
Es braucht heute keine Vorzensur mehr. Ein schlecht begründetes Label, „Desinformation“, „Putin-Narrativ“, „Hass und Hetze“ und du bist aus dem Schaufenster der Öffentlichkeit verschwunden.
Ein Algorithmus dreht den Hahn zu, ein Zahlungsdienst kündigt die Geschäftsbeziehung, ein Hosting-Anbieter verweist auf seine „Policies“. Kein Richterbeschluss, kein ordentliches Verfahren, aber die Existenz ist trotzdem beschädigt. So sieht moderne Ausgrenzung aus.
Wir reden hier nicht über Narrenfreiheit. Wer Straftaten veröffentlicht oder zu Gewalt aufruft, gehört vor ein Gericht. Punkt. Aber darum geht es in der Mehrzahl der Fälle gerade nicht. Es geht um journalistische Positionen, um unbequeme Fragen, um abweichende Deutungen, also um genau das, wofür eine pluralistische Öffentlichkeit existiert. Und die wird schrittweise ausgedünnt.
Das neue Werkzeug: moralisches Framing + private AGB
Die Methode ist elegant: Der Staat verweist auf Plattformregeln, die Plattformen verweisen auf „gesellschaftliche Verantwortung“, und irgendwo in der Grauzone dazwischen verschwindet ein Kanal, ein Konto, eine ganze Redaktion. Kein klassisches Verbot, sondern digitale Erstickung.
Gerade freie Medien, Manova, Overton, NachDenkSeiten, Free21, Apolut und viele kleinere Projekte, stehen ohne Rechtsabteilung, ohne Gremiensitze, ohne öffentlichen Schutzschirm da. Ihre Inhalte unterliegen denselben Gesetzen wie die der großen Medienhäuser, aber sie haben keinerlei institutionalisierte Mitsprache, wenn diese Gesetze gemacht und umgesetzt werden. Das ist strukturell unfair und politisch riskant.
Die Rechtslage – Chance und Problem zugleich
Die Europäische Union hat mit dem Digital Services Act (DSA) und dem European Media Freedom Act (EMFA) dicke Bretter gebohrt. Der DSA zwingt Plattformen zu mehr Transparenz: Sie müssen Moderationsentscheidungen begründen und in eine öffentliche Datenbank melden; sehr große Plattformen unterliegen besonderen Rechenschaftspflichten. Das ist ein Fortschritt, aber nur, wenn Betroffene diese Rechte tatsächlich durchsetzen können und am Regelwerk mitarbeiten dürfen.
Der EMFA wiederum schafft ein neues Dach für Medienpluralismus und richtet den European Board for Media Services ein, ein Gremium der nationalen Medienregulierer, das die Umsetzung begleiten und die Medienfreiheit schützen soll. Klingt gut. Aber: Wer sitzt da eigentlich für die freien, nicht institutionell eingebundenen Medien? Wer bringt deren Perspektive ein? Aktuell sind es vor allem staatliche und regulierte Akteure.
Parallel gilt in Deutschland weiter das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), mit rigiden Löschfristen für rechtswidrige Inhalte. In der Praxis führt das häufig zu Überreaktionen: Unternehmen löschen im Zweifel zu viel, um Bußgelder zu vermeiden. Trifft es einen Großverlag, gibt es Gegenwehr. Trifft es eine freie Redaktion, fehlt oft die Kraft für lange Verfahren. So versucht man ständig sich selbst zu zensieren, um unter dem Radar zu fliegen. In wie weit das heute noch möglich ist, bleibt dahingestellt.
Zwar hat die EU 2024 eine Anti-SLAPP-Richtlinie beschlossen, die missbräuchliche Einschüchterungsklagen gegen Journalisten eindämmen soll. Doch hilft das wenig, wenn parallel zugangsentscheidende Infrastrukturen, Sichtbarkeit, Zahlungsabwicklung, Hosting, privatrechtlich entzogen werden. Wir brauchen Schutz vor offener Klage und vor lautloser Drosselung.
