Bundesdeutsche Repressionspolitik: früher und heute

Plakatt, Junge Union, Verfassungstreue
CDU, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Die Bundesregierung schreitet nicht voran: Sie wagt einen rechtsstaatlichen Rückschritt und steht in der Tradition diverser Rechtsbrüche aus Zeiten des Kalten Krieges.

Nancy Faeser (*1970) aus der internationalen Anwaltsindustrie Clifford Chance mit einem 2019/20 ausgewiesenen Umsatz von 1,8 Milliarden GBP/Pfund, seit Ende 2019 erste SPD-Bundesministerin für Inneres & Heimat der Berliner Ampelkoalition, legte am 15. Februar 2023 dem Kabinett ihren Entwurf eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren in der Bundesverwaltung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften“ zur Beschlussfassung vor.

Mit diesem Gesetz (DS 20/6435), das eine Vereinbarung des Ampel- Koalitionsvertrages 2021-2025 umsetzen will, sollen angeblich extreme (gemeint rechtsextreme) „Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem öffentlichen Dienst“ entlassen werden können. Der Obmann der Grünen im Innenausschuss des Bundestags, Marcel Emmerich (*1991), forderte eine Nachschärfung des Bundesgesetzes, nämlich eine Fristenausweitung auf schon vergangene Dienstverstöße. Der vom Kabinett verabschiedete Faeser-Gesetzentwurf orientiert sich an einer vorangegangenen Regelung des Bundeslands Baden-Württemberg, das Disziplinarmaßnahmen mittels eines Verwaltungsaktes anordnete. Dies wurde später ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht gebilligt.

Radikalenerlass 2.0

Damit knüpft Faeser an den sogenannten “Radikalenerlass” (Extremistenbeschluss) vom 28. Januar 1972 der SPD/FDP-Bundesregierung unter Willy Brandt sowie den Adenauererlass vom 19. September 1950 der Koalition von CDU/CSU, FDP, DP an. Hintergrund dieser Erlasse war es, die Kräfte, die sich gegen eine einseitige bundesrepublikanische Westorientierung (vor allem im Sinne von USA und NATO) engagierten sowie für eine Öffnung gegenüber der damaligen UdSSR eintraten, öffentlich zu diskriminieren und lebensunterhaltlich zu schädigen. Zielten diese Erlasse in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren vorwiegend auf vermeintlich im linken Spektrum verortete Kräfte, so heute auf solche im angeblich rechten Spektrum.

Diese Zuordnung war früher falsch und ist auch heute nicht richtig. Das wird deutlich, wenn man sich erneut die Aufsätze von Diether Posser (1922-2010) in seinem Sammelband „Anwalt im Kalten Krieg“ aus dem Jahr 1991 anschaut und gründlich liest.

Diether Posser: Anwalt im Kalten Krieg. Ein Stück deutscher Geschichte in politischen Prozessen 1951-1968, Bertelsmann, München 1991, 474 Seiten.

Diether Posser war promovierter Jurist, Sozius in der Anwaltskanzlei des späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann in Essen, Mitglied der 1952 gegründeten Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP), nach deren Selbstauflösung 1957 SPD-Mitglied, 1968-1988 in Nordrhein-Westfalen Minister für Bundesangelegenheiten, danach dort Justiz- und Finanzminister, stellvertretender Ministerpräsident und 1970-1986 im Parteivorstand der SPD.

Er erinnert an den „Kalten Krieg“ mit seinen politisch-justiziellen Verfolgungen von Pazifisten, Kriegsgegnern, Verständigungspolitikern zwischen Ost und West, Gewerkschaftern, Kommunisten und anderen in der BRD verfolgten und auch von Menschen, die in der DDR als Spione verdächtigt oder überführt wurden. Angesprochen wird auch die politische Vereinnahmung der Justiz, ihrer Institutionen und Rechtsgrundsätze. Posser berichtet über Fälle, in denen er als Anwalt selbst tätig wurde.

