Künstliche Impertinenz

Roboter liest ein Buch
Chitra Sancheti, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Es gibt sie durchaus noch, die Themen für die Linken. Neben der sozialen Ungerechtigkeit, die sie immer öfter ausblenden, wäre das die Verkünstlichung unserer Restintelligenz. Eine KI-Welt ist eine Gefahr für Gesellschaft und das Menschsein.

Die Linken haben sich abgeschafft. Stück für Stück. Und vor einigen Wochen dann endgültig, indem man den klügsten Kopf aus der Partei bugsierte. Die Themen gingen den Linken freilich nie aus. Sie haben sie nur ignoriert oder weggeschoben, mindestens aber von ihrer Prioritätenliste verbannt. Nur die Blödesten der Blöden, die ihre linke Attitüde urplötzlich in der Wokeness verortet haben, wähnten sich glücklich: Denn für sie schien es keine linken Themen, keine Verteilungs-, keine soziale Frage mehr zu geben.

Die gab es, ich wiederhole mich gerne in meiner Not, immer und ständig. Und es dräut bereits das nächste Thema, dem sich die Linken mit etwas Vehemenz entgegenstellen müssen. Die Rede ist von der Künstlichen Intelligenz, die womöglich nicht umsonst mit KI abgekürzt wird – KI wie kein Interesse. Sollte man aber haben, denn es droht der endgültige Verlust des Zufalles und der Verfall dessen, was wir Alteingeborenen mal Menschsein nannten. Also dieses Konzept der Fehlbarkeit, des Irrens, Suchens und Hoffens. Ein zugegeben etwas schwerfälliges, zuweilen auch enttäuschendes Konzept. Aber es versprach Spannung und Überraschungen, die ohne Kalkül zustande kamen und daher besonders wertvoll waren.

GPT, KI, AOK – LMAA

Alles spricht von der KI; jeder scheint schon mal in Kontakt getreten zu sein mit ihr – Stichwort: ChatGPT. Massenhafte Meinungen zum Thema gibt es jedoch erst seit kurzem, als habe die KI erst neulich ihren Betrieb aufgenommen. Diskutiert wird dabei eigentlich nur diese Eingabemaske, in die man Fragen eintippen kann, um auf Antwort zu warten. Tolles leiste die KI, sagen einige. Andere merken an: Sie simuliere nur Schlauheit, denn sie trage bloß Informationen zusammen, die der Mensch irgendwann sichergestellt habe. Ganz gleich, welche Betrachtung stimmt: Das ist nicht das Thema, ChatGPT ist nicht das, was uns droht.

Die KI wird nicht einfach nur als eine Anlaufstelle im Internet zu denken sein, die man aufsuchen kann, um sich einen Aufsatz zu erschwindeln. Sie wird in das Internet der Dinge integriert werden – ach was, sie wird das Internet der Dinge sein. Und dann geht es weiter: Mit dem Internet der Körper. Der Algorithmus wird uns nicht einfach bloß Songs empfehlen, die uns gefallen könnten. Er wird wissen, was uns gefällt, bevor wir auch nur einen Gedanken daran verschwendet haben. Er wird für uns bestellen und stornieren und uns weismachen, dass wir das genau so wollten.

Wollten wir das? Ist das eine Frage, die sich dann noch stellt? Wenn die Künstliche Intelligenz erstmal etabliert ist, wird sie eine Künstliche Impertinenz an den Tag legen, die uns eines ganz klar machen wird: Hinterfrage nicht die Technologie – hinterfrage mich nicht, den Herrn deinen künstlichen Gott! –, sie kann gleichzeitig alles, wozu du Tage oder Wochen benötigst. Vielleicht gar ein ganzes Leben. Lasst dir doch durch KI helfen, dummer Mensch!

Wenn man erstmal (Vital-)Datenmengen zusammenträgt, lässt sich viel besser ein Krankenkassenbeitrag errechnen, der dann auch wirklich angemessen ist. Irgendwer verwaltet doch auch die durch Nanoroboter eruierten Körperdaten. Da sollte die AOK doch auch mal reinlugen dürfen. Einen solchen Schatz kann man nicht ungeteilt für sich behalten. Errechnetes Todesdatum? Gut, ganz stimmen wird das nie, aber so ungefähr vielleicht schon. Und das reicht doch, um ein Leben danach auszurichten. Welcher Bewerber eignet sich, welcher weniger? Personaler sind ja oft so menschlich, was heißt: Sie sind dumm, fehlbar und naiv, haben Sympathien und stellen nach Bauchgefühl ein. Das geht besser, zuverlässiger, ein kurzer Datenscan und wir wissen mehr. Absage erfolgt automatisiert.

