Deutscher Hochschulverband: Cancel Culture statt “Freiheit der Wissenschaft“

Cancelled, Cancel Culture
Quelle: Pixabay

Wie steht es um die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland? Ein Bericht.

Am Deutschen Hochschulverband (DHV) hat es für den kurzen Zeitraum von zwei Jahren (genauer gesagt: vom 20. April 2021 bis zum 08. November 2023) die Stiftung “Freiheit der Wissenschaft” gegeben. Ich hatte die Idee und ich habe das Grundkapital zur Verfügung gestellt.

Der schlichte Zweck der Stiftung war, in unserer von einer “Cancel Culture” genannten Art von Dummheit bedrohten Zeit an das zivilisatorische Grundpostulat “Audiatur et altera pars!” dadurch zu erinnern, dass herausragenden Personen, die sich durch die öffentliche Verteidigung des freien Rederechts ausgezeichnet haben, der Preis der Stiftung verliehen wird.

Die bisherigen Preisträger waren Professor Noam Chomsky, meistzitierter Wissenschaftler der Welt, renommiert und von Freunden und Gegnern anerkannt als unerschrockener Kämpfer für das Recht Andersdenkender auf freie Meinungsäußerung, und Professor Nida-Rümelin als Anerkennung für den Mut, den es heutzutage in Deutschland braucht, um sich gegen den Mainstream für eine differenzierte Sicht des Verhältnisses zur russischen Wissenschaft öffentlich einzusetzen.

Ich hatte mich mit dem Konzept dieser Stiftung an den Deutschen Hochschulverband als Zusammenschluss der deutschen Hochschullehrer gewandt, weil ich der Meinung war, er sei genau der richtige Ort für eine Stiftung, die den oben genannten Zweck verfolgt, da Wissenschaft ohne Meinungsfreiheit schlicht nicht denkbar ist.

Kompletter Wechsel der Leitung

Der damalige Präsident des DHV, Professor Bernhard Kempen, und der damalige Geschäftsführer, Professor Michael Hartmer, griffen die Idee sofort auf und halfen dabei, sie zügig umzusetzen. Der Trägerverein des DHV wurde der Träger der Stiftung “Freiheit der Wissenschaft”. Die beiden oben genannten Preisverleihungen gehen auf meine Anregung und auf die jeweils spontane, volle Unterstützung durch Präsident und Geschäftsführer zurück. Sie wurden durch das Kuratorium der Stiftung einstimmig beschlossen.

Das “Netzwerk Freiheit der Wissenschaft”, zu dem sich etwa 700 um die zunehmende Verengung des Meinungskanals an den deutschen Universitäten besorgte Wissenschaftler zusammengeschlossen haben, hat im letzten Jahr seinen „Positiv-Preis“ Professor Kempen verliehen, um damit dessen vielfältigen Einsatz für die Verteidigung der Redefreiheit an den Universitäten zu würdigen. Die Einrichtung der Stiftung gehört mit zu diesem seinem Engagement. Das Thema seines Festvortrags aus Anlass der Preisverleihung in der Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin war: „Wissenschaftsfreiheit gecancelt – die Universität erlebt ihren eigenen Klimawandel.

In die Zeit von Bernhard Kempen als Präsident und Michael Hartmer als Geschäftsführer fiel, wie gesagt, die Preisverleihung der “Stiftung Freiheit der Wissenschaft” an Professor Noam Chomsky. Das war, wie man wohl behaupten kann, ein hervorragender Auftakt der Stiftungsarbeit.

In die Zeit von Bernhard Kempen als Präsident und Michael Hartmer als Geschäftsführer fiel auch die Nominierung von Professor Julian Nida-Rümelin für die zweite Preisverleihung – ebenfalls, wie ich denke, eine hervorragende Wahl.

Noch vor der Verleihung des Preises an Professor Nida-Rümelin kam es jedoch zu einem kompletten Wechsel der Leitung des Deutschen Hochschulverbandes: Michael Hartmer ging in Pension und Bernhard Kempen kandidierte nach 20 Jahren nicht noch einmal als Präsident.

Und nun geschah innerhalb weniger Wochen etwas Faszinierendes, etwas, was ich dem alten Deutschen Hochschulverband, der mir in den 43 Jahren meiner Mitgliedschaft immer als verlässlich, seriös und honorig erschienen war, nie zugetraut hätte. Hatte Präsident Kempen bei seiner Verabschiedung in Berlin mir gegenüber die Stiftung noch als “Diamant” am DHV bezeichnet, so brauchte die neue Leitung nur kurze Zeit, diesen “Diamanten” in den Ausguss zu kippen und die Stiftung in die Tonne zu treten. Ich bitte um Verzeihung für diese Ausdrucksweise, aber sie widerspiegelt einigermaßen genau das, was geschah und den Stil, in dem es geschah.

Wie kam es dazu?

Natürlich habe ich keine Auskunft darüber bekommen, was sich im Hintergrund abgespielt hat.

Ich stelle es mir so vor: Die erste “Amtshandlung” unter der neuen Präsidentschaft, die ich in meiner Funktion als Stifter und Vorsitzender des Kuratoriums vorzunehmen hatte, war die Ansprache aus Anlass der Verleihung des Preises an Professor Nida-Rümelin. Das Publikum bestand aus Mitgliedern des erweiterten Vorstandes des DHV, etwa 20 bis 25 Personen, ein großer Teil von ihnen Naturwissenschaftler. Anwesend war auch die derzeitige NRW-Kultusministerin. Das Treffen fand in Düsseldorf statt.

Hier die für den jetzigen Zusammenhang relevanten Teile der Ansprache:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
die Stiftung “Freiheit der Wissenschaft”, die vom Trägerverein des Deutschen Hochschulverbandes verwaltet wird, verleiht aufgrund eines einstimmigen Beschlusses ihres Kuratoriums den diesjährigen Preis “Freiheit der Wissenschaft” an Herrn Professor Julian Nida-Rümelin.

