
Die Europameisterschaft in Deutschland war ein organisatorisches Fiasko. Die Verbände sollten Schwellenländer nicht mehr bei der Vergabe von Turnieren berücksichtigen.
Aus! Aus! Aus! Die Spiele sind aus! Und Deutschland ist Weltmeister. Und zwar in Desorganisation. Heitere Spiele hat man sich gewünscht. Und am Ende auch medial erzeugt. Natürlich gab es Partystimmung. Wo geschrien und gesoffen wird, sind Partypeople nicht weit. Fans sind das keine. Über die, die angefressen waren, berichtete die Öffentlich-Gebrechlichen nicht.
Richtig rund lief es nicht. Nur der Ball war rund. Der Kick selbst schon wieder nicht. Selten war ein Turnier so gruselig öde. Dafür können die Organisatoren aber nichts. Für die Infrastruktur schon. Selbst 2010 in Südafrika war die besser.
Städte am Rande des Nervenzusammenbruches
Die Angst ging um in deutschen Großstädten. Was, wieder ein EM-Spiel in der Stadt? Das bedeutete Überfüllung, Dreck und Lautstärke. Damit konnte man umgehen. Dass aber an normalen Werktagen, gerade auch noch zur Rush Hour, der gesamte Nahverkehr zusammenbricht, konnte man kaum hinter netten Attitüden verbergen. Das führte zu Ärger und Ablehnung. Teilweise fielen ganze Linien komplett aus. In Frankfurt stellte die Stadt Busse zum Stadion für die Fans zur Verfügung. Die Fahrer wurden von anderen Linien abgezogen. Und die verwaisten dann. Das doofe Arbeitsvolk stand dumm herum. Selber schuld, so naiv zu sein anzunehmen, man würde Menschen in Arbeit respektieren.
In Köln mussten Fans zu Fuß zum Stadion: Zu wenig Busse und dann fielen auch noch die regulären Linien massenweise aus. Selbst die New York Times hat darüber berichtet. Über die New Yorker Underground wird viel gemosert, sie sei tierisch alt und ihre Renovierung würde Jahrzehnte dauern und kaum finanzierbar sein. Aber pünktlicher ist sie dennoch, bringt man in Erfahrung, wenn man online Erfahrungsberichte recherchiert.
Die Innenstädte quollen über. Maximierter Autoverkehr verstopfte die Straßen. Fanmärsche, die selbstverständlich schön anzusehen waren – speziell die Niederländer, die naar links, naar rechts durch die Straßenschluchten zogen –, ließen den Abendverkehr kollabieren. Niemand hat was gegen solche Turniere im eigenen Land. Es könnte so schön sein. Aber doch nicht, wenn Menschen, die damit nichts am Hut haben, so massiv eingeschränkt werden. Zumal wenn die Infrastruktur eh brüchig ist. In vielen Stadtteilen ging zudem das Aufkommen an Bettelei und Obdachlosigkeit steil nach oben. Während der Festtage gingen die Stadtverwaltungen dazu über, diese traditionell an Bahnhöfen auftretenden Phänomene in die benachbarten Bezirke abzudrängen. Die Medien brannten ein Fußballfest ab, in den Kiezen nahm die Verelendung drastisch zu. Ausländische Behörden warnten vor gewissen Stadtteilen in Deutschland. So die belgische Polizei vor dem Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main. Die Warnung war fast nicht nötig, die Zombies, von denen die Belgier sprachen, waren längst in andere Stadtteile umgezogen. Nur nicht ins angrenzende Westend. Dort wohnt der bessere Teil der hessischen Metropole.
Schlechte Rasen, lange Schlangen, Wetterlockdowns
Was man nun über die Pariser Olympiade in Erfahrung bringt, lässt hoffen, dass Deutschland nicht alleine Wasteland ist. Die Tickets für den Nahverkehr werden drastisch verteuert. Anwohner der Innenstadt benötigen Passierscheine. Das Land hat böse Erfahrungen mit Terrorismus gemacht. Das schlägt sich jetzt in der Organisation nieder. Warum lässt man solche Spiele in traumatisierten Gesellschaften stattfinden? Vor diesem Hintergrund versteht man, warum Präsident Macron schnelle Neuwahlen anstrebte. Nach den Spielen hätten viele Pariser vielleicht so die Schnauze von ihrer Staatsmacht voll, dass sie die Unvermeidliche gewählt hätten.