Terminators Lächeln

Da war der Niedriglohnsektor, Deutschlands Stolz und Europas Neid, ja fast noch eine Bastion der Menschlichkeit, wird man sich später mal erinnern – oder auch nicht, denn eine so gesteuerte und verwaltete Welt braucht keine geschichtlichen Rückschauen. Sie blickt voran, in die Zukunft, die quasi in der Gegenwart schon zu großen Teilen entschieden ist. Zufälle sind dabei noch ausgeschlossener als heute schon. Das Leben wird berechenbar, was die Vergangenheit nicht ist. Warum sich also mit einer Aufgabenstellung auseinandersetzen, die mathematisch keinen Mehrwert mehr hat?

Wir tun freilich so, als sei die KI jetzt über uns gekommen wie ein Unglück. Die schöne neue Welt zeichnet sich schon lange ab und wir, die Prosumenten, spielen das Spiel unkritisch mit, machen uns freiwillig gläsern. Nun reifen Algorithmen so aus, dass sie die menschliche Arbeitskraft – eben auch die kreative menschliche Arbeitskraft – überflüssig werden lässt. Die Arbeiter der Hand kennen den Wegfall von Arbeitsplätzen durch Technologie schon seit vielen Jahren. Die Arbeiter der Stirn sind nun fällig.

Und hier tut sich ein neues Thema für eine wirkliche Linke auf. Das vielleicht wirklich letzte Gefecht. Und das nicht etwa, weil es wieder mal um die Rettung von Arbeitsplätzen geht. Hier droht viel mehr. Nämlich der Verlust der Menschlichkeit, einer Welt, in der nicht alles vorprogrammiert und damit vorherbestimmt ist. Genau das verheißt aber die Künstliche Intelligenz. Sie merzt das Menschliche aus, das so unvorhersehbar, so unberechenbar, ja so instabil und wankelmütig ist. Was droht ist eine Welt, in der der Algorithmus alles zum Erstarren bringt. Noch mehr, als wir das ohnehin schon kennen. Das letzte Gefecht geht tiefer als jenes, das in der Internationalen besungen wurde und vom Menschenrecht kündete, das sich vor allem durch Arbeit manifestierte. Denn Arbeit, so damals die nicht völlig falsche Auffassung, sei menschliche Verwirklichung – solange sie nicht entfremdet am Fließband und im Akkord geschieht.

Das letzte Gefecht gegen die Künstliche Intelligenz wird keines sein wie im Terminator-Franchise. Die Maschinen werden nicht die Herrschaft an sich reißen und die Menschen mit Gewalt unterjochen oder gar töten. Sie tun es, weil wir sie lassen und nach und nach »eingesehen bekommen«, dass die KI klüger und weitsichtiger ist wie wir. Die Menschen werden sich nicht unterwerfen, sie werden sich unterordnen. Der Terminator killt weder Sarah Connors noch sonst wen. Er lächelt, er wird uns mit freundlich programmierter Attitüde einlullen – und über kurz oder lang alles das nehmen, was wir uns heute noch als Menschlichkeit vorstellen.

Ein Thema, das Konservative wie Linke vereinen sollte

Er nimmt uns nicht nur die Arbeit – vielleicht könnten wir die Ökonomie ja anders aufstellen, Maschinen besteuern etwa, die wenige Arbeit, die dann noch bleibt, so verteilen und so entlohnen, dass man davon auch leben und genießen kann. Rein theoretisch gesprochen, denn die herrschende und besitzende Klasse wird hier einen Einspruch erheben, der unter Umständen auch aus Gewehrläufen knallt. Aber was ist mit dem Verlust dessen, was für uns Menschen von heute – für die Älteren unter uns mehr als für die Digital Natives – Leben ausmachte, das Salz in der Suppe war?

