Wirtschaftspropaganda und Massenmanipulation

Megafon, Symbolbild Propaganda
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Alex Carey zeigt in seinem grundlegenden Buch „Demokratie ohne Risiko“, wie Unternehmen, PR-Agenturen und politische Eliten die öffentliche Meinung systematisch manipulieren, um ihre Interessen durchzusetzen.

Immer wieder beschreibt Carey mit deutlichen Worten das schier unvorstellbare Ausmaß an Massenmanipulation, das seither entstanden ist und sich oft einfacher, aber dafür umso wirksamerer Rahmenerzählungen von »gut« gegen »böse«, »heilig« gegen »teuflisch« und »frei« gegen »unfrei« bedient:

»Der erfolgreiche Einsatz von Propaganda als Mittel der sozialen Kontrolle erfordert somit eine Reihe von Voraussetzungen: den Willen, sie einzusetzen; die Kompetenz, Propaganda zu produzieren; die Mittel, sie zu verbreiten; und schließlich die Verwendung ›signifikanter Symbole‹: Symbole denen tatsächliche Macht über emotionale Reaktionen zukommt – idealerweise Symbole des Heiligen und Satanischen. Seit langem schon verfügen die USA über alle diese Voraussetzungen in größerem Maße als jedes andere westliche Land. Ich werde jede dieser Voraussetzungen der Reihe nach erörtern.«

Der unschätzbare Wert der Arbeit des australischen Propagandaforschers

Das Buch als lesenwert zu bezeichnen, wäre untertrieben.

Eine der Haupttechniken ist es laut Carey, Kommunismus oder Sozialismus als das mit dem amerikanischen Kapitalismus konkurrierende System als »die überzogene negative Idealisierung des Bösen, säkularisiert im Kommunismus/Sozialismus als etwas sui generis, an allen Orten und zu allen Zeiten Böses, Schlechtes, Unterdrückerisches, Betrügerisches und Zerstörerisches gegenüber allen zivilisierten und humanen Werten« darzustellen. Demgegenüber seien der American Way of Live und der Spirit von Amerika zu einem Symbol »der irrationalen Kraft des Heiligen« geworden. Diese Aussagen lassen sich nochmals besser verstehen, wenn man bedenkt, dass Carey Analysen zu Zeiten des Kalten Krieges geschrieben wurden, während dem die beiden konkurrierenden Wirtschaftssysteme zu einem Kampf der Weltsichten und Ideologien schlechthin wurden.

Solche weitreichenden Aussagen muten zunächst vielleicht etwas weit hergeholt an, und man könnte geneigt sein, dem Autor eine Übertreibung oder Dramatisierung zu unterstellen. Hier zeigt sich jedoch der unschätzbare Wert der Arbeit des australischen Propagandaforschers: Minutiös und detektivisch lässt er solch weitreichenden Aussagen eine solche Fülle an Fakten und Belegen folgen, dass es manchmal schwerfällt, nicht von ihrer Fülle überwältigt zu werden. Seine gut dokumentierten Beispiele sind auch heute noch von unschätzbarem Wert: Von der Inszenierung des amerikanischen Independence Day, der zunächst Amerikanisierungstag hieß (1917), als Businesspropaganda im Kampf um die Köpfe und Herzen der Einwanderer über die Mohawk-Valley-Formel zur gezielten Zersetzung von Streiks (1936) bis hin zur Gründung zahlreicher Denkfabriken, um den intellektuellen Diskurs zu dominieren (ab den 1970er-Jahren) – Careys Werk will nicht nur gelesen, es will genau studiert werden, um aus dem reichen Erfahrungsschatz emanzipatorischer (Propaganda-) Analysen auch heute noch profitieren zu können.

Paradoxerweise ist es wohl auch einer erfolgreichen Wirtschaftspropaganda zu verdanken, dass wir heute so wenig über ihr Wirken während der letzten hundert Jahre wissen: »Man kann argumentieren, dass der Erfolg der Unternehmenspropaganda, uns über einen langen Zeitraum hinweg davon zu überzeugen, dass wir frei von Propaganda sind, eine der bedeutendsten Propagandaleistungen des zwanzigsten Jahrhunderts ist.«

Dem setzt der Australier eine so umfassende und vielschichtige Analyse von (amerikanischer) Unternehmenspropaganda vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 1980er-Jahre entgegen, dass es unmöglich scheint, die Bedeutung von Demokratie ohne Risiko in [wenigen Worten] umfassend zu würdigen.

Solides, wissenschaftliches Fundament

Neben der oftmals schwer zu durchschauenden Propaganda von Unternehmen geht Carey auch auf deren allumfassende Bestrebungen ein, um die Bildung von Schulen bis hin zu Universitäten im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen. Dabei lässt er es sich nicht nehmen, auch Klassiker der psychologischen Forschung, wie die Hawthorne-Studien zu effizienter Mitarbeiterführung (ab 1927), die er einer ausführlichen Kritik unterzieht, oder die Studien von Lewin, Lippitt und White (1939) zur Wirksamkeit einzelner Führungsstile, als in seinen Augen von wirtschaftlichen Interessen durchtränkt zu sein. »Wie kommt es, dass fast alle Autoren von Lehrbüchern, die sich auf die Hawthorne-Studien gestützt haben, die große Diskrepanz zwischen den Belegen und den Schlussfolgerungen in diesen Studien nicht wahrgenommen haben?«, fragt Carey . Dies kann auch als Appell an die (psychologische) Forschung verstanden werden, eigene, für selbstverständlich angenommene Prämissen immer wieder ergebnisoffen zu hinterfragen.