Zurück nach Deutschland, zurück zur Europameisterschaft 2024: Vor den Stadien versammelten sich regelhaft lange Schlangen. Selbst die Engländer, die es gewohnt sind, brav und bieder in solchen Schlangen zu stehen, beanstandeten die fehlenden Personalressourcen an den Spielstätten. Sie spürten wohl, dass Deutschland ein Land ist, das zwar Personalausweise ausgibt, aber kaum Personal findet. In jedem Bereich herrscht massiver Mangel. Und auch Krankheit. Der Nahverkehr ist so krank wie nie zuvor. Warum das so ist, spricht keiner aus. Nicht mal nach den entschwärzten RKI-Protokollen.
Über die Rasenqualität mussten dann sogar die Reporter des Staatsfernsehens berichten. Sie erwähnten es, machten aber so, als sei das nicht weiter schlimm. Ist es natürlich auch nicht. In der Kreisliga spielt man sogar auf Ascheplätzen. Aber Deutschland wollte doch zeigen, was es kann. Rasen gehört nicht dazu. Dafür hatte man die volle Kontrolle über die Feierwütigen. Als in vielen Städten Gewitter angesagt war, sagten die Veranstalter das öffentliche Gucken ab. Das Gewitter blieb in vielen Städten dann aus, man hat also auf Verdacht reglementiert. Hat eigentlich irgendwer gemerkt, dass da ein Wetterlockdown verhängt wurde? Wenigstens wurden die Schreihälse nicht nass und konnten ihren Rausch im Trockenen ausleben.
Südafrika, Brasilien, Deutschland: Schwellenländer unter sich
Was war noch gleich los, als die FIFA die Weltmeisterschaft für das Jahr 2010 nach Südafrika legte? Das Land sei überfordert mit der Infrastruktur, man könne kaum zu den Stadien kommen, weil es an Straßen fehlt, berichteten die Medien auch und ganz besonders in Deutschland. Die Stadien standen in Südafrika teilweise auch noch nicht. Das schöne Geld, das das Land verbriet, fehlte an allen Ecken und Enden. Die FIFA würde das Land zudem knebeln. Und zwar mit ihren Verträgen. Wenn die FIFA ein Turnier veranstaltet, zählten nicht mal nationale Gesetze wie beispielsweise der Mindestlohn. Vielleicht auch ein Grund, warum man Schwellenländer in den letzten Jahren bevorzugt organisieren ließ?
Vier Jahre später ging es nach Brasilien. Dasselbe Spiel. Diesmal waren sogar Bewohner der fußballverrückten Nation gegen das Turnier. Man könne es sich nicht leisten, erklärten sie der Weltpresse. Auch in Deutschland stimmte man dem zu. Wie schon 2010. Im Vorfeld der südafrikanischen Ausgabe signalisierten die Deutschen sogar gen FIFA, sie würden bereitstehen und einspringen, falls es Südafrika nicht auf die Reihe bringe. Recht arrogant gab man sich. Man sollte Länder mit mangelnder Infrastruktur nicht behelligen, hieß es. Aber wir könnten es leisten.
Die Einstellung ist nicht falsch: Schwellenländer mit einem solchen Turnier zu beauftragen ist ungehörig. Das bringt die Gesellschaften an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Was man vor 2010 noch nicht sah: Deutschland war bereits auf dem Weg, den Anschluss zu verlieren und sich neben Südafrika oder Brasilien einzureihen. Die neoliberale Sparpolitik war längst Wirklichkeit. Das Sommermärchen übertünchte das lediglich. Anderthalb Jahrzehnte später hat man das dann auch bewiesen. Deutschland konnte es nicht. Man schummelte sich organisatorisch durch die vier Wochen der EM. Liebe UEFA, Memo für die Zukunft: Kein Schwellenland mehr! Das ist unzumutbar und bringt ganze Bevölkerungen gegen den Fußballsport auf. Vielleicht kann ja Bulgarien die nächste EM austragen?