GVP gegen Adenauer

Einleitend werden vom Autor „Kriegsende und Kalter Krieg“ skizziert. Posser war Kriegsteilnehmer, kam kurz in russische Gefangenschaft, bis er den Amerikanern überstellt wurde und bis 1947 in französischer Gefangenschaft war. Nach Freilassung und abgeschlossenem Jurastudium unterstützte er Gustav Heinemann (CDU), der im Oktober 1950 als Bundesinnenminister aus der Adenauer-Regierung austrat und 1951 eine Anwaltskanzlei in Essen gründete.Heinemann (1899-1976) war, bevor er in die Regierung eintrat, Vorstandsmitglied und Leiter der Hauptverwaltung der Rheinischen Stahlwerke (heute Rheinstahl AG), Oberbürgermeister von Essen, NRW-Landtagsabgeordneter und Präses der gesamtdeutschen Synode der Evangelischen Kirche. Er schied am 10. Oktober 1950 aus der Bundesregierung aus, nachdem Bundeskanzler Adenauer in der Kabinettssitzung am 31. August 1950 mitgeteilt hatte, dass er dem US-Hochkommissar McCloy zugesagt habe, ein Kontingent von 150.000 Mann für eine europäische Verteidigungsarmee bereitzustellen. Dadurch würde – nach Heinemanns Einschätzung – eine friedliche Wiedervereinigung zunichte gemacht. Er gründete mit anderen die Gesamtdeutsche Volkspartei (GDV), die sich gegen die Aufrüstung in Ost- und Westdeutschland, für Verständigung zwischen Christen, Sozialisten, Kommunisten, für Volksabstimmungen und für nationale deutsche Einheit aussprach. Damit wandte sich die GVP gegen Adenauers militanten Antikommunismus und Antisowjetismus, der mit bewussten Verleumdungen und Lügen vor dem Parlament und in der Öffentlichkeit vorgetragen wurde.

Zurück zu Posser: Der glaubte in der Zurückweisung der sowjetischen diplomatischen Initiativen, insbesondere der sogenannten Stalinnoten zur Wiedervereinigung von 1952 durch Adenauer, einen großen politischen Fehler zu erkennen.

Nazis für Berufsverbote

Im Hauptteil des Buches werden spektakuläre politische Gerichtsfälle vorgestellt: Angeklagt waren beispielhaft die katholischen Pazifistin, Frauenrechtlerin und Hochschullehrerin Klara Maria Fassbinder (1890-1974), der Wirtschaftswissenschaftler und Gewerkschaftsfunktionär Viktor Agartz (1897-1964), das CDU-Mitglied und der Verständigungspolitiker Wilhelm Elfes (1884-1969), die KPD-Mitglieder und Abgeordneten Karl Schabrod (1900-1981) und Heinz Renner (1892-1964) sowie der Widerstandskämpfer, Journalist und IG-Metallfunktionär Heinz Brandt (1909-1986). Dargestellt werden auch einige politische Prozesse gegen Organisatoren des „Programms der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands“ oder des „Hauptausschusses für Volksbefragung“, später gegen „Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag“ 1951/52 und gegen die Freie Deutsche Jugend (FDJ-Vereinsverbot 1952) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) 1951-1956, hinzu kommen Prozesse gegen Menschen, die in der DDR als Spione verdächtigt oder überführt wurden.

Posser verweist auf problematische Gerichtsentscheidungen und umstrittenes Justizpersonal im Zusammenhang mit den politischen Prozessen in der BRD und geht dabei auch auf das ehrengerichtliche Verfahren 1955 gegen ihn selbst ein.

All diese Verfahren waren nur möglich, weil die Adenauer-Regierung sich auf ehemalige Nazi-Funktionäre stützen konnte: auf Staatsanwälte, Bundesrichter, Regierungsbeamte, Rechtswissenschaftler wie Paulheinz Baldus (1906-1971), Friedrich Wilhelm Geier (1903-1965), Theodor Maunz (1901-1993) und viele andere. Und manche wirkten sogar noch in den 1970er Jahren im Zusammenhang mit der Berufsverbotepolitik.

