Harte Zeiten, Folge 32 — Fahndung mit Kanzler

Harte Zeiten, Kanzleramt
Quelle: Pixabay

Die Polizei ist am Landhaus angekommen und fahndet um das Haus herum nach Felix. Der Turnschuhkanzler ist ebenfalls angekommen und wartet auf seinen Einsatz.

 

Die Polizei hat ganze Arbeit geleistet. Es hat nicht einmal lange gedauert. Mit Hilfe der Gesichtserkennungssoftware, die seine Partei im letzten Jahr im Bundestag durchgedrückt haben, haben sie die Identität der beiden rasch ermitteln können. Philipp Löwenberg, Industriellensohn, und Jule Braunschweig, linksradikale Aktivistin, beide Mitglied der linken Gruppe Fair Climate for a Fair World engagiert.

Jakob Mauder kann nicht umhin, einen gewissen Triumph zu verspüren. Schließlich war er  einer der Digitalisierungsbefürworter der ersten Stunde gewesen. Hatte gepredigt, dass die Digitalisierung uns helfen kann, unser Leben sicherer und besser zu machen, und uns vor Kriminalität schützen kann. Na bitte!

Nachdem die Wohnung der Verdächtigen sowie der ihrer Eltern von einer SEK-Gruppe gestürmt wurde, hat sich die Einheit auf den Weg zum abgelegenen Wochenendhaus der Eltern der Verdächtigen gemacht. Da der Wagen von einer Kamera bei einer Autobahnausfahrt gesichtet wurde, gilt es als wahrscheinlich, dass sich die Entführer samt ihrem Opfer dort aufhält. Einheiten sind sowohl per Auto als auch per Hubschrauber unterwegs.

Jakob Mauder hat dem Chauffeur die Adresse durchgegeben, die er von Max Rauter erhalten hat und gleitet nun in seinem schwarzen Audi lautlos auf der Autobahn entlang. Was soll man sagen? Ein schwarzer Audi macht sich im Fernseher einfach besser als ein verbeulter weißer Toyota.

„Sofern es die Rettungsaktion nicht gefährdet, darfst du dabei sein“, hatte Max Raute zu ihm gesagt.

„Und wie sehr darf ich dabei sein?“, hat Jakob Mauder gefragt.

„Ich verstehe deine Frage nicht“, hatte Max ihm geantwortet.

Na, ob man ihm zum Beispiel eine Waffe geben würde.

Jakob Mauder hätte sich gerne mit einer Waffe gesehen. Er im Angesicht der Entführer. Geben Sie sofort Felix heraus. Was für ein fantastischer YouTube-Clip!

Aber Max war rigoros gewesen. Eine Waffe? Hast du sie noch alle? Oder hast du einen Waffenschein?

Jakob Mauder findet, dass Max zu streng ist und man eigentlich in diesen Zeiten eine Ausnahme machen könnte, traut sich aber nicht, noch einmal zu fragen.

Egal, denkt Jakob Mauder. Er würde eben improvisieren.

Wenn er die Sache richtig macht, und es die richtigen Bilder mit den richtigen Titeln gibt, würde er Deutschland genau die Story schenken, die das Land im Moment braucht.

Anstatt dem Gejammere der Rechten, die immer nur erzählen, wie Deutschland sein Rückgrat verloren hat, weil angebliche Eliten ihnen sagen sollen, wie sie leben müssen, würde er, Jakob Mauder ihnen eine andere Geschichte liefern Die Geschichte eines Landes, in dem die Politik die Freiheit aller Bürger verteidigt, weil es ein Land ist, in dem ein kleiner Junge, der entführt wird, vom Kanzler persönlich gerettet wird.

Vielleicht würde sogar Vic ihn bewundern.

„Herr Mauder?“

Jakob zuckt zusammen.

„Bitte?“

„Wir sind da.“

„Entschuldigung.“

Jakob Mauder ärgert sich, dass er sich entschuldigt hat. Für was soll er sich entschuldigen?  Dafür in Gedanken zu sein. Ein Kanzler ist immer in Gedanken.

Jakob Mauder steigt aus.

Max hatte Helikopter angekündigt.

Und dass er den Pressechef gebeten hatte, einige entscheidende Informationen durchstechen zu lassen.

Wenn alles gut ginge, würde die Rettungsaktion genau im richtigen Augenblick medial dokumentiert werde.

Als sie auf die Hütte stoßen, bilden sie einen Halbkreis vor dem Eingang.

„Bist du sicher, dass nur ihr beide beteiligt wart?“, zischt Chris Philipp zu.

„Ja, nur sie und ich.“

Dann stößt Chris die Tür auf.

Drinnen sind eine Holzbank und ein alter Ofen.

„Ich habe euch doch gesagt, dass er weggelaufen ist!“, sagt Jule tonlos.

Ihre Verzweiflung, die sie eben so pathetisch zur Schau getragen hat, ist jetzt einer hilflosen Resignation gewichen.

„Dann gehen wir jetzt weiter. Wo könnte er noch sein? Gibt es weitere Hütten hier?“

Jule zuckt mit den Schultern. Da stößt sie Chris plötzlich mit dem Gewehr an der Schulter.

„Du strengst jetzt deinen Kopf an.“

Jule schreit kurz auf. Der Schmerz an ihrer Schulter ist wie ein Weckruf. Dafür, wer ihre Feinde sind. Menschen wie Chris. Männer, die glauben, mit Gewalt alles gut machen zu können.

„Was weiß ich, wo er hingegangen ist!“, zischt sie feindselig.