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Von einem „organisatorischen Fiasko“ kann keine Rede sein!
Jedenfalls waren die Regierungsflüge zur EM durch die Flugbereitschaft der „Bundeswehr“ bestens organisiert!
Diese 6 Einsätze der Flugbereitschaft kosteten lediglich 531.000 Euro. Meine verehrten Repräsentanten haben solche kleinen Ausflüge jederzeit mehr als verdient, tun sie doch alles, damit es uns gut geht. Sie wachen gewissenhaft über die Einhaltung des Grundgesetzes. Ähnlich wie Blacky, der Hütehund meines Nachbarn Schäfer Heinrich, über seine schlafenden Schäfchen wacht….
Wunderschönen Tag euch allen. Ich liebe euch alle…
Eben, man muss doch auch mal das Positive sehen an dem Ganzen: die Flüge der Flugbereitschaft waren doch pünktlich – oder? Und das Fußvolk heißt Fußvolk, weil es eben zu Fuß geht und nicht in luxuriösen Bahnen transportiert wird.
Immer diese Miesepeter.
Genau man sollte das positive sehen: Die Flieger haben funktioniert, sind nicht stehengeblieben abgestürzt, mußten keinen Sprit ablassen, haben eine Tür oder irgendein wichtiges Bauteil verloren.
Reifen waren auch in Ordnung und nicht platt. Glück gehabt – hätte schlimmer kommen können …
Eigene Altersversorgung, eigene Flugbereitschaft, eigene Diätensteigerungen, so lässts sichs in Deutschland gut leben. Wie Merkel sagte – Deutschland ist ein reiches Land.
Ja für einige, oder besser gesagt für immer weniger.
Deutschland war mal als Land für seine Infrastruktur bekannt, davon lebte die Wirtschaft.
Mittlerweile müssen wir die Daumen drücken das nicht irgendeine Brücke zusammenkracht, weil deren Zustand unter aller Sau ist.
In den 80zigern wären die Politiker wegen des derzeitigen erbärmlichen Zustands der Straßen gevierteilt worden.
Jetzt werden auch noch die Bürger für Schlendrian und Stillstand verantwortlich gemacht.
Besser geht’s nicht!
Soll man den Auftritt Deutschlands einfach nur peinlich finden oder hat er vielleicht etwas beruhigendes für das Ausland? So ein Land kann schließlich niemand ernsthaft bedrohen.
Und auch nach innen kann man sich ob der Panikattacken der Wehrhaftigkeit gelassen geben, angreifen wird ein solches Land wirklich niemand. Putin bald vorm Brandenburger Tor? Was soll der hier wollen, uns Wirtschaftswachstum bringen?
Matthias Matthäus ist Fußballfachmann obersten Ranges. Stadien meidet er, weil dort keine Fußballfachmänner den Ton angeben.
Bravo – mehr davon !!!
„Die Verbände sollten Schwellenländer nicht mehr bei der Vergabe von Turnieren berücksichtigen.“
Dies gilt im Übrigen auch für die Olympischen Spiele, die Sportler meinten gerade, dass es in selbst Indien besser liefe. Nichts anständiges zu essen und Betten aus Pappe. Den Kapitalismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf…oder so ähnlich :-)))
Also kein Problem: drauf auf die Orga…
aberrr: das größte Problem ist doch das immer entartendere FIFA Gebaren und deren Mega-Ansprüche ..
überall haben wir auf Gigantononie umgestellt!
Und diese Gigantononie hilft nur den Kapitalparasiten und deren Helferlein!
panem et circenses.
Am Brot spart man schon, die Spiele sollen es richten. Das klappt ab einer gewissen Größe der Lücke zwischen Schein und Realität nicht mehr.