Professor Nida-Rümelin ist nicht nur ein über die Fachkreise hinaus sehr renommierter Philosoph, er ist auch dem großen Publikum bekannt als politischer Denker und ehemaliger Staatsminister.

Ich bedanke mich im Namen des Kuratoriums sehr herzlich dafür, dass Sie, sehr geehrter Herr Professor Nida-Rümelin, unsere Anfrage spontan positiv beantwortet haben! Mit Ihnen hat der vorige Preisträger, Professor Noam Chomsky, wie ich denke, einen guten Nachfolger gefunden.

Der Zweck der Stiftung ist die Verteidigung der Freiheit der Rede an den Universitäten.

Die Freiheit der Rede an den Universitäten? – werden Sie fragen. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!

Ja, in der Theorie. Leider sieht die Wirklichkeit etwas anders aus.

Über die heutige Wirklichkeit hat unser voriger Präsident, Professor Kempen, in einem großen und vielbeachteten Artikel in der FAZ vor einiger Zeit das Nötige gesagt. Titel: “Universität als Risikozone”. Untertitel: “Die Zensurschere im Kopf vieler Wissenschaftler wird immer länger, obwohl sie die größte Freiheit haben.“ Es ist der Mühe wert, das noch einmal nachzulesen.

Wie schon Kant und dann auch sein Bewunderer Schopenhauer kann sich leider auch der kleine Reinhard Hesse nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass das Gros der Menschheit – grob, aber immerhin in Kants Worten, gesagt – zu faul und zu feige ist, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Lieber denkt und sagt man das, was alle, insbesondere das, was die Mächtigen sagen – speziell wenn man von ihnen auch noch bezahlt wird. Nun, zu diesem Gros der Menschheit gehören Noam Chomsky und Julian Nida-Rümelin nicht – wenn auch natürlich jeder auf seine eigene Weise nicht.

Ich habe Professor Nida-Rümelin als Preisträger vorgeschlagen, weil ich den Eindruck hatte, dass er tatsächlich der einzige namhafte und darüber hinaus auch politisch vernetzte deutsche Professor ist, der den Mut aufgebracht hat – ja, das Wort “Mut” muss man hier wohl tatsächlich gebrauchen – z.B. in der Frage des Verhältnisses zwischen den deutschen und den russischen Wissenschaftsorganisationen etwas anderer Meinung zu sein als der, die gegenwärtig angesagt ist.

War es richtig, dass die großen deutschen Wissenschaftsorganisationen die Zusammenarbeit mit ihren russischen Partnern eingestellt haben? War es falsch? Gibt es nur ein Entweder-Oder? Gibt es – mit ein wenig Phantasie – nicht auch etwas dazwischen?

Professor Nida-Rümelin hat sich zu diesen Fragen in der Vergangenheit wiederholt öffentlich geäußert und dabei, wie gesagt, einen differenzierten, kritischen Standpunkt vertreten. Nicht der Gesprächsabbruch, sondern im Gegenteil die Gesprächsintensivierung ist der Weg, den zivilisierte Menschen in Konfliktsituationen wählen müssen, wollen sie sich nicht selbst diskreditieren.

Davon ist gegenwärtig auch auf der Ebene der sog. hohen Politik allerdings nichts zu spüren.

Der Preis ist als Ermutigung für einen Menschen gedacht, der nicht mit dem Strom schwimmt und der keinen Krieg mit keinen Mitteln fortsetzen will.

Kant hat gesagt: “Der Friede ist ein Meisterstück der Vernunft”.

Vernunft aber konkretisiert sich in nichts Anderem als im argumentierenden Dialog.

Und Wissenschaft kann nicht den Anspruch auf Seriosität erheben, wenn sie nicht bereit ist zum Anhören anderer Meinungen und zum ergebnisoffenen Prüfen der für diese anderen Meinungen vorgebrachten Argumente.

Es freut mich dass Sie, sehr geehrter Herr Professor Nida-Rümelin, uns in der Vergangenheit immer wieder neu Gelegenheit gegeben haben, diesen unseren Seriositätsanspruch an uns selbst zu testen.

Und ich hoffe, dass Sie das auch weiter tun werden!“

Antwort an den Präsidenten

Nie hätte ich gedacht, dass eine zum Miteinanderreden, zu Differenzierung, zu Vernunft und Ausgleich aufrufende Ansprache wie diese Anlass zu einem Eklat, zu Kontaktabbruch, zu einem Zerwürfnis geben könnte! Erst recht nicht unter diskussionserprobten, lebenserfahrenen, erwachsenen Menschen, die zudem in einer für die Verteidigung des Postulats “Audiatur et altera pars!” gegründeten Stiftung zusammenarbeiten! Und doch war es ganz offensichtlich so.

Vermutlich gab es unter den Mitgliedern des erweiterten Vorstandes solche, denen die vorgetragenen Überlegungen zu differenziert waren, zu abwägend, zu wenig passend zu der in ihren Augen doch offensichtlich völlig klaren Lage, zu der in ihren Augen doch völlig klaren Verteilung von gut (Wir) und böse (die Russen).

Wenige Tage nach der Preisverleihung findet jedenfalls eine Sitzung des Kuratoriums der Stiftung statt, in der mich der Schock trifft, als der neue Präsident die Sitzung ohne Vorrede mit dem Vorwurf beginnt, ich hätte eine prorussische Ansprache gehalten; er sähe die Vertrauensgrundlage unserer Zusammenarbeit im Rahmen der Stiftung berührt.

Immerhin war ich noch geistesgegenwärtig genug, ihn zu unterbrechen und zu sagen: Nein, keineswegs prorussisch, sondern pro Differenzierung und pro Dialog; das sei etwas ganz Anderes.
Nach diesem Anfangsfanal verlief die weitere Sitzung in angespannter Atmosphäre und führte zu keinem konkreten Ergebnis.

