Pro-palästinensische Proteste an der Universität Ljubljana kommen gänzlich ohne Polizeieinsätze aus

Gebäude der Akademie für bildende Kunst und Design der Universität von Ljubljana
Bild: Elias Feroz, Gebäude der Akademie für bildende Kunst und Design der Universität von Ljubljana

Nachdem Irland, Spanien und Norwegen Palästina als Staat anerkannt haben, folgt nun auch das slowenische Parlament: 57 Abgeordnete haben in der Parlamentssitzung für die Anerkennung gestimmt, eine Stimme war dagegen und 37 Abgeordnete boykottierten die Sitzung.

Auch an der Universität Ljubljana gibt es seit Wochen pro-palästinensische Proteste von Seiten der Studierenden. Doch anders als beispielsweise an deutschen Universitäten kommen diese ganz ohne Polizeigewalt aus. Tatsächlich sind überhaupt keine Polizisten an den Universitätsgebäuden der slowenischen Hauptstadt, wo die Proteste gegen den Krieg in Gaza stattfinden, zu sehen. Auch die Lehrenden zeigen viel Verständnis für das Unbehagen der Studenten gegenüber den Geschehnissen in Gaza, während man zugleich verblüfft darüber ist, was den Nahost-Diskurs in Deutschland und Österreich anbelangt.

„Gegen den Krieg in Gaza zu protestieren, ist das absolute Minimum, das wir tun können“

Das Gebäude der Akademie für bildende Kunst und Design der Universität von Ljubljana ist unschwer von Weitem zu erkennen. Nicht etwa, weil die Architektur des Gebäudes außergewöhnlich schön oder auffällig ist. Ganz im Gegenteil. Das Gebäude ist eher alt und ziemlich hässlich. Allerdings hängt aus dem Dach des Gebäudes eine gigantische palästinensische Flagge hinunter, die einem förmlich ins Auge sticht.

„Unser Kunstwerk [gemeint ist hiermit die besagte palästinensische Flagge] befindet sich dort seit etwa Anfang Mai“, berichtet der Studiendekan der Akademie, Prof. Alen Ožbolt. Prof. Ožbolt arbeitet mit den Studierenden eng zusammen, was die Organisierung der Proteste und anderer Aktionen anbelangt. Neben dem Solidaritätsbekenntnis mit den palästinensischen Opfern sind auch die Forderungen der Akademie auf der Webseite der Universität Ljubljana zu finden. Das Anliegen der Anerkennung eines palästinensischen Staates wurde nun mit der ersten Juni-Woche durch den Beschluss des slowenischen Parlaments Wirklichkeit. Das öffentliche Statement der Akademie wurde bislang von mehr als 70 Universitätsbediensteten und -mitarbeitern unterschrieben (Stand: 05. Juni 2024).

„Gegen den Krieg in Gaza zu protestieren, ist das absolute Minimum, das wir tun können“, sagt Prof. Ožbolt. Doch Proteste allein reichen nicht für eine nachhaltige Veränderung aus, wie er weiter ausführt. Die Akademie möchte nun mehr Kontakt und Austauschprogramme mit palästinensischen Künstlern aufbauen. Beschwerden oder gar Antisemitismusvorwürfe habe es bislang bezüglich der Proteste nicht gegeben. Nur wenige kritische E-Mails seien eingelangt, wie Ožbolt schildert. Die Akademie bzw. die Universität solle sich neutral verhalten, hieß es beispielsweise in einer Nachricht. „Ich habe dann geantwortet, dass wir als Bildungsinstitution nicht schweigen können, wenn wir tagtäglich sehen, was in Gaza geschieht“, so Ožbolt.

Doch nicht nur die Akademie für bildende Künste und Design arbeitet an Projekten, um auf das Leid in Gaza Aufmerksam zu machen. Betritt man das Gebäude der philosophischen Fakultät, so findet man eine Fotoausstellung über die Geschichte Gazas vor. Die Beschreibungen zu den Bildern sind nur auf Slowenisch zu lesen, doch die benötigt man nicht zwangsweise, um zu verstehen, um was es geht. Die Fotos stammen aus den letzten Jahrzehnten und erzählen eine Geschichte der palästinensischen Flucht, des Leids und des Widerstands gegen die israelische Besatzung.

Nicht in jedem Land ein Problem

Auch wenn die Dekanin der philosophischen Fakultät, Prof. Mojca Schlamberger Brezar, den pro-palästinensischen Veranstaltungen und Protesten gegenüber positiv gesinnt ist, ist für sie Differenziertheit von zentraler Bedeutung. Einen akademischen Boykott von gewissen Staaten, egal ob es sich nun um Israel handelt oder beispielsweise Russland, steht sie kritisch gegenüber: „Wir haben am Beispiel von Russland gesehen, dass Boykotte europaweit schnell umgesetzt werden, wenn der Wille da ist“, so Prof. Schlamberger. „Ich würde jedoch nicht so weit gehen, akademische Stimmen auszuschließen und zu boykottieren, nur weil sie aus gewissen Ländern stammen. Das wäre einfach nur rassistisch“, führt sie weiter aus. Zumal betont Prof. Schlamberger, dass es sowohl in Israel wie auch in Russland akademische Stimmen gibt, die selbst die größten Kritiker der Regierungen ihres Heimatlandes sind. Es wäre demnach falsch, alle über einem Kamm zu scheren und diese Stimmen auszuschließen.