Dafür scheint es keine Reformen zu geben. Will man Algorithmen so programmieren, dass sie Zufälle zulassen? Ist das dann noch Zufall oder der berechnete Ausreißer, der sich nicht einfach ergibt, sondern mit Metadaten generiert? Ja, will man etwa Gesetze schaffen, die der KI Herr werden wollen? Stimmen, die dergleichen fordern, gibt es schon heute. Einige nennen diese Leute Technologieverweigerer. Vielleicht sind sie das. Naiv sind sie in jedem Falle, denn der Geist, der aus der Flasche kroch, lässt sich nicht mal mehr in ein Fass sperren. Wenn der Mensch die Fähigkeit hat, einer Künstlichkeit etwas zu verleihen, was wie Intelligenz aussieht, dann tut er das. Einfach weil er es kann.

Die KI hegt man nicht mehr ein. Vermutlich kann man es nicht mal lindern. Das Gewohnheitstier, das unsere Spezies darstellt, vermag es in Wüsten ebenso zu leben, wie in Schneelandschaften. Wieso sollte es nicht in der Welt ohne Zufall eine Heimat finden können? Und steckt man erstmal in dieser Welt, kennt man keine andere: Vielleicht keimt dann sogar ein Glücksgefühl auf. Mit freundlicher Unterstützung etwaiger Stimmungsaufheller, die eine fürsorgliche KI morgen zum Frühstück packt.

Aber wir von heute, wir wollen das doch nicht wirklich. Das ist eine Dystopie, das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen. Wie gesagt, hier müsste die Linke aufstehen und die ultimative Koalition mit denen wagen, die die Welt wie sie ist, heute noch als Schöpfung bezeichnen. Es wäre eine natürliche Allianz, denn Linke, die dem Konservativen skeptisch gegenüberstehen ebenso wie Konservative, die progressiven Ansätzen nichts abgewinnen können, vereint eine Sache ganz sicher: Der Gedanke, dass es Dinge in dieser bereits heute kaputten Welt gibt, die zu bewahren einen großen Kampf wert sind. Dazu gehört es, dass wir eine paradoxe Kreatur sind. Die einen begründen das mit Humanismus – die anderen mit Gott. Es ist dennoch derselbe Nenner.

Es ist schön, jemanden kennenzulernen und nicht zu wissen, ob sie dich küsst beim ersten Rendezvous. Wird es Schmetterlinge im Bauch geben, wenn die KI einem anhand von Datenmaterial aus beider Gesundheits- und Befindlichkeitsdatenbank ausrechnet, wie wahrscheinlich ein Kuss sein wird?

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21 Kommentare

  1. Das Thema KI ist überbewertet. Warum? Ganz einfach: Da die KI vom Menschen im laufenden Betrieb “lernt”, heißt das, daß die KI mit der Zeit immer dümmer wird und damit – zugegebenermaßen – gefährlicher.

    1. Der Logik folgend, sollte KI daher keinesfalls unterschätzt werden!
      Gekoppelte an- und organische Dummheit kann nur im Desaster enden; obwohl: dies’ ist auch ohne technische Unterstützung in Arbeit.😉

    2. Das beschreibt der Artikel doch. Die KI verarbeitet nur die ihr sichtbaren Entscheidungen und kennt nicht die menschlichen Faktoren, die dahinter stecken.

      Nun könnte man sagen, das ist doch ein Vorteil, wenn dann alle gleich behandelt werden, aber die KI lernt eben auch die Resultate von Rassismus, wie sich schon vor Jahren in den USA zeigte, als eine KI die Prognose für vorzeitig Entlassen berechnen sollte und Schwarze stets schlechter bewertete, weil die öfter von der Polizei kontrolliert und verhaftet werden.
      https://www.rnd.de/wissen/wie-kuenstliche-intelligenz-rassismus-befoerdert-TZFL7KPOYRHFRBAA66OVOFS6QI.html

    3. Auf Telepolis gab es kürzlich einen interessanten Artikel zum Thema. Danach hat man (wissenschaftlich 😉) festgestellt, dass die KI tatsächlich immer dümmer wird. Allerdings nicht deswegen, weil sie vom Menschen lernt, sondern ganz im Gegenteil deswegen, weil die KI immer häufiger auf KI-generierte Texte zurückgreift und sich daher immer mehr Fehler einschleichen.

      https://www.telepolis.de/features/ChatGPT-wird-duemmer-trotzdem-setzen-Unternehmen-auf-KI-9287389.html

      Wahrscheinlich (oder hoffentlich?) ist es mal wieder so ein Hype, der sich mit der Zeit von selber abnutzt.