Es werden höchst problematische Begrifflichkeiten übernommen

Dabei kam es – wie auch gegenwärtig wieder – zu nachhaltigen juristischen Spitzfindigkeiten gegen politisch Andersdenkende und Gegner: Schon bei Klara Maria Fassbinder wurde 1953 das Disziplinarrecht missbraucht, um sie als Professorin der Pädagogischen Akademie Bonn zu entlassen; Wilhelm Elfes wurde über das Passgesetz durch Verweigerung eines Reisepasses gezwungen, seine internationalen Friedens- und Verständigungsaktivitäten einzuschränken; und wie selbstverständlich wurde auch der politische Gegner bezichtigt, unrechtmäßige Geldzahlungen eingenommen zu haben wie im Fall des KPD-Bundestagsabgeordneten Heinz Renner, der angeblich zu Unrecht Entschädigungszahlungen als politisch Verfolgter des Nationalsozialismus erhalten haben soll.

Possers Buch zeigt, dass sich viele Methoden und Mittel von Unterdrückung und Repression gegen aktive Dissenter nicht geändert haben. So wurde im April 2021 in allen deutschen Staatsschutzbehörden, vor allem dem Bundesverfassungsschutz (BfS), der „Phänomenbereich“: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet, um „Verunglimpfung und Verächtlichmachung“, rechte Kritik, an staatlichen Institutionen und Repräsentanten zu erfassen. Damit werden höchst problematische Begrifflichkeiten übernommen, die das Bundesverfassungsgericht 1952 beim Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) ausprägte. Auf dieser Grundlage können und werden nun Kritiker bestimmter politischer Maßnahmen der Regierung, wie beispielhaft vom Verfassungsschutz aufgeführt, nämlich “Coronapandemie”, Ukrainekrieg, Energiepolitik, Energiesicherheit, Inflationsgeschehen, vom Staatsschutz überwacht werden.

Auch wenn diese repressiven staatlichen Eingriffe aktuell nur relativ wenige protestierende Staatsbürger treffen, so können die skizzierten Rechtsvorschriften so ausgelegt und angewandt werden, dass auch weitere oppositionelle Regierungskritiker erfasst werden.

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23 Kommentare

  1. Gleiches Recht für Alle:

    Arbeitgeber dürfen verhaltensbedingt kündigen, wenn ein Mitarbeiter mit seinem Verhalten den Betriebsfrieden nachhaltig stört, er seine Pflichten verletzt oder das Vertrauensverhältnis* zerrüttet ist. Die Kündigung darf immer nur letztes Mittel sein. Deshalb müssen Arbeitgeber vorher das falsche Verhalten abmahnen.

    *Beziehung zwischen Personen, Parteien oder Ähnlichem, die durch die Überzeugung von Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und dergleichen geprägt ist!

    Vielleicht sollte mal daß gesamte Beamtenverhältnis und der Beamtenstatus an die Moderne angepasst werden.

    Heutzutage wird ja, Einem nicht nur der Arbeitsplatz sondern auch gleich daß Konto gekündigt.

    So wird Konformitätsdruck aufgebaut, herzlich willkommen im Konformismus 🙈 🙉 🙊

    1. Und von Seiten der Bundesinnenministerin kann man getrost von Revisionistischer Tradition sprechen die einem Gustav Noske in nicht’s nach stehten. Die AfD wird’s freuen wenn die richtigen Gesetze so schon, vor der Eigenen Machtergreifung für die sofortige Anwendung bereit sind! Und die rechts Politischen Säuberungen nachhaltig umgesetzt werden können.

      1. @”Die AfD wird’s freuen wenn die richtigen Gesetze so schon, vor der Eigenen Machtergreifung für die sofortige Anwendung bereit sind! Und die rechts Politischen Säuberungen nachhaltig umgesetzt werden können..”

        So wird es enden und wenn es nicht Faeser nacht, es gibt soviele Noskes in der SPD, die könnten ganz Europa damit versorgen.

        Meinungsterror wird deutsche Staatsräson
        https://seniora.org/politik-wirtschaft/deutschland/meinungsterror-wird-deutsche-staatsraeson

  2. Es ist mit und seit Merkel ein Kampf der US Vasallen gegen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Vom Arbeitenden bezahlt zum Zweck seiner eigenen Hinrichtung. Seiner Enteignung und Versklavung für die Eliten der Hochfinanz.

