
Der Rücktritt von Zong Fuli vom Posten der Vorstandsvorsitzenden des größten Getränkeherstellers Chinas, Wahaha, ist seit Tagen Thema Nummer eins in chinesischen sozialen Medien.
Um die Brisanz dieses Rücktritts und die Aufregung im Netz zu verstehen, müssen wir kurz die Geschichte ihres Vaters erzählen. Zong Qinghou galt bis zu seinem Tod im Februar 2024 als eine Unternehmerlegende. Mit geliehenem Geld übernahm er 1987 eine von der Insolvenz bedrohte staatliche Fabrik und schuf daraus ein Imperium für Mineralwasser und andere nichtalkoholische Getränke. 2010 und 2012 galt er als der reichste Mann Chinas. Neben dem unternehmerischen Erfolg tat er sich mit einem makellosen Privatleben hervor. Während sich andere Männer in seiner Liga Nebenfrauen halten und zahlreiche Kinder zeugen, blieb er offiziell seiner Ehefrau treu und hatte nur eine einzige Tochter. Auch den schlichten Lebensstil behielt er bei. So trug er zeit seines Lebens ein Paar Schuhe aus Baumwolle. „Eine Frau, eine Tochter und ein Paar Baumwollschuhe“, das war das Image von Zong Qinghou. Er diente nicht nur als ein Musterbeispiel für Unternehmertum, sondern auch als ebensolches eines Parteimitglieds, was ihm schließlich die Ehre eines Vertreters im Volkskongress einbrachte.
Das perfekte Image stürzt ein
Nach seinem Tod wurde Tochter Zong Fuli zur Vorstandsvorsitzenden von Wahaha gewählt. Dass dies sein Wunsch war, hatte er zu Lebzeiten mehr als deutlich gemacht. Nach ihrem Wirtschaftsstudium in den USA, holte er sie 2018 in sein Imperium und zeigte sich öffentlich immer wieder mit ihr. Zong Fuli, die modernes Management in den USA gelernt hat, krempelte das Unternehmen um. Sie trieb die Effizienz und Digitalisierung voran und scheute dabei nicht, sich von Weggefährten des Vaters zu trennen, die ihren Kurs nicht unterstützten.
Ihr erster Rücktritt von vor ein paar Monaten deutete die großen Widerstände an, mit denen sich Zong Fuli konfrontiert sah. Der Vorstand bat sie zurück. Stabilität schien vorerst das oberste Gebot auf der Führungsetage von Wahaha zu sein. Doch das Unternehmen sollte nicht zur Ruhe kommen. Im Juli wurde Zong Fuli von ihren drei Halbgeschwistern in Hongkong und Hangzhou, dem Hauptsitz des Unternehmens, verklagt, weil sie über eine Million Dollar einer Treuhand entzogen haben soll.
Da stürzte das perfekte Image von Zong Qinghou wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Von sechs unehelichen Kindern mit drei Frauen ist die Rede. Die drei klagenden Halbgeschwister stammen von der langjährigen Geliebten Du Jianying, einst die rechte Hand von Zong Qinghou und Nummer zwei im Imperium Wahaha. Die Treuhand hatte Zong Qinghou für die drei Kinder angelegt. Seine Überlegung war, dass die eheliche Tochter Zong Fuli die Unternehmensanteile bekommt, die drei Kinder Geld, je 700 Millionen Dollar. Doch die anvisierte Gesamtsumme von 2,1 Milliarden Dollar für die Treuhand hatte er zu Lebzeiten nicht mehr geschafft, 300 Millionen fehlten. Tochter Zong Fuli soll Papa versprochen haben, die Lücke zu schließen.
Doch nach dem Tod von Zong Qinghou dachte die Tochter nicht mehr daran, ihr Versprechen einzuhalten. Sie entzog der Treuhand eine „kleine“ Summe, um die Gegenseite zu provozieren. Sie wusste bereits als Teenager von Papas Doppelleben. Und sie wusste, dass ihr eigentlicher Gegner nicht die Halbgeschwister, sondern deren Mutter Du Jianying war. Im Laufe der Jahre baute Du ein eigenes Firmengeflecht auf, das eng mit Wahaha verbunden war. Mit anderen Worten, Du gab sich mit Geldgeschenken von Zong Qinghou nicht zufrieden, sie wollte am Gewinn von Wahaha beteiligt sein. Und sie pflegt ein Netzwerk von alten Weggefährten von Zong und dessen Familienangehörigen. Mit den Reformen zielte Tochter Zong Fuli also nicht nur auf höhere Effizienz ab, sondern auch um die Zerschlagung der gegen sie gerichteten Allianzen.