Diese Undifferenziertheit ist zugleich eine Realität im deutschsprachigen Raum, die vor allem seit dem 07. Oktober bemerkbar ist. Die Liste der gecancelten Personen der vergangenen Monate ist lang. Von jüdischen Stimmen, wie beispielsweise die Philosophinnen Nancy Fraser und Masha Gessen, bis hin zu palästinensischen Stimmen wie Ghassan Abu-Sittah, Rashid Khalidi und zahlreichen weiteren Persönlichkeiten. „Ich glaube das Problem im deutschen und österreichischen Diskurs ist, dass man oft nicht sehen will, dass es auch israelische und jüdische Stimmen gibt, die Israels Regierung kritisieren. Diese Gleichsetzung von Antisemitismus mit berechtigter Kritik an die israelische Regierung erachte ich als problematisch“, sagt Prof. Irena Samide, die die Vizedekanin der philosophischen Fakultät der Universität Ljubljana ist. Das Schuldbewusstsein Deutschlands und Österreichs würde demzufolge das Gesprächsklima stark vereinnahmen, was zwar verständlich sei, doch führe dies scheinbar dazu, dass Israel-kritische Stimmen automatisch als antisemitisch gelabelt werden.

Die Anerkennung Palästinas von Seiten Sloweniens mag nur ein symbolischer Akt gewesen sein, doch zeigt der Parlamentsbeschluss sowie der allgemeine Umgang mit pro-palästinensischen Protesten an der Universität, dass die Anliegen der Demonstranten nicht in jedem europäischen Land problematisiert werden, und dass der Nahostdiskurs innereuropäisch von Land zu Land stark variiert.

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13 Kommentare

  1. Es gibt eben Länder, wo die Meinungsfreiheit noch höher bewertet wird als in Deutschland!

    Allzu kritische Worte zum Völkermord in Gaza darf man hierzulande nicht laut äußern, sonst droht Deutschland mit der Staatsräson und seiner Polizei. Die gewaltsame Räumung der FU in Berlin, wo es auch zu sexuellen Übergriffen gegen Frauen kam, darüber wird auch in kritischen deutschen Medien zu wenig berichtet. Habt ihr „nur“ Angst oder warum schweigt ihr?

    Im Ausland schaut man mittlerweile mit Verachtung auf dieses Deutschland. Viele amerikanische Künstler geniesen im Zentrum des Imperiums mehr Meinungsfreiheit als in diesen Deutschland. Varoufakis durfte nicht zum Palästina-Kongress nach Deutschland einreisen und dies wird hierzulande einfach übergangen.

    Deshalb sagt man im Ausland auch: Germany shame on you!

  2. Ein inhaltlicher Beitrag zum Text ist mir leider nicht möglich, da ich nicht weiter gekommen bin, als zum Wort “Studierende”.
    Ich verstehe nicht, warum man ein substantiviertes Partizip Präsens verwenden muss, wenn es seit Äonen ein richtiges Substantiv (Studenten) gibt. Partizip Präsens bedeutet, dass man die Tätigkeit gerade eben (Präsens eben) ausübt. Aber hier im Text studieren die Leute nicht, sondern sie demonstrieren. Wenn ich jetzt zum Bahnhof gehe und einen Fahrplan studiere, bin ich in genau in dieser Minute ein Studierender, aber keinesfalls macht micht das wieder zum Studenten. Es nervt einfach, wie sich Alle in diese gender-Richtung treiben lassen.

    1. Da sind Sie nicht alleine. Ich bin ein Liebhaber der Deutschen Sprache und es bereitet
      mir manchmal fast Schmerzen, wie mit dieser mittlerweile umgegangen wird.
      Es wird wohl noch sehr, sehr lange daueren, bis die Obrigkeitshörigkeit aus der
      Deutschen Kollektivseele verschwunden ist.

      Carl Friedrich von Weizsäcker wird die treffende Charakterisierung zugeschrieben, der typische Deutsche sei absolut obrigkeitshörig, ein typischer Befehlsempfänger und des eigenen Denkens entwöhnt; er sei zwar ein Held vor dem Feind, aber im bürgerlichen Leben kennzeichne ihn ein totaler Mangel an Zivilcourage. Letzteres beklagte selbst Bismarck mit den Worten: „Mut auf dem Schlachtfelde ist bei uns Gemeingut, aber Sie werden nicht selten finden, daß es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt.“ Heinrich Mann beschrieb in seinem Roman „Der Untertan“ eindrucksvoll den Typus des Mitläufers und Konformisten, der total an die von oben vorgegebenen gesellschaftlichen Normen, Meinungen und Erwartungen angepasst ist.
      (H.W. Ludwig)

      1. Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht; mit einer Einschränkung.