  3. “Zielten diese Erlasse in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren vorwiegend auf vermeintlich im linken Spektrum verortete Kräfte, so heute auf solche im angeblich rechten Spektrum.”
    Gegen Rechte? Wohl eher nicht, die am weitesten rechts zu verortenden Parteien, die Grünen und die SPD, haben ganz sicher nicht mit Berufsverboten zu rechnen, obwohl sie Nazis, Faschisten, Massenmörder und viele andere mit Geld, Waffen und Rat zur Seite stehen und sich diesen auch gerne anderweitig andienen.
    Der aktuelle Konflikt ist für eine US-Zentristische Weltordnung und für eine Multipolare Weltordnung. Mit rechts und links hat das längst nichts mehr zu tun. Ein Linker aus Deutschland ist in dem, was er denkt und tut oft viel weiter rechts stehend, als ein ungarischer oder russischer Rechter.

  4. @ Frau Albrecht

    “Die Bundesregierung schreitet nicht voran: Sie wagt einen rechtsstaatlichen Rückschritt und steht in der Tradition diverser Rechtsbrüche aus Zeiten des Kalten Krieges.”

    ‘Rückschritt’ – dieser negativ konnotierte Begriff sollte an der Stelle vermieden werden.
    Angebracht ist es, von politischer btw rechtsstaatlicher Kontinuität zu sprechen, zumal dies in ihrem Artikel auch so zum Ausdruck kommt.
    Könnte dann so klingen:
    “Die Bundesregierung pflegt rechtsstaatliche Kontinuität und steht in der Tradition vorangegangener Regierungen.”
    Klingt doch gleich viel netter – obwohl, mit ‘Tradition’ hat man zwar die CDU-ler, könnte aber die Grünen vergrätzen, also besser erstmal diese Sonntagsfrage anschauen, ob das so stehen bleiben kann.

    Und nein, das klingt nicht wie DDR-Politsprech und kann es auch nicht weil es diese DDR nicht mehr gibt, egal, was meine Wähler davon halten.

  5. Den Ausschluß von Unterstützern des damaligen Gegners aus dem Staatsdienst mit der Verfolgungvon tatsächlich verfassungstreuen politisch andersdenkenden Gegnern gleichzusetzen ist schon befremdlich.

    Es ist normal, daß ein Staat nur jene beschäftigen möchte die der eigenen Verfassung treu sind. Dürfte in keinem Land entscheidend anders sein. Über die Methoden kann man streiten. Nicht normal ist es jene auszuschließen die ja tatsächlich politisch auf dem Boden der Verfassung stehen und Verfassungsbrüche kritisieren und diese bis hinein ins Privatleben zu verfolgen. Was Faeser heute macht erinnert eher an 1933 als an die alte Bundesrepublik. Es geht ihr nicht darum den Staat zu sichern, sondern diesen endgültig zu kapern.

    Damals wurde versucht eine Unterwanderung durch den ideologischen zu verhindern, heute geht es darum diese Unterwanderung, die sich als Marsch durch die Institutionen tarnte, zu vollenden.

    Wieder einmal zeigt sich, Sozialisten wählt man einmalig und ohne Umtauschmöglichkeit, danach ist es vorbei mit der Qual der Wahl.

    1. Wieder einmal zeigt es sich wohl eher, dass das durchschnittliche Kleinhirn von Rechtsextremisten nicht in der Lage ist, einen Denkprozess von der Wand bis hinter die Tapete zu finalisieren. Faeser also eine Sozialistin, soso. Nun gut, wer selber einer Ideologie fröhnt, die Abermillionen Juden das Leben gekostet hat, ist nun einmal schlicht und ergreifend eines: krank im Geiste. Was offensichtlich pathologische Wahnvorstellungen mit einschließt.

      1. @ Woody Guthrie:

        “wer selber einer Ideologie fröhnt, die Abermillionen Juden das Leben gekostet hat, ist nun einmal schlicht und ergreifend eines: krank im Geiste”

        Warum frönen Sie dieser Ideologie denn? Wäre es bei dieser Erkenntnis nicht besser Ihre Begeisterung für diese Ideologie zu hinterfragen?

