diese Annahme kann verkehrter nicht sein. Die Vereinigten Staaten haben mehrere Brüche erlebt. Je kleinteiliger die Gesellschaft wurde, desto anfälliger wurde sie für Machtmissbrauch.
Demokratie, ein Elitenprojekt
Death by Lighting zeigt schonungslos aber humorvoll, dass die Zeit des Goldschimmers keine bessere Epoche war. Die damalige Demokratie gehörte auch nicht allen. Es waren die Machteliten, die von unserer Demokratie sprachen und es so meinten. In der neuen Welt nahmen versuchte man sich an einem neuen Modell. Einer Gesellschaft ohne gekrönte Häupter. Amerika wurde Republik und damit verbanden sich weltweit Hoffnungen. Ein Jahrhundert später haben die Eliten dieser Republik das System für sich gezähmt. Die Demokratie hatte sich als den Massen vermittelbarer erwiesen, als die Monarchie.
Schon damals im Gilded Age war diese Staatsform zu einem Selbstbedienungsladen korrupter Eliten verkommen. Roscoe Conkling, der Gegenspieler des Kurzzeitpräsidenten Garfield, war nur ein Beispiel für diese Patronage. Zusammen mit Chester A. Arthur, der er zum Zollverwalter ernannte, übte er Kontrolle über den New Yorker Hafen und die Einnahmen aus. Arthur wurde der Kompromisskandidat für die Vizepräsidentschaft und nach der Ermordung Garfields US-Präsident. Garfield war sich sicher, dass es Männer wie Roscoe Conkling immer geben werde, solange es Amerika gibt. Schon den Zeitgenossen dämmerte damals, dass das System solche Leute an die Schalthebel der Macht spült. Die Republik als Idee hatte ihre Tücken.
Während dieser Aufbruchsjahre, in denen die Vereinigten Staaten zu einer Industrie- und Wissenschaftsmacht heranwuchsen, zeigte sich bereits die erste Erosion der Republik. Die verlor an Wirkmächtigkeit und galt den Menschen als Korruptionsnetzwerk, in dem sich einflussreiche Männer gegenseitig Vorteile verschafften. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis die Machteliten dieses Staates auf Propaganda zurückgreifen würden. Sie sollte den Amerikanern einen neuen Mythos einflüstern, an den sie glauben konnten. Aber auch der wirkt schon lange nicht mehr. Zwischendrin bemühte sich mancher Politiker um eine Begrenzung der Kartelle. So etwa Theodore Roosevelt. Aber der Grundstein für das neue Jahrhundert und die Festigung der Elitenherrschaft war da schon längst gelegt.
Die Partei der Rassisten
Tod durch Blitz nennt sich diese Miniserie. Aber durch Blitzschlag ist Garfield damals nicht verschieden. Ross lässt offen, warum er diesen Titel wählte. Seine Serie basiert auf dem Buch Destiny of the Republic, das Candice Millard 2011 veröffentlichte. Das Schicksal der Republik war längst vorbestimmt, als James A. Garfield verwundet zusammenbrach. Charles Guiteau, der Attentäter, war ein frustrierter Bürger, der in Garfield einen Aufbruchspräsidenten sah, der den Bürgern wieder mehr Mitsprache verleihen möchte. Als er begriff, dass die Republikaner mit sich selbst beschäftigt waren, wollte er die Republik retten und mit der Tötung ein Zeichen setzen.
Für den Zuschauer von heute, der ein klares Bild von den Vereinigten Staaten hat, gibt es bemerkenswerte Einsichten. Die Republikaner von damals waren zwar korrupt wie die Demokraten, aber sie waren trotzdem die Partei der Vernunft. Sie setzten sich für die Gleichheit aller Bürger ein. Die Demokraten waren hingegen die Partei des Südens und sie sollten es bis in die 1970er-Jahre bleiben. Sie bauten auf den Rassismus der Südstaaten und haben die Gleichberechtigung über viele Jahrzehnte behindert.
