Das war’s einstweilen mit der Agrarwende. Die Konservativen und die Sozialdemokraten im Europaparlament haben die Gemeinsame Agrarpolitik durchgewinkt und damit ein weitgehendes Weiter-so auf den Äckern. Dass die Abgeordneten der deutschen SPD sich nicht an die Linie ihrer europäischen Fraktion hielten und dagegen stimmten, fällt nicht ins Gewicht. Schwer dagegen wiegt das Versäumnis, sieben weitere Jahre ohne nennenswerte Agrarreform in der Klimakrise zu verlieren.
Es war vor allem die scheidende deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die in Brüssel die meisten der von EU-Kommission und Parlament vorgetragenen Reformpläne torpedierte. Die Lobby der Agrarindustrie, der Chemie und der Großgrundbesitzer hat sich einmal mehr durchgesetzt. Mit dabei – wie immer in falsch verstandener Interessensvertretung – der Deutsche Bauernverband, der traditionell alles Neue ablehnt, was nicht von der Agrarindustrie geboren wurde.
Ein Viertel für voll
Obwohl, hatte sich der Bauernverband nicht gerade erst in der Zukunftskommission Landwirtschaft mit allen Beteiligten auf ein großes Wendemanöver eingelassen? Ja, hatte er, aber erstens war da nicht der Präsident dabei, sondern nur sein Vize, und zweitens lag die Arbeit der ZKL zeitlich hinter der Ablehnungsfront gegen die Agrarreform aus Brüssel.
Jetzt komme es darauf an, die Möglichkeiten zu nutzen, die den Mitgliedsstaaten durch die neue GAP, die Gemeinsame Agrarpolitik gegeben seien, sagen der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling und die Sozialdemokratin Maria Noichl unisono. Beide hatten sie sich für eine wirkliche Agrarwende eingesetzt und waren gescheitert. Dennoch sehen sie zurecht eine kleine Chance auf Wandel. Denn tatsächlich haben sich die Nationalstaaten im Rat, dem obersten Bremsergremium der EU, weitgehende Handlungsfreiheit erkämpft. Sie können entscheiden, wie der Teil der „Reform“ umgesetzt wird, der übrig geblieben ist. Sie müssen die monetäre Gießkanne der EU-Agrarsubventionen nicht mehr ganz füllen und das Geld über alle Agrarflächen ausschütten. Sie können 25 Prozent weniger austeilen und dieses Viertel in Öko-Regelungen stecken. Das Viertel bekommen dann nur Landwirtschaftsbetriebe, die besondere – national verfügte – Umweltauflagen erfüllen. Das ist immerhin etwas – angesichts der Klimakrise und der desolaten Situation von Böden und Tieren und Biodiversität in der Landwirtschaft allerdings nicht viel. Denn die 25 möglichen Prozent Veränderungspotenzial bedeuten ja nur, dass Dreiviertel der Subventionsgelder weiterhin einfach an all diejenigen gehen, die landwirtschaftlich genutzten Boden besitzen. Wozu sie nicht einmal Bauern sein müssen. Maria Noichl hatte dazu ja schon einiges gesagt: Sie will Nicht-Bauern von Subventionszahlungen ausschließen. Und ihr Parlamentskollege und Biobauer Martin Häusling, der für die Grünen in Sachen Landwirtschaft die Ampel mitverhandelt hat, hegt da auch noch Hoffnung auf künftige Regelungen auf nationaler Ebene. Man darf gespannt sein, was die Ampel wagt.
Boden gut machen – letzte Hoffnung der Agrarwende?
Eine Woche bevor die Agrarreform, die ohnehin nur ein Reförmchen gewesen wäre, wie das sprichwörtliche Kind in den Straßburger Brunnen fiel, hatte die EU-Kommission noch einen ganz neuen Vorstoß gewagt: die Bodenstrategie. Frans Timmermans, der Vizepräsident, der eigentlich der gewählte Präsident gewesen wäre, hatte sie am vergangenen Mittwoch in Brüssel vorgestellt. Man merkt diesem Mann an, dass er mehr will, als die Europäische Union in Sachen Klimakrise und Agrarwende offenbar zu leisten bereit ist. Er jedenfalls will den ausgelaugten Agrarböden Europas helfen – und damit uns allen in der Klimakrise. Denn die Böden sind der größte Kohlenstoffspeicher der festen Erde. Wer ihre Degradierung und die Erosion eindämmt, also dazu beiträgt, sie lebendig zu halten, der speichert Kohlenstoff aus der Luft im Boden.
Frans Timmermans will, dass die Mitgliedsstaaten den Landfraß stoppen, die Versiegelung der Böden. In Deutschland gehen jeden Tag über fünfzig Hektar Land verloren. Der Boden, den wir zum Überleben brauchen, verschwindet unter Siedlungen, Gewerbegebieten, Verkehrstrassen. Siebzig Fußballfelder täglich – weg. Er will, dass degradierte und kontaminierte Böden renaturiert werden. Er will, dass die Trockenlegung von Moorböden beendet wird. Die Moore sind – so lange sie nass und aktiv sind – der größte Kohlenstoffspeicher der Böden.
Und da steht einer in Brüssel, der das alles begriffen hat und es sagt. Immerhin. Mal sehen, wer aus den Mitgliedsstaaten aufsteht, um auch die Bodenstrategie der Kommission zu verhindern. Mit etwas Glück könnte es zumindest keine deutsche Agrarministerin mehr sein. Martin Häusling sagt: „Erstmal ist das nur ein neues Papier. So wie die GAP-Reform eines war und die Farm-to-Fork Strategie, mit der die Kommission die Agrarwende ins Land tragen wollte.
Tschuldigung! Heute keine Tipps fürs Selber-aus-der-Krise-Kommen, nur ein ärgerlicher Kommentar …