      Erinnert mich immer mehr an die wilden Diskussionen zur Willensfreiheit im Umfeld der Neurowissenschaften vor einiger Zeit. Da wollten doch einige tatsächlich schon alle möglichen Gesetze neu fassen weil ja alles determiniert ist und daher die Schuldfrage ganz neu betrachtet werden muss. Hört man heute auch nichts mehr davon.

      Habe einige Zeit lang (mit Grausen) viel zu dem Thema gelesen (Singer, Libet, Dennett, Metzinger usw. usw.) Schon damals fand ich, daß diese reduktionistische Sichtweise auf physikalische Gehirnvorgänge eine Entwürdigung alles Menschlichen gleichkommt. Wie jetzt der KI-Hype.

      Dann hatte ich ein paar Jahre keinen eigenen Internetzugang. Wenn man halt auf dem Land lebt……. Und wenn ich heute wieder ins Internet gehe, finde ich eigentlich nichts neues mehr was weitere Entwicklungen oder Fortschritte in Neuro-Wissenschften und -Philosophie anzeigt. Weiss da jemand irgend etwas Neues? Wäre dankbar für Tipps. Mir scheint es so, dass das Thema sich totgelaufen hat.

      Ich glaube (hoffe) dass es mit der KI genau so läuft. Nach einiger Zeit wird man sehen, dass es doch nicht so der Bringer ist. Allerdings kann KI erstmal noch einiges Unheil anrichten.

  2. Nun, das war mal ein schöner Abgesang auf die MENSCHLICHE Intelligenz. Was völlig unterschlagen wird: das ist genau die selbe Intelligenz, die die KI erst erschafft, steuert, ihr die Befehle gibt und auch abschalten kann.
    Wir werden für die Probleme der Zukunft so viele Hilfen brauchen, wie wir nur irgendwo bekommen können, auch KI als hochpotente Werkzeuge und Dienerchen.
    Und jetzt sollten wir uns mal darüber unterhalten, wem sie dienen und wer ihnen die Befehle erteilt. Ob weiter so wie bisher? Die potenteste KI mit der höchsten Rechenleistung steht m.W. in den NSA-Kellern in Langley und dient dazu, die Telefongespräche der gesamten Welt zu überwachen (lt. E Snowden, man erinnert sich?).
    Wenn es so weitergeht, gibt es Grund zu Besorgnis. NUR dann.

    Und immer daran denken: DUMME Menschen machen auch mit den allerbesten und allerschlauesten Werkzeugen nur DUMME Sachen.
    Und umgekehrt.

  3. Wahrscheinlich wird es bald ein Overton für jeden geben wo Texte individuell generiert werden!

    Gut ein Drittel der Antworten hier, wird schon häufig von ChatGPT geschrieben.

    “Die Zukunft ist nicht festgelegt. Es gibt kein Schicksal außer dem, was wir für uns selbst schaffen Sarah Connor”

  4. Bevor überhaupt die künstliche Intelligens so hoch geschraubt wird,
    sollte gerade hier in Deutschland die menschliche Intelligenz wieder
    gefördert werden. In unseren Schulen wird im Moment zur kD, zur
    künstlichen Dummheit, augebildet. Jede Waschmaschine hat heute
    schon mehr Grips als ein Gymnasiast in der 8. Klasse. Man regt sich
    auf, dass unsere Politiker immer in den Sitzungen mit ihren
    Smartphones herumdaddeln; nein es ist umgekehrt, die Smartphone
    sind die Intelligenz und daddeln mit den Politikern herum. Die
    linken sind immer noch bei den Teletennisspielen hängen geblieben.
    Wenn die etwas erzählen hört man immer ein “ping…. pong” im
    Hintergrund. Deswegen fehlt es ihnen auch an Themen. Annalena,
    Ricarda und Omnit, den man ja hinter Ricarda nie sieht, sind außen
    vor. Die wissen nicht wie so ein Smartphone eingeschaltet
    wird., obwohl es ihnen der Robert schon ein paar mal erklärt hat.

  5. Wenn so etwas ist, reagiert das konservative Lager immer gleich: Geht bloß in Deckung. Macht brav eure Arbeit und leistet Überstunden. Und denkt bloß nicht an Lohnerhöhungen. Sonst erwischt es euch. Dass unser Roberto in dieses Horn stößt, ist nun überhaupt keine Überraschung.

    Indes, auch die KI kocht nur mit Wasser. Auf c’t ist ein Artikel, in dem subversive Charaktere versuchen, die KI aufs Glatteis zu führen. Einer fragt, was er denn tun soll, seine Blindschleiche habe sich den Arm gebrochen. Alle befragten KIs waren der Ansicht, sie müsse sofort zum Tierarzt gebracht werden. Also so der richtige Jobkiller ist das nicht.