Was jetzt zu tun ist – fünf konkrete Forderungen
- Gesetzlich gesicherte Verfahrensrechte bei Sperrung und Kündigung
Wenn Plattformen, Zahlungsdienste oder Hoster Medienangebote einschränken, muss es ein echtes Verfahren geben: nachvollziehbare Begründung, Fristen, Akteneinsicht, suspendierende Wirkung bei Widerspruch und ein unabhängiges Rechtsmittel. Der DSA kennt bereits Transparenzpflichten, aber sie müssen praktisch nutzbar werden: standardisierte Beschwerde- und Eilverfahren, die zeitnah Entscheidungen korrigieren können. - Sitz und Stimme für freie Medien in den EU-Gremien
Der neue Medienrat im Rahmen des EMFA darf kein exklusiver Club sein. Freie Medienverbände müssen als ständige Beobachter mit Rederecht verankert werden. Ohne diese Perspektive wird „Pluralismus“ schnell zur Verwaltungsfloskel. - Gleichbehandlungspflicht bei zugangsentscheidenden Diensten
Infrastrukturen wie Zahlungsabwicklung, Hosting oder App-Stores sind faktisch Gatekeeper. Wer journalistisch arbeitet und keine Straftat begeht, hat Anspruch auf faire, diskriminierungsfreie Behandlung. Kündigungen dürfen nicht auf politisch-inhaltliche Gründe oder vage „Risikobewertungen“ gestützt werden. Das kann europarechtlich über Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln abgesichert werden. Die Frage was Hass oder Hetze ist, darf zukünftig nicht auf ideologischen Entscheidungen beruhen. - DSA-Rechte praktisch nutzbar machen
Die Transparenzdatenbank des DSA ist eine Goldgrube: Dort lässt sich nachvollziehen, wieso Inhalte gesperrt wurden und mit welcher Begründung. Freie Medien brauchen eine gemeinsame Auswertung, um Muster zu erkennen, Tendenzen offenzulegen und gezielt gegen systematische Benachteiligung vorzugehen. - Nationale Ombudsstellen für Medienzugang
Deutschland sollte, ergänzend zum EMFA, eine unabhängige Ombudsstelle schaffen, die Fälle von De-Ranking, Kontokündigungen oder Sperrungen im Medienbereich schnell prüft und Empfehlungen ausspricht. Nicht als Zensuraufsicht, sondern als Schutzinstanz für legale Inhalte.
Kein Sonderrecht – nur Rechtsstaat für alle
Wer jetzt ruft „Ihr wollt Sonderrechte!“, irrt. Wir wollen Rechtsstaat statt Blackbox. Wenn eine Plattform eine Redaktion wegen angeblichen Regelverstoßes drosselt, ist das nicht „Privatsache“, es ist eine Entscheidung über öffentliche Sichtbarkeit. Wo wirklich Kriminalität im Spiel ist, soll der Rechtsweg greifen. Aber bei legaler publizistischer Arbeit gilt: Kein heimliches Berufsverbot über AGB.
Die EU selbst betont, dass Medienfreiheit und Pluralismus Kernbestandteile der Demokratie sind, genau dafür wurde der EMFA erlassen. Dann muss diese Einsicht auch praktisch ankommen: in den Dashboards der Plattformen, in den Kündigungsschreiben der Zahlungsdienste, in den Abläufen der Regulierungsbehörden.
Warum das alle angeht – nicht nur „uns“
Das Argument „Wer seriös ist, hat nichts zu befürchten“ ist naiv. Heute trifft es die Unbequemen, morgen die Nonkonformen, übermorgen jeden, der eine Schlagzeile zu früh oder zu scharf formuliert. Pressefreiheit ist immer die Freiheit des anderen. Sie stirbt nicht in einem großen Skandal, sondern in tausend administrativen Nadelstichen.
Selbst große Medienorganisationen und internationale Beobachter warnen inzwischen, dass die Medienfreiheit in Europa fragiler geworden ist: Eigentumskonzentration, politischer Druck, Einschüchterungsklagen, polizeiliche Übergriffe, all das ist dokumentiert. Neue Gesetze können helfen, wenn sie nicht nur auf dem Papier existieren und neutral bewerten.
Und jetzt praktisch: Selbst organisieren – nicht betteln
Wer Rechte will, muss organisiert sein. Was die großen Verlagshäuser, Rundfunkanstalten und Lobbyverbände längst tun, müssen die freien Medien jetzt nachholen.
Das bedeutet:
- Gründung eines Berufsverbands oder einer Gewerkschaftsähnlichen Struktur freier Medien mit juristischer und technischer Kompetenz.
- Aufbau eines „Legal Helpdesk“ für Fälle von Sperrungen, Kontokündigungen und Algorithmus-Drosselung.
