Über Erben und Erbschaften spricht man nicht. Gisela Stelly Augstein hat jetzt den ersten Erbschaftsroman geschrieben, der zugleich ein Familienroman ist.
Das Overton Magazin sprach mit Stelly Augstein über Erben, Geschwister und Identitäten.
Redaktion: »Der Fang des Tages« – das ist der Titel Ihres aktuellen Buches, Frau Stelly Augstein. Wie kommt man darauf, einen Roman über Erbschaften zu schreiben? Viel Belletristik gibt es hierzu ja nicht.
Stelly Augstein: Es ist verwunderlich, dass »Der Fang des Tages« tatsächlich der erste Roman über zwei Familien ist, in denen geerbt wird, also das Thema erben zentral ist. Das ist so verblüffend, weil wir ja alle auf die eine oder andere Weise irgendwann erben – und auch vererben. Das Erben scheint nicht nur so, es ist ein sehr komplexes und einschneidendes Ereignis in unserem Leben, haushoch beladen mit Emotionen. Deshalb ist es ja so spannend!
»Der Prozess des Erbens hat mit Identität zu tun«
Redaktion: Hat die Erbschaft etwas Anrüchiges?
Stelly Augstein: Erbschaften können zwiespältige Gefühle auslösen, weil Erben ja ein Vorgang ist, bei dem man etwas bekommt, ohne dafür etwas getan oder dafür gearbeitet zu haben. Vielleicht spricht man deshalb nicht gerne davon. Und selbst wenn man sich über ein Erbe freut, so ist es doch immer mit dem Tod eines Menschen verbunden. In sehr vielen Fällen bricht dann aber auch noch Streit unter den Erben aus. Oft sehr heftiger Streit. Dass sich Familienmitglieder streiten und nie mehr versöhnen, davon hat man schon viel gehört.
Redaktion: Wer sich bis aufs Blut bekriegt bei einer Erbschaft: Da muss im Vorhinein schon irgendwas nicht im Reinen gewesen sein, oder nicht?
Stelly Augstein: Aus den Erfahrungen, die ich selber gemacht habe in meinen drei Familien und aus den Erzählungen einer Freundin, die Erbrechtsanwältin ist und sehr viele Erbfälle betreut hat, weiß ich, dass beim Tod der Eltern, vom Vater oder von der Mutter, mit dem Erbe das familiäre Beziehungsgeflecht aus der Vergangenheit bis zurück zur Kindheit noch einmal auf den Tisch kommt, noch einmal neu verhandelt wird. Ganz sicher hat so ein dramatisches Verhandeln um die Beziehungen zwischen den Eltern oder zu den Eltern oder unter den Geschwistern mit Identität zu tun.
Redaktion: Erben ist jetzt also auch eine Identitätsfrage?
Stelly Augstein: Nun ja, bei Geschwistern geht es um den Platz in der Familie: bin ich so etwas wie der Liebling, bin ich gesehen oder übersehen worden und passiert das jetzt wieder? Da kann dann etwa ein Ring oder etwas Ähnliches ohne großen materiellen Wert für den Platz innerhalb der Familie eine besondere Bedeutung für die eigene Identität bekommen. Umso mehr, wenn es um größere materielle Werte geht.
Redaktion: In Ihrem Buch geht es auch um diese Fragen …
Stelly Augstein: Richtig, vordergründig geht es erst zunächst mal um das Elternhaus, das vererbt werden soll, genauer gesagt, um den letzten Anteil der Mutter an diesem Elternhaus. Die Möglichkeit, dieses Haus familiär als Ganzes zu nutzen, das erwägen die Erben gar nicht erst. Es geht ihnen sehr darum, wer denn nun der Stammhalter sein darf, also um die Identität desjenigen, der dann künftig die Familie repräsentiert.
»Ich habe eigentlich kein Problem damit, dass Autor und Werk vermischt werden«
Redaktion: Ein Handlungsstrang ist nun medial in den Fokus geraten: Es geht um den Tod eines Medienunternehmers – und damit um dessen Erbschaft. Ärgert es Sie, dass dieser Aspekt Ihres Buches derzeit so überbetont wird?