Rache gegen das Staatsunternehmen
Nun kommt der entscheidende Punkt in dieser für die Welt der Superreichen an sich nicht so ungewöhnlichen und komplizierten Geschichte: Wahaha ist kein Familienunternehmen, wie wir es aus Deutschland kennen. Das Startkapital lieh Zong Qinghou von einem Staatsunternehmen in Hangzhou, das heute 46 Prozent der Anteile von Wahaha hält. Zong Qinghou gehörten knapp 30 Prozent, die er der Tochter übergab. Den Rest teilen sich ältere Mitarbeiter. Ein Konstrukt, das nicht unüblich ist für chinesische Unternehmen, die in der ersten Zeit der Reform- und Öffnungspolitik gegründet wurden, das aber in der heutigen Zeit reichlich Zündstoff birgt. Zu Lebzeiten von Zong Qinghou hielt sich der größte Anteilseigner zurück. Er genoss den sprudelnden Gewinn und überließ das Management dem allseits beliebten Unternehmer. Doch nach seinem Tod ändert sich die Lage. Der Gewinn schrumpft. Das liegt nicht nur an der allgemeinen Wirtschaftslage, sondern auch daran, dass Tochter Zong Fuli längst ein eigenes Firmennetz aufgebaut hat, das einen Großteil der Gewinne einstreicht. Dann wollte sie neue Getränke auf den Markt bringen, die dem Geschmack von jungen Chinesen entgegenkommen. Hier eskalierte der Konflikt. Das Staatsunternehmen ließ diesmal die Muskeln spielen und untersagte Zong Fuli, die neuen Produkte mit dem Label Wahaha zu versehen. Das deutet auf einen Bruch des Staatsunternehmens mit Zong Fuli hin.
Darin könnte auch der eigentliche Grund des Rücktritts von Zong Fuli liegen. Sie ist offenbar den Kampf um das richtige Management, um die Verteilung des Kuchens und um die Nutzung der Marke Wahaha leid. Nach dem Motto: Was Neues formen ist einfacher als was Altes reformieren. Sie hat eine neue Marke namens Wa Xiao Zong registrieren lassen. Anderthalb Jahres nach dem Tod von Zong Qinghou tritt Tochter Zong Fuli gegen Papas Imperium Wahaha an, an dem sie selber immer noch knapp 30 Prozent Anteile hält.
Als im Juli die Geschichte mit den Halbgeschwistern publik wurde, stand das chinesische Netz beinahe geschlossen hinter der ehelichen Tochter, da nach traditionellen chinesischen Wertvorstellungen außereheliche Beziehungen immer noch zu verurteilen sind. Doch nun dreht sich langsam der Wind. Immer mehr Influencer und auch Ökonomen kritisieren das Ansinnen auf Rache von Zong Fuli, dass das Erbe vom Vater gefährden könnte.
Reich, aber nicht beneidenswert
Dass die eheliche Tochter den verstorbenen Vater ans offene Messer geliefert hat, hat der Marke Wahaha bereits erheblichen Schaden zugefügt. Denn das Imperium Wahaha hat seinen Erfolg zu einem guten Teil dem hohen Ansehen von Zong Qinghou zu verdanken. Nun konkurriert Zong Fuli mit neuen Produkten mit Wahaha, was das Unternehmen weiter schwächen dürfte. Etliche Influencer sagen bereits eine vollständige Verstaatlichung von Wahaha voraus.
Und wie ist es um die Zukunft von Zong Fuli bestellt? Wird sie mit ihren neuen Getränken erfolgreich sein? Mit dem Rücktritt und dem Neuanfang ist Zong Fuli ein großes Risiko eingegangen. Denn der chinesische Getränkemarkt wird hart umkämpft. Die Sympathie für sie, die meist aus der Antipathie gegen die Geliebte des Vaters resultiert, wird sie nicht lange tragen. Die Qualität und der Preis ihrer Produkte werden letztendlich entscheidend sein.
Egal, wie die Geschichte von Wahaha weiter- und ausgeht, sie steht stellvertretend für das schnelle Wachstum Chinas in drei Dekaden. Und sie ist ein Beispiel für die konfliktgeladenen Mischehen zwischen Staat und privat. Sie ist auch typisch für das patriarchalische Denken der Unternehmergeneration von Zong Qinghou, der während eines langen Krebsleidens es nicht schaffte, ein klares und beglaubigtes Testament zu verfassen. Nach dem Motto: Die Kinder werden schon nach meinem Wunsch handeln. Nun muss Tochter Zong Fuli das alles ausbaden. Die reichste Frau Chinas (nach Daten von 2024) ist wahrlich nicht beneiden.
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Religionen halt.
Tja, der Mensch ist eben nicht monogam gestrickt.
Eine falsche Erzählung des Westens aus Zeiten religiöser Umnachtung, Konfuzius lässt grüßen.
Der schon wieder! Fast hätte ich seine immer gleichen, aus den „sozialen Medien“ zusammen geklaubten Anekdoten vermisst, die allesamt nach dem Motto verfasst sind: „China ist doof“. Da sind die Kurzvideos auf YouTube noch unterhaltsamer, nach denen ganz China aus Pappe und Bauschaum zusammengeklebt ist. Ein Wunder, dass all die Wolkenkratzer und Brücken trotzdem noch da sind… aber wartet nur, liebe Kinder, schon morgen stürzt die ganze Pracht in sich zusammen, ganz bestimmt! 🤡
Eine Klatsch-Geschichte aus China über einen Mischkonzern mit staatlichem und privatem Kapital. Solange der Betrieb gut lief, mischte sich der Staat nicht ein. Erst als die Erbin mit Ideen aus den USA die Betriebsführung übernahm, begannen die Probleme mit dem Staat. Über die Gründe erfährt man wenig. Stattdessen eine private Klatschgeschichte, nicht einmal besonders interessant erzählt. Was will der Autor sagen? Dass China auch nur Kapitalismus wie im Westen ist?
Spontan kamen mir bei anlesen des Artikels so „Sack Reis“, „umfallen“, „platzen“ und „Ameise erschlagen“ in den Sinn.
Overton goes yellow press.