Und jetzt: der Weihnachtsbraten!

So dürfen die wenigsten Gänse leben. In Deutschand ist Freilandhaltung üblich, aber nur ein Prozent der Gänse sind Bewohnerinnen eines Biohofs. Achtzig Prozent der bei uns verkauften Gänse sind importierte Tiere, meist aus tierquälerischer Stopfmast. | Foto: Ada K / Pixabay

Seit Corona wird wieder mehr zuhause gekocht. Die Hersteller von Kochgeschirr und Küchenutensilien melden schon seit über einem Jahr steigende Absatzzahlen. An Weihnachten muss es ja traditionell sowieso der große Schmaus sein, egal wie viele Familienmitglieder da nun aktuell zusammenkommen, ob geimpft oder nicht, erlaubt oder nicht. Bei den meisten dürfte dann der Braten auf den Tisch kommen. Nur, wo können wir noch Fleisch kaufen, ganz unabhängig von Corona und Kontaktbeschränkungen – wenn wir gleichzeitig an das Klima, die Umwelt und das Tierwohl denken?
Schon vor einem Jahr hatte ich dieses Thema hier aufgegriffen, und weil sich seitdem – außer der personellen Besetzung der einschlägigen Ministerien – nichts geändert hat, kommt der Text nun noch einmal in aktualisierter Fassung.

Fleisch mit gutem Gewissen?

Die Nachhaltigkeitsberatung Soil and more Impacts in Hamburg hatte im vergangenen Jahr in einer Studie für Greenpeace ausgerechnet, wie viele versteckte Kosten bei der Fleischproduktion anfallen. Wie viel Ressourcenverbrauch, wie viele Umwelt- und Klimaschäden nicht die Verursacher zahlen, weil sie auf die Gesellschaft und die zukünftigen Generationen abgewälzt werden, und was Rind- und Schweinefleisch kosten müsste, wenn die versteckten Kosten von uns Fleischesserinnen mit bezahlt würden. Nach dieser Studie müsste „konventionell“ erzeugtes Rindfleisch um mehr als die Hälfte teurer sein, „konventionelles“ Schweinefleisch sogar doppelt so teuer. Aber auch Ökofleisch müsste viel teurer sein, beim Schwein plus 23, beim Rind plus fünfzig Prozent. Und bei diesen Berechnungen sind Biodiversitätsverluste nur wenig und Tierwohl noch gar nicht eingepreist. Was also tun, wenn man doch noch einen Weihnachtsbraten auf den Tisch bringen will?

Vielleicht mit dem Einkauf gezielt die Biobetriebe unterstützen, bei denen es den Tieren am besten geht und die gleichzeitig eine Form der Landwirtschaft betreiben, die die Böden gesund hält und das Klima schützt. Solche Höfe gibt es, vielleicht sogar ganz in der Nähe. Man muss unter Umständen ein wenig suchen und dabei wissen, wonach gesucht wird.

Fangen wir mit der Gans an. Und raten gleich mal grundsätzlich ab vom Gänsebraten, weil die „konventionellen“ Gänse fast schon ein Blackbox-Produkt sind. Wie sie aufgewachsen sind, lässt sich von Verbrauche-rinnen so gut wie nicht überprüfen, schon weil bis zu achtzig Prozent des in Deutschland verzehrten Gänsefleischs importiert ist. Die Gänse kommen zumeist aus Polen und Ungarn, aber auch aus Frankreich und Bulgarien. Und dort ist die Tierquälerei des Gänsestopfens nicht verboten. In Deutschland ist Gänsestopfen verboten, nicht aber der Import von Stopf-gänsen.

Das ist übrigens eine systemische Inkonsequenz: In vielen Bereichen wird importiert, was herzustellen hierzulande verboten wäre. Die EU-Kommission denkt derzeit darüber nach, klimaschädlich hergestellte Waren an den EU-Außengrenzen mit entsprechenden Zollzuschlägen zu versehen, wenn die CO2-Bepreisung in der Europäischen Union Fahrt aufnimmt. Wenn das bei anderen Umweltschäden und der Berücksichtigung von Tierwohl auch so käme, würden nur noch wenige Lebensmittel in die EU gelangen.

Aber zurück zu den Stopfgänsen. Wie der Name der Quälerei schon sagt, wird den Gänsen dabei das Futter in den Hals gestopft. Benutzt wird dazu geschroteter und eingeweichter Mais, der durch eine metallene Röhre in den Gänsehals gedrückt wird. Es entsteht die bis auf das Zehnfache krankhaft vergrößerte Stopfleber, die als Foie gras noch immer zu den Delikatessen der französischen Küche zählt. 1999 hatte die EU das Gänsestopfen eigentlich verboten, das Verbot aber nie durchgesetzt. 2005 erklärte die französische Nationalversammlung Foie gras zum nationalen Kulturgut.