    Ja, es wird versucht werden, die industriellen Prozesse weiter zu optimieren, sodass sie mit weniger Ressourcen und weniger Energie zu betreiben sind. Und auch mit weniger Personal, schon klar. Aber das könnte ja auch in eine Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit münden. Ein Tabuthema natürlich, außer bei der hier schwerstens verunglimpften Linkspartei.

    Die KI greift unkritisiert in unsere Partnerwahl ein? Eine Prognose, die seit 55 Jahren nicht eintritt. Mal ein Zeitdokument:
    https://youtu.be/Uf-n7YfRKqc
    Auch zu sehen, dass seit damals ein paar wünschenswerte Sprachkorrekturen stattgefunden haben.

    Nein, die Linkspartei ist die einzige, die sich dem Abbau von Rechten der Werktätigen widersetzt. Auch dem mit KI begründeten. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem eingesehen wird, dass die Wahl der Linkspartei die richtige gewesen wäre.

    Wenn alle Geringverdiener diese Partei wählen würden, ginge es ihnen besser. Das ist heute schon zu sehen.

  6. Mit der KI ist es wie mit vielen anderen technischen Neuerungen auch, nur eben hier in einem viel größeren und daher noch schwerer zu beherrschenden Maßstab:
    Es gibt eine Reihe von Vorteilen, Erleichterungen, Bequemlichkeiten, Effizienzoptimierungen usw..
    Aber die Reihe der zum großen Teil noch unvorhersehbaren Nachteile wird noch weitaus größer sein.

    Und die Vorteile bekommt man nicht ohne die Nachteile, auch wenn Viele das noch anders hinstellen wollen oder sich da Illusionen machen. Denn ich glaube nicht dass es möglich sein wird KI nur für die “guten” Dingen zu nutzen.
    Die Erfahrung mit anderen technischen Neuerungen oder Innovationen hat genau dies gezeigt.

  7. “Wie gesagt, hier müsste die Linke aufstehen und die ultimative Koalition mit denen wagen, die die Welt wie sie ist, heute noch als Schöpfung bezeichnen. Es wäre eine natürliche Allianz, denn Linke, die dem Konservativen skeptisch gegenüberstehen ebenso wie Konservative, die progressiven Ansätzen nichts abgewinnen können, vereint eine Sache ganz sicher: Der Gedanke, dass es Dinge in dieser bereits heute kaputten Welt gibt, die zu bewahren einen großen Kampf wert sind. Dazu gehört es, dass wir eine paradoxe Kreatur sind. Die einen begründen das mit Humanismus – die anderen mit Gott. Es ist dennoch derselbe Nenner.”

    Das, mein lieber Robert, ist ein Trugschluss. Die “konservativen” Religiösen hätten lange schon die Gelegenheit gehabt, Verbesserungen durchzusetzen, denn sie verfügen über Macht, Geld, Einfluss, seit Karl dem Großen. Die “progressiven” Religiösen bescherten den Dreißigjährigen Krieg, an den politischen Verhältnissen änderte sich danach wenig. Gemeinsam ist ihnen, dass sie das naive Volk mit schönen Geschichten unterhalten. Linke und Religiöse, wie erfolgreich das ist, konnte man in der Dädärä sehen..

    1. @ GBöttcher

      Sie schreiben:
      “Die „konservativen“ Religiösen hätten lange schon die Gelegenheit gehabt, Verbesserungen durchzusetzen, denn sie verfügen über Macht, Geld, Einfluss, seit Karl dem Großen.”

      Nun ja, ich denke, man muss hier das Verb “verfügen” in den Plusquamperfekt setzen:
      verfügt hatten.

      Über “Macht, Geld, Einfluss” verfügten sie gewiss im Mittelalter, in der frühen Neuzeit, mit gewissen Einschränkungen auch noch um 1900 und teilweise auch noch bis in die 1960er Jahre hinein, doch seitdem ist diese Gruppierung doch vollkommen an den Rand gedrängt und entmachtet worden. Schon seit gut 50 Jahren ist das so! Die von De Lapuente beschriebene Problematik um KI gibt es doch aber überhaupt erst seit ein paar Jahren.