        1. Puh, das ist selbst für ihre Verhältnisse erstaunlich tumb. Ich bin von euch rechtsextremistischen Verfassungsfeinden ja schon nicht viel gewohnt, die Latte nängt schon unter dem Fußboden, aber sie toppen selbst das noch. Erstaunlich. Nun denn, von würdelosen Matschbirnen wie ihnen sollte man wohl auch keinen besonders ausgeprägten Hang zur Schlagfertigkeit erwarten.

  6. Ein guter Artikel, den ich gerne aufgenommen habe, dankeschön.

    Das aufgedrückte Grundgesetz ist das was es ist, ein Grundgesetz und hat nichts mit einer Verfassung gemeinsam. Denn das Grundgesetz wurde dem Volk übergestülpt.
    Eine Verfassung besteht, nur diese Verfassung ist in einem Ruhestand gebracht worden.
    Was soll ein Bundesverfassungsgericht entscheiden, wenn die Grundlage dazu das GG ist und nicht die Verfassung?
    Die in Deutschland eingebürgerte Sprache ist nicht mehr in der Lage, gewisse Sachverhalte zu differenzieren.

    1. Moin
      “Die in Deutschland eingebürgerte Sprache ist nicht mehr in der Lage, gewisse Sachverhalte zu differenzieren.”
      Schön gesagt, danke.
      Das ‘gewisse’ in Ihrem Satz hat mein Kopf zu ‘die meisten’ erweitert. 😀

  7. Es war einmal ein Grundgesetz, zugegeben keine vom Volk sich selbst gegebene Verfassung, auf dessen Grundlage ein Rechtsstaat existierte. Dann wurde aller möglicher Keks ins Grundgesetz geschrieben. Es gab ein unabhängiges und weise urteilendes Bundesverfassungsgericht.
    Dann kam Corona. Das Grundgesetz wird seither anders ausgelegt. Verfassungsrichter treffen sich mit der Regierung zum Abendessen. Es werden merkwürdige Gesetze erlassen, teils von der Regierung, teilweise auch über die EU. Das Ziel: totale Kontrolle, möglichst digital, virtuelle Identität, Bargeldabschaffung. Auch in den USA sorgt man sich um die Meinungsfreiheit. Das spricht dafür, dass hier eine gemeinsame Agenda durchgezogen wird.

  8. Zur Verwirklichung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wäre eine Systemänderung nötig. Wie wenig Wählen bewirkt, zeigt das Schicksal von Willy Brandt, der nach seinem Versprechen, mehr Demokratie zu wagen, den Radikalenerlass akzeptieren musste, und mit der Guillaume-Intrige zum Rücktritt gezwungen wurde. Ich wähle, um meiner Einstellung und Überzeugung Ausdruck zu geben, und meinen “Gesinnungsgenossen” zu vermitteln, dass sie nicht allein sind, glaube aber nicht, dass sich die Machtverhältnisse so ändern lassen. Systemänderungen wären m. E. Austritt aus EU und NATO, und vor allem Direkte Demokratie nach schweizerischem Vorbild. Das alles lässt sich nicht durch Wahlen erreichen. Zu unerschöpflich sind die Manipulations- und Repressionsmechanismen in der scheindemokratischen BRD. Vielleicht verlassen immer mehr Länder die EU, wenn die Empfängerländer infolge eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs nicht mehr finanziert werden können, vielleicht wird die BRD nach einem Atomkrieg zur Neutralität gezwungen, aber wie es zur Direkten Demokratie kommen könnte, ist mir noch nicht eingefallen.