Besonders hervorzuheben ist der scharfsinnige, oftmals unkonventionelle Denkstil des Autors, der sich sicherlich an dem eingangs erwähnten Lob Pilgers, er sei ein »zweiter Orwell«, gestoßen hätte:

»Orwell warnte davor, dass ein kruder und brutaler Totalitarismus aus dem linken Lager der Politik kommen und die liberal-demokratischen Freiheiten, von denen wir alle profitieren möchten, untergraben würde. Eine derartige Perspektive ist dabei lediglich ein Teil des Kommunismus-Wahns im zwanzigsten Jahrhundert; denn auch wenn die Freiheiten der liberalen Demokratie zweifellos bedroht sind, so ging die Gefahr doch stets von der »respektablen Rechten« aus. Sie kommt in der Gestalt einer weitverbreiteten sozialen und politischen Indoktrination daher, einer Indoktrination, die Unternehmensinteressen als die Interessen aller propagiert und dabei die Gemeinschaft fragmentiert und das individuelle und kritische Denken ausschließt.«

»Drei Jahre nach ›1984‹ liegt es meines Erachtens auf der Hand, dass George Orwells Warnungen vor künftigen Bedrohungen der liberalen Demokratien weitgehend, ja sogar in gefährlicher Weise, falsch verstanden wurden«, so Carey in einer für ihn eigenen, scharfzüngigen und prägnanten Kritik an scheinbar etablierten Wahrheiten.

Carey gelingt es immer wieder, seine oft drastisch formulierte Kritik auf ein solides, wissenschaftliches Fundament zu stellen. Dies ist auch seiner ganzheitlichen Herangehensweise zu verdanken, die nicht vor den Schranken einer einzelnen Disziplin Halt macht. So betrachtet er Propaganda aus durchaus unterschiedlichen Perspektiven und lässt sowohl psychologische als auch soziologische und historische Forschungsansätze erkennen, die er ganz im Sinne seines humanistischen Anliegens gewinnbringend miteinander verknüpft.

Jonas Tögel

Dr. Jonas Tögel ist Amerikanist und Propagandaforscher. Er hat zum Thema Soft Power und Motivation promoviert und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Regensburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Motivation, der Einsatz von Soft-Power-Techniken, Nudging, Propaganda sowie epochale Herausforderungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Website des Autors ist www.jonastoegel.de.
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10 Kommentare

  1. Auch hier, heißt das Problem, wie immer ganz einfach „Kapitalismus“…nichts weiter!
    Solange wir Konkurrenz statt Kooperation haben und die Leute immer noch meinen mit Geld mehr Geld machen zu können, hat es gar keinen Zweck über eine Besserung oder gar Weltfrieden zu sprechen.
    Der Rest ist Propaganda. Edward Barneys.

    Edith:“Ihr habt ja sicher mitbekommen das Blackrockmann“ Larry Fink“ den WEF übernommen hat“.!

    1. Immer diese verkürzte Kapitasmismuskritik. War damals der Spruch der installierten Pseudolinken, um vom Problem abzulenken. Nun sind wir da wo wir sind und erleben den Kapitalismus ungebremst.

      1. Kurz und Bündig ist meist besser als lang und ausschweifend.
        Ich bin weder installiert noch pseudo, ich lebe nämlich auch so, was auch zugegebenermaßen viele „Pseudolinke nie getan haben.
        „L´avenir“ mit der Huppert schauen, dort wird das Phenomen ganz treffend in einem Spielfilm beschrieben:
        https://de.wikipedia.org/wiki/Alles_was_kommt
        Von welchem Problem wurde denn angeblich abgelenkt..hm?

  2. Es ist doch eine ständige Voraussetzung und Aufgabe der „Politik“, also der Vollstecker der Notwendigkeiten der Werteverwertung, den Leuten „Demokratie“ vorzugauckeln, um die Kapitalgesellschaft überhaupt zu sichern.
    Demokratie im ureigenen Sinne kann es unter den Bedingungen gar nicht geben. Die Interessen der Bevölkerung müssen unsichtbar bleiben. Klappt ja schon eine Weile, woran sich nichts ändert.
    Die Leute glauben sogar, dass Krieg in ihrem Interesse ist und die bösen Kommunisten ihnen ihre Aktienpakete wegnehmen wollen.

  3. Diese Welt ist untertereilt im dualismus, daß ist der Motor für geteiltes denken und hat. letztendlich nichts damit zu tun, was Menschen denken, fühlen oder sonst irgendwas fühlen. Der Mensch wird geführt über den ‚ Gedannken‘ und seiner Gefühle, das ist was ausschlagend ist, ständige Manipulation.
    D ist t der Meister im bezahlen für diese Manipulation. Well done!
    Ihr Witzzgeister habt seit dem Herrn zarazin nichts hinzugelernt…

  4. »der irrationalen Kraft des Heiligen«

    wie irrational die ist kann man ja nun seit ein paar jahren vor allem in den usa sehen. in deutschland übrigens auch.
    es war zu erwarten, daß dieses system aus wahn und zwang irgendwann zurüchschlägt nach innen. freilich erst nachdem es nach aussen seinen blutrausch ausgelebt hat bzw. ausleben ließ.
    es entstehen widersprüche wie die daß man ein ungleich größeres kriegsverbrechen öffentlich und politisch verteidigt und ökonomisch mitbegleitet und ein anderes mit völlig wahnhafter skrupellosigkeit verurteilt, nachdem man es selbst jahrelang zuvor vorzubereiten half.
    es ist die kraft des sich selbst zum heiligen machenden, die das hervorbringt und sogar hier noch diese ominöse „kraft des heiligen“ selbst mißbraucht.

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