Ein Ergebnis bekam ich erst einige Zeit später in dürren Worten lakonisch mitgeteilt von der neuen Geschäftsführerin, Frau Dr. Yvonne Dorf: Niederlegung der Trägerschaft durch den DHV, Abschaltung des (von mir bezahlten!) Internetauftritts. Ende der Stiftung. Punkt. Und das alles, ohne Gründe zu benennen.

In Reaktion auf diesen in meinen Augen schier unglaublichen Vorgang antwortete ich dem Präsidenten – ich gebe die Antwort in ihren für unseren Zusammenhang relevanten Teilen wieder:

„Sehr geehrter Herr Professor Dr. Koch,

am 8. 11. erhielt ich von Frau Dr. Dorf ein eMail-Schreiben, in dem sie mir überraschend die Niederlegung der Trägerschaft der Stiftung “Freiheit der Wissenschaft” durch den Trägerverein des DHV mitteilt.

Ich will nicht verhehlen, dass ich dieses Schreiben lieber von Ihnen – als meinem gewählten Präsidenten – erhalten hätte; auch weil zu Beginn die Korrespondenz, die die Einrichtung der Stiftung am DHV vorbereitete, zwischen Stifter und Präsident geführt wurde.

Das Schreiben habe ich teils mit Bedauern, teils mit Erleichterung zur Kenntnis genommen.

Mit Bedauern, da sich die große Hoffnung, die ich auf den DHV gesetzt hatte, als Illusion erweist.

Nun – das Leben wird weitergehen und ich bin zuversichtlich, dass es mir nach dem von Frau Dr. Dorf mitgeteilten Rückzug – über dessen Gründe sie sich rätselhafterweise in Schweigen hüllt -, gelingen wird, das Anliegen der Stiftung, das mir nach wie vor als unaufgebbar erscheint, dauerhaft in geeigneter Weise öffentlich zum Ausdruck bringen zu können.

Da haben die beiden scheidenden Herren Kempen und Hartmer dem jetzigen DHV zum Abschied offenbar ein etwas zu großes Ei ins Nest gelegt – obwohl es bei rechtem Licht betrachtet eigentlich zugleich auch sehr klein ist! Das Kernanliegen der Stiftung ist ja nur dies: Sie möchte an die zivilisatorische Selbstverständlichkeit des altrömischen Rechtsgrundsatzes “Audiatur et altera pars!” erinnern. Weiter eigentlich nichts.

Für Herrn Kempen und Herrn Hartmer war diese Selbstverständlichkeit unbezweifelbar und deren Verteidigung gegen die heute “cancel culture” genannte Art von Argumentations- und Gesprächsverweigerung ein Gebot der Stunde. Wie Herr Kempen gelegentlich in F&L aus offenbar gegebenem Anlass zu Protokoll gegeben hat, sei er selbstverständlich bereit, sogar dann mit der „altera pars“ zu reden, wenn es sich dabei z.B. um AfD-Bundestagsabgeordnete handele. Da die AfD in den meisten Medien – im Wortsinn auf Deibelkommraus – als der leibhaftige Gottseibeiuns behandelt wird, war diese Ansage ziemlich mutig von ihm. Ich habe ihn deswegen bewundert.

An seinem Abschiedsabend in Berlin hat mir Herr Kempen gesagt, er hielte die “Stiftung Freiheit der Wissenschaft” für einen “Diamanten” im DHV. Das ist erst wenige Monate her. Man sieht wieder mal, wie schnell alles anders werden kann! Das neue Personal kehrt den “Diamanten” in den Ausguss.

Ich schrieb oben, dass ich die Niederlegung der Trägerschaft nicht nur mit Bedauern, sondern auch mit Erleichterung zur Kenntnis genommen habe.

Mit Erleichterung hauptsächlich deshalb, weil ich mir eingestehen musste, dass sich der Trägerverein in einer für die Stiftung zentralen Hinsicht – genauer gesagt: in der für den Erfolg der Arbeit der Stiftung zentralsten Hinsicht – ohnehin weder an den Buchstaben noch an den Geist der Stiftungssatzung hält

Eine für ihren Kampf um die Freiheit der Rede weltweit bekannte und anerkannte Figur aus der ersten Reihe wie Noam Chomsky, meistzitierter Wissenschaftler der Welt, als Preisträger zu gewinnen, ist m. E. ein großartiger Erfolg – einer, der wohl nur schwer überboten werden kann. So haben es auch Herr Kempen und Herr Hartmer gesehen. Auch der von mir als zweiter Preisträger vorgeschlagene und gewonnene Julian Nida-Rümelin ist eine ohne Zweifel herausragende Figur. Über keine dieser beiden Preisverleihungen findet sich in F&L, der Zeitschrift des Deutschen Hochschulverbandes, auch nur ein einziger Kurzartikel!

Das widerspricht nicht nur dem Geist, sondern, ich wiederhole es, auch dem Buchstaben der Satzung, zu deren Einhaltung sich der Trägerverein am 20. April 2021 durch notariell beglaubigte Unterschrift verpflichtet hat!

Was soll man dazu sagen? Mit den alten Römern und ihren Sprüchen nimmt es der DHV wohl nicht so genau. Nicht mit „Pacta sunt servanda!“ – aber auch nicht mit „Audiatur et altera pars!“.

Es wird in einem Hinterzimmerchen beschlossen, die Trägerschaft der Stiftung, die diesem Leitmotiv – „Audiatur et altera pars!“ – gewidmet ist, niederzulegen. Fertig! Die Anklage wird erhoben, die Verhandlung wird geführt, das Urteil wird gefällt. Danach wird der Delinquent vorgeladen. Fertig!

Der Internetauftritt der Stiftung wird gelöscht. Fertig! Gründe werden keine genannt.

Eine Rücksprache, eine Information, eine vorherige Anhörung des Stifters findet nicht statt.