    1. ” nach seinem Versprechen, mehr Demokratie zu wagen, den Radikalenerlass akzeptieren musste” .
      Da muss mir seinerzeit etwas entgangen sein. Ich bin ´73 wegen des Radikalenerlasses aus der SPD ausgetreten, der sich zunächst gegen SDS-ler richtete (Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD 1961) und später dessen Nachfolgeorganisation SHB betraf. Vor allem auch Leute, die vor dem Mauerbau die DDR noch als kritische Linke verlassen hatten. Ein paar davon habe ich noch kennengelernt.
      Es gibt in der BRD eine lange sozialdemokratische Tradition, die Angst vor den Kommunisten dazu zu benutzen, “Querulanten” aus den eigenen Reihen matt zu setzen. Der Inlandsgeheimdienst “Verfassungsschutz” hat sich – wie weiterhin nach 1991 – nur in vereinzelten, öffentlich bekannten gewordenen, Ausnahmefällen um die Beschaffung von Informationen zu aktiven Rechten gekümmert.
      Die Bereitschaft der VVN-BdA gemeinsam mit bürgerlichen Kräften “Antifaschismus” zu machen, werte ich aus heutiger Sicht als bündnispolitischen Fehlschlag. Fast allerorten wird die antikapitalistische Perspektive ausgeblendet und weitgehend nur das Feld der “Erinnerungskultur” mit dem Schwerpunkt auf jüdischen Opfern beackert.
      Nach meinem 2. Staatsexamen und der Überreichung der Verbeamtung trat ich etwa 1976 der DKP bei. Die existentielle Bedrohung für Teile der Sozialdemokratie war die gleiche wie für Kommunisten oder die DFU. Deshalb entschloss ich mich seinerzeit doch gleich Nägel mit Köpfen zu machen.
      Ich erlebe gegenwärtig eine ähnliche Situation. Mit einem WICHTIGEN Unterschied: Eine ideologisch sinnentleerte “Autonome Antifa” machte sich 2020 auf in den Kampf gegen “faschistische” Coronaleugner. Die gegenwärtig sich links dünkende Intelligenzia ist zu aufrechtem Gang nicht mehr in der Lage, sondern fühlt sich in existenzbedrohlichem Maß verfolgt, sobald sich einer in der Form äußert: “Halt´s Maul, du Moppel.”

      1. @Christa
        Ihr Beitrag erinnert in aller Kürze an eine wichtige politische Konstellation im bürgerlichen Deutschland seit 1919. Die Rolle der SPD im angesprochenen Repressionszusammenhang der Alt-BRD seit den 1950er Jahren.
        Was die von Ihnen angesprochenen Berufsverbote 1972/73 und Ihren Bruch mit der SPD betrifft gab es auch in diesem Netzmagazin zum 50. Jahrestag der bisher einzigartigen (WillyWilly-) Bundestagswahl im November 1972 einen kritischen Hinweis https://overton-magazin.de/krass-konkret/deutsche-wir-koennen-stolz-sein-auf-unser-land-waehlt-willy-brandt/
        Ginge es hier oder wo auch immer um eine kritische Aufarbeitung der SPD-Politik seit 1919 wäre auf eine Kritik von Alfred Sohn-Rethel aus damaliger kämpferisch-antifaschistischer Perspektive zu verweisen. Er kennzeichnete 1932 als Kern der SPD-Politik die “Ummünzung der Revolution in Sozialpolitik”.

        1. Danke für den Lesetipp.
          Es ist das Problem aller Parteien: Sobald sich Wahlerfolge einstellen, nimmt explosionsartig die Zahl derer zu, die auf die neuen Beschäftigungschancen in öffentlichen Verwaltungen jeder Ebene lauern und beitreten. Das dürfte ein in allen politischen Systemen verbreiteter Impuls sein. Der große Zulauf für die SPD nach der Brandt-Wahl bestimmte die weitere Entwicklung. Wer etwas werden wollte – politische Karrieristen – fühlten sich plötzlich in der SPD gut aufgehoben.

  9. Was wäre denn gewesen, wenn der sowjetische Vorschlag von 1952 angenommen worden wäre? Deutschland wäre neutral, wiedervereinigt und hätte eine Armee zur Landesverteidigung unterhalten dürfen. Also die österreichische Lösung.
    Aber nein, wir brauchten unbedingt einer Bundeswehr in der NATO. Ungeheuer wirkungsvoll, wie wir heute wissen. 1962 stellte der Spiegel fest, dass die Sowjets gerade mal 24 Stunden bräuchten, um bis zum Rhein vorzustoßen. Das blieb so bis 1990. Haben sie Österreich überfallen? Nein.

