
Felix flüchtet vor Jule, die Bewegung „Freunde für Freiheit und Recht in Deutschland“ stürmt den Reichstag und Jakob, der Turnschuhkanzler, sucht Unterschlupf bei Vic, die er jahrelang nicht gesehen hat.
Felix humpelt durch den Wald. Seine Fuß schmerzt noch immer. Seine Beine sind zerschunden, aber das ist ihm egal. Er spürt den Schmerz nicht. Weiter hinten hat er ein Haus gesehen. Und eine Scheune. Mit ein bisschen Glück würde er dort auf einen Menschen treffen, Einem Menschen, der ihn retten würde, ihn von hier wegbringen würde. Zurück zu seiner Mutter. Weg von dieser Irren.
Was mit der verrückten Frau passieren wird, ist ihm egal. Nachdem er ihr ins Gesicht geschlagen hat, ist sie nach hinten gekippt und ohnmächtig geworden. Er wusste, dass das seine Chance war. Und dass diese Chance nicht wiederkommen würde. Also hat er die Tür aufgemacht und ist rausgelaufen.
Der Weg zum Bauernhof ist weiter als gedacht.
Immer wieder reißt Felix seinen Kopf nach hinten und schaut, ob die Irre hinter ihm ist. Er versucht, so schnell zu laufen, wie es geht. Zum Glück schlägt sein Herz so hart, dass er nur noch das Pochen spürt und nicht die Schmerzen. Die Schmerzen am Fuß, an seinen Waden, an seinem Kopf, seinem ganzen Körper. Bloß nicht von ihr wieder gefangen werden.
Alles nur das nicht.
Als er klein war, mochte er Fangenn spielen. Er mochte es, um einen großen Baum zu laufen und dabei Fangen zu spielen. Der Schreck, wenn man den anderen überraschte oder von dem Fänger überrascht wurde.
Nie wieder würde er mehr Fangen spielen.
Er würde wahrscheinlich überhaupt nie wieder irgendwas spielen.
Aber daran denkt Felix nicht, er denkt nur an seine Füße, die ihn durch den Wald tragen, denkt an die Scheune, die da auf ihn wartet und immer näherkommt, denkt daran, dass er dort Menschen sehen wird, und dass er diesen Menschen bis ans Ende seines Lebens dankbar sein wird, wenn sie ihn nur zurück nach Hause bringen.
„Vor genau einer halben Stunden haben sich etwa hundert Anhänger einer dubiosen Vereinigung, die sich „Freunde für Freiheit und Recht in Deutschland“ nennt, vor dem Reichstag versammelt. Vermutungen zufolge planen sie, den Reichstag stürmen. Bundeskanzler Mauder hat angeordnet, den Bundestag sperren zu lassen. Im Netz kursieren sogar Gerüchte, dass er das Land verlassen hat, was der Bundespressedienst dementiert hat.“
Der Nachrichtensprecher versucht beruhigend zu klingen, aber man an ihm ansehen, dass er es nicht ist.
Das ZDF zeigt Aufnahmen von Polizisten, die versuchen, der immer größeren Menge der Demonstrierenden Halt zu gebieten, und schließlich doch zurückweichen. Dann gibt der Innenminister ein Interview. Nein, soweit sei noch nichts geschehen, sagt er. Sie seien alle aber in Habachtstellung. Nein, Jakob Mauder hat das Land nicht verlassen. Allerdings sei Gefahrenlage ernst.
Im Moment sitzt Jakob Mauder in seinem Dienstfahrzeug in der Tiefgarage des Kanzleramtes und überlegt.
Ein Autowechsel sei sinnvoll, hat ihm sein Sicherheitschef gesagt – angesichts der Gefahrenlage. Er könne ihm seines leihen. Einen weißen Toyota. Unauffällig. Beim Rausfahren solle er sich bücken.
Jakob fragt sich, womit er das verdient hat. Wo doch er, Jakob Mauder, nie etwas Unrechtes getan hat. Sondern immer an das Wohl der Menschen gedacht hat. Allein schon, um es seinem Vater heimzuzahlen. Sein Vater, der immer behauptet hatte, die Menschen könnten gar nicht anders als nur an ihr eigenes Wohl denken.