„Nationales Kulturgut“ Foie gras: Gänsestopfen in Frankreich, aufgenommen 2013 | Foto: Asavaa / Wikipedia

Das Fleisch um die kranke Stopfleber herum ist für die Gänsestopfbetriebe eigentlich nur ein Nebenerwerb, gerade gut genug zum Export nach Deutschland. Dort können die Stopfgänse dann im Supermarkt gerne auch als „Gans aus bäuerlicher Haltung“ vermarktet werden. Was nicht einmal ganz gelogen, vor allem aber nicht verboten ist, weil keine geschützte Bezeichnung. Auch „aus kontrollierter Haltung“ kann die gequälte Gans kommen oder als ungarische oder polnische „Hafermastgans“ vermarktet werden. Wer sich so etwas kauft, sollte wissen, dass er ein wissentlich gequältes und krank gemachtes Tier vor sich hat, das höchstens fünfzehn Wochen lang leben durfte und dabei womöglich auch noch zwischendurch bei lebendigem Leib gerupft wurde. Denn auch Gänsedaunen sind gefragt.

Die deutschen Gänse stammen dagegen fast alle aus Freilandhaltung, leben deutlich länger und kosten mindestens das Vierfache der importierten Stopfgänse. Ein einziges Prozent der hierzulande aufgewachsenen Gänse hatte immerhin sieben Monate auf einem Biohof zu leben. Am Ende kosten solche Gänse dann rund zwanzig Euro pro Kilo, die „konventionellen“ Freilandgänse um die fünfzehn Euro und die importierten Qualtiere knapp vier Euro. Wenn es also der traditionelle Gänsebraten sein soll, dann werden gut hundert Euro dafür fällig, falls man eine der Biogänse ergattern kann.

Klimafreundlicher Rinderbraten

Suchen wir nun den Rinderbraten, der mit gutem Gewissen gegessen werden kann. Wer dabei nicht nur aufs Tierwohl, sondern auch auf den Klimaschutz achten will, hat es schwer. Zumindest dann, wenn die Studie von Soil and more ernst genommen wird. Das Problem der Rinder ist nämlich, dass aus ihrem komplizierten Verdauungstrakt Methan entweicht, ein Klimagas, das 21mal wirksamer ist als Kohlendioxid. Das führt auch dazu, dass die Nachhaltigkeitsberater aus Hamburg das Fleisch von Biorindern fast genauso kritisch sehen wie das aus „konventioneller“ Haltung. Die Tiere auf den Biohöfen leben nämlich deutlich länger, als die in der eher industriellen Mast und können daher auch länger Klimagas ausstoßen.

Dass diese Berechnungen eher theoretischer Natur sind und die Realität eine andere sein kann, wenn den Tieren zum Beispiel Weidegang ermöglicht wird, habe ich an dieser Stelle mehrfach berichtet, zuletzt, als es um den Methanausstoß pro Liter Milch ging. Da ist klargestellt, dass die Kuh kein Klimakiller sein muss: im Blog und im Podcast. Alle Studien, die pauschal über die Klimawirksamkeit der Tierhaltung urteilen, auch der vielfach zitierte „Fleischatlas“ von BUND und Heinrich-Böll-Stiftung, kranken daran, dass sie die Unterschiede eben dieser Tierhaltung nicht berücksichtigen können, weil dazu jeder landwirtschaftliche Betrieb gesondert betrachtet werden müsste.

Der Weidegang der Tiere verringert nicht nur deren Methanausstoß, sondern sorgt durch den direkten Einfluss der Rinder auf das Grünland für vermehrt aufwachsenden Humus. Und in diesem binden die Bodenlebewesen erhebliche Mengen an Kohlenstoff. Den wiederum haben die Pflanzen zuvor als CO2 aus der Atmosphäre weggeatmet. Unter einer lebendigen Weide findet sich dann mehr Humus, als in einem über Jahrhunderte gewachsenen Waldboden; auch wenn bestsellernde Oberförster uns in den Medien gerne anderes glauben lassen wollen. Außerdem erhöht der Weidegang der Rinder die Biodiversität im Grünland. Wo kein Kreiselmäher kommt, können Insekten und Wiesenvögel überleben. Und die Bioverbände wie Bioland, Naturland und Demeter verpflichten ihre Mitglieder, den Tieren Weidegang zu gewähren. Das wäre der eine Teil der Gegenrechnung zum klimaschädlichen Rinderbraten. Der zweite Teil ist nicht weniger kompliziert, aber vielleicht noch überzeugender.