Der Stifter der anti-cancel-culture-Stiftung wird gecancelt! Und die Stiftung(strägerschaft) mit ihm! Kann man sich selbst noch grotesker ad absurdum führen?

Als sich mein philosophischer Lehrer Karl-Otto Apel als Wehrmachtssoldat weigerte, an der befohlenen Erschießung sowjetischer Überläufer teilzunehmen, wurde er von dem zuständigen Offizier angehört (und dann in Ruhe gelassen). Er wurde angehört! Man staunt.

Ob es mir jemals vergönnt sein wird, wenigstens nachträglich eine schriftliche Begründung zu erhalten?

Was ist an ihr so geheimnisvoll? Warum muss sie das Licht der Öffentlichkeit scheuen? Eine offene, ehrliche, schriftliche Begründung ist, sollte man meinen, eine Frage der zivilisierten Umgangsformen, der Fairness, des Anstands. Aber freilich, auch darüber kann man sich hinwegsetzen.

[Anm. RH: Kurz nach diesem Briefwechsel erhielt ich den Entwurfstext eines Vertrages, um die vom DHV erzwungene Auflösung der Stiftung rechtskräftig zu machen. Er sieht tatsächlich eine „Stillschweigevereinbarung“vor: „Die Parteien verpflichten sich wechselseitig, über die Gründe des Zustandekommens dieser Auflösungsvereinbarung Stillschweigen zu bewahren und sich über die jeweils andere Vertragspartei in der Öffentlichkeit nicht imageschädigend oder in einer sonstigen herabsetzenden Weise zu äußern.“]

Passte meine Argumentation vor dem erweiterten DHV Vorstand gegen die pauschale Cancelung der russischen Wissenschaft, mein Aufruf zur Differenzierung, sowenig in die gegenwärtig absichtsvoll geschürte Kriegsstimmung, dass Ihnen (in Ermangelung von Gegenargumenten) nur noch der diskussions- und kommentarlose Hinauswurf, der Tritt in den Hintern einfällt?
Wird es mir vergönnt sein, von Ihnen ein Wort dazu zu vernehmen?

Ich möchte mich trotz der rasanten Abfertigung, die mir zuteil geworden ist, und die ich für hochschulpolitisch gesehen traurig, juristisch gesehen blamabel und menschlich gesehen unterirdisch halte, gleichwohl in diesem Abschiedsbrief nicht nur kritisch und nur aus meiner Sicht äußern.

Auch Ihnen, den Mitgliedern des Trägervereins, ist sicherlich irgendetwas durch den Kopf gegangen, was Ihnen als Grund erschien.

Ich hoffe, Sie nehmen es mir als ernstgemeint und als um Verständnis bemüht ab, wenn ich einige Gedanken anfüge, die sich mir in den letzten zwei Jahren aufgedrängt haben. Sie betreffen die strukturelle Diskrepanz zwischen dem Anliegen der Stiftung und dem Anliegen des DHV.

Das Anliegen der S t i f t u n g ist, sicherlich nicht auf den ersten Blick, wohl aber bei bei genauerem Hinsehen und vor allem, wenn man es konsequent ernst nimmt, alsbald ein politisches.

Entsprechend waren denn auch die beiden ersten Preisträger politische Preisträger: In unmissverständlich prononcierter Weise Noam Chomsky, der von manchen in Amerika als eine Art Staatsfeind angesehen wird, und auch Julian Nida-Rümelin, der z.B. mit der deutschen Wissenschaftspolitik Russland gegenüber nicht kritiklos übereinstimmt und Bedenken gegen die pauschale Cancelung der Kontakte mit der russischen Wissenschaft hat – was der Hauptgrund dafür war, dass ich ihn als zweiten Preisträger vorgeschlagen habe.

Der D H V aber versteht sich letztlich nicht als politischer Verband, sondern als “Berufsvertretung” der Wissenschaftler – was z.B. heißen soll, durch Mitwirken bei Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen seinen Mitgliedern dabei zu helfen, beruflich besser voranzukommen. Das ist sicherlich in Ordnung, aber es ist nicht unbedingt auch politisch.

Würde der DHV anfangen, sich als politischer Verband zu sehen und sich dementsprechend engagieren, so würde er sich den Zentrifugalkräften des politischen Meinungsstreits und der politischen Interessen aussetzen – eine für ihn in der Tat potenziell existenzgefährdende Perspektive.

Hochentwickelte Führungsfähigkeiten, subtile politische Urteilskraft und sehr viel Mut wären erforderlich, um das Schifflein des DHV an den politischen Felsenklippen vorbeizusteuern und dabei Mannschaft und Passagiere an Bord zu halten.

Figuren vom Kaliber Franz-Josef Strauss`, Helmut Kohls oder Helmut Schmidts hätten das vielleicht nebenher gemacht. Für Hartmut Schiedermair war es soetwas wie eine Lebensaufgabe. Und Bernhard Kempen hat es zusammen mit Michael Hartmer 20 Jahre lang geschafft, das Schiff flott und über die Toppen beflaggt zu halten – eine beachtliche Leistung!

Ich kann es jedenfalls aus meiner bloßen Zuschauer- und Mitgliedsperspektive niemandem persönlich verübeln, wenn er sich darauf nicht einlassen will.
Aber schade ist es doch und kein gutes Zeichen für die politische Kultur in diesem Lande.“

Kultureller Niedergang?

Soweit zum traurigen Ende eines hoffnungsvoll begonnenen Unternehmens. Was ist die Lehre, die man aus alldem ziehen kann? Darüber zu befinden, möchte ich dem Leser überlassen.
Ich für meinen Teil habe gelernt: Ob “Audiatur et altera pars!” gilt oder nicht gilt, steht in den Sternen. Und ich habe gelernt: Ob “Pacta sunt servanda!” gilt oder nicht gilt, steht ebenfalls in den Sternen.