Das ist aber längst vergessen. So vergessen wie Guiteau oder Garfield. Und so vergessen wie die Unzufriedenheit der Menschen von damals. Sie waren die ersten unzufriedenen Bürger einer demokratischen Idee, die schon früh elitären Zirkeln zum Opfer fiel. Die Geschichte der Demokratie ist keine Galerie der Beteiligung. Sie ist ein Lehrstück über Eliten, die sich das System zu eigen machen. Mit jeder Stufe technologischen Fortschritts perfektionieren diese Enteignung noch weiter. Guiteau wurde nach Garfields Tod gehängt. Die nächste Stufe des Fortschritts auf diesem Gebiet war der Elektrische Stuhl.
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Ich finde die Guillotine auf dem Marktplatz viel unterhaltsamer, als die geschlossenen Gesellschaft beim Töten mittels Gas oder Elektrizität.
Empfehle Saudi-Arabien. Tod tritt ruckzuck ein und dauert keine Minuten.
Direkt human, oder?
motonomer würde anders reden, wenn er der Betroffene wäre.
Ich gehöre doch zu den Guten! 😉
Die Amerikas und ihre korrupte Veranstaltung hält bis heute an.
Ist das nicht ein weiterer Beleg für die ‚demokratischen Versen der Illusionen?
Meine Antwort zu meiner Frage ist : Eindeutig Ja.
Das Ja ist belegt mit den angehenden simulierten ideologischen Politik.
Seit der Krise in der Ukraine, sind alle ideologischen Parteien, im selben Programm beschaftigt.
Sich selbst zu offenbaren, was für Teufel diese hervorgebracht haben…
Um aus diesem Moloch herauszukommen, bedeutet, daß, die gesamte westliche Orientierung zerstört werden muss.
TINA, kann so und so gelesen werden…
Rischtisch 👍
Vor dem Abschicken immer die Grammatik prüfen, besonders die Kommasetzung; und ebenso die Rechtschreibung.
Seien Sie nicht so streng! Wenigstens 1 „daß“ gefunden, wo ca. 90% der Kommentare ein „das“ verwenden.
Leute wir sind hier nicht in der Schule! Und nicht alle haben Abitur.
Es zählt doch was jemand zu sagen hat und nicht ob er im Text ein
Komma zu wenig setzt.
Der Artikel erwähnt weder die Sklaverei noch die Ausrottung der Indianer.
Obwohl beide das 19. Jahrhundert der USA, ihre Präsidenten, ihr Parteiensystem und die bis 1968 offen herrschende Apartheid bestimmten.
Wer das sauber dargelegt haben möchte, glotze nicht Netflix-TV, sondern lese D. Losurdo (über Liberalismus, Herrenvolk und einiges mehr): https://mez-berlin.de/domenico-losurdo.html
Der Artikel erwähnt auch Juan Ponce de León nicht.
Und nun?
Ich sags immer wieder. Wir haben bestenfalls eine astreine Plutokratie. Mittlererweile driften wir auch immer weiter Richtung Totalitarismus ab.
Hier ein sehr gutes Interview mit COL. Douglas Macgregor.
https://www.youtube.com/watch?v=tOPA0ZrK3Xo
Passend dazu, sollen wir ja auch die ‚Goldene Milliarde‘ sein,
wobei es da unterschiedliche Vorstellungen zum Goldanteil btw. vergoldeten Teil zu geben scheint.
Nach Faktenlage ist wohl ein demografischer Niedergang unausweichlich.
Und in China ‚is the real‘ Gold: neue Erzlagerstätte gefunden.
So schnell kann’s gehen mit dem Reichtum- oder auch nicht.
Letztlich geht es um eines: kann man als Mensch sein Leben leben?
Also: gut leben?
oder hetzt man sich nur ab, um am Ende vor einem Nichts zu stehn?
Welches System bietet welche Chancen?
Und wer sagt, was das gute Leben ist?