Jahrelang hat Jakob Mauders Vater alle reingelegt. Allen hatte erzählt, seine Werbefirma, würde geradezu im Geld schwimmen und die größten Kunden der Welt betreuen: Nestle, BMW, l’Oreal. you name it. Damals, als er sich Geld von der Bank geliehen hat und Steuern hinterzogen hat und sich auf die Flucht vor Gläubigern machen musste und erst in ein anderes Bundesland und schließlich nach Martinique gezogen war. Bis sie ihn dann eines Tages doch noch erwischt hatten und Jakob in die Obhut seiner Großmutter aufs Land kam.
Seine Mutter, die auf Martinique geblieben war, meldete sich jeden Freitag per Telefon, dann irgendwann nur alle paar Monate und schließlich überhaupt nicht mehr. Sie hatte ihr Leben neu aufgebaut und zwei weitere Kinder bekommen.
Im Austausch für all das Unglück hatte der liebe Gott ihm ein gutes Aussehen und ein gewinnendes Lächeln geschenkt, mit dem er sich in dem Kuhdorf seiner Großmutter rasch Freunde machen konnte.
Den Nachbarsjungen Moritz, seinen Cousin Hans, die Brüder vom Grimme-Hof und Vic. Seinen Freunden war es egal, ob sein Vater krumme Geschäfte gemacht hatte oder wo er jetzt war. Wichtig war, dass man gut im Klettern und Fußball war.
Während er sich auf dem Hintersitz sich auf die Sitzbank duckt, fragt der Sicherheitschef, ob Jakob eine „sichere Adresse“ habe.
Also eine Adresse, die niemand kennt. Irgendein alter Freund? Vielleicht aus der Studienzeit? Einfach jemand, dem er vertraut, bei dem er einfach die nächsten 24 Stunden unterkommen könne. Er würde ihm ja auch seine Wohnung in Tempelhof anbieten, aber da sei auch seine Frau mit den zwei Kindern und …
„Nein, nein, ist schon gut, danke“, unterbricht ihn Jakob.
Er denkt an Vic.
Bestimmt würde sie lachen, wenn sie ihn jetzt sehen könnte.
Gebückt auf dem Hintersitz eines schäbigen Autos, durch den Hintereingang aus dem Kanzleramt fahrend, während möglicherweise die Republik angegriffen wird.
Sie hat ihn immer gerne ausgelacht.
„Ich glaube, ich hätte da eine Idee“, sagt Jakob.
Als Jakob vor ihr steht, nickt sie nur kurz. Als hätten sie sich zuletzt erst vor ein paar Tagen gesehen.
„Hey“, sagt sie.
“Hey“, sagt Jakob.
„Ziemlich viel los bei euch zurzeit was?“, fragt sie grinsend und wirft dabei einen Blick auf die Security-Männer, die alle vor ihrer Tür stehen.
„Kann ich reinkommen?“
„Nur wenn die Gorillas draußen bleiben.“
„Natürlich“, sagt Jakob und macht eine Kopfbewegung zu seinen Sicherheitsmännern.
Vic führt Jakob in die Wohnung. In der Küche liegen auf dem Resopaltisch schwarz-weiße Fotos. Jakob blickt in die Gesichter der Menschen, die auf den Fotos abgebildet sind, Menschen, die in Gruppen stehen, Fahnen halten. Wütende Gesichter, leere Gesichter, ängstliche Gesichter.
„Was ist das?“
„Die Demo vorgestern.“
„Du warst dabei?“
„Ich bin immer dabei, wenn es irgendwo brennt.“
„Warum machst du das?“
„Was?“
„Die …“ Jakob sucht nach Worten. „Die Zerstörung dokumentieren?“
Vic grinst.
„Wieso? Bist du gekommen um mir ’nen Job als Kanzlerfotografin anzubieten?“
Jakob Mauder schüttelt den Kopf.
„Willst du eigentlich gar nicht wissen, warum ich da bin?“
„Ich nehme mal an, es hat was mit den Unruhen zu tun.“
„Es wäre nur für ein paar Stunden. Bis sich die Lage beruhigt hat.“
„Verstehe. Und da hast du sofort an mich gedacht“, sagt Vic.