„Sie wissen schon, dass Sie für ihre Taten vor ein Gericht gestellt werden. Und dass dann viel davon abhängt, wie kooperativ Sie jetzt sind“, sagt Karl-Friedrich, während er Jule in die Augen blickt.

Philipp, der in der Zeit nach draußen gegangen ist, kommt außer Atem zurück.

„Ich glaube, ich weiß, wo er hingegangen sein könnte!“

Als sie nach draußen geht, zeigt er auf den Weg, der von der Hütte aus zu einem großen Feld führt, an dessen Ende ein Bauernhof zu sehen ist. Wenn sie Felix gewesen wären – hätten sie nicht versucht, dort Zuflucht zu finden?

 

Vic verfolgt es über die Nachrichten. Ganz Deutschland verfolgt es über die Nachrichten. Das Radio, das Fernsehen, sie alle zeigen immer dieselben Bilder. Die Menschen, die vor dem Reichstagsgebäude campen. Dazwischen die Interviews mit den Polizisten, dazwischen auch mit den Demonstrierenden. Sie zeigen auch den Post. Den Aufruf des Vaters. Vic kommt der Mann bekannt vor. Sie erkennt ihn erst nicht wieder, dann fällt es ihr ein, der smarte Anzugträger aus dem Café.

Er sieht jetzt anders aus, denkt Vic. Als ob das Leben ihn eingeholt hätte.

Dann wechseln sich plötzlich die Bilder ab. Der Innenminister gibt in einer Pressekonferenz bekannt, dass jetzt gerade eine Rettungsaktion für den vermissten Jungen läuft. Und dass der Kanzler sich persönlich darum kümmere und daher nicht im Gelände sei.

Bilder sind zu sehen. Wie der Kanzler telefoniert. Wie der Kanzler ins Auto steigt. Wie der Kanzler-Audi davonfährt.

Dann tauchen Fahndungsfotos auf. Philipp Löwenstein und Jule Braunschweig. Junge Menschen, die nicht gerade wie Schwerkriminelle aussehen und doch die Hauptverdächtigen sind. Ob der Junge noch lebt, fragt der Reporter den Polizeipräfekten. Das wisse man nicht.

Und dann geht es los. Live im Fernsehen. Bilder von Polizisten, die an dem Anwesen ankommen. Bilder von Helikoptern, die am Himmel zu sehen sind.

Saubere Arbeit mein Jakob, denkt Vic.

 

Während sie entlang des Waldes am Feld entlang stapfen, hören sie plötzlich die Helikopter. Ob es die Polizei ist oder Terroristen der Bewegung, die gerade in Berlin wütet, oder auch irgendwelche FCFW-Leute, die mitbekommen haben, dass sie Felix befreien wollen, wissen sie nicht. Sie versuchen, nicht hinzuhören, sich auf ihren Weg weiter zu konzentrieren, das Ziel im Auge zu behalten Das Ziel Felix zu finden. Bevor es zu spät ist.

Außer Atem kommen sie am Bauernhof an. Der Hof ist verlassen. Die Tür verrammelt, Spinnweben am Türrahmen.

„Felix!“, ruft Chris.

Und hört prompt ein Geräusch aus dem einem Geräteschuppen neben dem Haus, dessen Tür angelehnt ist.

Chris stürzt als erster hinein.

 

Im Fernsehen beobachtet Vic, wie die Polizei in das Anwesen eindringen. Mehrere Fotografen und Kamerateams haben sich vor dem Haus positioniert und werden halbherzig von den Polizisten verscheucht. In Momenten, in denen die Ordnung zusammenbricht, ist scheinbar alles möglich.

Die sozialen Medien laufen jedenfalls Amok. Menschen aus ganzer Welt scheinen sich für Felix zu interessieren. Gebete werden losgeschickt, Kerzen angezündet. Was mit dem belagerten Reichsgebäude passiert, ist jetzt unwichtig.

Dann berichtet ein Reporter, dass bekannt geworden ist, dass der Kanzler selbst auf dem Weg zum Tatort ist. So politisch naiv ist Vic nicht, dass sie nicht wüsste, dass diese Aktion jetzt genau das ist, was Jakob Mauder für sein politisches Überleben braucht.

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4 Kommentare

  1. In Momenten, in denen die Ordnung zusammenbricht, ist scheinbar alles möglich.

    Google sagt:
    „Was ist der Unterschied zwischen scheinbar und wahrscheinlich?
    Wenn also etwas in Wirklichkeit nicht so ist, wie es scheint, verwendest du scheinbar. Wenn eine Sache wahrscheinlich die Wahrheit ist, nimmst du anscheinend.“

    Die sozialen Medien laufen jedenfalls Amok.

    An diesem Satz ist alles falsch.

    Reichsgebäude

    Hat Overton schon die unwidersprochen menschenverachtenden und Kinderrechts missachtenden Äußerungen einer schwer kriegstraumatisierten Monsterromanfigur ‚Vic‘ gestrichen oder wie lange noch will man hier derartigem Dreck eine Bühne bieten?

    3 Antworten auf diesen Kommentar anzeigen ▼
      1. Das ist der Thematik Kinderehen geschuldet.

        Mein nachträglich angeführter Text dürfte ihnen beim Verfassen ihres Kommentars noch nicht angezeigt worden sein.

      2. @ DasNarf:
        Na, ob es bewundernswert ist, sich diesen – ja, was iss das eigentlich? – Sermon reinzuziehen, sei mal dahingestellt. Sorry, aber so schmerzfrei bin ich nicht, also habe nach der ersten Folge das Lesen eingestellt.

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