Stelly Augstein: Ich wurde in den bisherigen Interviews, und übrigens auch in den Lesungen, weitaus häufiger über das Beziehungsgeflecht der Geschwister Escher und den Streit unter den Geschwistern, der mit dem Erbe entbrannt, befragt. Es scheint das zu sein, was Menschen bewegt – der Streit beim Erben in der Familie. Weil viele diese Erfahrung machen oder gemacht haben oder befürchten, dass sie diese machen könnten. Ich habe auch Briefe bekommen, die sich zum Erben an sich äußern. Der Handlungsstrang, der von den Intrigen um das Vermächtnis des Medienunternehmers Leonard K. handelt, scheint mir nicht überbetont wahrgenommen worden zu sein.
Redaktion: Nun sind Sie mal, wer Sie sind, will heißen: Sie haben nun natürlich eine Vorgeschichte, die gewisse Parallelen aufweist. Sollte man nicht zwischen dem, was der Autor schreibt und dem, wer der Autor ist, unterscheiden können? Muss man Autor und Werk nicht trennen?
Stelly Augstein: Der Roman ist fiktiv. Aber natürlich sind meine Erfahrungen und Wahrnehmungen in den Roman eingeflossen. Er ist nicht aus dem Nichts entstanden. Ich habe viel Zeit bei meinen Großeltern in einer Großfamilie verbracht, mein Großvater hatte acht Geschwister, das hat mich geprägt. Mein erster Mann war Rudolf Augstein, wir haben weit über zwanzig Jahre zusammen gelebt, das hat mich geprägt. Mein zweiter Mann hat sechs Geschwister, wieder eine große Familie mit einem großen Beziehungsgeflecht, das hat mich auch geprägt. Und aus diesen vielen verschiedenen Erfahrungen, man kann fast sagen, verschiedenen Leben, formen sich Stoffe, die zu Romanen werden – ja, so ist es.
Redaktion: Was nahezu jeder Autor macht …
Stelly Augstein: Erzählungen sind immer aus dem Erlebten entstanden, auch wenn es ins Phantastische übersetzt wurde. Letztlich schreibt man von dem, was man erlebt, beobachtet, wahrgenommen hat. Ich habe kein Problem damit, dass Autor und Werk vermischt werden. Mein Beruf und ich als Person: Das ist schon sehr verwoben.
Über das Vererben müssen sich die meisten Bundesbürger wohl keine Sorgen machen.
Das Häuschen wird vermutlich schon für den Aufenthalt im Altenheim draufgehen.
Die ohne Häuschen werden bei der derzeitigen Politik auch nichts zu vererben haben oder nur Schulden 🙁
Macht aber nichts, das letzte Hemd hat eh keine Taschen
Für die Restlichen empfehle ich: “Wir verprassen das Erbe unserer Kinder”
So ist es!
Zumal, wenn das Elysium erreicht wurde: “du wirst nichts besitzen, aber glücklich sein!”
Bereits zu Lebzeiten den Himmel auf Erden; ein Traum wird endlich wahr!😂
Dabei aber bitte nicht die “9 zu 1-Regel” vergessen, um dem Kind einen Namen zu geben.
10% müssen weiterhin unglücklich sein/bleiben – wegen der ausgleichenden Gerechtigkeit.🤫
Mir fiel bei “weil wir ja alle auf die eine oder andere Weise irgendwann erben – und auch vererben” fast die Kinnlade runter.
Eine eigene Immobilie besitzt höchstens die Hälfte der Bundesbürger und wer noch nicht einmal das hat, kann i.d.R. auch sonst nichts vererben. Dafür dürfte es jede Menge Schulden zu vererben geben.
In welcher Welt lebt man wohl, wenn man so einen Satz von sich gibt?
Wer schreibt der bleibt! Solange wie das die Doktrin gewährleistet.
Wenn nicht, fällt man in den Sumpf, der Vergesslichkeit!
Wer trotzdem schreiben darf, ist um einen Grad in der Stufe des sagbaren besser bestellt.