Für mich bedeuten die geschilderten Erfahrungen nicht nur etwas im Hinblick auf die Frage, wes Geistes Kind der (heutige) Deutsche Hochschulverband ist, sie scheinen mir auch etwas darüber hinaus zu bedeuten. Denn sie fügen sich ein in Erfahrungen mit ähnlich gesunkenen Standards in anderen Bereichen des heutigen gesellschaftlichen und staatlichen Lebens. Wäre es nur der DHV, der sich bei Bedarf um solche Grundregeln nicht schert – man könnte vielleicht noch, wie man sagt, “zur Tagesordnung übergehen”.

Aber es ist ja nicht nur der DHV, dem diese Regeln bei Bedarf Wurst sind. Es sind auch große politische Institutionen, es ist die deutsche Regierung selbst, es sind die EU, die EZB u.a.m., die sich immer wieder über Rechtsregeln und Verträge hinwegsetzen, wenn sie ihnen nicht passen.

Seriöse Autoren wie Hans Herbert von Arnim, Andreas von Bülow, Karl Albrecht Schachtschneider u.a. haben das an einer Vielzahl von Beispielen detailliert dargestellt.

Am Ende bleibt die beunruhigende Frage, wie anders man all das verstehen kann, wenn nicht als Zeichen eines kulturellen Niedergangs? Die Art des Endes der Stiftung “Freiheit der Wissenschaft” ist in diesem Gesamtbild nur ein kleines Mosaiksteinchen.

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29 Kommentare

    1. Oder es ist schlicht so, dass der Neoliberalismus Köpfe nach oben befördert, denen dann die Kraft zu einfachsten Bewältigungsstrategien, die man bis dahin mit Eliten assoziierte, fehlt.

      Unsere Eliten begannen erst sich wehrlosere Gegner zu suchen, als mit dem Referendum auf der Krim nach dem Putsch der US-Plan der Unterwerfung Russland in unvorhergesehene Richtung abzudriften begann.

      Die erste für mich unerwartete Reaktion waren die EU-Sanktionen gegen speziell den Tourismus auf der Krim also einem der Haupt-Broterwerbe der dortigen Bevölkerung. Die hatte unter sehr großer Beteiligung mit überragender Mehrheit für den Anschluss an Russland gestimmt.

      Sonst ist eine der Hauptbegleitmusiken für Sanktionen immer, dass sie nicht gegen die Bevölkerung gerichtet seien, sondern gegen die jeweiligen (wenigen) Unglückbringer des betroffenen Landes. Die Krim-Abspaltung traf die Planer und Helfershelfer so unvorberitet in ihrem Überlegenheitsgefühl, dass sie sogar dieses sonst grundsätzlich angewandte Schauspiel nicht mehr zustande brachten.

      Schade ist, dass auch das völlige Scheitern der Nato-Osterweiterung und die enormen wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Verwüstungen in Deutschland nicht dazu führen werden, dass die demokratischen Grundübungen von Wahlen irgendwann Besserung bringen werden, denn den USA ist es egal, ob es ihren Untertanen ihrer Vasallen gut geht. Sie werden ihre medialen-politischen Netzwerk am Laufen halten Deutschland wie auch die EU nicht mehr hochkommen lassen.

      Die Lateinamerikanisierung Europas hat mit der Akzeptierung des Ukraine-Putsches begonnen.

  1. Des Rätsels Lösung ist einfach: Niemand von Format, Talent und Hirn macht beim derzeitigen Affenzirkus freiwillig mit. Also bleiben nur noch Leute aus der dritten Reihe, ohne Persönlichkeit, ohne Funken, Fähnchen im Furzwind der Politik. Siehe auch das Personal in der Politik.
    Beruhigend, daß sie niemand finden der mitmachen will und irgendwas taugt. Aber so viel sei verraten: das Bodenblech dieser Farce ist kurz vor dem MHD. Zwinkersmiley, ich weiß da ein paar Dinge.

  2. Ah, “Noam Chomsky”, der wollte, dass Ungeimpfte, das Essen verweigert werden sollte…gute Wahl?!?!?! ▬|██████|▬
    Gehen sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen… 🙁

    1. „Ungeimpfte sollten den Anstand besitzen, sich von der Gesellschaft zu isolieren. Wie sie an Essen kommen, sei deren Problem. Harte Worte. Sie klingen noch härter, wenn man weiß, wer sie gesagt hat: Noam Chomsky, der mittlerweile 92-jährige Linguist und Philosoph, der wie kaum ein anderer dafür steht, die Grundrechte auch dann zu verteidigen, wenn die Konsequenzen schwer zu ertragen sind.“

      aus Cicero online

      Ein Appell an Ungeimpfte fällt im weitesten Sinne unter freie Meinungsäußerung. Genau dafür gab es den Stiftungspreis. Trotzdem ganz schwerer Tobak.

      (Ich vermute Angst, Angst um die Gesundheit und das pure Leben eines 92-jährigen.)

      1. Nicht ganz. Noam Chomsky befand sich schon häufiger, gerade wenn man ihn evtl. gebraucht hätte, auf Seiten der Sponsoren dieses Affenzirkus. Das war nicht nur bei Covid so, das war auch so bei 9/11 und Syrien, um zwei populäre Bsp. zu nehmen. Er wiederkäute die offiziösen Erzählungen und war für Regimechange. Schon schräg für einen der angeblich so fix im Denken ist.

        Und Meinungsfreiheit ist keine Narrenfreiheit. Vor allem nicht wenn sie so menschenfeindlich daherkommt wie Chomsky das vorgeführt hat. Eine demokratisch organisierte Gesellschaft, die Gemeinschaft der Demokraten, kann Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs ausschließen, wenn sie diese als zerstörerisch für die Gemeinschaft erachtet. Was übrigens das Wesen einer Demokratie ist, daß sich die Gemeinschaft ihre Gesetze selbst gibt und nicht daß jeder, ungeachtet der Konsequenzen, irgendeinen Unsinn plappert oder demagogischen Müll von sich gibt.