    Man darf ja mal aufzählen, was wir uns dadurch gespart hätten: ungeheure Kosten, die Mauer, die Einschränkung des Osthandels, die Mauer, den Jugoslawienkrieg, Afghanistan.

    Und diejenigen, die diesen Weg gehen wollten, wurden verfolgt? Muss man wissen, um deutsche Geschichte verstehen zu können.

  10. Danke an die Autorin für diesen Beitrag, welcher daran erinnert, dass die Repressionspolitik und Cancel Culture des herrschenden Systems im Grunde ein alter Hut ist. Für meinen Geschmack hätte man ein wenig das Biografische kürzen und dafür noch etwas mehr Analyse mit reinnehmen können, aber das ist eben – Geschmacksfrage.

    Zwei, drei Groschen noch:

    Zielten diese Erlasse in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren vorwiegend auf vermeintlich im linken Spektrum verortete Kräfte, so heute auf solche im angeblich rechten Spektrum.

    Da gehe ich nicht d’accord. Es stimmt, dass das System (oder zumindest gewisse Teile davon) sowie die angeschlossenen Medien- und Justizapparate heute Rechte ins Visier nimmt (Stichworte: bestimmte AfDler, Reitschuster, Fall Aiwanger). Aber dies gilt sehr wohl auch für linke Persönlichkeiten – nämlich genau dann, wenn sie echt-linke Inhalte vertreten und somit in entscheidenden Punkten von einem oder mehreren zentralen Geboten des herrschenden bourgeoisen Systems (Neoliberalismus & Austerität, Imperialismus (NATO / EU), Identitätspolitik etc.) abweichen. Es reichen dabei Nuancen, Zuckungen, einzelnes, ja mitunter einmaliges Ausscheren. Denn es gilt: Du hast in der Linie zu bleiben, koste es, was es wolle, sonst bist Du Deine Privilegien (Grundrechte) los. Beispiele für Opfer zeitgenössischer Kampagnen und Repressionsakte gegen Linke sind etwa der Schriftsteller Peter Handke und sein Hinterfragen der Jugoslawien-Narrative, der als Staatssekretär gezielt abgesägte Soziologe Andrej Holm, oder die jahrelange geheimdienstliche Überwachung von Sahra Wagenknecht und Co. – zumindest solange sie in der Kommunistischen Plattform oder ähnlichen Gruppen herumturnten anstatt wie heute beim sozialdemokratischen Kaffeekränzchen das ordoliberale Milchkännchen zu reichen.

    Das Zauberwort bei dieser so illustren wie weltanschaulich heterogenen Runde lautet: anti-systemisch. Damals wie heute zielten die Repressionsmaßnahmen auf potenzielle Systemabweichler jeglicher Couleur und Albrecht veranschaulicht das ja im Weiteren unter Rückgriff auf das Buch Possers höchstselbst:

    Im Hauptteil des Buches werden spektakuläre politische Gerichtsfälle vorgestellt

    Und hier wird deutlich: ob CDU- oder KPD-Mitglied, ob Gewerkschafter oder Arbeitgeberfunktionär, ob Lenßen oder Partner. Wer in diesem Land von einem oder gar mehreren Geboten der herrschenden Kaste abweicht, der bekommt dessen Groll und Machtmittel zu spüren. Völlig unabhängig von seinen sonstigen Weltanschauungen, seiner Geschmacks- Sexualitäts- und Modevorlieben, seines Berufs oder Geschlechts, seiner Religion, Hautfarbe oder Lieblingszahncreme. Es kommt dem Kartell lediglich darauf an: Ist derjenige mit uns oder gegen uns? Sowie: Wie wichtig und einflussreich ist er – könnte er uns etwa bedrohlich werden? Und je einflussreicher und anti-systemischer man ist, desto härter wird das System dann seine Peitsche schwingen.