- Aktive Beteiligung an EU-Konsultationen und nationalen Gesetzesprozessen.
- Einrichtung eines Fonds für juristische Ersthilfe und Anti-SLAPP-Verfahren.
Das ist keine Revolte. Das ist Selbstbehauptung im Rahmen des Rechts, aber entschlossen. Wir wollen nicht geduldet werden. Wir sind Teil des Medienökosystems, und ohne uns fehlt der demokratischen Öffentlichkeit das Korrektiv.
Die Alternative zu Rechten ist Gnade. Gnade gibt es, solange du gefällst. Rechte schützen dich gerade dann, wenn du nicht gefällst.
Wer freie Medien will, muss ihnen rechtsverbindliche Verfahren, Sitze am Tisch und Zugang zu den zentralen Infrastrukturen sichern. Alles andere ist ein höflicher Weg in die Bedeutungslosigkeit.
Es ist Zeit, vom Bitten zum Einfordern zu wechseln.
Quellenlinks
„Digital Services Act: Commission launches Transparency Database“ – Europäische Kommission.
https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/news/digital-services-act-commission-launches-transparency-database
„Dashboard – DSA Transparency Database“ – EU-Website.
https://transparency.dsa.ec.europa.eu/dashboard?lang=en
„European Media Freedom Act“ – Europäische Kommission.
https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/new-push-european-democracy/protecting-democracy/european-media-freedom-act_en
„Initiative against abusive litigation targeting journalists and rights defenders“ – Europäisches Parlament.
https://www.europarl.europa.eu/legislative-train/theme-a-new-push-for-european-democracy/file-initiative-against-abusive-litigation-targeting-journalists-and-rights-defenders
„The EU Digital Services Act: The Transparency Database provides two ways for submitting statements of reason …“ – IAPP.
https://iapp.org/news/a/the-eu-digital-services-act-ready-to-meet-reporting-obligations/
International Federation of Journalists (IFJ): Europe: Press Freedom Report 2024 warns about persistent threats to media freedom — 05.03.2025. Zugriff am [heutigen Datum].
https://www.ifj.org/media-centre/news/detail/category/press-releases/article/europe-europe-press-freedom-report-2024-warns-about-persistent-threats-to-media-freedom





Was wird denn von einem Staat erwartet, dessen oberster Repräsentant AFD-Wähler ungestraft als Ratten bezeichnet und damit gegen Paragraf 1 des Grundgesetzes verstößt? Wie man zur AFD steht, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Und wie sieht es mit den Regelungen im Grundgesetz aus, die sich gegen Kriegsbeteiligung und Rassismus richten?
Die werden vom Staat selbst in den Dreck gezogen, ungestraft. Palästinensische Kinder dürfen zu vernichtende Tiere sein, wir liefern trotzdem Waffen. Und Russen sind Unternenschen, die das so sehen und auch Nazisymbole am Körper tragen, werden massiv unterstützt. „Das Hakenkreuz muss neu bewertet werden“ äußerte unsere Außenbarbie, die nun dem Komödiantenstadl in New York vorsitzt. Die Hoffnung, dass mit derzeitigen Strukturen und derzeitigem Personal irgendetwas für freie Meinungsäußerung getan wird, ist vergebens. Man kann nur nicht, aufgrund der zunehmenden Menge der Meinungsäußerungen, jeden bestrafen, da fehlt Personal und Technik. Solange das Duo vdL und Freimaurer die Geschicke Europas bestimmen, bleibt freie Meinungsäußerung ein Risiko, sehr zum Schaden vom Projekt Europa.
Was ist mit dem Aufruf zum Generalstreik?
„Was ist mit dem Aufruf zum Generalstreik?“
Will die Regierung Internet abschalten und Bier verbieten?
Nein, viel schlimmer, die wollen uns loswerden!
In Deutschland regiert ein medial-politischer Komplex, bei dem nicht immer klar ist, wer nach wessen Pfeife tanzt. Seit der Merkel-Ära hat sich dieser immer existierende Kuschelkurs zwischen der (zumindest formal) demokratisch bestimmten Politik und der intransparenten reaktionären Medien-Marionettenspieler zu einer monströsen siamesischen Chimäre entwickelt. Inzwischen tut die Politik genau das, was Springerpresse & Co seit Jahrzehnten fordern. Da besagte Marionettenspieler jedoch mit den Konsequenzen ihrer Forderungen geistig und moralisch überfordert sind, führt dieser Kurs in die Katastrophe. Deindustrialisierung und gesellschaftlicher Verfall sind dabei erste Indizien, doch keineswegs das Ende der Fahnenstange. Da der entsprechende Druck immer größer werden wird, ist eine Zerschlagung dieses Geflechts zugunsten einer souveränen demokratischen Politik vermutlich nur eine Frage der Zeit – doch je mehr diese verstreicht, desto gravierender wird diese Neuausrichtung sein.