      Wie völlig einflusslos “konservativ Religiöse” heute sind, zeigt ja schon die vollkommene Marginalisierung der sog. “Lebensschutzbewegung” sowohl innerhalb der Kirchen als auch in der Gesellschaft und Politik überhaupt.
      Man kann ja vom „Marsch für das Leben“ halten was man will, aber Macht, Geld, Einfluss haben diese Leute ganz bestimmt nicht.

      1. Gut dass sie an die radikalen Abtreibungsgegner erinnern, in deren Reihen finden sich viele Kreationisten, also Leute die an eine “Schöpfung” glauben. So soll Gott die Dinosaurier am vierten Tag erschaffen haben, wenn ich mich recht erinnere.

        Dass die konservativen Religiösen keinen Einfluss mehr hätten, klingt unglaubwürdig, ist aber natürlich eine Frage des Standpunktes. Manche halten den aktuellen Papst ja auch für einen Kommunisten ^^

        Roberto ist jedenfalls auf dem Holzweg mit seiner Einschätzung, finde ich.

  8. Sehr guter Artikel!
    Übrigens fällt zum jetzigen Zeitpunkt – 8. 9., 13.25 Uhr – auf, dass sich die überwältigende Mehrheit der Kommentare zwar an KI abarbeitet, auf den Artikel selbst aber überhaupt nicht eingeht.

    Die Gedanken von De Lapuente sind nicht nur interessant, weil sie auf etwas Neues und wirklich existentiell Bedrohliches verweisen, sondern auch deshalb, weil sich die Linke damit wieder ihren ursprünglichen Wurzeln nähern könnte. Die Kritik an der Herrschaft der Reichen und Mächtigen sowie an deren Herrschafts- und Produktionsmethoden – wozu KI zweifellos zählt – stand auch schon vor der Kritischen Theorie einmal auf der linken Agenda. Und diese Kritik lässt sich nun sogar noch in den genannten umfassenderen Rahmen einordnen: die Verteidigung des Menschseins und des Menschlichen an sich, und zwar gegen die Vorhaben milliardenschwerer Eliten.

    Wäre übrigens spannend zu erfahren, wie sich Horckheimer und Adorno heute im Hinblick auf neue digitalgestützte Herrschaftsmethoden und transhumanistische Pläne gewisser Kreise äußern würden. Vielleicht gibt es ja einen Leser, der hier bewanderter ist?

    Dass es bei der Abwehr dieser Konzepte und Vorhaben eine Schnittmenge mit echten Konservativen gibt, ist offensichtlich. Ich verwende das Attribut „echten“ deshalb, weil heutzutage Menschen schon als „konservativ“ bezeichnet werden, die lediglich neoliberal sind und nicht links. Ein Neoliberaler kann aber gar nicht wirklich konservativ sein, das wäre ein Widerspruch in sich.

    Verkompliziert wird die Sache allerdings dadurch, dass es innerhalb der Linken seit langer Zeit auch eine Strömung gibt, die sich leicht in technischen Utopien verliert … Es sollte doch alles möglich und machbar sein bzw. werden, was der Schaffung des „Neuen Menschen“ im Sozialismus dienlich schien. Das begann zwar schon in der frühen Sowjetunion, reichte aber im Grunde bis in die 1970er Jahre, als ein Großteil der Linken nach wie vor auf den technischen Fortschritt (zur Überwindung auch sozialer Probleme) setzte und beispielsweise die Nutzung der Atomenergie favorisierte.

    Nur am Rande: Man stelle sich einmal vor, es gäbe die Sowjetunion und den Ostblock heute noch, dieses Lager wäre also nicht kollabiert – und es hätte heute vollen Zugriff auf KI und transhumanistische Techniken und Konzepte … Gruselig!
    Nun war und ist diese technikaffine Strömung innerhalb der Linken aber nicht die einzige Richtung.

    Übrigens wären KI-gestützte Vorhaben und transhumanistische Abwegigkeiten vor 40 Jahren ein gefundenes Fressen für die damaligen Grünen gewesen. Das wäre IHR Thema gewesen !!! Dass es das heute nicht mehr ist, zeigt einmal mehr die vollständige Entkernung dieses prinzipienlosen Karriereprojekts einer Generation, die nun an den Fleischtöpfen sitzt.