        Ich schätze ein einleuchtendes geschichtliches Bsp. dürfte die Publikation von ‘Mein Kampf’ sein, das die Begleitmusik zum anschließenden Gemetzel lieferte.

        Chomsky hat einfach erneut seine Doppelzüngigkeit belegt, indem er salopp formuliert meinte, wer sich nicht gentherapieren läßt soll verhungern. Damit ist er bei den Autokraten dieser Welt und weit entfernt von irgendeiner Form einer demokratischen Verfassung.

        1. Danke für deine Ausführungen.

          Gracchus Babeuf schrieb:
          „Eine demokratisch organisierte Gesellschaft, die Gemeinschaft der Demokraten, kann Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs ausschließen, wenn sie diese als zerstörerisch für die Gemeinschaft erachtet.“

          Wenn keine Straftatbestände berührt werden, gilt die Meinungsfreiheit. Frei und absolut. Ansonsten ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

          1. Ein Straftatbestand setzt einen Gesetzesverstoß voraus. In einer Demokratie gibt sich eine Gemeinschaft ihre Gesetze selbst. Und wenn eine Gemeinschaft beschließt, daß sie im öffentlichen Diskurs gewisse Dinge nicht wünscht, dann ist das so. Das ist das was ich gesagt habe.

    2. Es ist die Grundlage offener Dialoge in einer Sache: dass niemand ausgeschlossen werden darf, der in einer anderen Sache möglicherweise, vielleicht sogar nachweislich irrte. Die Vorstellung von Gleichheit der Menschen wird ohne diese Voraussetzung zur Farce.

  3. Kommunisten geht es schon lange so. Jetzt trifft es auch Demokratieidealisten, die bescheiden nur das Prinzip “Gehört werde auch die andere Partei” mit einer Stiftung fördern wollten. Obwohl ich mitfühlen kann, glaube ich nicht, dass diese gegenüber Kommunisten das gleiche Mitgefühl aufbringen würden oder aufgebracht haben. Kommunisten zu canceln war schon immer ok. Aber Demokraten zu canceln ist ein Akt des kulturellen Niedergangs. Aber da steht ja noch ein Fragezeichen. Kommt nämlich ganz auf die “Kultur” an, ob deren Niedergang wirklich zu bedauern ist.

    1. Viel zitiert, oft abgewandelt, manchmal missbraucht, immer noch aktuell: das berühmte Zitat Martin Niemöllers

      Als die Nazis die Kommunisten holten,
      habe ich geschwiegen,
      ich war ja kein Kommunist.

      Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
      habe ich geschwiegen,
      ich war ja kein Sozialdemokrat.

      Als sie die Gewerkschafter holten,
      habe ich geschwiegen,
      ich war ja kein Gewerkschafter.

      Als sie mich holten,
      gab es keinen mehr,
      der protestieren konnte.

  4. ‘Wahrheitsliebe’ beinhaltet mit ‘Liebe’ nicht zufällig einen Begriff aus dem Gefühlsbereich und verknüpft ihn mit ‘der Wahrheit’ aus dem Bereich des kalten logischen Denkens, jedenfalls würde es die westliche Wissenshaft so analysiert sehen. Wahrheits-Liebe erlaubt so ganzheitliches agieren. Aber wer von uns ist schon ständig derart unterwegs. Wohl jeder ist von Zeit zu Zeit fern des Gerechten Weges. Ich hoffe indes auf ruhigere Zeiten. Mehr Schlauheit brauchen wir nicht.

  5. Das Problem ist doch dieses:

    Mit den legalen Mitteln des Rechtsstaates canceln Personen, Institutionen usw. ihre Widersacher ( Kritiker, Querdenker, Kriegsgegner usw., usw., usw. ) formal legal, systemisch. Das Ziel ist klar: den Austausch von teils unbequemen Argumenten verhindern. – Die Gecancelten wehren sich mit den Mitteln des Rechtsstaates meist nicht. Sie schweigen mehr oder weniger. Ducken sich weg. Das ist der Anfang vom Ende. Meinung ist wichtiger als Argument, Faktum usw. Von redlicher Diskussionskultur ganz zu schweigen. Ich nenne derlei Gesinnungsterror.

    1. Sie beschreiben die ist Zustände z.B. in Saudi Arabien usw.,
      es folgt dann noch das spurlose Verschwinden von unbequemen Journalisten…
      und siehe da, das war unseren Moralisten kaum der Rede Wert…

  6. Während Reinhard Hesse, 46 jährig, die letzten Korrekturen an seiner Habilitationsschrift über “Politische Ethik” verfasst hat, haben George H.W. Bush und Dick Cheney seinen ganzen Subsch zusammen mit der sog. “Nachkriegsordnung” zu Makulatur und Schrott gemacht; mit einer “New World Order”, gegründet auf über 200 Tausend Leichen, mindestens eine Million Opfer der Operationen “Desert Shield” und “Desert Storm”, mit dem ikongraphischen nuklearen (Uranmunition) Massaker auf dem “Highway to Death” an abziehenden Soldaten und fliehenden Zivilisten.

    Selbstredend war diese “New World Order” keine Ordnung, eher das Gegenteil, und deshalb waren alle verführt – der Autor dieser Zeilen ausgeschlossen – sie nicht ernst zu nehmen. Obwohl ich gern zugebe, ich hab sie auch nur auf hoch theoretischer Ebene ernst genommen, ansonsten habe ich “weitergemacht” wie zuvor, und wie sollte ich da einen Reinhard Hesse dafür anrempeln, daß er mehr oder minder dasselbe getan hat.