Wie haben die Rinder gelebt? Im Stall oder draußen? Wer Fleisch essen will, sollte sich gut informieren über die Tierhaltung und seine Wahl konkret daran ausrichten. Das hilft dem Klima, der Umwelt und den Tieren. | Foto: Florian Schwinn

Schauen wir uns dazu mal einen biodynamisch bewirtschafteten Hof an. Demeter schreibt seinen Mitgliedern die Tierhaltung vor, weil nur mit den Tieren die bio-dynamische Kreislaufwirtschaft des Hofes gelingt. Ohne ihren Dung und ihre Mitarbeit auf der Weide ist es kaum möglich, das Land über Jahrzehnte fruchtbar zu halten, wenn man nicht Dünger zukaufen will. Wenn nun ein Demeter-Hof sich um den Nukleus einer sagen wir hundertköpfigen Herde von Milchkühen gruppiert und diese hundert Kühe und ihr Nachwuchs über Jahrzehnte nicht mehr werden, weil die überzähligen Tiere regelmäßig geschlachtet werden, dann emittiert diese Rinderherde jedes Jahr die gleiche Menge Methan. Dieses Gas ist zwar viel klima-schädlicher als Kohlendioxid, dafür aber auch viel kurzlebiger. Nach zwölf Jahren in der Atmosphäre zerfällt es. Nach zwölf Jahren ist also das Methan aus unserem Biohof wieder weg. Wenn der Hof, wie das bei vielen der älteren Demeter-Betriebe der Fall ist, nun schon seit Jahrzehnten immer eine gleich große Rinderherde hält, kommt von dort jedenfalls kein zusätzliches Methan mehr in die Atmosphäre. Das gleiche gilt für eine Mutterkuhherde von Fleischrindern wie Angus oder Limousin, die immer gleich groß ist und möglichst immer draußen. Übrigens, wie an dieser Stelle auch schon berichtet, entsteht beim Weidegang der Rinder sowieso nur die Hälfte des Methanausstoßes, verglichen mit Stalltieren, die Kraftfutter erhalten. Von solch einem Hof käme dann der Rinderbraten mit gutem Klimagewissen.

Saugutes Leben?

Womit wir beim Schweinsbraten angelangt wären, wie das die Bayern nennen, wo er quasi Nationalgericht ist. Nun wird es wieder deutlich schwieriger, weil das Hausschwein ein stark industrialisiertes Tier geworden ist. Die üblichen Hybridschweine, die auch von vielen Biobetrieben gehalten werden, stammen aus genetisch relativ verarmten Züchtungen, die durch eine Kombination aus weiblichen und männlichen Zuchtlinien für schnelle Gewichtszunahme „optimiert“ werden. Bioschweine haben mehr Platz im Stall, einen Auslauf und einen Ruhebereich mit Einstreu. Sie werden älter als die Tiere in der industriellen Turbomast. Aber so ein richtig saugutes Leben mit Wühlen und Suhlen müssen auch sie nicht gehabt haben.

Wer schon einmal das Glück hatte, einer Rotte Wildschweine länger zuschauen zu können, kann ahnen, was ein gutes Schweineleben wäre. Das dem Hausschwein auch zu gewähren, wäre durchaus möglich. Dann würde aber das Kilo Schweinefleisch etwa das Doppelte dessen kosten, was wir heute beim Discounter bezahlen, falls wir dort wirklich noch Fleisch kaufen wollen.

Schweine sind Waldtiere und sie wurden früher, ganz früher, auch tatsächlich im Wald gehalten. In Deutschland ist das Halten von Schweinen im Wald heute verboten und die wenigen Betriebe, die es dennoch tun, haben zumeist einen jahrelangen Streit mit den Veterinärämtern hinter sich. Und sie setzen nicht auf die üblichen Hybridschweine, sondern halten meist alte Hausrassen wie Duroc, Berkshire, Bentheimer oder Angler-Sattelschwein. Das sind völlig andere Schweine als die Hybridtiere. Sie haben Borsten, sie sind kräftig, widerstandsfähig, und sie legen sich einen gesunden Speck zu, mit dessen Hilfe sie auch draußen überwintern können. Alles was sie brauchen, ist ein kleiner Unterstand, in dem sie sich in kalten Nächten gegenseitig wärmen. Und eine möglichst große Entfernung von den Seuchengebieten der Afrikanischen Schweinepest. Von solchen Höfen, wie ich sie auch hier schon vorgestellt habe, im Blog und im Podcast, käme der Schweinsbraten mit gutem Gewissen.

So, und wenn es diese Weihnachten damit noch nicht geklappt hat, dann vielleicht beim nächsten Fest. Und wer jetzt sagt, wenn das alles so kompliziert ist, dann verzichte ich doch lieber auf den Festtagsbraten und koche vegan. Bitte sehr, eine gute Idee! Aber nicht weniger kompliziert. Wenn Sie nämlich auf Gemüse ausweichen, dann achten Sie bitte auch da auf den umwelt- und klimaschädlichen Rucksack der Lebensmittel. Wo kommen sie her, jetzt im Winter? Wie viel Treibhausgas und wie viel Ausbeutung menschlicher Arbeitskräfte klebt an ihnen? Und auch beim Reisanbau zum Beispiel entstehen Unmengen Klimagase – ja genau – Methan! Viele der im Supermarkt angebotenen hoch verarbeiteten veganen Lebensmittel kommen zudem gar nicht mehr aus Landwirtschaft und Lebensmittelhandwerk, sondern aus der Fabrik. Mit entsprechendem Energieaufwand und CO2-Rucksack.

Frohes Fest! Guten Appetit!

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