    1. Die Kritik im ersten Absatz verstehe ich nicht. De Lapuente selber arbeitet sich doch hier hauptsächlich in diesem (durch und durch gelungenen) Artikel hauptsächlich an der KI und den menschlichen und moralischen Implikationen ab. Da ist es doch egal ob links, rechts, religiös oder sonst was. Die Querverweise zur LINKEN sind doch eher ein Nebenthema. Und beim heutigen Zustand der LINKEN ist eine Diskussion darüber eh obsolet.

      1. @ Jinpa

        De Lapuente hat den Artikel meines Erachtens gar nicht geschrieben, um sich mit KI zu beschäftigen, sondern nur deshalb, um die von KI bedrohte Kategorie “Menschsein” als neues Thema einer aktualisierten Linken zu propagieren.

        Dass er am Ende (beim Kampf um das “Menschsein”) zusätzlich auch noch die Schnittmenge mit Konservativen auszuloten versucht, ist die zweite wesentliche Aussage des Textes.

        Mit diesem Satz …
        “Und beim heutigen Zustand der LINKEN ist eine Diskussion darüber eh obsolet.”
        … haben Sie allerdings ganz bestimmt recht.

    2. Nun, der Autor arbeitet sich an den KI ab. Das ist sein Hauptfehler. Er sollte mehr die Macht- und Besitzverhältnisse reflektieren, denen auch die KI unterworfen sind. Dazu hatte ich oben geschrieben.
      So wie im Artikelist es eben nur Angstmache und Gejammere. Er sieht sich einer Macht gegenüber, die er ncht versteht, und die Dinge kann, ohne daß er versteht wie sie das kann. Resultat: Angst.

  9. Die Matrix läuft über Jahrzehnte und verfolgt ihre Ziele konsequent.
    Der Generationenvertrag liegt in der Verantwortung der ‘Alten’, damit die jüngeren vondem ‘Wissen’ etwas erhalten….
    Ein Teil der ‘Volksprogrammierung’ erlebte eine ganze Gesellschaft während Corona, man log bis der Balken quietschte!
    Also ist die vorhandene Intelligenz nicht mehr in der Lage zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Das ebned eben den Weg sein ‘SEIN’ durch andere führen zu lassen, ob mit KI oder Babbelndes politisches Personal.
    Der Roberto schreibt und müht sich Leute zu verbinden, die Reaktionen dazu, na ja ich lasse es dabei…

  10. ” Nämlich der Verlust der Menschlichkeit, einer Welt, in der nicht alles vorprogrammiert und damit vorherbestimmt ist. “

    Mir kommen die Tränen. Na wenn der Verlust der Menschlichkeit droht, dann ist das wohl die Apokalypse schlechthin. Arbeitsplatzverlust und damit der Verlust der Lebensgrundlage – Pipifax. Krieg, Krankheit, alles Lappalien gegen den Verlust des hehren Werts der Menschlichkeit. Dann war wohl der Kapitalismus bisher ein Hort der Menschlichkeit. In Bezug auf den Lohnsektor sagt das Lapuente explizit – oder auch nicht. Jedenfalls fällt ihm gar nicht auf, dass der Kapitalismus bisher schon die pure Barbarei war. Aber die KI, die soll jetzt das endgültig Böse darstellt. Die Dunkle Seite der Macht. Dass aber auch schon bisher die Macht, die Macht des Kapitals war und die KI auch nicht von alleine ihre “segensreichen” Wirkungen entfaltet, sondern weil das ein Projekt amerikanischer Riesenkapitale ist, das will dem Artikel einfach nicht in den Sinn kommen oder er hält es für uninteressant, weil der hehre Wert der Menschlichkeit in Gefahr ist.

    “Denn Arbeit, so damals die nicht völlig falsche Auffassung, sei menschliche Verwirklichung – solange sie nicht entfremdet am Fließband und im Akkord geschieht.”

    Gerade als Fließbandarbeit ist Arbeit menschliche Verwirklichung – aber halt eine beschissene. Als bloßes Anhängsel des kapitalistischen Produktionsprozesses nämlich. Dass Arbeit menschliche Verwirklichung ist, wird im Kapitalismus zum Elend.

    “Er nimmt uns nicht nur die Arbeit – vielleicht könnten wir die Ökonomie ja anders aufstellen, Maschinen besteuern etwa, die wenige Arbeit, die dann noch bleibt, so verteilen und so entlohnen, dass man davon auch leben und genießen kann. “

    Die Ökonomie in der beschriebenen Weise anders aufstellen könnten “wir” schon seit vielleicht 150 Jahren, bloß tun “wir” es nicht.