    Aber dann gab es den Bosnien-Krieg, dann den abschließenden Serbienkrieg anläßlich des sog. “Kosovo-Konflikts” und schließlich 9/11 2001.
    Natürlich hat Reinhard nicht wissen können, was da vor sich ging. Es ist ein Karrierebestandteil für ihn gewesen, die “Politische Ökonomie des Kapitalismus” / Imperialismus … naja, wenigstens für eine “Irrlehre”, wenn nicht gar so etwas wie “Teufelszeug” zu halten. Und falls das nicht so gewesen ist, soll heißen, wenn er für solch “abweichende Meinungen” eine dem akademischen Betrieb entzogene “Kammer” in seinem Hirn reserviert hat, hat ihm das wohl wenig genutzt, auch die “Marxisten” haben doch nicht wahr haben wollen, in welchem Umfang die dem Stabschef George W. Bush’s Stabschef Karl Rove von Ron Suskind anonym zugeschriebene Aussage über eine sogenannte “reality based community” eine praktische Kritik so gut wie aller etablierten “Geisteswissenschaften” benannt hat:

    The aide said that guys like me were ‘in what we call the reality-based community,’ which he defined as people who ‘believe that solutions emerge from your judicious study of discernible reality.’ […] ‘That’s not the way the world really works anymore,’ he continued. ‘We’re an empire now, and when we act, we create our own reality. And while you’re studying that reality—judiciously, as you will—we’ll act again, creating other new realities, which you can study too, and that’s how things will sort out. We’re history’s actors…and you, all of you, will be left to just study what we do’.

    Aber umgekehrt hat just ein Reinhard Hesse, mit all seinen Studien im Hinterkopf, und auf der Höhe seiner Kraft, alle Voraussetzungen gehabt, das besser wahr zu nehmen, als die meisten anderen Zeitgenossen. Er kennt doch die historische Auseinandersetzung um die Schriften Machiavellis. Er kennt das mittelalterliche / klerikal-vatikanische “Principe” Translatio imperii . Er weiß wahrscheinlich mehr über das Inquisitionszeitalter, als meiner einer.

    Aber, wie sein heutiger Bericht dokumentiert, er hat das alles von sich geschoben. Er hat seine Karriere fort gesetzt und “seine Seele gerettet”. Bis zur Stunde. Er hat mein Mitgefühl, aber es ist ziemlich begrenzt.

    Und das ist auch nicht Anlaß und Gegenstand dieses Kommentars.
    Denn Reinhard kann auch wissen – und weiß es wahrscheinlich abermals besser, als meiner einer – daß es im Zeitalter der Vatikans- und Feodalherrschaften seiner Stiftung analoge Institute gegeben hat, von der Folter, der Vernichtungshaft, dem Autodafé geschützte “Räume”, Klöster, Zirkel, mehr oder weniger geheime, jedenfalls aber aller Öffentlichkeit entzogene Bünde, in denen der “Freie Gedanke” geschützt war und gepflegt worden ist, wenn auch unter der Kautele, daß es theologische Gedanken zu sein hatten.
    Und wehe, wehe, wenn die Protagonisten so unvorsichtig oder ehrgeizig wurden, daß aus sowas eine Schule zu werden drohte.

    Ich sage, ich bin nicht unzufrieden damit, daß es gescheitert ist, ein neuzeitliches Äquivalent auf den Weg zu bringen. Zumal sowas in den USA völlig überflüssig ist – das ist eine militärische Föderationsherrschaft (und zwar von allem Anfang an), die sich nicht davon kratzen läßt, was Akademiker schwätzen, nach “Karl Rove” weniger, denn je. Selbst am US-Army-College wurden wohl dokumentierte Papiere zur israelischen Apartheit und zum Terror der CIA-geführten und finanzierten Todesschwadrone in Mittelamerika zwecks Erlangung eines akademischen Titels im Rahmen einer militärischen Karriere verfasst. Ich weiß nicht, ob sie heute noch öffentlich zugänglich sind, 2012 waren sie es noch.

    Reinhard, tut mir leid, Deine Stiftung war ein überflüssiger Kropf, und so etwas liebt man in Frankreich und den USA, aber nicht im postfaschistischen Deutschland. That’s all to it.

    1. Der Bericht von Ron Suskind über die “reality based community” ist 2004 im New York Times Magazine erschienen. Als ich das letzte Mal nach dem Zitat suchte – vielleicht vor 6 Jahren – kamen hunderte von Artikeln hoch, darunter eine sehr ausführliche, ethisch-politiologische Auseinandersetzung damit in “Le Monde Diplomatique”. Heute (zumindest über Google): praktisch nichts, außer zwei Verweise auf akademische Papiere, für die man sich registrieren muß. Ansonsten findet man noch ein Dutzend Erwähnungen eines Rumpfzitates, “‘We’re an empire now, and when we act, we create our own reality.”. Und dann natürlich die propagandistische Verkürzung auf “we are an Empire now”.

      Der Hammer aber ist, daß eine Google-Suche nach dem plausiblen Merksatz, “We are an Empire now” viele mehr oder minder abseitige Verweise ergibt, aber keinen zum Wikipedia-Eintrag “reality based community”, der die Inquisition bis dato “überlebt” hat, und das vollständige Zitat nebst ein wenig Zusammenhang enthält.

      Ich selbst habe übrigens ab 2011, angesichts der Vorgänge um den Libyenkrieg, von einem “neuen Inquisitionszeitalter” geschrieben (Veröffentlichung zurück gezogen) und hatte 1995 ein kleines Privatstudium zur Semiologie des Mythos begonnen, um mit den Veränderungen der Herrschaftskultur theoretisch klar zu kommen.
      Quelle war nicht nur Roland Barthes (der bei dem Stichwort hoch kommt), sondern, wichtiger, Ernst Cassirer, und weitere Anregungen von Gregory Bateson, Claude Levy Strauss, Jean Piaget und etlichen anderen. Nicht zu vergessen Gilbert Ryle.
      Vielleicht ist das für jüngere Generationen alles überflüssig, keine Ahnung, wollte es mal erwähnt haben.