Sie hat immer noch dieselbe jungenhafte Ausstrahlung wie vor 20 Jahren, denkt Jakob Mauder, dieselben schmalen Hüften, dieselben wachen Augen, ihre unbezwingbare Schlagfertigkeit. Als er sie zuletzt gesehen hat, war er gerade frisch verheiratet und hatte Vic zufällig auf der Straße getroffen. Sie hatten sich kurz umarmt, geredet und waren dann irgendwann in einem Hotel gelandet, wo sie unter weiß gebügelten Laken miteinander geschlafen hatten. Es hatte sich angefühlt wie früher. Früher, als sie gemeinsam in Hamburg waren und ein Paar waren.
Der schöne Mann und sie, der Tomboy.
Das ungleiche Paar, das das Schicksal immer wieder auseinandergebracht und wieder zueinander geführt hatte.
Wahrscheinlich einfach nur aus Spaß.
Jakob überlegt, ob er ihr von seinem Traum erzählen soll, lässt es aber.
„Ja, habe ich tatsächlich.“
Er lässt es so stehen. Ohne es weiter zu kommentieren.
Jetzt piept sein Handy. Jakob holt es heraus, runzelt kurz die Stirn und tippt etwas hinein.
„Eine SMS von Kim Jong Un?“, spottet Vic.
„Nein“, murmelt Jakob, in diesem Moment wieder ganz Staatsoberhaupt.
Als er sein Handy wieder in die Tasche steckt.
„Es geht um die Sicherung der Atomkraftwerke.“
„Verstehe,“ sagt Vic. „Fühl dich wie zu Hause.“
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Diesmal findet man eine Perle mehr in diesem Textwulst.😉
Heute gibt es ja mal einen echten cliffhänger. Bitte weiter so.
Nachdem der Sicherheitschef seltsamerweise auf kein sicheres Ersatzfahrzeug für den Turnschuhkanzler zurückgreifen, ihm dafür aber seinen ollen, immerhin tarnfarbigen und damit unauffälligen weißen Toyota anbieten kann, und weil es auch blöderweise keinen Fluchttunnel gibt und der Helikopterlandeplatz noch nicht fertig gestellt wurde, und weil die Republik zwar am Reichstag gestürmt werden soll und nicht am Bundeskanzleramt, was jetzt auch schon egal ist, kommt der Brüller:
😂
🤦
Der kurze Blick des Sicherheitschef in die Übersichtskladde der zur Verfügung stehenden Tarnwohnungen des BKA hatte nämlich ergeben, dass alle Plätze bis zum letzten restlos ausgebucht sind. Aber auch hier zeigt sich die hohe Flexibilität des Chief of Security Services, indem er sofort mögliche und unmögliche Varianten als Ersatz vorschlagen kann.
Da ein Sicherheitschef in allen Lebens- und Notlagen sehr vorsichtig sein muss, überlässt er vorsichtshalber die Auswahl seinem Schützling und fragt vorsichtshalber auch nicht nach, wer diese ominöse Vic eigentlich ist.
Vorsichtshalber stellt der vorsichtige Sicherheitschef seinem zu Schützenden noch ein halbes Dutzend vorsichtig agierende Gorillas an die Seite, damit auch niemand versucht, den Turnschuhkanzler blöd von der Seite anzuquatschen oder Verdacht schöpfen könnte, es mit einer zu schützenden wichtigen, eventuell sogar prominenten Person zu tun zu haben. Inmitten der Horde vorsichtig agierender Bodygards kann sich der Kanzler quasi inkognito bewegen. Der Turnschuhkanzler freut sich inzwischen auf seine Tombody: Auf einen netten Vic mit Vic.
Perle, well. Cliffhanger. Mmmh. Tomboy & Kim involviert. Genau! Yepp!!
Ich denke, das war’s. ‚Schaue morgen noch mal in die Kommentare… Just for Fun. Ansonsten fühle ich mich geneigt, es wie @panicman tm 1974… zu nehmen :-).
Empfehlung: personalisierter AI-Text als Persiflage… von Altlandrebell et al. Nicht, dass ich ein Freund von AI-Prosa wäre… gehöre zur Generation, die aus Geschreibsel eine Absicht herauslesen will.
Aber Zeiten ändern sich.
Wie die Politik. Endlich…: rasend schnell. (Vielleicht überholt sie sich ja gerade?)