    Damals traf diese Knute, wie Frau Albrecht aufzeigt, die Pazifisten und Aufrüstungsgegner unterschiedlichster Weltanschauung – und heute? Heute ist es nicht anders. Man erinnere sich bloß an die Friedensdemos 2014/15. Oder nehme irgendein anderes systemisch-wichtiges Thema. Migration? Brexit / EU-Kritik? Impfung? MeTwo? Klimawandel? Austeritätsprogramme? Bargeldabschaffung? Gendern? Wer kann es sich denn erlauben gegen diese und andere Sternchenthemen offen und öffentlich aufzubegehren? Zur Unterstreichung will ich nur auf diese wichtige Zusammenstellung des Journalisten Norbert Häring verweisen. Häring sammelt darin, wer und wie in diesem Land gegenwärtig „gecancelt“ wird. Seine Liste reicht von der Politik über Universitätsdozenten, Journalisten, Schriftsteller und sonstige Künstler bis hin zu einfachen Gewerkschaftsmitgliedern.

    Unterm Strich lässt sich festhalten: Du kannst so glattgebügelt und angepasst sein wie ein Joshua Kimmich – wenn Du öffentlich nicht das Sakrament der Impfung nimmst, wirst Du nach Canossa gehen müssen oder Du bist eben raus aus Deiner Mannschaft (und der Gesellschaft). Du kannst die Klimaagenda der Eliten fahren und auch ansonsten kein Jota von ihren Thesen abweichen – doch kritisierst Du die israelische Regierung wie eine Greta Thunberg, dann gibt’s schnell kräftigsten Gegenwind. Du kannst in Deinem Land den „besten Niedriglohnsektor Europas“ geschaffen und auch sonst als „Genosse der Bosse“ den Eliten so viele Wünsche von den Lippen abgelesen haben wie möglich. Doch wenn Du Deine Freunde nicht stets nach den Vorstellungen des Kartells auswählst oder weiterhin mit dem pösen Putin sprichst, hast Du eben auch als „Acker“ Schröder Dein Parteiausschlussverfahren am Hals und bist Dein Büro los.

    Und deswegen ist absolut zu unterstreichen, wenn Albrecht gegen Ende festhält:

    Possers Buch zeigt, dass sich viele Methoden und Mittel von Unterdrückung und Repression gegen aktive Dissenter nicht geändert haben.

    Und die Elitenkontinuität, mitsamt der Konservierung und Tradierung von bereits im Zweiten und Dritten Reich gesetzten Inhalten und Herrschaftssicherungsinstrumenten, spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle.

  11. “So wurde im April 2021 in allen deutschen Staatsschutzbehörden, vor allem dem Bundesverfassungsschutz (BfS), der „Phänomenbereich“: „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet, um „Verunglimpfung und Verächtlichmachung“, rechte Kritik, an staatlichen Institutionen und Repräsentanten zu erfassen.”
    Rechte Kritik also. Müssen wir darüber diskutieren? Welche Taten nach sich zog, zwei entdeckte Versuche eines Staatsstreichs zum Beispiel. Nein, es waren nicht Linke.

    Das war Sinn und Zweck der Sache: es sollte ein drittes Häufchen geschaffen werden, denn eigentlich gehört es auf das rechte Häufchen. Das aber darf nie zu groß werden. Drum diese “Delegitimierung”. Welche nie irgend eine Konsequenz hatte. Keine Verurteilung, kein Berufsverbot. Aber der Verfassungsschutz hat doch geschimpft, indem er einen “Phänomenbereich” eröffnet hat. Das muss genügen.

    Mich würde nicht wundern, wenn das zur Strafvereitelung genutzt würde. Das Querdenkerchen soll sich doch wohlfühlen in unserem Rechtsstaat. Wenn es eine rechte Straftat begangen hat, tut man das zur Delegitimierung und die ist straffrei.

    Hach was hat sich die herrschende Klasse gefreut, wie das Querdenkerchen das gesamte Protestlager in einen Schwurbelhaufen verwandelt hat. Der ihr niemals wehtun wird. Das muss honoriert werden.

  12. Bei der Letzten BW hat der Wahlomat nach Beantwortung aller Fragen mich als AfD Wähler ausgewiesen. Da die AfD ja nun rechtsradikal sein soll, muss ich mich nun selbst anzeigen? Eventuell habe ich ja braunen Bodensatz? Sollte das BMI nicht so ein Testomat auf der Webseite installieren, so das man sich immer wieder selbst testen kann?

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