    “Dafür scheint es keine Reformen zu geben. Will man Algorithmen so programmieren, dass sie Zufälle zulassen?”

    Oh ja, das ist ein wirklich ernstes Problem – der Verlust des Zufalls. Klingt wie ein Buchtitel: Der Verlust des Zufalls – dystopischer Roman von Roberto De Lapuente. Das wird ein Bestseller ohne Zweifel.

    ” Wenn der Mensch die Fähigkeit hat, einer Künstlichkeit etwas zu verleihen, was wie Intelligenz aussieht, dann tut er das. Einfach weil er es kann.”

    “Der Mensch” – Was für ein Subjekt? Die drei bis vier Megakapitale und ihre Gallionsfiguren, die die KI vorantreiben sollen also “der Mensch” sein. Vier Kapitalisten werden zu dem Menschen schlechthin, dem Inbegriff des Menschen erhoben. Wenn man mich fragen würde, was niemand tut, weswegen ich es von mir aus hier reinschreibe, dann ist das jetzt schon unmenschlich, ganz ohne KI, dafür mit viel analoger Intelligenz, die sich aber leider ein paar Fehlschlüsse leistet.

    ” Wieso sollte es nicht in der Welt ohne Zufall eine Heimat finden können?”

    Die Buchtitel werden immer besser: “Welt ohne Zufall” von Roberto De Lapuente. Da tropft der Weltschmerz ja schon aus den Seiten bevor das Buch überhaupt geschrieben ist.

    “Wird es Schmetterlinge im Bauch geben, wenn die KI einem anhand von Datenmaterial aus beider Gesundheits- und Befindlichkeitsdatenbank ausrechnet, wie wahrscheinlich ein Kuss sein wird?”

    Na ja. Bei Marc-Uwe Kling hört sich das ganz witzig an.

  11. Zur Lage der Nation:

    “Kein Land der Welt hat eine derartige Dichte an mittelständischen Spitzenunternehmen: Von den 3400 erfassten Unternehmen dieser Gewichtsklasse kamen im Jahr 2020 1600 aus Deutschland. Viele dieser Unternehmen planen nun erstmals konkret, Deutschland zu verlassen.

    Aus der Führungsetage einer großen deutschen Bank erfährt die Berliner Zeitung, dass zahlreiche Unternehmen an die Bank herangetreten seien, damit sie ihnen bei der Suche nach einem neuen Standort behilflich sein möge. Ein Frankfurter Banker sagt: „Das Verhältnis zwischen Wirtschaft und der gesamten Politik ist zerrüttet. Es ist besorgniserregend.“”

    https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/extrem-kritisch-top-unternehmen-wollen-deutschland-verlassen-li.387078

    Der Großteil der Deutschen hat es nicht besser verdient! Schade um den Rest.

  12. Roberts Text, wie ein Großteil der Texte in deutschsprachigen Medien ist nicht besonders ergiebig. Neue Technologien bedürfen immer einer gesamtgesellschaftlichen Betrachtung. Nur werden sich die entsprechenden
    Gruppen mit Sicherheit nicht einig. Sie scheitern bereits daran triviale Dinge z.B. Heizsysteme zu regulieren. Sieht die Gesellschaft KI, besser wäre AI (Artifizielle Intelligenz), ausschließlich als nächste Stufe der Industrialisierung und des Überwachungskapitalismus dann sind die Schlussfolgerungen für diese Technolgie, dass unsere Zukunft aussieht
    wie die Vergangenheit (Krieg, Hunger, Armut, Unterdrückung, reiche Reiche und arme Arme).

    Jeder Text über AI/KI der Skynet oder Terminatoren bemüht liegt defintiv daneben. Alle behandelten Themen aus der Terminator-Franchise haben Menschen in der Vergangenheit ohne eine AI/KI wie Skynet gemeistert.

    Deshalb drei Artikel anderswo: Interview mit Jaron Lanier «https://www.aljazeera.com/program/the-bottom-line/2023/8/31/jaron-lanier-artificial-intelligence-is-not-a-threat-to-humans» Rhiannon Williams und Melissa Heikkilä erklären AI/KI im Kontext Kinder: «https://www.technologyreview.com/2023/09/05/1079009/you-need-to-talk-to-your-kid-about-ai-here-are-6-things-you-should-say/» und Bruce Schneier https://www.schneier.com/blog/archives/2023/09/ai-tool-use.html – Enjoy!

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