      1. Heute (zumindest über Google): praktisch nichts, außer zwei Verweise auf akademische Papiere, für die man sich registrieren muß.

        Dass Google „kaputt“ ist, also stark manipulierte Ergebnisse fabriziert, ist inzwischen sogar schon den US-Behörden aufgefallen, wie man hier lesen kann.

        Nutzt man eine seriöse Suchmaschine, dann steht z.B. der erwähnte Le Monde diplomatique-Artikel immerhin an zehnter Stelle:
        https://duckduckgo.com/?q=suskind+%2B+reality+based+community&t=ffab&ia=web

  7. Danke für die Veröffentlichung.
    Die Zeitenwende hat anscheinend schon, auch laut Frau Heike Egner und Konsorten, schon seit längerem an den Universitäten Fuss gefasst. Da ist es so langsam Essig mit wissenschaftlich basierter Meinung und Forschung. Vorgebene Einfalt statt tabuloser, freier Erkenntnis, falls es diese je gab.
    Zur Erinnerung 1968er Studiosispruch: Unter den Talaren, der Muff von 1000 Jahren.

  8. Wer nach Minsk immer noch an “Pacta sunt servanda!” geglaubt hat, dem ist auch nicht zu helfen. Nicht der erste und nicht der letzte Vertragsbruch.

  9. Interessant ist hier auch, dass der Verband nicht den näherliegenden Weg wählt, Einfluss auf die Auswahl der Auszuzeichnenden zu nehmen, also einen Arbeitskreis gründen, wo dann hinterher Joschka Fischer als Preisträger herauskommt oder so (siehe “Friedens”preis des deutschen Buchhandels an Applebaum).

    Mit einer Preisverleihung feiert man sich ja vor allem selbst, generiert Schlagzeilen usw. Normalerweise gibt ein solcher Verein so was nicht einfach auf. Das klingt hier eher nach politischem Druck.

  10. Schon der alte Häuptling der Apachen Geronimo (eigentlich: Bedonkohe Goyaałé, * 16. Juni 1829; † 17. Februar 1909) wußte, daß der weiße Mann mit gespaltener Zunge spricht! …

    Präziser können wir heute sagen: “Gewisse (weiße) Männer – und auch Frauen!” …

  11. Nachdem bis zur Stunde weder bei Telepolis noch beim frei zugänglichen Teil von SPON etwas über den Vorgang in Dnipro und Putins Ansprache dazu erschienen ist, weiß ich, daß Besprechungen der Rede Putins von der NATO-Stratcom als “Feindpropaganda” klassifiziert worden sind. Auch der Rückzug des einschlägigen AP-Artikels scheint davon zu zeugen. Bei AP wurde allerdings in den letzten Monaten eine andere Zensur wirksam, da verschwanden ungefähr von einem Tag zum anderen alle … ich sag mal “mitleidigen” Artikel über die Menschenopfer des israelischen Krieges gegen das amerikanische Mutterland.

    Die Zensur und Lenkung der Öffentlichkeit ist nun grundsätzlich dieselbe, wie im “3. Reich”, allerdings ist sie nicht völkisch, und auch nur mittelbar an das Kleinbürgertum gerichtet, deshalb sieht sie nicht so aus, wie im 3. Reich und arbeitet wohl auch nicht mit militärpolizeilichen Druckmitteln. Obgleich ich Letzteres in ausgewählten Fällen (zu denen Telepolis vielleicht zählen könnte) nicht ausschließen wollte. Aber “im Prinzip” zielt sie auf nichts anderes, als eine ständische Formierung der Funktionseliten, wie das schon in der “Corona-Krise” mit gewaltigem Erfolg erprobt worden ist.
    Insofern ist die kommandopolitische Schließung von Hesses Stiftung ein Paradebeispiel, aber, wie schon im anderen Beitrag gesagt, Deutschland ist hier ein bißchen “speziell”, was nicht zum Mindesten daran liegt, daß sich die Herrschaften hier nicht der ungebrochenen ständischen Tradition der akademischen und politischen Eliten in den anderen westeuropäischen Ländern bedienen kann, deren durchschlagende Wirkungsweise im ehemaligen britischen Empire ja bestens bekannt ist, das zählt zur Folklore der kontinentalen Massenkultur.

    Zu beachten ist allerdings die Funkstille um Pavel Durov, die jetzt 2 Monate anhält, soweit ich gesehen habe. Sein Fall erfüllt alle funktionellen Kriterien geheimpolizeilicher Folter, wie sie von GESTAPO, Stasi, MI5, FBI, CIA, US-Nationalgarde und FBI bekannt ist, allerdings in “zivilisierter” Gestalt … soweit bekannt. In Deutschland haben wir den Fall Ballweg, dessen Charakteristikum die Enteignung der Zielperson ist. Andere Forenten wüßten hier sicherlich weitere Beispiele zu nennen. Das Vorgehen ist also keineswegs “drucklos”.

    Unter anderen Umständen würde ich die Parole wiederholen, die zahlreiche amerikanische Aktivisten im Jahr 2012 ausgegeben haben: “Leave the internet! Organize!” Heute ist sie nichtmal Folklore, angesichts des durchschlagenden Erfolges der “seltsamen Attraktoren” Facebook, X, Telegram seither, welche die Leutz in einer veritablen “Matrix” einhegen, gefügt aus den eigenen Dummheiten, Illusionen, Zwangsvorstellungen, Obsessionen Ängsten und der all dies durchtränkenden, in Ohnmacht geborenen Furchtsamkeit.

    In dieser Gestalt teile ich den Kult der Distopie, der einen beträchtlichen Teil der Matrix stellt: Die “westliche Kultur”, “ihr”, habt fertig.” Da kann nichts mehr draus wachsen. Ihr könnt keine Kinder mehr haben, die sind Staatssklaven vom Tage ihrer Geburt.

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