        Bismarck war einer der stärksten Protagonisten in der deutschen Geschichte, der dieses Verhalten forciert und gefördert hat.
        Stichwort „Preußische Tugenden“
        Einer von eklatant vielen Fehlern, die diesem Land bis heute nachhängen und sich auch nicht mehr ändern werden.

        1. Da gebe ich Ihnen recht, daß hier ein Zusammenhang besteht. Selbiges ist mir auch
          schon aufgefallen. Aber nichtsdestotrotz ist hier auch eine gehörige Portion
          Trägheit mit im Spiel. Sprich, wenn ich nur dem folge, was mir die “Obrigkeit”
          vorschreibt, brauche ich meinen Verstand nicht selbst benutzen und habe auch
          immer eine wunderbare Ausrede, wenn es mal wieder schief läuft. 😉
          Adolf Eichmann hat beim Prozess in Israel ebenfalls verlauten lassen,
          er hätte schließlich nur Befehle befolgt und getan was ihm aufgetragen wurde.
          Übrigens hier ist der Artikel aus dem ich zitiert habe:

          https://fassadenkratzer.de/2017/09/29/die-deutsche-obrigkeitshoerigkeit-und-ihr-ursprung/

    2. 👍👍 Uns wird auf allen Ebenen ein Korsett übergestülpt, welches wir nie wollten und welches z.B. auch viele Queere sicher nie wollten. Es ist alles wie ein Alptraum, was derzeit abgeht. Die letzten Hoffnungen liegen in einem großen Teil der Jugend, die diese Politik nicht für richtig halten und im Erstarken der BRICS. Bei nahezu allen Dingen, die derzeit von oben verordnet werden, stehe ich abseits, und das ist so, weil ich eben noch nie etwas gegen Lesben/Schwule/Quere oder Ausländer hatte und schon immer für Ausgleich statt Krieg eintrat. Das Gendern ist eine Vergewaltigung der Muttersprache, die befeuerten Kriege sind eine Zerstörung meiner Humanität und Windräder mit Waldzerstückelung hämmern meine Naturverbundenheit kaputt. Mindestens die Grünen müssen weg.

    3. Letztlich gehen beide eingedeutschten Wörter auf das lateinische PPA Plural von studere “studentes” zurück, *die sich Bemühenden”.

    4. Was ein aufblasen. Linguistisch haben Sie ja Recht, aber so ein Fass aufmachen UND die Kenntnisnahme des Artikels abzubrechen, wegen dem?
      Ha ha, da können Sie nicht mal die Gebrauchsanleitung einer Eieruhr lesen.
      Und denken Sie jetzt nicht, Sie brauchen das nicht. Sie wissen sehr genau, was ich damit meine.

  3. Warum regen Sie sich über Banalitäten auf? Gibt es nicht wichtigere Probleme als die deutsche Schreibweise?
    Ich finde, der Kindermord in Gaza ist ein Verbrechen, daß im Namen der Menschlichkeit ALLE Menschen guten Willens verurteilen müssen.
    Die deutsche Schreibweise ist dabei völlig egal, ein aufgebauschtes deutsches Problem. Im Englischen oder gar in Mandarin kann man nicht gendern. Solange der Autor richtige Dinge sagt, soll er dies doch ausdrücken wie er will!

  4. Schön zu lesen, das soviele sich solidarisieren und das ganz ohne Polizei-gewalt-.
    Es muss demnach doch noch ‘kultivierte’Demokratien geben.
    Aber wenn diese kultivierte Demokratie für Palästina protestiert, warum demonstrieren diese nicht gegen einige EU Mitglieder, die das Morden der Palästinenser ermöglicht?
    Ach, der liberale endlos Verdiener an Kriegen darf ja nicht kritisiert werden.

  5. Andere Länder sind eben schon weiter und freier als Sonderweg-Deutschland.
    Hierzulande werden auf dem Altar eines seltsamen Schuldstolzes die Interessen der Palästinenser geopfert.

  6. ich stimme ihnen zu, der Massenmord in Gaza ist unbeschreibbar schrecklich.
    Allerdings fängt die deutsche Unterwürfigkeit mit Kleinigkeiten an, wie z. B. der unnötigen Veränderung der Sprache, weil es die elitären Herrschaften so wollen. Dieses Untertanentum setzte sich dann fort bei Corona und findet dann noch weitere Steigerung beim Ukrainekrieg und dem Genozid in Gaza. Ich habe und hatte ständig Diskussionen mit ??? zu all diesen Themen. Man überzeugt niemanden und steht im realen Leben am Schluss mehr oder minder alleine da.

    1. Zur Stärkung Ihrer seelischen Widerstandskräfte empfehle ich Ihnen doch mal an einer Palästinenserdemo teilzunehmen. Sie werden unglaublich mutige und entschlossene, aber auch sehr friedfertige Leute kennenlernen.
      Wenn Sie allerdings aus Berlin sind, müssen Sie vorsichtig sein. Die Polizei ist hier unglaublich brutal. Sie werden aber mutige Frauen sehen, die sich friedlich und kraftvoll den Bullenterror entgegenstellen.
      Wenn Sie das erleben, dann erscheinen Ihnen die deutschen Sprachprobleme als winzige Kleinigkeit!

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