Gut gebrüllt, Löwe; allein, welcher Weg führt dort hin?
Im Augenblick ist dies ein Text in einem alternativen Medium. Weitere werden womöglich folgen. Aber genügt es wirklich, die Leser alternativer Medien als die einzigen Adressaten zu sehen, um damit -vermeintlich oder tatsächlich- einer besseren Zukunft im ungenauen Irgendwann den Boden zu bereiten? Oder wären weitere Adressaten nicht womöglich sinnvoll?
Der Deutsche Journalisten-Verband zum Beispiel?
Unterstützenswert fänd ich das auf jeden Fall. Und notwendig sowieso.
Kann sich noch jemand an die Piratensender erinnern?
Zwischen Absaufen mit dem alten Pott und ratternden Generatoren wurde viel bewegt.
Oft bis das Militär kam.
Und das brauchen wir heute wieder.
Plattformen ausserhalb des ganzen Wahnsinns.
Und keine Diskussionen von Medienfunktionären mit dem Hort des Bösen, ob es uns vielleicht ein paar warme Händedrücke zukommen lässt.
Heute kann man Sender aus der ganzen Welt empfangen.
Nein während in der DDR Westsender empfangbar und sogar ins Kabel eingespeist wurden, werden böse Russensender in unserer Demokatie und Pressefreiheit gesperrt. Ich glaube, sogar Al Jazzera gibt es nur in englisch. Und was meinen Sie, was der bildungsarm gehaltene Michel so anschaut und anhört?
Das Internet ist für uns alle Neuland.
Es gibt in Klassengesellschaften keine freien Medien. Das kann keine herrschende Klasse zulassen. Wenn es Medien gibt, die scheinbar frei sind, dann nur weil diese Medien keine Gefahr für die Herrschenden darstellen. Aber darüber wollen die Macher der „alternativen Medien“ lieber nicht nachdenken. Sie sind harmlos und eher als gesteuerte Opposition zu bezeichnen, denn sie stellen den Kapitalismus selbst nicht in Frage. Man ist ja noch nicht einmal intellektuell in der Lage, sich vom Mythos der Volksherrschaft „Demokratie“ zu lösen. Schönes Zitat von Hegel an der Stelle: Das Volk ist der bewusstlose Teil der Gesellschaft.
Rischtisch 👍
„Es gibt in Klassengesellschaften keine freien Medien.“
Was sind freie Medien? Was soll das sein? Der Begriff „Pressefreiheit“ ist im 19 Jhrdt entstanden („Reichspressegesetz“) und die BRD hat es ins GG aufgenommen (Art. 5) in Abgrenzung zu den „nicht-freien Medien“ in der DDR und im gesamten Ost-Block. Es iwar schon immer ein propagandistischer (Abgrenzugs-) Begriff -genauso wie „freie Journalisten“. Niemand kommt auf die Idee von „freien Handwerkern“, „freien Bäckermeistern“, „freien Autobauern“ zu sprechen, aber „freie Journalsiten“ bei „freien Medien“ soll es geben.
Es gibt immer mehr freischaffende Autoren, die ihre Werke für ein paar Mark Fuffzich an den Mann bringen müssen, das ist doch allemal ein Schritt in die korrekte Richtung, oder? 😉
Und demnächst werden die von einer „KI“ ersetzt, dann sind sie absolut frei und können sich einen neuen Job suchen.
Läuft, würde ich sagen.
Ich würde vorsichtig widersprechen, natürlich sind die „Eliten“ daran interessiert, ihre Interpretationshoheit zu sichern, aber Dank globalen Internet ist das sehr schwierig geworden. Meines Wissens grenzen Russen und Chinesen ihr Netz ab (so gut das eben möglich ist, mit VPN kommt man m.W. trotzdem raus oder rein) bisher gab es immer Bewegungen, die diese Bemühungen unterwandert haben.